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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.10.2020, RV/3100257/2018

Verjährungsbeginn iSd § 208 Abs. 1 lit. d BAO (Festellungsverfahren und § 295 Abs. 1 BAO)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.1***, ***Bf. 1 Adr.***, vertreten durch ***A*** GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, ***A Adr.***, über die Beschwerde vom gegen die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 und gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2006 und 2007 des ***FA*** vom Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde gegen die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

2. Die Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2006 und 2007 wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Abgabenbehörde fertigte am an den Beschwerdeführer (kurz: Bf.) geänderte Einkommensteuerbescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO für die Jahre 2006 und 2007 zu den Bescheiden vom und mit der Begründung aus, dass die Änderung aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes ***B*** zu Steuernummer ***B F-XX*** vom erfolge. Der Bf. beziehe anteilsmäßig Einkünfte aus Gewerbebetrieb über die ein Feststellungsbescheid vorliege.
Die Nachforderung an Einkommensteuer betrug 2006 € 14.727,37 und 2007 € 38.435,98.

2. Gleichzeitig mit diesen Abgabenbescheiden ergingen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2006 und 2007, die zu einer Abgabenschuld von € 1.981,67 und € 4.083,25 führten.

3. Gegen diese Bescheide erhob die steuerliche Vertretung des Bf. mit Schreiben vom Beschwerde und wandte ein, dass die Festsetzung der Einkommensteuer und der Anspruchszinsen nicht zulässig sei, da die Jahre 2006 und 2007 bereits verjährt seien. Die angefochtenen Bescheide seien unverzüglich mittels einer Beschwerdevorentscheidung aufzuheben.

4. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. unter anderem an der "***C*** GmbH & Co KG (vormals ***Cc*** Handel KG) mit Sitz in ***B*** beteiligt sei. Am sei für diese Personengesellschaft jeweils ein vorläufiger Feststellungsbescheid 2006 und 2007 ergangen. Die Vorläufigkeit gemäß § 200 BAO sei mit dem offenen Rechtsmittelverfahren in den Vorjahren begründet worden.
Der Unabhängige Finanzsenat habe am , RV/0730-K/07, über die Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide 1999 bis 2005 entschieden und die Beschwerden als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginne die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden sei. Daher beginne die Verjährung im konkreten Fall mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das offene Rechtsmittel entschieden worden sei. Gemäß § 209 Abs. 4 BAO verjähre das Recht, eine gemäß Abs. 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs. 1 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches. Nach § 207 Abs. 2 BAO trete hinsichtlich der Einkommensteuer 2006 und 2007 die Verjährung im Jahr 2017 ein. Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 gemäß § 295 Abs. 1 BAO am sei daher innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt.
Da die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 als unbegründet abzuweisen waren, seien die Nachforderungen an Einkommensteuer zu Recht und damit sei auch die Festsetzung der Anspruchszinsen rechtmäßig.

5. Am wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung durch den Senat und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die vorläufige Erlassung der Feststellungsbescheide mit der "Streitanhängigkeit eines Rechtsmittelverfahrens" über die Feststellungsbescheide der Jahre 1999 bis 2005 begründet worden sei.
Die Rechtsmittel betreffend die Feststellungen der Jahre 1999 bis 2005 seien im Jahr 2012 als unzulässig zurückgewiesen worden, weil die im Rechtszug bekämpften Feststellungsbescheide als "Nichtbescheide" qualifiziert worden seien. Nichtbescheide seien als nichtige Akte der Verwaltung nicht rechtswirksam und können somit nicht mit Rechtsmitteln bekämpft werden. Rechtsmittel gegen Nichtbescheide begründen deshalb auch nicht eine die Verjährung hindernde Streitanhängigkeit nach § 209a BAO. Ebenso liege eine Ungewissheit kraft Streitanhängigkeit im Sinn des § 200 BAO nicht vor, denn Rechtsmittel gegen Nichtbescheide begründen keine Streitanhängigkeit.
In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes wurde ausgeführt, es wäre inkonsistent, eine Streitanhängigkeit im Sinn des § 209a BAO zu verneinen, dagegen im Sinn einer Ungewissheit nach § 200 BAO zu bejahen. Aufgrund der Nichtigkeit der Feststellungsbescheide liege im Beschwerdefall eine Streitanhängigkeit oder eine Ungewissheit kraft Streitanhängigkeit nicht vor. Eine Hemmung der Verjährung sei ausgeschlossen. Die Einkommensteuer der Jahre 2006 und 2007 sei verjährt. Den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 und 2007 und gegen die Anspruchszinsen 2006 und 2007 sei stattzugeben.

6. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht am zur Entscheidung vorgelegt.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zur Erledigung zugewiesen.

