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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.10.2020, RV/4100276/2019

Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Helga Woschank in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Klagenfurt, zu Steuernummer ***BF1StNr1***, vom , mittels welchen der Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für 2015 und 2016 gemäß § 299 BAO abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1.) Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz Bf.) bezieht neben österreichischen Pensionsbezügen auch solche aus der Bundesrepublik Deutschland.

Er beantragte in den am beim Finanzamt eingelangten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 und 2016 unter Angabe des Grades der Behinderung mit 60% jeweils den pauschalen Freibetrag für Behinderung und Diätverpflegung.

2.) In den am erlassenen Einkommensteuerbescheiden für 2015 und 2016 sind neben dem Freibetrag gem. § 35 Abs. 2 EStG 1988 von € 294,00 nachgewiesene Kosten für unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel iHv € 131,64 (2015) und € 90,82 (2016) berücksichtigt.

Unter Heranziehung der in den Jahren zugeflossenen deutschen Einkünfte von € 6.117,55 (2015) und von € 6.312,39 (2016) wurde ein Durchschnittssteuersatz von 9,84 % (2015) und von 7,15% (2016) ermittelt und dieser (in Entsprechung des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich - BRD auf die österreichischen Pensionseinkünfte angewendet.

Der geltend gemachte Freibetrag für Diätverpflegung wegen Diabetes fand mangels vorliegender Bestätigung durch das Sozialministerium Service (bzw. vorher Bundessozialamt) keine Berücksichtigung.

3.) Am überreichte der Bf. persönlich einen Antrag nach § 299 Abs. 1 BAO, mit welchem er die Aufhebung des Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 vom mit der Begründung begehrte, dass die Zuckerdiät nicht berücksichtigt worden sei, wozu als Nachweis der "neue" Bescheid des Sozialministerium Service vom beigelegt wurde.

4.) Mit dem genannten Bescheid des Sozialministerium Service vom wurde dem Antrag des Bf. auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung vom nicht entsprochen, da sich nach den Feststellungen im eingeholten Sachverständigengutachten der bereits mit 60% festgestellte Grad der Behinderung nicht geändert habe.
Zudem enthält die Stellungnahme zu den gesundheitlichen Änderungen im Verhältnis zu den Vorjahren u.a. die Feststellung, "der Diabestes ist hinzugekommen".

5.) In Folge wies das Finanzamt den Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 gem. § 299 Abs. 1 BAO mit den hier bekämpften Bescheiden vom mit der Begründung ab, dass der beantragte Pauschbetrag für die Zuckerdiät nicht gewährt werden konnte, da die Zuckerdiät erst ab dem Jahr 2017 bescheinigt worden sei.

6.) Am erhob der Bf. fristgerecht Beschwerde. Neben der Berücksichtigung der bereits in Rede stehenden Freibeträge für die Zuckerdiät wurde das Ausscheiden der in den deutschen Bescheiden als steuerfrei behandelten Beträge bei Berechnung des Durchschnittssteuersatzes begehrt.

Nach der mitübermittelten ärztlichen Bestätigung Dr**** war der Bf. im Jahr 2015 wegen bestehender Diabetes zur fachärztlichen Untersuchung beim Facharzt gewesen.

7.) Mit den beiden Beschwerdevorentscheidungen vom entsprach das Finanzamt dem Begehren auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 nicht und begründete wie folgt:

"Im vorliegenden Fall ist für die Geltendmachung des Progressionsvorbehaltes gemäß Doppelbesteuerungsabkommen Österreich/Deutschland der Gesamtbetrag der deutschen Pensionseinkünfte heranzuziehen. Etwaige steuerliche Begünstigungen aus dem deutschen Steuerrecht können im Rahmen der Veranlagung in Österreich keine Berücksichtigung finden, in diesem Punkt war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zur Berücksichtigung des pauschalen Freibetrages für Diätverpflegung wegen Diabetes ohne anzurechnenden Selbstbehalt, als auch bei Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Gehbehinderung für Ihre Gattin ist eine amtsärztliche Bestätigung des Sozialministeriumservice, vormals Bundessozialamt, zwingend erforderlich, die Ihrerseits für das Jahr 2015 nicht vorgelegt wurde.
Auf Basis der vorgelegten fachärztlichen Bestätigung wurde jedoch der pauschale Freibetrag für Diätverpflegung wegen Diabetes mit anzurechnendem Selbstbehalt berücksichtigt."

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen wurden nicht berücksichtigt, da diese niedriger als der gültige Selbstbehalt in Höhe von € 1.663,23 (2015) und von € 1.663,23 (2016) sind.

8.) Innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist wurde folgender Vorlageantrag gestellt:

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Dem Bf. flossen im Streitzeitraum österreichische und deutsche Pensionsbezüge zu.

1.) Für den Streitzeitraum ist der festgestellte Grad der Behinderung von 60% zwischen den Parteien unstrittig.

Mit Bescheid des Sozialministerium Service vom wurde dem Antrag des Bf. auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung vom nicht entsprochen, da sich nach den Feststellungen im eingeholten Sachverständigengutachten der bereits mit 60% festgestellte Grad der Behinderung nicht geändert habe.

Für die Jahre 2015 und 2016 liegt keine eine Behinderung bzw. das Ausmaß der Behinderung feststellende Bescheinigung durch das Bundessozialamt bzw. Sozialministerium Service als Nachweis für einen bestehenden Diabetes bzw. erforderliche Zuckerdiät vor.
Eine diesbezügliche Bescheinigung ist erst ab dem Jahr 2017 gegeben.
Vom Facharzt wurde am ein Diabetes mellitus festgestellt.
Tatsächliche über den jeweiligen Selbstbehalt hinausgehende aus der Behinderung resultierende Kosten wurden nicht nachgewiesen.

