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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.11.2020, RV/7103045/2018

Haftungsbescheid: Haftung für Körperschaftsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Inanspruchnahme zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO zu Steuernummer ***StNr** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden in Höhe von insgesamt € 825.588,78 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag laut BFG in €
Körperschaftsteuer
2007
524.518,20
Körperschaftsteuer
2008
255.401,45
Anspruchszinsen
2007
38.189,77
Anspruchszinsen
2008
7.479,36
Summe:
825.588,78

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Haftungsvorhalt

Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer - unter Aufschlüsselung der einzelnen Beträge - mitgeteilt, dass auf dem Abgabenkonto der Firma ***1*** GmbH Abgabenbeträge iHv € 1.386.747,74 aushafteten. Gleichzeitig wurden dem Beschwerdeführer die diesen Beträgen zugrundeliegenden Bescheide und Erkenntnisse wie folgt übermittelt:

"Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 vom und

Festsetzung von Anspruchszinsen 2007 vom und

Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 vom und

Festsetzung von Anspruchszinsen 2007 vom und

Bezug habendes Erkenntnis des BFG zu Firma Riedl HDL GmbH vom

Bezug habender BP Bericht vom "

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, sofern die Firma ***1*** GmbH bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Dazu sei eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen zu übermitteln. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der Firma (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein. Außerdem sei rechnerisch dazustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert worden seien. Diese Tilgungsquoten seien dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen. Dem Beschwerdeführer wurde dazu eine Frist von einem Monat ab Zustellung gewährt. Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

2. Angefochtener Bescheid

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der ***1*** GmbH, FN ***4***, als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***1*** GmbH im Ausmaß von € 1.386.747,74 in Anspruch genommen. Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in €
Körperschaftsteuer
2007
874.197,00
Körperschaftsteuer
2008
425.669,***StNr**
Anspruchszinsen
2008
16.699,24
Anspruchszinsen
2007
70.182,41
Summe:
1.386.747,74

Begründend wurde ausgeführt, die der Haftung zugrundeliegenden Bescheide seien dem Beschwerdeführer im Rahmen des Haftungsverfahrens mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden. Der Rückstand bestehe infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum fällig gewordenen Abgaben. Der Beschwerdeführer sei seit dem Geschäftsführer und damit Vertreter der abgabenschuldnerischen GmbH gewesen. Diese sei mit Beschluss des HG Wien vom im Firmenbuch gelöscht worden. Der Rückstand sei daher bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Der Beschwerdeführer habe trotz Haftungsvorhaltes keine Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung dargetan und habe daher den Nachweis einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht.

3. Beschwerde

Die dagegen am eingebrachte Beschwerde begründete der Beschwerdeführer wie folgt:

Er sei bis zum Angestellter der T&L Besitz- und Beteiligungsverwaltungsgesellschaft mbH und - unentgeltlich - Geschäftsführer der ***1*** GmbH gewesen. Dem Haftungsbescheid lägen allerdings Vorgänge der ***3*** m.b.H. zugrunde, deren Geschäftsführer damals ***8*** gewesen sei. Mit Bericht vom habe die Steuerfahndung festgestellt, dass im Rahmen der Bilanz der ***3*** m.b.H. geltend gemachte Aufwände (2007: € 2.682.151,00 und 2008: € 1.277.340,00) nicht anerkannt worden seien. Gegen den damaligen Geschäftsführer ***8*** sei u.a. wegen dieser Abgabenhinterziehung zZ 15 Hv 7/11y Anklage erhoben worden. Mit ***7***, sei ***8*** rechtskräftig u.a. wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuern verurteilt worden. Wenig später seien auch der Verfall und die Einziehung des Vermögens der ***3*** m.b.H. verfügt worden. Erst am - somit lange nach Löschung der ***1*** GmbH am - habe das Bundesfinanzgericht zZ RV/7101805/2011 unter Hinweis auf die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils auf endgültige Steuerbescheide erkannt. Trotz der Bindungswirkung habe das Bundesfinanzgericht - anders als der OGH - erstmals erkannt, dass die Körperschaftssteuer von der Gruppenträgerin, der ***1*** GmbH, zu entrichten sei. Die geänderten Bescheide der ***3*** m.b.H. seien also erstmals am der ***1*** GmbH, somit nach erfolgter Löschung der Gesellschaft, zugerechnet worden. Ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers als Geschäftsführer sei also nicht einmal theoretisch möglich gewesen. Bezüglich der ***1*** GmbH sei kein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt und auch keine Möglichkeit zum rechtlichen Gehör geboten worden. Darüber hinaus sei noch zu prüfen, ob bezüglich der ***1*** GmbH Verjährung eingetreten sei.