II. Rechtslage

1. Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Nach Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

2. Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung eines vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Fall der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist, wenn die Ungewissheit (Abs. 1) beseitigt ist, die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

3. In den Fällen des § 200 BAO beginnt die Verjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für den nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO zu bestimmenden Beginn der Verjährung maßgebend, ob zum Zeitpunkt der Erlassung der in Rede stehenden vorläufigen Bescheide - objektiv gesehen - eine Ungewissheit bestanden hat und wann diese Ungewissheit weggefallen ist. Hat tatsächlich keine Ungewissheit bestanden, beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres der Erlassung des vorläufigen Bescheides (vgl. ; vgl. ).

4. Die gemäß § 190 Abs. 1 BAO normierte sinngemäße Anwendbarkeit der für die Festsetzung von Abgaben geltenden Vorschriften ermöglicht Feststellungsbescheide nach § 200 Abs. 1 BAO vorläufig zu erlassen. Soweit im Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw. des Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw. Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (siehe ).

5. § 209 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 BAO bestimmt:

"(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

(3) Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen oder einer Zweckzuwendung von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige.

(4) Abweichend von Abs. 3 verjährt das Recht, eine gemäß § 200 Abs. 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs. 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches."

6. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind auf Erlassung von Feststellungsbescheiden (§ 188 BAO) gerichtete Amtshandlungen, wie zum Beispiel Vorhalte oder Außenprüfungen, die eindeutig auf die Geltendmachung von Abgabenansprüchen gerichtet sind, für die Verjährung dieser Abgaben (Einkommensteuer der Beteiligten) bedeutsam, auch wenn sie nicht vom für die Abgabenerhebung örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wurden (vgl. ). Feststellungsbescheide verlängern die Verjährungsfrist für jene Abgabenansprüche, die von den Feststellungsbescheiden - im gegenständlichen Fall die Einkommensteuerbescheide - abgeleitet sind (vgl, Ritz, BAO6, § 209 Tz 12 und dort zit. ; vgl. idS Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 208 Anm. 4).

III. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer war in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2006 und 2007 an elf verschiedenen Personengesellschaften und Personengemeinschaften beteiligt, von denen ihm zum einen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und zum andern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugewiesen wurden.

2. Streitpunkt bildet im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Frage, ob die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 mit Bescheiden gemäß § 295 Abs. 1 BAO vom auf Basis der mit Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO 2006 und 2007 vom der ***Cc*** Handel KG (StNr. ***B F-XX***) zugewiesenen Gewinntangenten zu Recht erfolgte oder ob für diese Jahre bereits die Verjährung eingetreten war. Während der Beschwerdeführer den Standpunkt vertrat, dass eine Änderung der Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 aufgrund der abgelaufenen Verjährungsfrist nicht zulässig sei, ging die Abgabenbehörde davon aus, dass die Erlassung der geänderten Einkommensteuerbescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO noch innerhalb der mit Ablauf des Jahres 2017 eingetretenen Verjährung erfolgt sei.

3. Der Beschwerdeführer wies in der erklärungsgemäß veranlagten Einkommensteuer 2006 () und 2007 () die Gewinntangenten an der ***Cc*** Handel KG (StNr. ***B F-XX***) bereits in der Höhe aus, wie ihm diese in den später gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Bescheiden über die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO vom mit Tangentenmitteilung zugewiesen wurden. Die Vorläufigkeit wurde in den Grundlagenbescheiden damit begründet, dass der Umfang der Abgabenpflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig sei.

4. Das als Vorläufigkeitsgrund herangezogene noch nicht beendete Rechtsmittelverfahren der Vorjahre umfasste mehrere Berufungen der ***Cc*** Handel KG. Diese Berufungen richteten sich gegen die für die Jahre 1999 bis 2001 und die Jahre 2002 bis 2005 ausgefertigten Bescheide, mit denen jeweils über denselben Zeitraum ausgesprochen wurde, dass zum einen eine Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO mit Zuweisung der jeweiligen anteiligen Einkünfte an die Komplementäre erfolge (Ausfertigungen vom und ) und zum andern (Ausfertigungen vom und ) eine Feststellung der Einkünfte gegenüber den Kommanditisten unterbleibe.
In den dagegen erhobenen Berufungen wurde beanstandet, dass in die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünften nicht alle Gesellschafter aufgenommen worden seien, weshalb die für die Jahre 1999 bis 2001 und 2002 bis 2005 erlassenen Feststellungsbescheide ersatzlos aufzuheben seien und eine erklärungsgemäße Veranlagung zu erfolgen habe.

