Überschreiten der Parkzeit nach stationärer Aufnahme im Krankenhaus
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in den zwei Verwaltungsstrafsachen gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft BLÜMKE & SCHÖPPL, Fadingerstraße 24/1. OG, 4020 Linz, jeweils wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 über die Beschwerden der Beschuldigten vom gegen die zwei Straferkenntnisse des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, beide vom , GZen 1) MA67/Zahl1/2020 und 2) MA67/Zahl2/2020, zu Recht erkannt:
I) Den Beschwerden wird Folge gegeben. Die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben.
II) Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit den angefochtenen Straferkenntnissen des Magistrats der Stadt Wien, MA 67 - Parkraumüberwachung, vom , GZen 1) MA67/Zahl1/2020 und 2) MA67/Zahl2/2020, wurde der Beschwerdeführerin (Bf.) jeweils zur Last gelegt, als Lenkerin des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) dieses zu 1) am um 12:54 Uhr und zu 2) am um 18:59 Uhr (jeweils) in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1070 Wien, Döblergasse 1, abgestellt zu haben, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben, da sich im Fahrzeug der Gratis Parkschein Nr. Nr, gültig für fünfzehn Minuten mit den Entwertungen 14:21 Uhr befunden habe und demnach die Parkzeit überschritten worden sei. Die Bf. habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005 idgF iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006 idgF begangen und die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Daher wurde über die Bf. gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Zudem wurde der Bf. gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) jeweils ein Betrag von 10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
Wie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt hervorgeht, erließ die belangte Behörde zu 1) am und zu 2) am zwei Strafverfügungen gegenüber der Bf., mit welcher jeweils eine Geldstrafe iHv 60,00 Euro verhängt wurde.
Im Einspruch vom gegen die beiden Strafverfügungen vom und führte die Bf. aus: "am 12. Mai, 13. Mai und erhielt ich wegen des in der Döblergasse 1, 1070 Wien geparkten Autos mit dem Kennzeichen 123 (A) Strafverfügungen. Als ich bei Ihnen nachfragte, wurde mir mitgeteilt, daß noch folgende Zahlungsreferenzen offen seien: MA67/Zahl1/2020 mit € 60,-; MA67/Zahl3/2020 mit € 78,-; MA67/Zahl2/2020 mit € 60,-. Da ich bereits am ins Krankenhaus gebracht wurde, bitte ich Sie, von den Strafverfügungen abzusehen."
Am wurden von der belangten Behörde die beschwerdegegenständlichen Straferkenntnisse mit den Geschäftszahlen 1) MA67/Zahl1/2020 und 2) MA67/Zahl2/2020, erlassen. Begründend führte die belangte Behörde jeweils zusammengefasst aus, dass die Lenkereigenschaft der Bf. sowie das Abstellen des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt und an der Örtlichkeit unbestritten geblieben sei. Die Behörde ging davon aus, dass das Fahrzeug an mehreren Folgetagen an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt geblieben sei. In objektiver Hinsicht wurde die angelastete Übertretung als erwiesen angesehen. Auch die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit sah die Behörde als gegeben an. Auf den Einwand, dass die Bf. am ins Krankenhaus gebracht worden sei, wurde in den Bescheidbegründungen nicht eingegangen.
In den gegen diese Straferkenntnisse mit Schriftsatz vom erhobenen Beschwerden wurde von der Rechtsvertretung der Bf. gleichlautend das Folgende vorgebracht:
"Bescheidbeschwerde gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 67) vom zu GZ 1) MA67/Zahl1/2020und 2) MA67/MA67/Zahl2/2020, zugestellt am , gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich (Art 7 B-VG, Art 6 Abs. 2 und Art 3 MRK) und einfachgesetzlich (§ 3 VStG) gewährleisteten Rechtes auf Einhaltung des strafrechtlichen Schuldprinzips an das Verwaltungsgericht der Stadt Wien, mit der der bekämpfte Bescheid binnen offener Frist angefochten wird.
II.1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin leidet an einer bipolar affektiven Störung mit psychotischen Symptomen. Aufgrund dieser Erkrankung bestehen bei der Beschwerdeführerin ,deutlich desorganisiertes Verhalten sowie ausgeprägte formale und inhaltliche Denkstörungen mit über weite Strecken nicht nachvollziehbaren Gedankeninhalten, inhaltlich wahnhaft mit fehlendem Realitätsbezug.' Dies wurde durch das Gutachten der Sachverständigen SV (Beilage./A) nachweislich festgestellt. Es wurde bereits ein vorläufiger Erwachsenenvertreter bestellt und läuft aktuell ein Verfahren zur Bestellung eines dauerhaften Erwachsenenvertreters.
Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer Krankheit nicht geschäftsfähig. Der Kaufvertrag, mit welchem die Beschwerdeführerin das gegenständliche Fahrzeug am erwarb und die Anmeldung desselben bei der Pflichthaftversicherung sind aufgrund dieser mangelnden Geschäftsfähigkeit nichtig.
Der Verkäufer des gegenständlichen Fahrzeuges wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin bereits zur Rückerstattung des Kaufpreises gegen Rückstellung des Fahrzeuges aufgefordert (Beilage./B).
Festzuhalten ist daher, dass die Beschwerdeführerin weder Eigentümerin noch Besitzerin oder Halterin des gegenständlichen Fahrzeuges ist.
Ob das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt am Tatort stand ist für die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht nachvollziehbar. Jedenfalls hat es dort nicht die Beschwerdeführerin abgestellt. Außer der bloßen Vermutung der belangten Behörde, es müsse sich bei der Beschwerdeführerin um die Lenkerin handeln, da sie Zulassungsbesitzerin sei, liegen keine Anhaltspunkte oder gar Beweise für diese Vermutung vor.
II.2. Rechtswidrigkeit
Gemäß § 5 Abs. 2 der Parkoıneterabgabenverordnung ist ,zur Entrichtung der Abgabe der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten.'
Die Beschwerdeführerin ist wie oben dargestellt weder Besitzerin noch (rechtswirksam) Zulassungsbesitzerin oder Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges. Die Beschwerdeführerin hat die dargestellte Tat sohin nicht begangen.
Gemäß § 3 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Selbst wenn die Beschwerdeführerin die Tat begangen haben sollte, so wäre das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht strafbar, da sie im angeblichen Tatzeitpunkt nachweislich bereits an der oben dargestellten geistigen Erkrankung erkrankt und folglich nicht zurechnungsfähig im Sinne des § 3 VStG war.
II.3. Beschwerdegründe
Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich (Art 7 B-VG, Art 6 Abs. 2 und Art 3 MRK) und einfachgesetzlich (§ 3 VStG) gewährleisteten Recht auf Einhaltung des strafrechtlichen Schuldprinzips verletzt.
II.4. Antrag
Die Beschwerdeführerin stellt sohin den Antrag, das Verwaltungsgericht der Stadt Wien mögegemäß § 50 VwGVG den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verfahren einstellen."
Den Beschwerden war beigelegt:
Beilage./A: Psychiatrisches Gutachten der Sachverständigen SV vom , adressiert an das Bezirksgericht Fünfhaus, Gasgasse 1-7, 1150 Wien, betreffend die Bf. mit folgendem Inhalt:
"I. Fragestellungen
Auftragsgemäß wird in der Unterbringungssache ein Gutachten zu folgenden Fragen erstellt:
1. Leidet die Kranke an einer psychiatrischen Krankheit und gefährdet die Untergebrachte im Zusammenhang damit das eigene Leben oder die Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer erheblich?
2. Kann die Kranke aus medizinischer Sicht in anderer Weise als durch Unterbringung in einem geschlossenen Bereich oder sonst durch Beschränkung in der Bewegungsfreiheit, insbesondere außerhalb der Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden?
Das Gutachten stützt sich auf die Einsicht in die Krankengeschichte sowie die persönliche psychiatrische Untersuchung von Fr. Bf. am im Psychiatrischen KH ***1***.
II. Aktenstudium
Zur aktuellen Aufnahme vom :
Die ho. vorbekannte Patientin kommt mit Rettung und Polizei mit Handfesseln an die ho. Abteilung. Lt. Polizei dürfte die Patientin aus ihrem Auto Passanten angeschrien bedroht und beleidigt haben. Eventuell sei sie auf Passanten mit ihrem Fahrzeug zugefahren.
Aufnahmediagnose:
Bipolar affektive Störung, gegenwärtig manische Episode mit psychotischen Symptomen.
Ärztliches Zeugnis zur Unterbringung vom :
Diagnose: Bipolar affektive Störung, gegenwärtig manisch mit psychotischen Symptomen
Befund: Patientin mit bekannter bipolar effektiver Störung hat auf der Straße Passanten beschimpft, bedroht, in die Flucht gejagt, hat die hinzugezogene Polizei attackiert. Ho. manisch, deutlich angetrieben, psychomotorisch unruhig, skurriles Verhalten, zieht sich vor Personal komplett aus. Im Gespräch schwer erreichbar, Kritikfähigkeit vermindert, weitschweifig, Duktus nicht nachvollziehbar, Größenideen, fehlender Realitätsbezug, Wahnideen.