Innerhalb derselben Frist erhob der Beschwerdeführer auch Beschwerde gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide gemäß § 248 BAO. Dieses Verfahren ist noch bei der belangten Behörde anhängig.

4. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte darin aus, mit Bescheid vom sei mit Wirksamkeit ab der Veranlagung für das Jahr 2005 zwischen der ***3*** m.b.H. (FN ***5***, Gruppenmitglied) und der ***1*** GmbH (FN ***4***, Gruppenträgerin) das Bestehen einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG festgestellt worden. Bei der Gruppenträgerin sei die Erstveranlagung zur Körperschaftsteuer 2007 und 2008 mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 bzw. mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008, beide vom erfolgt, womit die Körperschaftsteuer für 2007 mit € 67.655,11 und die Körperschaftsteuer 2008 mit € 315.610,77 festgesetzt worden sei. Unter Berücksichtigung der bisher vorgeschriebenen Beträge (€ 67.746,38 für 2007 und € 5.250,00 für 2008) habe sich für 2007 eine Körperschaftsteuergutschrift von € -91,27 und für 2008 eine Nachforderung von € 310.360,77 ergeben. Nach Durchführung einer Außenprüfung beim Gruppenmitglied habe das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren über die Feststellung des Ergebnisses iSd § 24a Abs. 1 Z 1 KStG der Jahre 2007 und 2008 wiederaufgenommen und mit Bescheiden vom selben Datum das Einkommen der Jahre 2007 und 2008 neu festgestellt. In der Folge seien bei der Gruppenträgerin gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 und 2008, jeweils datiert mit , erlassen worden. Damit seien Abgabennachforderungen iHv insgesamt € 1.366.198,58 festgesetzt worden. Weiters sei die Gruppenträgerin am gemäß § 40 Abs. 1 FBG aus dem Firmenbuch gelöscht worden.

Mit Erkenntnis vom sei der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide für die Jahre 2007 und 2008 teilweise stattgegeben worden, worauf das Finanzamt die folgenden - an die Gruppenträgerin adressierten - Erledigungen vom ausfertigt habe: Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007, Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2007; Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008; Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2008; Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung für Körperschaftsteuer 2007 und 2008 sowie Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung für Anspruchszinsen 2007 und 2008 vom .

Diese an die Gruppenträgerin gerichteten und als Bescheide intendierten Erledigungen hätten mangels rechtswirksamer Bekanntgabe (Zustellung) keine Bescheidqualität erlangen können, da die Gruppenträgerin bereits am gemäß § 40 Abs. 1 FBG im Firmenbuch gelöscht worden sei. Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelte zwar nur als deklarativ und führe grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (Hinweis auf ). Mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der ***1*** GmbH im Firmenbuch wäre jedoch konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (Hinweis auf ; , 3 Ob 113/07z), sodass ab an die im Firmenbuch gelöschte Gruppenträgerin mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden konnten. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. ).

Außerdem sei weder die Festsetzungs- noch die Einhebungsverjährung eingetreten. Erstere habe mit dem Ablauf des Jahres in dem der Abgabenanspruch entstanden sei, also mit Ablauf des Jahres 2007 bzw. 2008 begonnen zu laufen und damit grundsätzlich mit bzw. geendet. Mit den erwähnten Körperschaftsteuerbescheiden vom seien die Abgabenansprüche vor dem Eintritt der Bemessungsverjährung geltend gemacht worden. Die Einhebungsverjährung sei durch die bewilligte Aussetzung der Einhebung gehemmt worden. Der Haftungsbescheid vom sei somit innerhalb der Verjährungsfrist erlassen worden.

