Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2020, RV/7102443/2020

Pfändung von Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis - Einwendungen ausschließlich gegen den zugrundeliegenden Abgabenanspruch

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Pfändung einer Geldforderung, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom pfändete das Finanzamt gemäß § 65 AbgEO die beschränkt pfändbaren Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstigen Bezüge im Sinne des § 290a EO des nunmehrigen Beschwerdeführers ***Bf1*** (in der Folge kurz Bf. genannt) wegen am Abgabenkonto (Steuernummer ***BF1StNr1***) des Bf. aushaftender Abgaben einschließlich Pfändungsgebühren und Barauslagen in Höhe von insgesamt € 151.504,95 (Abgaben: € 150.000,00, Pfändungsgebühren und Barauslagen € 1.504,95) und erteilte den Arbeitgeber des Bf., Fa. X-GmbH, Adresse1, das Verbot an den Bf. Zahlungen zu leisten.

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Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende frist-und formgerechte Beschwerde des Bf. vom , mit welcher wie folgt ausgeführt wird:

"A.

Allgemeine Angaben zur Beschwerde

I.

Bezeichnung des angefochtenen Bescheides

(§ 250 Abs 1 lit a BAO)

Diese Beschwerde richtet sich gegen den Pfändungsbescheid vom über € 151.504,95.

II.

Angefochtene Punkte (§ 250 Abs 1 lit b BAO)

Das Anfechtungsobjekt wird seinem gesamten Inhalt nach (in vollem Umfang) angefochten, Es

wird beantragt, es ersatzlos aufzuheben. Ein solcher Antrag entspricht den Erfordernissen des

§ 250 Abs 1 lit b und c BAO ( 96/13/0081; Ritz BAO6 § 250 Tz 9), wie das

sinngemäß anzuwendende Erkenntnis des 93/13/0258, VwSlg 7314/F, schlüssig aufzeigt:

"Es trifft nicht zu, dass das ausdrückliche Begehren der ersatzlosen Behebung eines Abgabenbescheides keine ausreichende Erklärung iS des § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO

Ein solches Begehren zielt darauf ab, dass von der Erlassung eines Abgabenbescheides

überhaupt Abstand genommen wird. Eine Erklärung, welche Änderungen hinsichtlich

der Bemessungsgrundlage beantragt werden, kann begrifflich nicht abgegeben werden,

weil ein nicht zu erlassender Abgabenbescheid keine Abgabenbemessungsgrundlage haben

kann. Mit dem zusätzlichen Begehren, die vorgeschriebenen Abgaben mögen "auf

Null gestellt werden" hat der AbgPfl mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht,

dass seiner Ansicht nach keine Abgaben vorzuschreiben wären. "Was bei einem

solchen Begehren fehlt, ist die Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO)."

sei.

III.

Beantragte Änderungen (§ 250 Abs 1 lit c BAO)

Die lit b und c des § 250 Abs 1 BAO liegen eng beisammen. Speziell wenn - wie hier - die ersatzlose Behebung des neu erlassenen Bescheides angestrebt wird, ergeben sich die beantragten Änderungen de facto bereits aus der Anfechtungserklärung.

IV.

Angaben zur Rechtzeitigkeit

Der Pfändungsbescheid trägt das Ausfertigungsdatum . Die Rechtsmittelfrist beginnt

CORONA-bedingt gemäß § 323c Abs 1 BAO idF Art 13 des 2. COVlD-19-Gesetzes, BGBl I

2020/16, aus heutiger Sicht überhaupt erst ab dem zu laufen.

B.

Begründung

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist kurz und bündig: Mein Mandant schulde dem Finanzamt samt Nebengebühren € 151.504,95, Deshalb dürfe sein Dienstgeber, die X-GmbH, Adresse1, keine Gehaltszahlungen an ihn mehr vornehmen.

Diese Begründung trifft aus den in den diversen Verfahren bereits dargelegten Gründen nicht zu. Die behauptete Steuernachforderung besteht "nur auf dem Papier".

C.

Beschwerdeantrag

Demzufolge wird nachstehender

Antrag

gestellt:

Das Finanzamt möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Pfändungsbescheid

ersatzlos aufheben."

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde des Bf. als unbegründet ab.

Begründung wurde ausgeführt, den vorgeschriebenen Abgabenbescheiden 2007 bis 2013 vom liege das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/***1***, zu Grunde.

Infolge Nichtbezahlung der am vorgeschriebenen Abgabenbescheide 2007 bis 2013 sei Vollstreckbarkeit eingetreten.