Bisheriger Verlauf des stationären Aufenthaltes
Ärztlicher Dekurs:
: Patientin sehr dysphor, vorwürflich, möchte einem Bekannten Wohnungsschlüssel geben, damit dieser den Hasen versorgt. Sie vertraue diesem Menschen, er sei der Einzige dem sie derzeit vertraue.
Pflegedekurs:
: Patientin zeigt sich weiterhin distanzlos, provokant, dysphor und abwertend. Medikationseinnahme nach Aufforderung jedoch hinterfragend. Telefoniert dreimal dabei weitschweifig und unzusammenhängend.
17./: Patientin verbringt den Abend ruhig, ist meist für sich, im Kurzkontakt weiter entwertend und anklagend. Zieht sich nach der Medikationseinnahme in ihr Bett zurück und schläft nach kurzer Motivation beiKontrollen mit einer Unterbrechung um 4 Uhr 10.
Laufende psychotrope Medikation am Untersuchungstag:
Depakine chrono retard 500mg 1-0-0-1; Seroquel 200mg Tabletten 1-0-1-1; Gewacalm Ampullen 10mg in physiologischer Kochsalzlösung 2-1-1-2.
III. Psychiatrische Untersuchung von Fr. ***Bf1*** am
Die Untersuchung erfolgt im Psychiatrischen KH ***1***. Ich stelle mich Fr. ***Bf1*** vor und erkläre den Grund meines Kommens.
Exploration
Frau ***Bf1*** möchte zunächst meinen Ausweis sehen. Sie sagt gleich sie möchte ihre Wut nicht hinunterschlucken, wo sie anfangen solle, bei ihrer Geburt. Als ich meine, dass sie zunächst über ihre Aufnahme ho. sprechen solle sagt sie, am sei sie herumgelaufen wie eine Frau die sich die Seele aus dem Leib schreit, weil sie eine Bürgerin sei. Der damalige Außenminister Sebastian Kurz war zugegen im Haus ihrer Mutter, nachdem ihr Vater verstorben sei, er habe einen Obstkorb gebracht. Aber sie könnte noch etwas weiter zurückgehen, 2012 ging ihr Vater in Pension, damals sei diese CD aufgenommen worden, da wollten sie wissen wie viele Kinder er habe. Gefragt nach der früheren psychiatrischen Betreuung meint sie ihre behandelnde Ärztin habe selber 3 Tage hindurch nicht schlafen können und habe keine Medikamente genommen. Daraufhin habe sie kein Vertrauen mehr in sie gehabt. Ihre Schwester sei die Drittgeborene, sie sei immer eifersüchtig auf sie gewesen weil sie das Lieblingskind ihres Vaters gewesen sei. Diese Schwester wollte ihr eine Erwachsenenvertretung antun. Sie sagt sie möchte etwas los werden, sie habe sich in einen Menschen verliebt oder gedacht sie habe sich in ihn verliebt weil dieser Adern wie Abraham gehabt habe. Auf meine Frage wie es ihr hier gehe gibt sie an, dass sie hier zufrieden sei, es sei hier viel schöner als bei ihr zu Hause im Bezirk.
Psychopathologischer Status
Die Patientin ist wach, bewusstseinsklar, örtlich orientiert, persönlich teilorientiert, der Gedankenduktus ist sprunghaft, das Denkziel nicht erreichend, oft nicht nachvollziehbar, inhaltlich verworfen, wahnhaft mit fehlendem Realitätsbezug. Die Stimmung wechselnd, labil, der Affekt labil, die Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen etwas eingeschränkt, keine Selbstmordgedanken explorierbar, keine produktive Symptomatik explorierbar. Anhand des Pflegedekurses in letzter Zeit keine Biorhythmusstörungen im Sinne von Schlafstörungen.
Psychiatrische Diagnose:
Bipolar affektive Störung, gegenwärtig gemischt mit psychotischen Symptomen.
IV. Befund und Gutachten
1. Zur Frage nach der Krankheit:
Bei Frau ***Bf1*** besteht eine bipolar affektive Störung, gegenwärtig gemischt mit psychotischen Symptomen.