Dem Beschwerdevorbringen, bezüglich der ***1*** GmbH sei kein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt und auch keine Möglichkeit geboten worden, dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör zu verschaffen, sei Folgendes entgegen zu halten: Dem Haftungsbescheid seien die o.a. Abgabenfestsetzungsbescheide vom und vom vorangegangen. Das Vorbringen in der Beschwerde, das Bundesfinanzgericht habe mit seinem Erkenntnis vom , RV/7101805/2011, erstmals erkannt, dass die Körperschaftsteuer von der Gruppenträgerin, der ***1*** GmbH, zu entrichten ist, treffe nicht zu. Vielmehr seien die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgaben bereits im April 2010 bzw. Juni 2011 gegenüber der Gruppenträgerin festgesetzt worden. Die betreffenden Abgaben(festsetzungs-)bescheide seien dem Beschwerdeführer bereits als Beilage zum Vorhalt vom übermittelt worden. Gehe einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voraus, so sei die Behörde daran gebunden und habe sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung an den Abgabenbescheid zu halten (vgl. ). Im vorliegenden Verfahren über die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung sei es dem Finanzamt daher verwehrt, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des , womit der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für die Jahre 2007 und 2008 teilweise stattgegeben worden sei, habe das Finanzamt an die Gruppenträgerin die als "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007" vom und "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008" vom bezeichneten Erledigungen gerichtet. Demnach habe sich für das Jahr 2007 und 2008 jeweils eine Körperschaftsteuergutschrift (€ 89.718,75 für 2007 und € 7.500,00 für 2008) ergeben. Durch den Umstand, dass es sich bei den betreffenden Körperschaftsteuerbescheiden vom mangels rechtswirksamer Bekanntgabe (Zustellung) um sog. Nichtbescheide gehandet habe und sohin die erwähnten Gutschriften gegenüber der Primärschuldnerin nicht wirksam werden habe können, sei der Beschwerdeführer nicht beschwert, da die erwähnten Gutschriften bei der Geltendmachung der Haftung berücksichtigt worden seien. Die Haftung sei für Körperschaftsteuer 2007 im Ausmaß von € 874.197,00 (=aushaftende KÖSt 2007 iHv € 963.915,75 abzüglich Gutschrift iHv € 89.718,75) und für die Körperschaftsteuer 2008 im Ausmaß von € 425.669,09 (=aushaftende KÖSt 2008 iHv € 433.169,09 abzüglich Gutschrift iHv € 7.500,00) geltend gemacht worden. Bei der veranlagten Körperschaftsteuer sei grundsätzlich der Zeitpunkt der sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit (§ 210 Abs. 1 BAO) maßgebend.

Nach dem eingangs Dargelegten sei bei der ***1*** GmbH die Erstveranlagung zur Körperschaftsteuer 2007 und 2008 mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 vom bzw. mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008 vom erfolgt. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuer 2007 und 2008 sei daher die sich aus dem jeweiligen erstmaligen Abgabenbescheid ergebende Fälligkeit (§ 210 Abs. 1 BAO) bereits im Mai 2010 eingetreten. Die haftungsgegenständlichen Anspruchszinsen 2007 und 2008 seien am fällig gewesen. Mit Vorhalt vom sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen. Der Vorhalt sei unbeantwortet geblieben. Schlussendlich werde darauf hingewiesen, dass zunächst über die Beschwerde zur Heranziehung zur Haftung und erst danach über die Beschwerde über den Abgabenanspruch zu entscheiden sei.

5. Vorlageantrag

Im am eingelangten Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, die Bescheide der ***3*** m.b.H. seien erst durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom abgeändert worden und die Zurechnung auf die ***1*** GmbH erfolgt. Die Unternehmensgruppe sei zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Löschung nicht mehr existent gewesen. Weiters wurde auf die Feststellungen im Strafverfahren des ***8*** verwiesen. Im Zeitpunkt zwischen Urteil bis zur Abänderung der Körperschaftsteuerbescheide durch das Bundesfinanzgericht habe der Beschwerdeführer gar nicht schuldhaft handeln können. Seit Abänderung der Bescheide seien überhaupt keine Verfahrensschritte gesetzt worden. Die Frage der Verjährung stelle sich hingegen nicht mehr, da die abgeänderten Bescheide keine Bescheidqualität erlang hätten. Hinsichtlich der ***3*** m.b.H. sei die Frage der Verjährung hingegen zu prüfen. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid aufzuheben.

