Spruch des Haftungsbescheides im Widerspruch zur Begründung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Gerald Hochwallner, Lazarettgasse 29/12, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer (Bf) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für die nachstehenden aushaftenden Abgabenschuldigkelten der Firma ***2*** im Ausmaß von € 8.007,03 in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Lohnsteuer | 2014 | 7.458,19 |
Dienstgeberbeitrag | 2014 | 504,03 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 44,81 |
Summe | 8.007,03 |
Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat beteiligte für den Betrag, um den die Abgabe verkürzt wurde.
Vorsätzliche Finanzvergehen stellen in diesem Zusammenhang auch Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 FinStrG dar (vgl ; ).
Sie wurden mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , ***3***, rechtskräftig am , für eine vorsätzlich begangene Finanzordnungswidrigkeit nach §49 Abs. 1 lit a FinStrG verurteilt.
2. Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den (berechtigten) Parteiinteressen der Vorrang einzuräumen. Da somit die Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO gegeben sind, werden Sie zur Haftung herangezogen."
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom führte der Bf durch seinen Vertreter wie folgt aus:
"Der gegenständliche Bescheid wird zur Gänze wegen materieller und formeller Rechtswidrigkeit angefochten. Durch den angefochtenen Bescheid wird in die subjektiven Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, weswegen dieser auch gem. Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG beschwerdelegitimiert ist.
1) Sachverhalt: Der Beschwerdeführer war von 10/2001 bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***4*** (FN ***5***). Mit Beschluss des HG Wien vom zu GZ ***6*** wurde über das Vermögen der ***7*** ein Konkursverfahren eröffnet. Im Zeitraum bis wurde das Unternehmen durch die Masseverwalterin RA ***8*** vertreten. Das Unternehmen wurde geschlossen und der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger mit Beschluss vom aufgehoben. Durch das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Die Außenprüfung begann kurz vor Eröffnung des Konkursverfahrens und wurde zu einem überwiegenden Teil über die Masseverwalterin RA ***8*** abgewickelt. Gegenstand der Prüfung war:
Lohnsteuer -
Dienstgeberbeitrag -
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag -
Abzugsteuer -
Nach erster Aufforderung hat Frau ***9*** - welche den Beschwerdeführer in der Geschäftsführung mit abgelöst hat - die Buchhaltungsunterlagen an die Masseverwalterin RA ***8*** übergeben, dh die erkennende Behörde hatte durch die Außenprüfung Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen und somit Kenntnis von den Verbindlichkeiten bzw. liquiden Mittel der ***2***. Der Bericht über die Außenprüfung vom sowie sämtliche aufgrund der Außenprüfung erlassenen Haftungsbescheide wurden an die damalige Masseverwalterin RA ***8*** zugestellt und blieben (anscheinend) unbekämpft. Dem Beschwerdeführer wurden diese Bescheide und Unterlagen erstmals mit Vorhalt vom durch die erkennende Behörde zur Kenntnis gebracht. Mit eben diesem Vorhalt vom hat die erkennende Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass gegen ihn eine Vertreterhaftung gem. § 9 BAO für Abgabenschulden der ***2*** geltend gemacht wird. Insbesondere solle er für folgende Abgabenschuldigkeiten haften:
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Abgabenart | Fälligkeit | Betrag |
Lohnsteuer2014 | 7.458,19 | |
Dienstgeberbeitrag 2014 | 504,03 | |
Dienstgeberzuschlag 2014 | 44,81 | |
Summe | 8.007,02 |
Der Beschwerdeführer wurde mit diesem Vorhalt aufgefordert binnen Frist von vier Wochen darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die angeführten Abgaben entrichtet wurden. Auch wären Unterlagen zum Beweis dafür vorzulegen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Mit Schriftsatz vom wurde eine Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Fristverlängerung zur Beantwortung obiger Fragen bis eingebracht. Mit Schriftsatz vom hat der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den wider ihn erhobenen Vorhalten eingebracht. Insbesondere wurde festgehalten, dass eine Vorlage der Beweismittel bei einem persönlichen Termin stattfinden kann.
Der ausgewiesene Rechtsanwalt hat am die zuständige Sachbearbeiterin bei der erkennenden Behörde - Frau ***10*** - telefonisch kontaktiert. Die Stellungnahme vom war ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegt worden. Durch den ausgewiesenen Rechtsanwalt wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass etwaige Unterlagen zur Berechnung einer allfälligen Haftung persönlich vorgelegt werden können. Dies wurde aber vorerst abgelehnt. Es wurde zugesichert, dass bei Bedarf eine Kontaktaufnahmemit dem einschreitenden Rechtsanwalt erfolgen wird.
