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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2020, RV/1200023/2020

Zurücknahmefiktion bei unberechtigtem Mängelbehebungsauftrag

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch [...], [...], über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom , Zahl ***2***, betreffend Zurücknahme einer Beschwerde nach § 85 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Sammelbescheid vom setzte das Zollamt Verzugszinsen gemäß Art. 114 Abs. 1 UZK in Höhe von insgesamt € 402,79 für näher bezeichnete Abgabenschuldigkeiten fest.

Mit Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen den Rechtsbehelf der Beschwerde und brachte begründend vor, dass der dem Verzugszinsenbescheid zu Grunde liegende Abgabenbescheid vom , Zahl [...], rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. Die Erhebung von Verzugszinsen verstoße gegen § 230 Abs. 6 iVm § 212a Abs. 9 BAO. Verzugszinsen seien eine Form von Einbringungsmaßnahmen, die während eines laufenden Aussetzungsverfahrens unzulässig seien. Entgegen der Ansicht des BMF, der das Zollamt folge, gelte die Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO auch im Rahmen des europäischen Zollrechts. Außerdem liege ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtschutzes vor. Aussetzungszinsen seien nach § 212a Abs. 9 BAO erst dann geschuldet, wenn über den Rechtsstreit entschieden worden sei. Die Rechtsmittelführerin dürfe bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels nicht mit den finanziellen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet werden. Daraus folge, dass Aussetzungs-zinsen erst dann eingehoben werden dürften, wenn der Rechtsstreit rechtskräftig (zugunsten der Behörde) entschieden worden sei.

Das Zollamt erließ unter Zahl ***1*** am unter Setzung einer zweiwöchigen Frist einen Mängelbehebungsauftrag, weil die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde und die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, fehlen würden. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichteinhaltung der Frist die Eingabe als zurückgezogen gelte.

Da die Frist ungenützt verstrich, erklärte das Zollamt mit Bescheid vom , Zahl [...], die Beschwerde vom als zurückgenommen.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Begründend wurde auf einen Schriftsatz vom verwiesen.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl [...], zurück. Der Schriftsatz enthalte keine Erklärung über den Umfang der Anfechtung und keinen Beschwerdeantrag. Dem einschreitenden rechtskundigen Vertreter seien die inhaltlichen Erfordernisse einer Beschwerde - hier insbesondere die Erklärungen gemäß § 250 Abs. 1 lit. b und lit. c BAO - aus vorangegangenen Verfahren bekannt gewesen. Dennoch habe er es unterlassen, solche Erklärungen abzugeben. Aus diesem Grund habe auch kein Mängelbehebungsauftrag zu ergehen gehabt, sondern es würde sich die Beschwerde als nicht einlassungsfähig erweisen und sei daher zurückzuweisen gewesen.

Dagegen wurde mit Eingabe vom (irrtümlicherweise mit datiert) der Vorlageantrag gestellt. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass entgegen der Ansicht des Zollamtes aus dem Schriftsatz vom klar und verständlich hervorgehe, dass die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde die Aufhebung des rechtswidrigen Bescheides über die Festsetzung von Verzugszinsen vom begehrt habe. Die Beschwerde sei eine Willenserklärung, die auslegungsbedürftig sei. Was sonst solle man mit einer Beschwerde gegen einen Abgabenbescheid erreichen wollen. Daher sei der Bescheid vom , Zahl ***2***, ohne Rechtsgrundlage ergangen und daher aufzuheben.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Eingabe vom 22. Sep-tember 2020 zurückgenommen.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin auf den Beschwerdemangel der fehlenden Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO) zu beheben. Dem in der Beschwerde angeführten Schriftsatz vom - soweit es sich dabei um die Beschwerde und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem parallel geführten Verfahren handle - könne keine Begründung für den hier angefochtenen Zurücknahmebescheid entnommen werden.

Mit Eingabe vom wurde der Mangel unter Nachreichung einer Begründung behoben. Die Beschwerde habe die Inhaltserfordernisse nach § 250 BAO erfüllt. Es habe kein Zweifel bestehen können, worauf die Beschwerde abziele und in welchem Umfang der angefochtene Bescheid bekämpft worden sei. Es sei mit der Lehre und der Rechtsprechung davon auszugehen, dass bei Bescheiden wie dem hier angefochtenen die Anforderungen nach § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO inhaltsleer seien, weil hier die Anfechtung nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheides bezwecken könne. Es könnten somit nicht mehrere Beschwerdepunkte gegeben sein bzw. komme eine Änderung solcher Bescheide nicht in Betracht. Die Erklärung, dass die Beschwerde als zurückgenommen gelte, sei daher zu Unrecht erfolgt.

Beim Verweis auf den Schriftsatz vom handle es sich um einen Schreibfehler. Der Verweis hätte sich richtigerweise auf den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom (Vorlageantrag), der die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt, Zahl ***3***, betrifft, beziehen sollen. Inhaltlich ergebe sich dadurch allerdings keine Abweichung. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei rechtswidrig, weil der Beschwerdeführerin kein die Abgabenpflicht auslösender Sachverhalt nachgewiesen worden sei. Folglich sei auch die Vorschreibung von Verzugszinsen rechtswidrig.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Män-gel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt, werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO hat eine Beschwerde
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet,
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird,
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und
d) eine Begründung zu enthalten.

Die Angabe der Beschwerdepunkte grenzt den Bereich ab, über den in der meritorischen Erledigung der Beschwerde jedenfalls abzusprechen ist. Dem Inhaltserfordernis des § 250 Abs. 1 lit. b wird zB ausreichend entsprochen, wenn der Bescheid "in seinem gesamten Umfang" angefochten wird (vgl. Ritz, BAO6, § 250 Tz 8, 10).

Dem Schriftsatz der Beschwerde vom ist zu entnehmen, dass die angefochtenen Bescheide über die Festsetzung von Verzugszinsen in sechs Fällen (insgesamt) als rechtswidrig angesehen wird. Die Anfechtung kann demnach nur auf die Aufhebung der Bescheide gerichtet sein. Der Beschwerdepunkt ist somit erkennbar.

Damit ist der Beschwerde aber auch hinreichend zu entnehmen, welche Änderungen beantragt werden. Die Beschwerde zielt auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem gesamten Umfang ab.

Der Mängelbehebungsauftrag des Zollamtes vom erweist sich daher als nicht berechtigt. Einem nicht berechtigten Mängelbehebungsauftrag kommt aber die Zurücknahmefiktion des § 85 BAO nicht zu. Das Erkenntnis des , spricht dem entsprechend auch von einem berechtigten Mängelbehebungsauftrag, bei dem im Falle der Nichtentsprechung auszusprechen ist, dass die Eingabe als zurückgenommen gilt.

Der angefochtene Bescheid vom , Zahl ***2***, mit dem ausgesprochen wird, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Verzugszinsen gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte, erweist sich somit als rechtswidrig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Im Beschwerdefall war darüberhinaus keine Rechtsfrage zu lösen, die über den Einzelfall hinaus Relevanz zu entfalten vermag. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1200023.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at