6. Vorlagebericht

Im Vorlagebericht vom beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde, verwies auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung vom und legte dem Bundesfinanzgericht die bezughabenden Aktenteile vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***1*** GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am im Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer war von Anfang an ihr Geschäftsführer und einer ihrer Gesellschafter (vgl. historischer FB-Auszug zu FN ***4***).

Die ***1*** GmbH war Gesellschafterin der ***2*** Gesellschaft m.b.H., die am - infolge Vermögenslosigkeit - im Firmenbuch gelöscht wurde (vgl. historischer FB-Auszug zu FN ***6***), sowie Gesellschafterin der ***3*** m.b.H, die am errichtet wurde und deren Löschung infolge Konkurseröffnung am im Firmenbuch eingetragen wurde. Geschäftsführer der ***3*** m.b.H war von bis ***8***; der Beschwerdeführer vertrat die sie ab (eingetragen am ; vgl. historischer FB-Auszug zu FN ***5***).

Mit Bescheid vom wurde mit Wirksamkeit ab der Veranlagung für das Jahr 2005 zwischen der ***3*** m.b.H und der ***2*** Gesellschaft m.b.H. als Gruppenmitglieder und der ***1*** GmbH als Gruppenträgerin das Bestehen einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988 festgestellt.

Bei der ***1*** GmbH als Gruppenträgerin erfolgte die Erstveranlagung zur Körperschaftsteuer 2007 und 2008 mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 bzw. mit Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008, beide vom , womit die Körperschaftsteuer für 2007 mit € 67.655,11 und die Körperschaftsteuer 2008 mit € 315.610,77 festgesetzt wurde. Unter Berücksichtigung der bisher vorgeschriebenen Beträge (€ 67.746,38 für 2007 und € 5.250,00 für 2008) ergab sich für 2007 eine Körperschaftsteuergutschrift iHv € -91,27 und für 2008 eine Nachforderung iHv € 310.360,77.

Am wurde auch ein Feststellungsbescheid Gruppenträger 2007 an die ***1*** GmbH als Gruppenträgerin erlassen und das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 für das Jahr 2007 mit € 48.601,07 festgesetzt; für das Jahr 2008 wurde das Einkommen mit Bescheid vom selben Tag mit € -51.291,50 festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom wurden Anspruchszinsen für das Jahr 2008 in Höhe von € 3.933,82 für den Zeitraum bis für den Differenzbetrag von € 310.360,77 festgesetzt.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der ***3*** m.b.H als Gruppenmitglied wurden mit Bescheiden vom die Verfahren über die Feststellung des Ergebnisses iSd § 24a Abs. 1 Z 1 KStG 1988 der Jahre 2007 und 2008 wiederaufgenommen und mit Bescheiden vom selben Datum das Einkommen der Jahre 2007 und 2008 neu festgestellt.

In der Folge wurden gegenüber der ***1*** GmbH als Gruppenträgerin am gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Körperschaftsteuerbescheide Gruppe zu den Bescheden vom für die Jahre 2007 und 2008 erlassen und die Körperschaftsteuer für das Jahr 2007 mit € 1.031.570,86 und für das Jahr 2008 mit € 634.945,77 festgesetzt. Mit weiteren Bescheiden vom selben Tag über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 und 2008 wurden Anspruchszinsen wie folgt festgesetzt:

  • für das Jahr 2007 in Höhe von € 70.182,41, wobei sich die Berechnung wie folgt darstellte:

  • für das Jahr 2008 in Höhe von € 12.765,42 für den Zeitraum bis für den Differenzbetrag von € 319.335,00 festgesetzt.

Diese Abgaben waren alle am fällig.

Am erfolgte die amtswegige Löschung der ***1*** GmbH (Gruppenträgerin) im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit (vgl. historischer FB-Auszug zu FN ***4***).