Mit Haftungsbescheid vom hat die erkennende Behörde die Haftung des Beschwerdeführers für Abgabenschuldigkeiten der ***2*** der Höhe nach wie folgt festgestellt:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Lohnsteuer | 2014 | 7.458,19 |
Dienstgeberbeitrag | 2014 | 504,03 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 44,81 |
Summe | 8.007,03 |
Mit diesem Haftungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer erstmals zur Kenntnis gebracht, dass die erkennende Abgabenbehörde die Haftung des Beschwerdeführers für Abgabenschuldigkeiten der ***2*** in Höhe von EUR 8.007,03 auf § 11 BAO stützt und nicht- wie mit Vorhalt vom vorgehalten - auf § 9 BAO. In der Begründung wird lediglich auf eine finanzstrafrechtliche Verurteilung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom hat der Beschwerdeführer die Verlängerung der Beschwerdefrist bis sowie um Stundung der Abgabenschuldigkeiten beantragt. Diese wurde am telefonisch von der zuständigen Sachbearbeiterin der erkennenden Behörde - Frau ***10***- gegenüber dem einschreitenden Rechtsanwalt bewilligt.
Finanzstrafverfahren:
Mit Schreiben vom des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde wurde dem Beschwerdeführer zu Strafnummer ***11*** mitgeteilt, dass gegen ihn ein Finanzstrafverfahren wegen Nichtentrichtung nachstehender Abgabenschuldigkeiten eingeleitet worden ist:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Lohnsteuer | 2014 | 7.458,19 |
Dienstgeberbeitrag | 2014 | 504,03 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 44,81 |
Summe | 8.007,03 |
Mit Schreiben vom hat sich der Beschwerdeführer zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen geäußert. Mit Schreiben vom wurden dem Beschwerdeführer Ausfertigungen der Strafanträge an den Spruchsenat zur Kenntnis gebracht. Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19Klosterneuburg vom 19.04.2017zu GZ ***3*** -II wurde der Beschwerdeführer wegen einer Finanzordnungswidrigkeit nach§ 49 Abs. 2 FinStrG verurteilt.
2) Materielle Rechtswidrigkeit:
a) Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung. (Ritz, BAO6. § 11 Rz 5) Bei der Ermessensübung ist - außer auf die Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme- vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen, weiters darauf, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert wurde (Ritz, BAO6, § 11 Rz 5). Im Beschwerdeverfahren ist die Ermessensübung der Abgabenbehörde voll zu prüfen; in der Beschwerdevorentscheidung (§ 263) und im Erkenntnis (§ 279) ist das Ermessen eigenverantwortlich zu üben. (Ritz, BAO6, § 20 Rz 11) Ermessensentscheidungen sind zu begründen. Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist. (Ritz, BAO6, § 20 Rz 13) Die erkennende Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus wie folgt:
"Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, dass sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den (berechtigten) Parteiinteressen der Vorrang einzuräumen." (vgl. angefochtener Bescheid, S. 2)
Diese Ermessensentscheidung ist rechtswidrig. Die erkennende Behörde nimmt keinerlei Bedacht auf den Grad des Verschuldens, sowie auf den Umstand, dass es beim Beschwerdeführer zu keiner Bereicherung gekommen ist. Wie bereits mit Schriftsatz vom mitgeteilt und zugestanden, war der Beschwerdeführer im Zeitraum 10/2001 bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***2*** und leitete das Lokal "***13***", welches in das Hotel "***12***" integriert war. Aufgrund von unerwarteten Schäden in der gepachteten Betriebsausstattung und einer mangelnden Auslastung des Hotels kam es neben unvorhergesehenen Ausgaben auch zu einem massiven Umsatzrückgang. Die Buchungsprognosen des damaligen Hoteldirektors, aufgrund derer der Businessplan erstellt wurde, sind weit verfehlt worden. Werbemaßnahmen konnten auch zu keiner nennenswerten Umsatzerhöhung führen. Ab wurde die Geschäftsführung durch die Ehegattin des Beschwerdeführers ausgeübt. Aufgrund dieser Umstände ist das Verschulden des Beschwerdeführers als gering einzustufen. Aufgrund des schlechten Geschäftsganges versuchte der Beschwerdeführer über Werbemaßnahmen die Auslastung des Lokals zu steigern. Dies allerdings ohne Erfolg. Um die bestehenden Verbindlichkeiten - somit auch jene der erkennenden Behörde - bezahlen zu können, war es wichtig, dass der Geschäftsbetrieb und somit auch die Einnahmequelle aufrechterhalten wurde. Dies war aber nur möglich, indem die Löhne an die Mitarbeiter ausbezahlt und auch Rechnungen von Lieferanten bezahlt wurden. Durch die Nichtentrichtung der gegenständlichen Abgaben kam es auch zu keiner Bereicherung des Beschwerdeführers. Aufgrund des schlechten Geschäftsganges hat sich der Beschwerdeführer im Jahr 2014 kein Gehalt ausbezahlt. Er hat somit unentgeltlich gearbeitet.