Mangels Vorliegen einer Hemmung der Einbringung sei die Abgabenbehörde als

Vollstreckungsbehörde im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens sohin berechtigt, die Lohnpfändung am durchzuführen.

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Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte wie folgt aus:

"1. Die BVE wird wie zuvor bereits der Pfändungsbescheid vom in vollem Umfang

(seinem gesamten Inhalt nach) angefochten und bestritten.

2.Ich halte für meinen Mandanten das gesamte bisherige Vorbringen vollinhaltlich aufrecht.

3.Ein Vorlageantrag muss nicht mehr näher begründet werden (vgl Ritz BAO6 § 264 Tz 4).

4. Demzufolge wird nachstehender

Antrag

gestellt:

Das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung

vor dem/der Einzelrichterln vollinhaltlich stattgeben und den angefochtenen Pfändungsbescheid samt BVE ersatzlos aufheben."

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Der Bf. hat den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 65 Abs.1 Abgabenexekutionsordnung erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekannt zu geben.

Abs.2: Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei mitzuteilen, daß die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Das Zahlungsverbot ist mit Zustellnachweis zuzustellen, wobei die Zustellung an einen Ersatzempfänger zulässig ist.

Abs.3: Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

Gemäß § 229 BAO ist als Grundlage für die Einbringung über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Dem Rückstandsausweis vom liegt das BFG Erkenntnis GZ. RV/***1*** vom zugrunde. Gegen dieses Erkenntnis wurde am eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht, ebenso ein Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Mit wurde dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht Folge gegeben.

Mit Beschluss vom hat der Verfassungsgerichtshof zur Zahl E 2675/2019 die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Rückstandsausweis vom weist eine nach Abgabenart gegliederte Abgabenschuld iHv insgesamt € 407.284,31. auf, enthält den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers, die Fälligkeitstermine sowie den Vermerk, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist. Er gliedert sich im Einzelnen wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag/Zahlungsfrist
Betrag
Umsatzsteuer

Umsatzsteuer

Umsatzsteuer

Einkommensteuer

Einkommensteuer

Einkommensteuer

Einkommensteuer EZ
2008

2010

2011

2007

2009

2010

20112019
/

/

/

/

/

/

/08.07.201908.07.2019
6.269,99

100.690,98

102.077,34

33.021,91

8.680,55

76.375,00

43.658,0036.510,54
407.284,31

Der dem angefochtenen Bescheid über die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung zugrunde liegende Rückstandausweis vom entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 229 BAO.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der Bf. die zugrundeliegenden Abgaben schulde, treffeaus den in den diversen Verfahren bereits dargelegten Gründen nicht zu. Die behauptete Steuernachforderung bestehe "nur auf dem Papier".

Mit diesem Vorbringen wird ausschließlich die Richtigkeit der dem angefochtenen Pfändungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten in Frage gestellt.

Unbestritten liegen aber rechtskräftige Abgabenvorschreibungen vor. Es wird auch nicht ausdrücklich behauptet, dass die Vollstreckbarkeit iSd § 226 BAO nicht gegeben gewesen wäre oder dass die Abgaben nicht im Rückstandsausweis iSd § 229 BAO enthalten gewesen wären.

Die materielle Richtigkeit der der Vollstreckung zugrunde liegenden Abgabenforderung ist außerdem im Rechtsmittelverfahren betreffend die Abgabenvorschreibung zu prüfen und nicht im Vollstreckungsverfahren (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2380). Etwaige Einwendungen gegen den Abgabenanspruch wären daher mit Berufung/Beschwerde gegen die Abgabenbescheide geltend zu machen gewesen (vgl. schon ) und stellen unzulässige Einwendungen gegen den Exekutionstitel dar ().

Nur die Einstellung der Vollstreckung führt zur Aufhebung der bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Vollstreckungshandlungen und damit zur Auflassung der erworbenen Pfandrechte. Die Einstellungsgründe sind im Gesetz in den §§ 12 bis 14 und 16 AbgEO taxativ aufgezählt. Keiner der in diesen Bestimmungen umschriebenen Tatbestände trifft auf den Beschwerdefall zu. Für die Einstellung der Vollstreckung besteht somit keine Rechtsgrundlage.

Da somit der hier zu beurteilenden Lohnpfändung ein rechtsgültiger Rückstandsausweis zugrunde lag, die Einbringung der Abgaben nicht gehemmt war und auch kein gesetzlich anerkannter Einstellungsgrund vorlag, wurde der Bescheid betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung zu Recht erlassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist unzulässig, da mit der Frage, ob die Pfändung der Geldforderung zu Recht erfolgte und ob der Rückstandsausweis einen Exekutionstitel darstellte, vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102443.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at