Mit Erkenntnis des , wurde der Beschwerde der ***3*** m.b.H gegen die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für die Jahre 2007 und 2008 teilweise stattgegeben. Daraufhin richtete das Finanzamt an die ***1*** GmbH als Gruppenträgerin die als "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007" vom und "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008" vom intendierten Erledigungen, wonach sich für das Jahr 2007 und 2008 jeweils eine Körperschaftsteuergutschrift iHv € 89.718,75 für 2007 und iHv € 7.500,00 für 2008 und hinsichtlich der Anspruchszinsen eine Gutschrift für das Jahr 2007 iHv € 6.532,79 und für das Jahr 2008 iHv € 299,81 ergeben haben. Da es sich bei diesen Körperschaftsteuer- und Anspruchszinsenbescheiden vom mangels rechtswirksamer Bekanntgabe (Zustellung) um sog. Nichtbescheide gehandelt hat, konnten die erwähnten Gutschriften gegenüber der ***1*** GmbH nicht wirksam werden.

Mit Haftungsvorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer - unter Aufschlüsselung der einzelnen Beträge - mitgeteilt, dass auf dem Abgabenkonto der Firma ***1*** GmbH Abgabenbeträge iHv € 1.386.747,74 aushafteten. Gleichzeitig wurden dem Beschwerdeführer die diesen Beträgen zugrundeliegenden Bescheide und Erkenntnisse wie folgt übermittelt:

  • "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 vom und

  • Festsetzung von Anspruchszinsen 2007 vom und

  • Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007 (gemeint: 2008) vom und

  • Festsetzung von Anspruchszinsen 2007 (gemeint: 2008) vom und

  • Bezug habendes Erkenntnis des BFG zu Firma Riedl HDL GmbH vom

  • Bezug habender BP Bericht vom "

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, sofern die Firma ***1*** GmbH bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass dazu eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen zu übermitteln ist und in dieser Aufstellung alle damaligen Gläubiger der Firma (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein müssen und außerdem rechnerisch dazustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden, und aufgefordert diese Tilgungsquoten s der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen. Dem Beschwerdeführer wurde dazu eine Frist von einem Monat ab Zustellung gewährt. Der Beschwerdeführer trat einen solchen Gleichbehandlungsnachweis nicht an.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der ***1*** GmbH als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO für deren aushaftende Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von € 1.386.747,74 wegen Uneinbringlichkeit bei der GmbH in Anspruch genommen. Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten- und beträge wie folgt geltend gemacht:

  • Körperschaftsteuer 2007 iHv € 874.197,00 (=aushaftende KÖSt 2007 iHv € 963.915,75 abzüglich Gutschrift iHv € 89.718,75)

  • Körperschaftsteuer 2008 iHv € 425.669,09 (=aushaftende KÖSt 2008 iHv € 433.169,09 abzüglich Gutschrift iHv € 7.500,00)

  • Anspruchszinsen 2007 iHv € 70.182,41, und

  • Anspruchszinsen 2008 iHv € 16.699,24.

Bei den Anspruchszinsen 2007 und 2008 erfolgte kein Abzug der auf Grund der Nichtbescheide vom entstandenen Gutschriften.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen (Bescheiden), dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den Datenbanken der Finanzverwaltung und dem Firmenbuch.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen Gleichbehandlungsnachweis erbracht hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass er weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im weiteren Verfahren Behauptungen und/oder Beweisanbote zu seiner Entlastung dargetan und auch keine Berechnungen vorgelegt hat, obwohl ihm dies schon mit Haftungsvorhalt vom sowie mit dem angefochtenen Bescheid und insbesondere mit der Beschwerdevorentscheidung, der insoweit auch Vorhaltecharakter zukommt, vorgehalten wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer zu Recht für die im angefochtenen Bescheid genannten Abgaben als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen wurde.

3.1.1. Rechtslage

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Allgemeines

3.1.2.1. Hinsichtlich der allgemeinen Einwendungen in der Beschwerde im Zusammenhang mit den der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheiden ist zunächst Folgendes auszuführen:

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch beruft, hat die Berufungsbehörde nach Lehre und ständiger Rechtsprechung zunächst nur über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht ().

Aus dem dem Haftungspflichtigen gemäß § 248 BAO eingeräumten Beschwerderecht ergibt sich, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist, und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches. Eine solche Bekanntgabe hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen. Wird dies unterlassen, liegt ein im Rechtsmittelverfahren nicht sanierbarer Fehler vor (siehe dazu ).