Aufgrund sämtlicher ins Treffen geführter Umstände wäre es daher unbillig, dass der Beschwerdeführer für Abgabenverbindlichkeiten der ***2*** in Höhe von EUR 8.007,03 gem. § 11 BAO zur Gänze zu haften hat. Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers ist aufgrund von Unbilligkeit und falscher Ermessensübung rechtswidrig erfolgt, weswegen der angefochtene Bescheid wegen materieller Rechtswidrigkeit aufzuheben ist.
3) Formelle Rechtswidrigkeit:
Als wesentlicher Verfahrensfehler wird die Verletzung der Parteiengehörs geltend gemacht. Der Beschwerdeführer hat ein subjektives Recht darauf, Gelegenheit zu erhalten, um seinen Rechtsstandpunkt zu vertreten und alles vorzubringen, was diesen unterstützt. Die erkennende Behörde darf zur Begründung ihres Bescheides nur solche Tatsachen und Beweismittel heranziehen, welcher der Partei zuvor zur Stellungnahme vorgehalten wurden. Das Parteiengehör muss in einer bestimmten Form eingeräumt werden und zwar ausdrücklich und in förmlicher Weise. Auch muss die Ausübung der Partei bewusst gemacht werden. Weiters muss eine ausreichende Frist zur Ausübung des Rechts eingeräumt werden. All diese Grundsätze wurden von der erkennenden Behörde nicht eingehalten. Mit Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass von der erkennenden Behörde eine Haftung gem. § 9 BAO geprüft werde und er all jene Umstände bekannt gegeben möge, warum er nicht Sorge dafür tragen konnte, dass die gegenständlichen Abgaben entrichtet wurden. Insbesondere sollen alle jene Beweismittel vorgelegt werden, mit denen eine Gläubigergleichbehandlung unter Beweis gestellt werden könne.
Mit angefochtenem Haftungsbescheid vom wurde dem Beschwerdeführer erstmals zur Kenntnis gebracht, dass die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der ***2*** auf § 11 BAO gestützt wird. Durch dieses Vorgehen wurde der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt. Dieser Verfahrensfehler ist wesentlich, da die Haftungsgrundlagen unterschiedliche Haftungstatbestände normieren und demnach für den Beschwerdeführer unterschiedliche Einwendungen erhoben werden können. Der angefochtene Bescheid leidet aus diesem Grund an formeller Rechtswidrigkeit. Abschließend wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sämtliche relevanten Buchhaltungsunterlagen vorhanden sind und vorgelegt werden können. Die postalische Übermittlung erscheint aufgrund des Umfanges jedoch als nicht adäquat. Aus diesem Grund werden diese Unterlagen nach entsprechender Aufforderung persönlich der erkennenden Behörde bzw. dem zuständigen Verwaltungsgericht vorgelegt werden.
4) Anträge:
Aus diesen Gründen richtet der Beschwerdeführer an das zuständige Verwaltungsgericht die Anträge,
1. gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und
2a. gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu
2b. gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und die Haftung der Höhe nach im gesetzlichen Ausmaß (insbesondere durch rechtsrichtige Ausübung des Ermessens) zu bestimmen, in eventu
2c. den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:
"Parteiengehör:
§ 11 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet: "Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden."
§ 49 Finanzstrafgesetz (FinStrG) lautet: "Finanzordnungswidrigkeiten § 49
(1) Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich schuldig, wer vorsätzlich
a) Abgaben, die selbst zu berechnen sind, insbesondere Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird; im übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar;
b) durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (§ 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994) ungerechtfertigte Abgabengutschriften geltend macht.