2.) Unter Heranziehung der in den Jahren zugeflossenen Pensionsbezügen aus der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Durchschnittssteuersatz von 9,84 % (2015) und von 7,15% (2016) ermittelt und dieser (in Entsprechung des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich - BRD auf die österreichischen Pensionseinkünfte angewendet. Die in den deutschen Steuerbescheiden ausgewiesenen "steuerfreien" Beträge (2015: € 2.770,00, 2016: € 2.720,00) flossen in die Bemessungsgrundlage ein, die Werbungskosten wurden abgezogen.

3.) Als Selbstbehalt wurde jeweils ein Betrag in Höhe von € 1.663,23 (2015) und von € 1.663,23 (2016) ermittelt.

Beweiswürdigung

Der dargestellte Verfahrensgang sowie der festgestellte Sachverhalt gründen auf den seitens der belangten Behörde dem BFG übermittelten Bescheiden, Schriftsätzen und sonstigen Unterlagen sowie auf die Eingaben des Bf., im Besonderen auf dem von diesem übermittelten Bescheid des Sozialministerium Service vom , sowie auf die seitens des Bundesfinanzgerichtes vorgenommenen elektronischen Abfragen im Steuerakt.

Dass bezüglich des 2015 fachärztlich konstatierten Diabetes Mellitus ab dem Jahr 2018 durch das Sozialministerium Service eine bescheidmäßige Erfassung erfolgte, ist aus dem dem Bescheid vom beigefügten ärztlichen Sachverständigengutachten, insbesondere durch Anführung "der Diabetes ist hinzugekommen" in Punkt "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" zu ersehen.

Die angeführten Beträge ergeben sich aus den angeführten (behördlichen) Schriftstücken.

Rechtliche Beurteilung

I.) Zur Rechtswidrigkeit des Spruches der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016:

Als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind Belastungen abzugsfähig, die außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird grundsätzlich unter Anwendung eines Selbstbehaltes berücksichtigt.

Eine Ausnahme von dem in § 34 Abs. 4 EStG 1988 näher geregelten Selbstbehalt besteht in Abs. 6 leg. cit. ua für Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, wobei der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen kann, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Nach der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 7 EStG 1988 vom Bundesministers für Finanzen erlassenen Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, idF BGBl. II 2010/430 (kurz: Verordnung), können nach § 1 Abs. 2 und 3 der Verordnung, wenn das Ausmaß der (festgestellten) Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt, neben dem Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 die in den §§ 2 bis 4 der Verordnung angeführten Mehraufwendungen geltend gemacht werden.

Gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle war ab dem Jahr 2005 das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, hiernach das Sozialministerium Service; dieses hatte bzw. hat nun den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes zu bescheinigen.

Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei
- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro
- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro
- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro
pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung sind bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 % die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten erst nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.

Mangels einer für die Streitjahre einliegenden von den genannten zuständigen Stellen ausgestellten Bescheinigung, die das Vorliegen und das Ausmaß der Behinderung infolge des Diabetes feststellt, sind die Aufwendungen für die Zuckerdiät nur unter Anrechnung auf den Selbstbehalt (siehe oben) zu berücksichtigen (was laut Berechnung in den Beschwerdevorentscheidungen vom jedoch ohne steuerliche Auswirkung bleibt).

In Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens (kurz DBA) Österreich - Bundesrepublik Deutschland (BGBl III 2002/182 idF BGBl III 2012/32) nimmt Österreich die deutschen Bezüge von der Besteuerung aus, jedoch unterliegen die in Österreich steuerpflichtigen Einkünfte der Anwendung des Progressionsvorbehaltes, wobei die Ermittlung der Höhe der ausländischen Einkünfte nach österreichischem Steuerrecht zu erfolgen hat. Etwaige steuerliche Begünstigungen nach deutschem Steuerrecht können in Österreich keine Berücksichtigung finden. Im Übrigen wurde die Höhe der für die Berechnung des Durchschnittsteuersatzes anzusetzenden deutschen Bezüge nach den diesbezüglichen Darlegungen in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung im Vorlageantrag nicht mehr moniert.

II.) Begehrte Bescheidaufhebung:

§ 299 BAO bestimmt:

(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(3) …..

§ 299 BAO gestattet demnach die Aufhebung von Bescheiden, wenn sich der Bescheid als nicht richtig erweist. Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Nicht entscheidend ist, weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt, diese muss auch nicht offensichtlich sein.

Rechtsmittelfähig ist nur der Spruch eines Bescheides, zu welchem u.a. die Festsetzung der Höhe der Einkommensteuer zählt.
Den obigen Ausführungen zufolge vermögen die Einwendungen des Bf. bezüglich der Berücksichtigung des Pauschbetrages sowie Berechnung der Höhe des Durchschnittssteuersatzes keine Änderung des Spruches der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 zu bewirken.

Mangelt es in Anbetracht der dargelegten Ausführungen an der Voraussetzung, dass sich der Spruch der Einkommensteuerbescheide für 2015 und 2016 als nicht richtig erweist, sind die Voraussetzungen für die begehrten Bescheidaufhebungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO nicht gegeben.
Der Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für 2015 und 2016 gemäß § 299 BAO wurde daher zu Recht abgewiesen und ist spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Bescheidaufhebung nach § 299 BAO
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100276.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
NAAAC-25737