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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.11.2020, RV/7103917/2020

Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***5*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, St.Nr. 12-***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Erklärung und abweichende Veranlagung:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) beantragte bei der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 die Berücksichtigung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 betreffend ihren Sohn ***1***, geb. ***2***. Dies in Zusammenhang mit der Absolvierung des Bachelorstudienganges aus Physiotherapie auf der FH-***3***, durch deren Sohn ***1***, da insbesondere aufgrund der strengen Zugangsbeschränkungen eine Absolvierung dieser Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes in Wien nicht möglich sei.

Im Zuge der Veranlagung der Bf. zur Einkommensteuer 2017 wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als das Finanzamt den Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht gewährte, da eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit im Einzugsbereich des Wohnortes in Wien bestehe.

2. Beschwerde vom :

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom erhob die Bf. mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte eine erneute Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988.

Die Beschwerde wurde damit begründet, dass bei der Arbeitnehmerveranlagung 2017 das Studium ihres Sohnes ***1*** in ***3***, aus Physiotherapie welches mehr als 80 km vom Hauptwohnsitz entfernt liege, nicht berücksichtigt worden sei.

3. Beschwerdevorentscheidung vom :

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bestehe.

Zu den Voraussetzungen für den Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gehöre es nicht, dass sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Die Prüfung beschränke sich in diesem Punkt auf den in § 34 Abs. 8 EStG 1988 verselbständigten Teilaspekt des Fehlens einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" im Einzugsbereich des Wohnortes, ohne dass das Erfordernis einer daraus resultierenden rechtlichen oder sittlichen Pflicht zur Finanzierung der auswärtigen Ausbildung gesondert zu prüfen wäre (vgl. Zl. 2012/13/0076).

Mehraufwendungen, die durch einen auswärtigen Schulbesuch oder durch ein auswärtiges Studium entstanden seien, gelten dann nicht als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988, wenn dieser Schulbesuch oder dieses Studium bei gleichen Bildungschancen und gleichen Berufsaussichten auch an einer im Wohnort oder im Nahebereich des Wohnortes gelegenen Schule oder Universität absolviert werden könne.

Da der Bachelor für Physiotherapie auch am FH Campus in Wien absolviert werden könne, sei die Beschwerde abzuweisen.

4. Vorlageantrag vom :

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Ergänzend wurde ausgeführt, ihr Sohn ***1***, geb. ***2***, besuche seit September 2016 die Fachhochschule für Physiotherapie in ***3***, ***4***.

Der Grund, warum er die Ausbildung in ***3*** mache, ist, dass er in Wien aufgrund der strengen Zugangsbeschränkungen abgelehnt worden sei. Da die Fachhochschule nicht mehr im Einzugsbereich des Wohnortes liege (It. Pendlerrechner betrage die Fahrzeit 103 Minuten), stehe der Bf. das Pauschale von EUR 110,00 pro Monat für auswärtige Berufsausbildung zu.

5. Vorlagebericht vom :

Nach den weiteren Ausführungen im Vorlagebericht vom sei bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden, dass das Studium an der FH Campus Wien aufgrund von Studienbeschränkungen nicht möglich gewesen sei.

Zudem wäre darüber hinaus noch nachzuweisen, dass die, durch die auswärtige Berufsausbildung des Sohnes verursachten, höheren Fahrtkosten, von der Bf. getragen werden (vgl. Peyerl in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 34, Rz. 83) zu erbringen. Aus derzeitiger Sicht müsse dementsprechend die Abweisung der Beschwerde beantragt werden.

Sollten die oben angeführten Nachweise allerdings im Laufe des BFG-Verfahrens vorgelegt werden, spreche nach Ansicht der ho. Behörde nichts gegen eine Stattgabe der Beschwerde.

6. weitere Eingabe vom :

Mit weiterer Eingabe vom wird hinsichtlich der strengen Zugangsbeschränkungen zum Bachelorstudiengang aus Physiotherapie an der FH Campus Wien festgehalten, dass der Sohn der Bf. an dem Aufnahmeverfahren, welches aus 2 Phasen bestanden habe, teilgenommen habe. Aufgrund der begrenzten Aufnahmezahl an StudentInnen sei er jedoch nicht aufgenommen worden.

Aus der in diesem Zusammenhang übermittelten Absagebestätigung der FH Campus Wien vom ergebe sich, dass der Sohn der Bf. nach erfolgreicher positiver Absolvierung des schriftlichen Aufnahmetests (Phase 1) zu einem praktischen Eignungstest und einem Bewerbungsgespräch (Phase 2) geladen und nach der Testphase 2 - praktischer Eignungstest und Bewerbungsgespräch - aus dem Verfahren ausgeschieden sei. Von ca. 1.350 Personen, die sich jährlich bewerben, würden nur 115 Bewerber einen Ausbildungsplatz erhalten. Der Aufnahmetest finde nur einmal im Jahr statt und sei für jedes Studienjahr neu zu absolvieren.