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO (noch) durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. etwa ; , 2012/16/0049).

3.1.2.2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist daher von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; , 2005/13/0094). Auf die vom Beschwerdeführer gemachten Ausführungen hinsichtlich der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide braucht vor diesem Hintergrund nicht weiter eingegangen zu werden.

Hinsichtlich der in der Beschwerde in Bezug auf die Abgabenbescheide der ***1*** GmbH angezogenen (und später im Vorlageantrag relativierten) Verjährungseinrede, wird auf die in der Beschwerdevorentscheidung dargelegte Begründung verwiesen. Soweit der Beschwerdeführer im Vorlageantrag Verjährung in Bezug auf die gegenüber der ***3*** m.b.H ergangenen Abgabenbescheide einwendet, wird darauf hingewiesen, dass diese nicht der hier gegenständlichen Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegen.

Soweit der Beschwerdeführer aber zur Haftung für Anspruchszinsen für das Jahr 2008 in Höhe von insgesamt € 16.699,24, rechnerisch bestehend aus jenen Anspruchszinsen für das Jahr 2008 in Höhe von € 3.933,82, die mit Bescheid vom , und jenen in Höhe von € 12.765,42, die mit Bescheid vom festgesetzt wurden, fällt auf, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid vom im Rahmen des Haftungsvorhaltes vom nicht übermittelt wurde, und auch im Haftungsvorhalt nicht einmal erwähnt war. Damit wurde der Beschwerdeführer in Bezug auf den Betrag von € 3.933,82 nicht in Kenntnis gesetzt. Dieser Betrag ist daher jedenfalls aus der Haftung auszuscheiden.

3.1.3. Voraussetzungen der Haftung

Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.3.1. Zur Vertreterstellung

Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum, wie festgestellt, handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***1*** GmbH (Primärschuldnerin) und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO. Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085). Dass er dabei eigenen Angaben zufolge zunächst unentgeltlicher Geschäftsführer gewesen sein soll, vermag an der Vertreterstellung und der daraus resultierenden Verpflichtung nichts zu ändern: Da für die Vertreterhaftung die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH maßgebend ist, ist es ohne Belang, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig war oder nur ein "pro-forma-Geschäftsführer" (; , Ra 2014/16/0026) oder nur "auf dem Papier" (; , 2013/16/0166; , Ra 2017/16/0025, sowie Ritz, BAO6, § 9 Tz 1).

3.1.3.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin (der ***1*** GmbH) uneinbringlich, da sie mit Beschluss vom amtswegig im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

3.1.3.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden (; , 2009/16/0246). Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Entrichtungspflicht getroffen hat, bestimmt sich sohin danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (vgl. zB ). Der Fälligkeitszeitpunkt für die Körperschaftsteuerabschlusszahlungen richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. mwN).

Mit seinem Vorbringen, er könne im vorliegenden Fall gar nicht schuldhaft gehandelt haben, weil der Geschäftsführer der ***3*** m.b.H. mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen (zZ 15 Hv 7/11y, das im Wesentlichen vom Obersten Gerichtshof mit Entscheidung vom , 13 Os 2/14j, bestätigt wurde) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten eine Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich der Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 und 2008 bewirkt habe und deshalb wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG rechtskräftig verurteilt worden sei, übersieht der Beschwerdeführer, dass der gegenständlichen Haftungsinanspruchnahme Abgabenschulden der ***1*** GmbH zugrunde liegen, die dieser gegenüber bereits im Jahr 2010 bzw. (nach gemäß § 295 Abs. 1 BAO erfolgter Änderung) im Jahr 2011 festgesetzt wurden.

Für die Frage der Haftung des Beschwerdeführers kommt es daher einzig darauf an, dass er die einzelnen Abgabenschuldigkeiten zu deren Fälligkeitszeitpunkt (hier: ) nicht entrichtet hat, und nicht etwa darauf, dass diese Abgaben erst zu einem späteren Zeitpunkt uneinbringlich geworden sind (vgl. ), wobei die Haftung des Vertreters eine bestimmte Schuldform nicht voraussetzt (vgl. ).