(2) Die Finanzordnungswidrigkeit wird mit einer Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages oder der geltend gemachten Abgabengutschrift beträgt."
Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes im verwaltungsbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (vgl. ). Der Haftungstatbestand ist durch jede Art von Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist (vgl. ). Die Haftung nach §11 BAO ist auch keine Ausfallshaftung, sondern eine uneingeschränkte Primärhaftung, die an die Bestrafung anknüpft. Der rechtskräftige Bescheid oder das rechtskräftige Urteil hat somit Tatbestandswirkung (vgl. Stoll, BAO Kommentar, 144). Die Haftungsinanspruchnahme darf jedoch keinen höheren Verkürzungsbetrag umfassen, als der im Spruch des Strafurteils festgestellte (). Sie setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist (). Die abgabenrechtliche Haftungsform setzt entsprechend dem Prinzip der Akzessorietät im materiellen Sinn den Bestand einer Schuld voraus, nicht aber, dass die Schuld dem Hauptschuldner gegenüber bereits geltend gemacht worden ist und das Verfahren zur Einhebung oder gar zur zwangsweisen Einbringung ergebnislos verlaufen ist (, mit Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 105). Sie wurden mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg, ***3***, , rechtskräftig am , für eine vorsätzlich begangene Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit a FinStrG bestraft. Das Verkürzungsausmaß entspricht die im Haftungsbescheid genannten Abgaben. Dieser Sachverhalt ist zweifelsfrei und unbestritten. Die in der Beschwerde vom angeführte Verletzung des Parteiengehörs geht schon deshalb ins Leere, da die Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ex lege an die rechtskräftige Verurteilung angeknüpft ist. Diesbezüglich wird auf das vorangegangene Finanzstrafverfahren sowie das Erkenntnis des Spruchsenates Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg, ***3***, , verwiesen.
Ermessen:
§ 20 BAO lautet: "Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen." Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Die Begründung des Bescheides hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (). Im angefochtenen Bescheid wird folgendes zur Ermessensausübung angeführt:
"Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umständen zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den (berechtigten) Parteiinteressen der Vorrang einzuräumen."
Die Ermessensübung hat sich am Zweck der Norm zu orientieren (). Der Haftungsbestimmung des §11 BAO liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, dass derjenige der eine widerrechtliche Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen hat ( mwN). Bei der Ermessensausübung ist vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen. Umstände wie Grad des Verschuldens oder das bisherige steuerliche Verhalten wurden jedoch bereits im vorangegangenen Finanzstrafverfahren mildernd berücksichtigt. Neben dieser Tatsache ist im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 20 BAO im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass die haftungsverfangenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden können. Dies stand spätestens mit fest, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***2*** beim HG Wien ***6*** mit nach Schlussverteilung aufgehoben wurde. Ergänzend ist zu sagen, dass die Firma am gemäß §40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Die "Zweckmäßigkeit" der Haftungsinanspruchnahme des rechtskräftig verurteilten Beschwerdeführers ergibt sich daher schon daraus, dass die Abgaben bei diesem leichter eingebracht werden könne als beim Primärschuldner ***2***.
Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht der Geltendmachung der Haftung ebenso wenig entgegen (; , 2006/13/0197), da eine allfällig derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Beschwerdefall das öffentliche Interesse an der Abgabeneinbringung das Interesse des Beschwerdeführers, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, zweifellos überwiegt, da das öffentliche Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen nur durch Geltendmachung der Haftung gewahrt werden kann. Es kann hier somit nach nochmaliger Überprüfung des Aktes keine Überschreitung des vom Gesetz vorgegebenen Ermessensrahmens erkannt werden. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen."
Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf durch seinen Vertreter den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht, den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gem. § 274 Abs. 1 Z 1 lit b BAO, verwies auf sein Vorbringen in der Beschwerde vom und ergänzte dieses wie folgt:
"In der Beschwerde vom hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgetragen, dass einerseits eine Verletzung durch das Parteiengehör erfolgt ist und andererseits die erkennende Behörde eine rechtsunrichtige Ermessensentscheidung getroffen hat. Die Ermessensentscheidung betrifft ua auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung. Weiters hat die Behörde bei der Ermessensentscheidung den Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Auch ist für das Ausmaß der Haftung der Umstand zu werten, ob es beim Haftungspflichtigen zu einer Bereicherung gekommen ist. Der Beschwerdeführer hat ausführlich dargetan, dass es zu keiner Bereicherung gekommen ist. Er hat sich im Geschäftsjahr 2014 kein Gehalt ausbezahlt. Grund hierfür war der schlechte Geschäftsgang. Der Beschwerdeführer war stets bestrebt, den Geschäftsgang aufrecht zu erhalten, um Lieferanten, Mitarbeiter, etc. bezahlen zu können. Auch wurde der erkennenden Behörde mehrfach angeboten, sämtliche Buchhaltungsunterlagen vorzulegen. Die erkennende Behörde führt in der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung lapidar aus, dass "Umstände wie Grad des Verschuldens oder das bisherige steuerliche Verhalten bereits im vorangegangenen Finanzstrafverfahren mildernd berücksichtigt wurden." (vgl. S. 3 der Beschwerdevorentscheidung vom ).