2. Zur Frage nach der ausreichend unmittelbaren ernstlichen und erheblichen Gefährdung und wenn, ob sich diese gegen eigene Gesundheit und Leben und/oder auch gegen das Anderer richtet:
Aufgrund ihrer Erkrankung bestehen bei Frau ***Bf1*** ein deutlich desorganisiertes Verhalten sowie ausgeprägte formale und inhaltliche Denkstörungen mit über weite Strecken nicht nachvollziehbaren Gedankeninhalten, inhaltlich wahnhaft mit fehlendem Realitätsbezug. Frau ***Bf1*** ist derzeit ernstlich und erheblich selbstgefährdend.
3. Zur Frage nach einer alternativen Behandlungsmöglichkeit ohne den Schutz, den das Unterbringungsgesetz bietet:
Derzeit besteht keine alternative Behandlungsmöglichkeit außerhalb des Schutzes, den das Unterbringungsgesetz bietet.
Beilage./B: Aufforderungsschreiben von der Rechtsvertretung der Bf. zur Rückerstattung des Kaufpreises gegen Rückstellung des gegenständlichen Fahrzeuges:
"Einschreiben
Firma Ges.m.b.H., zH Herrn Herr, AdrFirma;
Kaufvertrag vom ;
Sehr geehrter Herr Herr!
In obiger Angelegenheit teile ich mit, dass uns Frau ***Bf1*** mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt hat. Namens und Auftrags unserer Mandantin dürfen wir Stellung nehmen wie folgt:
Unsere Mandantin leidet an einer psychischen Erkrankung. Aufgrund der Art der Krankheit von Frau ***Bf1*** ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass unsere Mandantin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht geschäftsfähig war und der genannte Vertrag daher nichtig ist. Aus selbigem Grund ist auch die von unserer Mandantin an Sie erteilte Vollmacht (u.a. zum Zwecke der Anmeldung des PKW) nichtig. Meiner Kanzlei liegen auch die entsprechenden medizinischen Nachweise vor, wonach meine Mandantin zum besagten Zeitpunkt nicht geschäftsfähig war.
Neben einem PKW (Typ) um EUR 8.912,00 wurden unserer Mandantin Ihrerseits auch diverse Porzellansets um circa EUR 1.000,00, ein elektronischer Massagesessel, zwei iPhones, zwei Mobiltelefone der Marke ,Vertu', ein iPad sowie eine Uhr verkauft. Auch im Hinblick auf diese Gegenstände handelt es sich jeweils um absolut nichtige Rechtsgeschäfte.
Wir fordern Sie daher namens und auftrags unserer Mandantin dazu auf, den Kaufpreis für den vertragsgegenständlichen PKW, die geleisteten Zahlungen für die oben genannten Gegenstände sowie die Kosten unseres Einschreitens im Ausmaß von EUR 1.699,68 (inkl. EUR 283,28 USt) binnen 14 Tagen an unser Kanzlei-Anderkonto bei der Bank (IBAN: IBAN) zur Anweisung zu bringen.
Nach vollständiger Rückerstattung des Kaufpreises wird unsere Mandantin die bei ihr befindlichen Gegenstände an Sie aushändigen.
Für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung dürfen wir darauf hinweisen, dass uns unsere Mandantin mit der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rückforderungsansprüche beauftragt hat. Darüber hinaus teilen wir mit, dass sich unsere Mandantin für den Fall der Nichtentsprechung sämtliche darüber hinausgehenden rechtlichen Schritte vorbehält.
Ich ersuche Sie um Kenntnisnahme und Entsprechung und verbleibe …"
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Es ist erwiesen, dass das gegenständliche Fahrzeug am um 12:54 Uhr und am um 18:59 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1070 Wien, Döblergasse 1, ohne eine Kennzeichnung mit einem für den jeweiligen Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein abgestellt war, da sich im Fahrzeug der 15-Minuten-Gratisparkschein mit der Nummer Nr mit der Entwertung 14:21 Uhr befand. Die Bf hat in ihrem Einspruch vom gegen die Strafverfügungen nicht bestritten, ihr Kraftfahrzeug an dieser Örtlichkeit abgestellt zu haben. Aus dem Psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen SV vom ergibt sich aus der Darstellung des Geschehensablaufes, dass die Bf. ihr Fahrzeug in Verwendung hatte. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Bf. selbst das gegenständliche Fahrzeug am in der Kurzparkzone abgestellt hat.
Die gebührenpflichtige Kurzparkzone gilt am Abstellort von Montag bis Freitag (werktags) von 9 bis 22 Uhr, maximale Parkdauer 2 Stunden.