Dass die liquiden Mittel bei der Primärschuldnerin in jenem Zeitpunkt, in dem die fälligen Abgabenschulden zu entrichten gewesen wären, sohin zum , nicht vorhanden gewesen wären, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (). Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (), da der Vertreter nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln darf als andere Schulden ("Gleichbehandlungsgrundsatz"; ).

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Beschwerdeführer oblag, wurde er von der Abgabenbehörde mit Haftungsvorhalt vom unter Übermittlung der relevanten Abgabenbescheide aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen. Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Beschwerdeführer trotz dieser Aufforderung und auch nach Ergehen der Beschwerdevorentscheidung, der Vorhaltecharakter zukommt, nicht erbracht.

Da sämtliche Fälligkeitszeiten hinsichtlich Körperschaftsteuer 2007 und 2008 und der Anspruchszinsen 2007 und 2008 in jeden Zeitraum lagen, in dem der Beschwerdeführer Vertreter der Primärschuldnerin war und er - wie oben dargelegt - keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat, konnte hinsichtlich der im Haftungsbescheid genannten Abgaben eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers angenommen werden.

3.1.3.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.3.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe wie dargelegt beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Beschwerdeführer wurde nicht aufgezeigt, dass die Haftung wegen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünden im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB mwN).

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist hingegen ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des , womit der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für die Jahre 2007 und 2008 teilweise stattgegeben worden sei, hat das Finanzamt an die Gruppenträgerin die als "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2007" vom und "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2008" sowie "Anspruchszinsenbescheid 2007" und "Anspruchszinsenbescheid 2008", jeweils vom , bezeichneten Erledigungen gerichtet. Durch den Umstand, dass es sich bei den betreffenden Bescheiden vom mangels rechtswirksamer Bekanntgabe (Zustellung) um sog. Nichtbescheide gehandelt hat und sohin die erwähnten Gutschriften gegenüber der Primarschuldnerin nicht wirksam werden konnten, wurden die erwähnten Gutschriften bei der Geltendmachung der Haftung insoweit berücksichtigt, als die Haftung für Körperschaftsteuer 2007 im Ausmaß von € 874.197,00 (=aushaftende KÖSt 2007 iHv € 963.915,75 abzüglich Gutschrift iHv € 89.718,75) und für die Körperschaftsteuer 2008 im Ausmaß von € 425.669,09 (=aushaftende KÖSt 2008 iHv € 433.169,09 abzüglich Gutschrift iHv € 7.500,00) geltend gemacht wurden, während die erwähnten Gutschriften aus den Anspruchszinsenbescheiden keine Berücksichtigung fanden. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bedarf es aber auch des Abzuges dieser Gutschriften, sodass hinsichtlich Anspruchszinsen 2007 von einem Betrag iHv € 63.649,62 (€ 70.182,41 abzüglich € 6.532,79) und hinsichtlich Anspruchszinsen 2008 von einem Haftungsbetrag iHv € 12.465,61 (€ 16.699,24 abzüglich der bereits ausgeschiedenen € 3.933,82 und der € 299,81) auszugehen ist.

Im Beschwerdefall ist weiters zu berücksichtigen, dass zwischen der Fälligkeit der hier gegenständlichen Abgaben (spätestens Mitte Juli 2011) und der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides Mitte 2017 jedenfalls sechs Jahre vergangen sind. Angesichts dieses Zeitraumes erachtet das Bundesfinanzgericht es unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen jedenfalls für geboten und angemessen, die in der Haftung verbliebenen Beträge (Körperschaftsteuer 2007: € 874.197,00; Körperschaftsteuer 2008: € 425.669,09, Anspruchszinsen 2007: € 63.649,62; Anspruchszinsen 2008: € 12.465,61) um jeweils 40 %, sohin wie im Spruch ersichtlich auf den Gesamtbetrag von € 825.588,78 zu senken und den Beschwerdeführer lediglich für diesen Betrag in Anspruch zu nehmen.

3.1.4. Ergebnis

Der Beschwerde ist daher teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid wie im Spruch ersichtlich abzuändern. Im Übrigen ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 45 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103045.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at