5. Der Unabhängige Finanzsenat wies die in den Feststellungsverfahren 1999 bis 2005 erhobenen Berufungen - im Hinblick auf den Verstoß gegen das für Grundlagenbescheide im Sinne des § 188 BAO geltende Gebot der Einheitlichkeit - mit (rechtskräftiger) Berufungsentscheidung vom , Geschäftszahl RV/0730-K/07, als unzulässig zurück, da die bekämpften Bescheide keine Rechtswirksamkeit erlangt hatten.

6. Der vom Finanzamt ***B*** in den Bescheiden über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2006 und 2007 vom herangezogene Vorläufigkeitsgrund, der im noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahren gesehen wurde, stellte keine Ungewissheit im Tatsachenbereich dar.

7. Der Beschwerdeführer ist unter anderem an der ***D*** und Mitbes. beteiligt. Mit Bescheid vom wurden die vorläufigen Bescheide über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für 2006 und 2007 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig erklärt.

8. Im Jahr 2015 konnten weder in den Einkommensteuerverfahren 2006 und 2007 des Beschwerdeführers noch in den Feststellungsverfahren für die Jahre 2006 und 2007 der Personengesellschaften und Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit an denen der Beschwerdeführer beteiligt war (***E*** & Co KG, ***F*** & Co OG i. Liqu., ***G*** Handel GmbH & Co KG, ***H*** Handel GmbH & Co KG, ***C*** GmbH & Co KG (vormals ***Cc*** Handel KG), ***I*** Immo GmbH & Co KG, ***J*** u Mitbes (FA 09), ***K*** u ***L***, ***J*** u Mitbes (FA ***Y***), ***D*** u Mitbes, ***M*** GmbH & Co KG) nach außen erkennbare Amtshandlungen der Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO festgestellt werden.

9. Aufgrund des Prüfungsauftrages vom führte die Großbetriebsprüfung Standort ***N*** im Auftrag des Finanzamtes ***B*** bei der ***Cc*** Handel KG eine die Jahre 2006 bis 2010 umfassende abgabenbehördliche Prüfung durch. Den Prüfungsfeststellungen folgend, verfügte das Finanzamt ***B*** hinsichtlich der vorläufigen Bescheide betreffend die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO der Jahre 2006 und 2007 mit Bescheiden vom die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO und fertigte für diese Jahre gleichzeitig jeweils einen neuen (endgültigen) Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO aus. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

10. Auf Basis dieser Grundlagenbescheide erließ die belangte Behörde am für die Jahre 2006 und 2007 gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide.

11. Der unstrittig vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus den jeweiligen Steuerakten (Zentrale Anwendungen AIX) und den bezogenen Dokumenten.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Mit Schreiben vom an das Bundesfinanzgericht nahm der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück. Die Entscheidungsbefugnis über die Beschwerde fällt der zuständigen Richterin als Einzelrichterin zu.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat bei Einreichung einer Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften mit mehreren beteiligten Rechtssubjekten eine einheitliche bescheidmäßige Erledigung gegenüber diesen Rechtssubjekten zu erfolgen und bleibt ein nicht an alle diese Rechtssubjekte gerichteter Bescheid solchen Inhaltes wirkungslos (vgl. , ).

Sachverhaltsmäßig stand außer Streit, dass für die Jahre 1999 bis 2005 keine einheitlichen an alle an der Kommanditgesellschaft beteiligten Rechtssubjekte (Komplementäre und Kommanditisten) gerichtete Grundlagenbescheide (§ 188 BAO) ausgefertigt worden waren (Punkt III. 4.). Damit konnte jedenfalls davon ausgegangen werden, dass sämtliche ergangenen (Nicht)Feststellungsbescheide eine Rechtswirksamkeit nicht entfalten hatten können. Demzufolge wurden die Berufungen gegen diese rechtsunwirksamen (Nicht)Feststellungsbescheide mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom als unzulässig zurückgewiesen (Punkt III. 5.).

3. Eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO ist nur eine im Tatsachenbereich gelegene Ungewissheit, die im Ermittlungsverfahren noch nicht beseitigbar ist (vgl. Ritz, BAO6, § 200 Tz 3).
Der maßgebende Grund, die Bescheide vom über die Feststellung von Einkünften 2006 und 2007 gemäß § 200 Abs. 1 BAO für vorläufig zu erklären, stellte sohin keine Ungewissheit im Tatsachenbereich dar, vielmehr war aus den eingebrachten Rechtsmitteln klar erkennbar, dass es ausschließlich um die rechtliche Beurteilung der in den Vorjahren 1999 bis 2005 erlassenen Feststellungsbescheide und Nichtfeststellungsbescheide ging. Der Spruch bei Erledigung dieser Rechtsmittel konnte allerdings nur auf Zurückweisung wegen Unzulässigkeit lauten.

