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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.08.2020, RV/2101063/2018

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH, Biberstraße 5, 1010 Wien, über den Antrag vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308 BAO) zum Verfahren RV/2101777/2016 (Vorsteuererstattung 01/2013 bis 06/2015, Beschluss vom ) Steuernummer ***BF1StNr1***, (BV-***1***), beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Das Verfahren zu RV/2101777/2016 wurde mit mit Zurückweisung der Beschwerde und des Vorlageantrages wegen Verspätung erledigt.

Gegen diesen Beschluss wurde seitens der Antragstellerin Beschwerde vom beim VfGH eingebracht, mit Eventualantrag auf Abtretung an den VwGH gem. Art. 144 Abs. 3 B-VG. Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 3416/2018, ab und wurde die Beschwerde an den VwGH abgetreten.

Der VwGH hob mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0026, den angefochtenen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und ist über die Vorsteuererstattung 01/2013 bis 06/2015 im fortgesetzten Verfahren vom BFG wiederum zu entscheiden.

Mit brachte die Antragstellerin ebenso aus anwaltlicher Vorsicht den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO beim BFG ein.

Die Antragstellerin (ein Transportunternehmen mit Sitz in Litauen) hatte einen an sie in Litauen nachweislich zugestellten Vorhalt zur Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerde und ihres Vorlageantrages im Verfahren RV/2101777/2016 innerhalb der vom BFG gesetzten Frist nicht beantwortet.

Gegen diese Säumnis der im Vorhalt des gesetzten Frist bis zum zur Äußerung wird im gegenständlichen Verfahren aus Gründen advokatorischer Vorsicht Wiedereinsetzung seitens der Beschwerdeführerin (BF) begehrt.

Zu diesem Antrag wird seitens der steuerlichen Vertretung im Wesentlichen vorgebracht:

Der Antrag sei rechtzeitig, die BF habe erst mit Zugang des Beschlusses des BFG an die BF am überhaupt erst erkennen können, dass sie überhaupt eine Prozesshandlung versäumt habe, sei sie doch mangels deutscher Sprachkenntnisse nicht in der Lage gewesen, den ausschließlich in deutscher Sprache verfassten Vorhalt des (inhaltlich) zu verstehen, insbesondere was die darin enthaltenen Aufträge und die dafür eingeräumten Fristen betreffe.

Das unvorhersehbare Ereignis iSd § 308 BAO liege darin, dass die Geschäftsführung der BF mit Sitz in Litauen, als der deutschen Sprache nicht mächtigen litauische Staatsbürger, nicht damit rechnen habe können, dass ihr in Litauen (Sitzstaat) ein derart wichtiges Schriftstück in einer Fremdsprache (Deutsch), die zudem nicht Amtssprache des Sitzstaates sei, zugestellt werde, ohne dass nicht zumindest die wesentlichen Inhalte, Fristenläufe und/oder Rechtsmittelbelehrung in Übersetzung in die Amtssprache des Sitzstaates (Litauisch) erfolge bzw. beigelegt werde. Es sei der BF daher auch nicht möglich gewesen, die Rechtswirkungen des Vorhalts des zu erfassen und zu beurteilen.

Es sei mit einem fairen Verfahren nicht vereinbar, wenn der Empfänger im nichtdeutschsprachigen Ausland Schriftstücke zugestellt erhalte, die nicht in der dortigen Amtssprache verfasst seien. In so einem Fall komme es zu keiner wirksamen Zustellung.

Es liege aber auch ein unvorhergesehenes Ereignis vor, als mit der Übermittlung sämtlicher Schriftstücke ausschließlich in deutscher Sprache, nicht zu rechnen gewesen sei.

Die Antragstellerin (deren Geschäftsführung) treffe auch kein grobes Verschulden an der Fristversäumnis, da sie als litauische Staatsangehörige darauf vertrauen hätte dürfen, dass ihr wichtige Schriftstücke nur in litauischer Sprache zugestellt würden.

Dies entspreche dem Grundsatz eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 GRC, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden seien, das Recht habe, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Das setze bei gebotener unionsrechtskonformer Auslegung des § 93 Abs. 3 lit. b BAO voraus, dass zumindest die Rechtsmittelbelehrung in der jeweiligen Landessprache zu erfolgen habe.

Der BF könne daher keinesfalls ein Verschulden vorgeworfen werden.

Es werde daher der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Beantwortung des Vorhaltes des zu RV/2101777/2016 gestellt.

Gleichzeitig wurde die Beantwortung des Vorhaltes nachgeholt.

Ein Antrag auf mündliche Verhandlung wurde gestellt, dieser Antrag aber mit Schreiben vom zurückgezogen.

Erwägungen:

§ 308 Abs. 1 BAO: Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

§ 308 Abs. 3 BAO: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.

§ 310 Abs. 1 BAO: Die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand obliegt der Behörde, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war.

§ 310 Abs. 3 BAO: Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Soweit die versäumte Handlung erst die Einleitung eines Verfahrens zur Folge gehabt hätte, ist durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung die ursprünglich versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen anzusehen.

Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat ().

Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind die Versäumung einer Frist (oder einer mündlichen Verhandlung), ein hierdurch entstandener Rechtsnachteil, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, kein grobes Verschulden sowie ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung (Ritz, BAO6, § 308 Tz 2).

Das Vorbringen der Antragstellerin beinhaltet im Wesentlichen, dass im an die BF gerichteten Vorhalt des BFG, dessen Beantwortung sie versäumte, sowie die übrigen amtlichen Erledigungen im Beschwerdeverfahren, welche in deutscher Sprache erfolgten und nicht in litauischer Sprache, ein unvorhersehbares Ereignis iSd § 308 BAO gelegen sei. Sie hätte nicht damit rechnen müssen, Schriftstücke solcher Relevanz in deutscher Sprache ohne entsprechende litauische Übersetzung zu erhalten.

Zu diesem Vorbringen ist auf das Erkenntnis des , insbesondere auf Rz 34, zu verweisen, wonach im Vorsteuererstattungsverfahren Art. 12 der RL 2008/9/EG festschreibt, dass der Mitgliedsstaat der Erstattung (also Österreich) festlegt, in welcher Sprache oder welchen Sprachen das Erstattungsverfahren zu führen ist. Dies ist in Österreich in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelung die Amtssprache Deutsch (Art. 8 Abs. 1 B-VG).

Daher war auch im Rechtsmittelverfahren die Verfassung des Vorhaltes an die BF in der Amtssprache Deutsch zulässig und auch kein unvorhersehbares Ereignis iSd § 308 BAO.

Zu verweisen ist auch auf den , wonach im Abgabenverfahren Art. 6 Abs. 3 EMRK im Abgabenverfahren nicht anwendbar ist.

Der gegenständliche Antrag ist daher schon aus dem Grund abzuweisen, dass kein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt.

Da die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen, war der Antrag mit Beschluss (vgl. § 33 Abs. 4 VwVGV und § 46 Abs. 4 VwGG) abzuweisen (vgl. ).

Anmerkung: Da aufgrund des Erkenntnisses des , der aufgehoben wurde, damit also aus dem Rechtsbestand entfernt wurde, ist das Verfahren de facto aber ohnehin in dem Stand, wie es sich bei Stattgabe des gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrages befunden hätte.

Das BFG wird das Vorbringen der mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen, nachgeholten Vorhaltsbeantwortung im fortgesetzten Verfahren (Vorsteuererstattung 01/2013 bis 06/2015) entsprechend zu berücksichtigen haben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Beschlusses befunden hat.

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 310 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101063.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at