Haftung des Komplementärs
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Haftung gemäß § 12 BAO, Steuernummer , zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer (Bf) als Haftungspflichtigen gemäß § 12 Bundesabgabenordnung für die folgenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2***, Firmenbuchnummer ***3***, im Ausmaß von € 698.694,03 in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Umsatzsteuer | 03/19 | 639.631,73 |
Säumniszuschlag | 2019 | 133,95 |
Säumniszuschlag | 2019 | 144,94 |
Umsatzsteuer | 04/19 | 22.452,62 |
Säumniszuschlag | 2019 | 12.792,63 |
Pfändungsgebühr | 2019 | 6.751,56 |
Barauslagenersatz | 2019 | 4,35 |
Stundungszinsen | 2019 | 2.698,04 |
Säumniszuschlag | 2019 | 12.792,63 |
Säumniszuschlag | 2019 | 449,05 |
Stundungszinsen | 2019 | 842,53 |
Als persönlich haftender Gesellschafter der gegenständlichen KG sei der Bf gemäß § 12 BAO zur Haftung heranzuziehen. Der Umfang der Haftung richte sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom begründete der Bf wie folgt:
"Wie Ihnen im Stundungsantrag vom bereits mitgeteilt worden ist, wurde die betreffende Umsatzsteuer (Euro 630.000,00) aus dem Verkauf der ***4*** neben dem Kaufpreis (Euro 3.150.000,00) und einer Vorauszahlung für das Warenlager (Euro 130.000,00) auf ein Treuhandkonto des abwickelnden Notars ***5***, erlegt.
Das Treuhandkonto lautet:
Konto Nummer ***6***, Bankleitzahl ***7***
IBAN ***8***, BIC ***9***
In der Beilage finden Sie einen Kontoauszug der Notar-Treuhand-Bank vom , in dem der aktuelle Kontosaldo per mit Euro 2.015.932,18 angeführt ist.
Laut der am ausgestellten Rechnung gemäß Kaufvertrag vom finden Sie die entsprechende Umsatzsteuer von 20% in der Höhe von Euro 630.000,00 definitiv angeführt.
Die Entrichtung der Umsatzsteuer im Wege der Überrechnung gem. § 215 (4) BAO wurde vom Gesellschafter der Verkäuferin, ***11***, trotz anfänglich anderslautender Formulierung im Kaufvertrag abgelehnt, sodass die Umsatzsteuer von der Käuferin ***10*** in barem auf dem Treuhandkonto erlegt wurde. Dies wurde in einem Schreiben vom von ***12***, rechtsfreundliche Vertretung der Käuferin, an die Anwaltskanzlei ***13***, Vertretung der Firma ***11***, entsprechend formuliert.
Die Umsatzsteuer ist eindeutig durch die ausgestellte Rechnung vom definiert, und aus diesem Grund ist die Weigerung des Minderheitseigentümer ***11***, diesen Betrag entsprechend der bestehenden Fristen an das Finanzamt termingerecht weiterzuleiten, nicht nachvollziehbar.
Am ist an den Treuhänder Notar ***14*** ein Bescheid - Pfändung einer Geldforderung - seitens des Finanzamtes Baden Mödling ergangen.
Laut dem an das Finanzamt Baden Mödling ergangenen Schreiben vom vom Notar ***14*** wurde dargelegt, dass die Fa. ***15*** einen Kaufpreisanteil von Euro 1.730.000,00 geltend macht. Die Forderung des Finanzamtes Baden Mödling hat zum einen Betrag von Euro 682.000,00 ausgemacht. Nach der aktuellen Aufstellung der Abgabenschuldigkeit ist ein Betrag von Euro 698.694,03 offen.
Wie in diesem Schreiben bekanntgegeben, hat die Firma ***15*** den Treuhänder persönlich auf Leistung des genannten Betrages von Euro 1.730.000,00 geklagt (***16*** des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien).
Gleichzeitig hat die Firma ***15*** mich persönlich auf einen Betrag von Euro 450.000,00 geklagt (***17*** beim Landesgericht Wiener Neustadt)!
Der nachweislich auf dem Ihnen bekannten Treuhandkonto eingegangenen und auf der in der Verkaufsrechnung vom ausgewiesenen Betrag der abzuführenden Umsatzsteuer ist inklusive der durch die Weigerung der Weiterleitung entstandenen Säumnis- und Stundungszinsen durch das Kapital von Euro 2.015.932,18 weiterhin ausreichend gedeckt.
Laut dem Gesellschaftsvertrag (Übereinkommen) vom wird unter Punkt 17.2 festgelegt, dass zunächst jegliche Verbindlichkeiten aus dem Verkaufs- bzw. Liquidationserlös abzudecken sind. Auch dieser Punkt wird seitens ***12*** in dem oben erwähnten Schreiben an die rechtsanwaltliche Vertretung der Firma ***11*** klar dargestellt.