Für den Sohn der Bf. sei ein Zimmer in einem Studentenheim gemietet worden, der Nachweis (Benützungsvertrag) für die Unterkunft werde dieser Eingabe beigelegt. Weiters werden Bankbelege für den Dauerauftrag der Zahlung des Studentenheimes beigelegt.

Die Zurverfügungstellung eines Heimplatzes für das Studentenheim in ***3***, ***6***, werde durch den für den Zeitraum bis abgeschlossenen Benützungsvertrag vom dokumentiert. Die regelmäßigen monatlichen Zahlungen iHv EUR 300,00 werden durch die vorgelegten Kontoauszüge in Kopie dokumentiert.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. beantragt die Berücksichtigung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung ihres Sohnes ***1*** iZm der Absolvierung des Bachelorstudienganges aus Physiotherapie auf der FH ***3*** als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988. Dies insbesondere, da dem Sohn der Bf. aufgrund der strengen Zugangsbeschränkungen auf der FH Campus Wien, wo von jährlich ca. 1.350 BewerberInnen nur 115 jährlich einen Ausbildungsplatz erhalten, im Einzugsbereich seines Wohnortes die Absolvierung des Studienlehrganges aus Physiotherapie verwehrt sei.

2. Beweiswürdigung

Der dieser Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Finanzamtes, dem dazu erstatteten Parteienvorbringen sowie aus den im weiteren Ermittlungsverfahren des Bundesfinanzgerichts nachgereichten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob der Bf. der Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu gewähren ist, wenn die Berufsausbildung des Kindes der in Wien wohnhaften Bf. nur deswegen in ***3*** erfolgt, da das Kind aufgrund der strengen Zugangsbeschränkungen in Wien abgelehnt worden sei.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 zweiter Teilstrich können Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8 ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl 624/1995 idgF, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Nach§ 2 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. 624/1995 idgF, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl Nr. 305/1993, zeitlich noch zumutbar ist.

Sowohl nach der Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl 624/1995 idgF, als auch nach den Verordnungen zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 ist der Nachweis zulässig, dass trotz Nennung in einer Verordnung zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 die Fahrzeit länger als eine Stunde beträgt.

Ist der jeweilige Ort bzw. die jeweilige Gemeinde in diesen Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl. I Nr. 50/2016 nicht ausdrücklich angeführt, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 idgF, dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde bei Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt.

Darüber hinaus ist der Pauschbetrag nicht schon aufgrund der auswärtigen Berufsausbildung eines Kindes zu gewähren. Es müssen durch die Ausbildung auch Mehraufwendungen entstehen, die allerdings nicht ziffernmäßig nachzuweisen sind (vgl. VwGH14.1.2003, Zl. 97/14/0055; , Zl. 98/15/0100). Insbesondere soll der Pauschbetrag Unterbringungs- und höhere Fahrtkosten abdecken (vgl. Zl. 2003/15/0058), aber auch Mehraufwendungen, weil die Teilnahme an Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist (vgl. Zl. 2000/13/0075).

Der Freibetrag steht weiters auch dann zu, wenn ein Zugang im Einzugsbereich zB infolge besonderer Beschränkungen oder strenger Auswahlverfahren nicht möglich ist (vgl. Zl. 98/13/0167 (Besuch Reinhardt-Seminar); GZ. RV/0574-G/07 (Humanmedizin) bzw. wenn sich die Zulassung zu einer Ausbildungsstätte am Wohnort nicht rechtzeitig erwirken lässt, eine Ausbildungsmöglichkeit aber an einer auswärtigen Ausbildungsstätte besteht (vgl. Zl. 2009/13/0026).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der mit datierten Bestätigung der FH Campus Wien, dass der Sohn der Bf., ***1***, nach erfolgreicher positiver Absolvierung des schriftlichen Aufnahmetests (Phase 1) zu einem praktischen Eignungstest und einem Bewerbungsgespräch (Phase 2) geladen und nach der Testphase 2 - praktischer Eignungstest und Bewerbungsgespräch - aus dem Aufnahmeverfahren ausgeschieden war. Dies insbesondere, als von ca. 1.350 Personen, die sich jährlich bewerben, lediglich 115 BewerberInnen einen Ausbildungsplatz erhalten. Der Aufnahmetest findet nur einmal im Jahr statt und ist für jedes Studienjahr neu zu absolvieren.

Darüber hinaus werden die getätigten Mehraufwendungen der Bf. iZm der auswärtigen Berufsausbildung des Kindes durch die Tragung der Kosten für das Studentenheim in ***3***, ***6***, für den Zeitraum bis dokumentiert. Die regelmäßigen monatlichen Zahlungen iHv EUR 300,00 für den Heimplatz ergeben sich aus den vorgelegten Kontoauszüge in Kopie.

Der Beschwerde wird hinsichtlich der für das Jahr 2017 beantragten Berücksichtigung von Pauschbeträgen für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 Folge gegeben und diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, als diese Entscheidung in der Frage der Berücksichtigung von Pauschbeträgen für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern an einer auswärtigen Ausbildungsstätte bei strengen Zulassungsbeschränkungen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. ; , 2009/13/0026).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at