Es ist erwiesen, dass sich die Bf. von bis (zumindest) in stationärer Behandlung im Psychiatrischen Krankenhaus befand. Gemäß vorgenannten Psychiatrischen Gutachten wurde die Bf. am mit Rettung und Polizei (mit Handfesseln) in das Psychiatrische Krankenhaus eingeliefert.
Die Psychiatrische Diagnose vom lautet: ,Bipolar affektive Störung, gegenwärtig gemischt mit psychotischen Symptomen'. Festgestellt wird bei der Bf. auch ein deutlich desorganisiertes Verhalten sowie ausgeprägte formale und inhaltliche Denkstörungen mit über weite Strecken nicht nachvollziehbaren Gedankeninhalten, inhaltlich wahnhaft mit fehlendem Realitätsbezug. Aus dem Gutachten ergibt sich weiters, dass die Bf ab der Aufnahme bis jedenfalls stationär im Krankenhaus behandelt wurde und keine alternative Behandlungsmöglichkeit außerhalb des Schutzes bestand, den das Unterbringungsgesetz bietet.
Rechtslage:
Gemäß § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) eine Abgabe zu entrichten.
Gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung sind zur Entrichtung der Abgabe der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.
In § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 ist angeordnet, dass Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen sind.
Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.
§ 6 VStG regelt den entschuldigenden Notstand nicht, sondern setzt diesen voraus. Eine Notstandssituation erfordert - so wie beim rechtfertigenden Notstand - das Vorliegen eines unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteils für ein Rechtsgut. Gemäß § 10 StGB ist der Täter diesfalls entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den die Tat abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Die genannten Kriterien gelten grundsätzlich auch im VStG.
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gehört es zum Wesen des Notstandes, dass der Beschuldigte einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen ausgesetzt ist und diese Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden kann (vgl. zB ).
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist streng und lässt eine Entschuldigung kraft Notstands nur in Ausnahmefällen zu, insbesondere bei akuten Erkrankungen. So etwa, wenn (und soweit) der Täter einer mit Bescheid verfügten Ausweisung wegen akuter Erkrankung nicht entsprechen kann (vgl. ).
Rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes:
Da die Bf. das gegenständliche Fahrzeug am Tatort (in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone) vor dem ersten Beanstandungszeitpunkt am , 12:54 Uhr abgestellt hatte und im Fahrzeug ein 15-Minuten-Gratisparkschein (Nummer Nr) mit den Entwertungen 14:21 Uhr hinterlegt war, ist die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der ihr mit den angefochtenen Straferkenntnissen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen zweifelsfrei gegeben.
Die Ereignisse, die zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Verkürzung der Parkometerabgabe geführt haben, wurden von der Bf. schlüssig und nachvollziehbar mit dem oben angeführten Gutachten der Sachverständigen SV vom , adressiert an das Bezirksgericht Fünfhaus, dargelegt. Durch das genannte Gutachten ist belegt, dass die Bf. vom bis (zumindest) im Psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt wurde.
In Anbetracht der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist zu beurteilen, ob ein entschuldigender Notstand iSd § 6 VStG vorliegt.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bf. krankheitsbedingt nicht in der Lage war, das Fahrzeug persönlich aus der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1070 Wien, Döblergasse 1, zu bewegen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob es der Bf. möglich gewesen wäre, eine andere Person mit der Entfernung ihres Fahrzeuges vom Tatort zu beauftragen, ist erneut das Gutachten der Sachverständigen vom heranzuziehen, wobei unter IV. Befund und Gutachten, 2. festgestellt wird "Aufgrund ihrer Erkrankung bestehen bei Frau ***Bf1*** ein deutlich desorganisiertes Verhalten sowie ausgeprägte formale und inhaltliche Denkstörungen mit über weite Strecken nicht nachvollziehbaren Gedankeninhalten, inhaltlich wahnhaft mit fehlendem Realitätsbezug".
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass es der Bf. nach ihrer Aufnahme im Krankenhaus nicht möglich war, eine geeignete Person zu organisieren, die mit dem gegenständlichen Fahrzeug aus der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1070 Wien, Döblergasse 1, hätte wegfahren können.
Die Abwägung der Umstände führt zur Überzeugung, dass vom Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes iSd § 6 VStG auszugehen ist.
Somit ergibt die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes, dass in beiden Fällen der subjektive Tatbestand der Verkürzung der Parkometerabgabe nicht verwirklicht wurde, weil der Bf. kein Verschulden zugerechnet werden kann.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 6 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500647.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at