Es ist nicht ausreichend, dass der Grad des Verschuldens sowie das bisherige steuerliche Verhalten des Beschwerdeführers bereits im Finanzstrafverfahren berücksichtigt wurde. Die erkennende Behörde hat den Grad des Verschuldens sowie das Thema "Bereicherung" - mit welchem sie sich bis dato nicht auseinandergesetzt hat - auch bei der Ermessensausübung für das Ausmaß der Haftung zu berücksichtigen. "Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist." (vgl ) In Entsprechung dieser Judikatur hat die erkennende Behörde sämtliche Umstände zu berücksichtigen. Dies ist bis dato nicht erfolgt, weswegen die bisherige Ermessensausübung unrichtig bzw. rechtswidrig erfolgt ist."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Hingewiesen wurde im Spruch des Haftungsbescheides vom auf die Bestimmung des § 9 BAO.
Der Spruch ist die allein der Rechtskraft fähige Willenserklärung normativen (rechtsgestaltenden oder feststellenden) Inhalts der Behörde und somit das Kernstück jedes Bescheides. Nur der Spruch erlangt rechtliche Geltung, weshalb auch nur dieser und nicht allenfalls eine Ausführung in der Begründung angefochten werden kann. Im Spruch wird über die Hauptfrage in einem Verfahren abgesprochen, wogegen die Beurteilung einer allfälligen Vorfrage (§ 116) der Begründung vorbehalten zu bleiben hat; nur ein Spruchinhalt
Im Bescheidspruch bedarf es stets der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des zur Erledigung anstehenden Sachverhaltes und damit für die Subsumtion des als erwiesen angenommenen (einer bestimmten, im Spruch zu nennenden Person zuzurechnenden) Sachverhaltes unter die in Betracht kommende Vorschrift erforderlich ist. Der Sachverhalt als solcher muss somit dem Spruch nach identifizierbar sein. Durch die spruchmäßige Erfassung des Sachverhaltes und die Subsumtion unter eine bestimmte Rechtsvorschrift wird die Verwaltungssache als solche konkretisiert ().
Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand ().
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Spruches ist somit von Ausspruch einer Haftung gemäß § 9 BAO auszugehen, zumal die Begründung eines Bescheides nicht zur Folge hat, dass sie das zur Abänderung eines eindeutigen Spruches herangezogen werden dürfte. Die Begründung ist vielmehr nur zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ().
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird entgegen dem klaren Wortlaut des Spruches das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 BAO und nicht jener des § 9 BAO dargelegt, sodass zwischen Spruch und Begründung ein wesentlicher Widerspruch besteht.
Widersprüche zwischen Spruch und Begründung eines Bescheides führen zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (; , 93/14/0049; , 94/13/0228) bzw. erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig ().
Abgesehen davon hat die Abgabenbehörde auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 BAO nicht dargelegt und ist zudem hinsichtlich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Haftung gemäß § 9 BAO für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 zu bemerken, dass diese in Jahresbeträgen ohne nähere Aufgliederung festgesetzt wurden.
Damit wurde der Bf von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt, konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet hat, und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen, daher war der angefochtene Haftungsbescheid auch wegen der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/16/0199, auf dessen Ausführungen im Übrigen verwiesen wird, dadurch festgestellten Rechtswidrigkeit aufzuheben (vgl. auch ).
Die Inanspruchnahme des Bf gemäß § 9 Abs. 1 BAO für Abgabenschuldigkeiten der ***2*** im Ausmaß von € 8.007,03 mit Haftungsbescheid vom erfolgte somit zu Unrecht.
Zum Antrag, gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen, ist auf die Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu verweisen, wonach eine Verhandlung entfallen kann, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100570.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at