4. Die belangte Behörde vertrat in der Beschwerdevorentscheidung vom den Standpunkt, dass die den gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Feststellungsbescheiden 2006 und 2007 der ***Cc*** Handel KG zugrundeliegende Ungewissheit durch die Berufungsvorentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0730-K/07, beseitigt worden sei und die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen habe, womit die am ausgefertigten gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 noch innerhalb der Verjährungsfrist ergangen seien.

5. Mit diesen Ausführungen ist die Abgabenbehörde nicht im Recht.
Fälle des § 200 BAO im Sinne des § 208 Abs. 1 lit. d BAO liegen bei verfassungskonformer Interpretation auch dann vor, wenn - wie im gegenständlichen Beschwerdeverfahren - ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften (Grundlagenbescheid) vorläufig ergangen ist, hievon abgeleitete Bescheide - hier die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 - aber im Hinblick auf § 295 Abs. 1 BAO endgültig erlassen wurden (Punkt II. 4.).

6. Wird eine Abgabe gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, ist in der Folge auch für die Frage, mit welchem Zeitpunkt die Verjährung beginnt, von der Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO bei Bescheiderlassung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Verjährungsbeginn nach der Regelung des § 208 Abs. 1 lit. d BAO bestimmt wird und keinesfalls vor dem Zeitpunkt der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides liegen kann (vgl. ; ; ). Auch wenn keine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO bestanden hat, gilt sohin § 208 Abs. 1 lit. d BAO und beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres in dem der vorläufige Bescheid erlassen wurde.

7. Der in den Bescheiden über die Feststellung von Einkünften 2006 und 2007 vom herangezogene Vorläufigkeitsgrund stellte keine Ungewissheit im Tatsachenbereich dar, womit die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres der Erlassung der vorläufigen Grundlagenbescheide zulaufen begann, da die Verjährung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO keinesfalls vor Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides beginnen kann.
Die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO begann somit mit Ende des Jahres 2009 zu laufen.

8. Im Jahr 2014, dem letzten Jahr der Verjährungsfrist, wurde im Feststellungsverfahren der ***D*** und Mitbes. (StNr. ***Dd***) eine nach außen gerichtete Amtshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO gesetzt, indem die Abgabenbehörde die vorläufig erlassenen Feststellungsbescheide der Jahre 2006 und 2007 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig erklärte (Punkt III. 7.). Den gesetzlichen Bestimmungen des § 209 Abs. 1 BAO zufolge, verlängerte sich die Verjährungsfrist somit um ein Jahr.

9. Wie sachverhaltsmäßig festgestellt (Punkt III. 8.) und von der Abgabenbehörde bestätigt, wurden im Jahr 2015 weder in den Einkommensteuerverfahren 2006 und 2007 des Beschwerdeführers noch in den jeweiligen Feststellungsverfahren (Punkt III. 8.) nach außen erkennbare Amtshandlungen gesetzt. Danach endete die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO mit Ablauf des Jahres 2015.
Die Einkommensteuerbescheide gemäß § 295 BAO für die Jahre 2006 und 2007 der Abgabenbehörde sind mit datiert. Der Beschwerdeführer hat am dagegen Beschwerde erhoben. Die Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 209 Abs. 1 BAO für eine Änderung der Einkommensteuer gemäß § 295 Abs. 1 BAO für die Jahre 2006 und 2007 war daher abgelaufen.

10. Aufgrund der mit Ablauf des Jahres 2015 eingetretenen Verjährung der Einkommensteuer 2006 und 2007 konnte dem im Vorlagebericht gestellten Antrag der Abgabenbehörde auf Erfassung von weiteren für die Jahre 2006 und 2007 (zehn Jahre später) zugewiesenen Gewinntangenten (Tangentenmitteilungen vom , und von einem anderen Finanzamt) nicht entsprochen werden.

11. Der Eintritt der Bemessungsverjährung gemäß den § 207 ff BAO war von Amts wegen wahrzunehmen.
Der Beschwerde war stattzugeben. Die angefochtenen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 waren gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.

V. Anspruchszinsen

1. Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

2. Bei bestimmten Nebenansprüchen, im gegenständlichen Fall die Anspruchszinsen, verjährt das Recht zu ihrer Festsetzung gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der (Stamm)Abgabe (vgl. Ritz, BAO6, § 207 Tz 12).

3. Anspruchszinsenbescheide iSd § 205 BAO sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Erweist sich der genannte Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert oder aufgehoben, so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid und keine Änderung des ursprünglich ergangenen Zinsenbescheides (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 35; vgl. ).

4. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

VI. Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die für den Beschwerdefall bedeutsamen Rechtsfragen sind durch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet (Punkt II. 3., 4 und 6., IV. 6.).
Dass bei Änderung eines Stammabgabebescheides automatisch ein neuer geänderter Anspruchszinsenbescheid ergeht, findet Deckung in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Punkt V. 3.). Die Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1, 3 und 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100257.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at