Es wurden aus dem Treuhandkonto vor dem Pfändungsbescheid Verbindlichkeiten der ***18*** an die Firma ***15*** im Betrag von Euro 1.034.394,79 (Punkt b) und an die ***19*** im Betrag von Euro 850.000,00 (Punkt c laut Treuhandvertrag) überwiesen. Diese beiden Auszahlungen fanden Zustimmung, da beide Punkte (b und c) im Eigeninteresse der Firma ***15*** waren. Bei der ***19*** hatte ***11*** eine entsprechende Haftung übernommen.
Aus den angeführten Gründen, insbesondere deshalb, da die gegenständliche Umsatzsteuer ausdrücklich gewidmet auf dem Treuhandkonto des Notars ***14*** liegt und daher an der Einbringlichkeit keine Zweifel besteht, beantrage ich die ersatzlose Aufhebung des beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheides."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:
"Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 128 UGB haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Sie waren im Haftungszeitraum unbeschränkt haftender Gesellschafter der ***20*** und können daher für die Abgabenschulden der KG gemäß § 128 UGB iVm § 161 UGB und § 12 BAO in Anspruch genommen werden.
Infolge der Übertragung des Betriebes durch den Verkauf der Apotheke und der damit verbundenen zivilrechtlich strittigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Verwendung des Kaufpreises, der laut Treuhänder nicht ausreicht um sämtliche vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, ist die Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden gefährdet.
Da somit die aushaftenden Abgabenschulden vom Primärschuldner nicht ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden können, ist die Haftungsinanspruchnahme zur Vermeidung eines drohenden Abgabenausfalles ermessenskomform.
Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 12 BAO erfolgte somit die Haftungsinanspruchnahme zu recht."
Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht, legte als ergänzende Begründung das Schreiben des Bezirksgericht Baden vom bei und führte ergänzend wie folgt aus:
"Es wurde seitens der betreibenden Partei, Republik Österreich Finanzamt Baden Mödling, Josefplatz 13, 2500 Baden, der Antrag gestellt eine Rechtskraftbestätigung zur Pfändung - Exekution zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen dem Treuhänder als Drittschuldner zu erteilen. Laut diesem Schreiben wurde der betreffende Antrag bewilligt.
Auf Grund der nachvollziehbaren Angaben, Kontoauszug der Notar-Treuhand-Bank, Beschluss des Bezirksgerichtes Baden - Bewilligung der am Konto des Treuhänder aufliegende Umsatzsteuer laut Forderungen der Finanzprokuratur zu pfänden, beantrage ich die ersatzlose Aufhebung des beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheides."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 128 UGB haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Diese Haftung trifft demnach Gesellschafter einer OG und Komplementäre einer KG. Der Umfang der Haftung richtet sich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Der Komplementäre einer KG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unmittelbar, primär, unbeschränkt, unbeschränkbar, persönlich und solidarisch (Ritz, BAO³, § 12 Tz 3).
Laut Firmenbuch ist der Bf neben dem vertretungsbefugten unbeschränkt haftenden Gesellschafter ***22*** nicht vertretungsbefugter unbeschränkt haftender Gesellschafter der nunmehrigen ***21***.
Ein Komplementär haftet auch dann, wenn ihm de facto kein Einfluss auf die Betriebsführung zukommt ().
Bestritten wurde die Haftungsinanspruchnahme damit, dass die gegenständliche Umsatzsteuer ausdrücklich gewidmet auf dem Treuhandkonto des Notars ***14*** liege und daher an der Einbringlichkeit keine Zweifel bestehe.
Obwohl § 12 BAO keine Ausfallshaftung begründet, ist auch hier die Nachrangigkeit der Haftung gegenüber den Einbringungsmaßnahmen bei der Gesellschaft zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass der Haftende in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden darf, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre.
Im vorliegenden Fall ist laut Email vom ein Verfahren zwischen dem Drittschuldner und der ***15***anhängig. Erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens könne ermittelt werden, welcher Gläubiger welchen konkreten Betrag aus dem Treuhanderlag überwiesen erhalte. Es sei aber jedenfalls mit einer Überweisung an das Finanzamt zu rechnen, welche im parallel anhängigen Haftungsverfahren zu berücksichtigen sein werde.
Das Vorliegen einer Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht daher entsprechend dem Beschwerdevorbringen noch nicht fest.
Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Mangels Feststellung des Vorliegens und des Ausmaßes einer Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin erfolgte die Inanspruchnahme des Bf zur Haftung für die Abgabenschuldigkeiten der ***21*** in Hinblick auf das wesentliche Ermessenskriterium eines endgültigen Abgabenausfalles somit nicht ermessenskonform und damit rechtswidrig (vgl. ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der Beschluss nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn der Beschluss von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101722.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
UAAAC-25820