Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2020, RV/7103715/2020

Rückforderung der Familienbeihilfe von der subsidiär schutzberechtigten Mutter, wenn die Familienbeihilfe unter deren Sozialversicherungsnummer aufgrund eines automatisch angestoßenen Verfahrens an den asylberechtigten Vater ausbezahlt wurde, dessen Daten auf einem Vorhalt (ALF3) bekannt gegeben wurden und der diesen Vorhalt unterschrieben hat, welcher als Antrag gilt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden

1. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Rückforderung der für NN-KV Sohn1 für den Zeitraum von
März 2016 bis Mai 2018 bezogenen Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages
2. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für NN-KV Sohn2 für den Zeitraum ab März 2018

zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

  • Der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid wird gemäß § 279 BAO insoweit Folge gegeben, als dieser ebenfalls aufgehoben wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben des Finanzamtes vom wurde ***Bf1***, in der Folge kurz mit Bf. bezeichnet, aufgrund eines ohne Antrag angestoßenen Verfahrens zwecks Feststellung der Anspruchsberechtigung und Auszahlung der Familienbeihilfe für NN-KV Sohn1 aufgefordert, fehlende Angaben zu ergänzen und das Schreiben samt den geforderten Unterlagen in Kopie so bald als möglich unterschrieben per Post zurück zu senden. Dieses Schreiben werde als Antrag gewertet, es sei nicht erforderlich, ein Antragsformular auszufüllen. Am wurde dieses Schreiben retourniert. Die fehlenden Daten - ein IBAN und die Versicherungsnummer des Vaters - wurden ergänzt, der Antrag mit einer unleserlichen Unterschrift unterschrieben. Beigelegt waren dem Antrag jeweils die erste und die letzte Seite der Bescheide, mit denen NN-KV Sohn1 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, dem Kindesvater NN-KV auch NN-KV auch VN-KV NN-KV VN2-KV VN-KV auch VN2-KV, am der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, weiters der Bf. am eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bis zum erteilt wurde.

Aufgrund dieses Antrages wurde unter der Sozialversicherungsnummer der Bf., welche als Antragstellerin betrachtet wurde, Familienbeihilfe für den Zeitraum von März 2016 bis Mai 2018 in Höhe von 3.029,60 Euro und Kinderabsetzbetrag in Höhe von 1.576,80 Euro, insgesamt 4.606,40 Euro, ausbezahlt.

Mit Schreiben des Finanzamtes vom wurde ***Bf1***, in der Folge kurz mit Bf. bezeichnet, aufgrund eines ohne Antrag angestoßenen Verfahrens zwecks Feststellung der Anspruchsberechtigung und Auszahlung der Familienbeihilfe für NN-KV Sohn1 aufgefordert, fehlende Angaben zu ergänzen und das Schreiben samt den geforderten Unterlagen in Kopie so bald als möglich unterschrieben per Post zurück zu senden. Dieses Schreiben werde als Antrag gewertet, es sei nicht erforderlich, ein Antragsformular auszufüllen. Am wurde dieses Schreiben retourniert. Die fehlenden Daten - ein IBAN des Vaters und die Daten betreffend den Aufenthaltstitel des Kindes sowie Angaben zur Beschäftigung des Kindesvaters - wurden ergänzt, der Antrag mit einer unleserlichen Unterschrift unterschrieben. Auf der ersten Seite findet sich in einer anderen Handschrift ein Vermerk "FB soll auf KV laufen". Beigelegt war ein ausgefüllter und vom Kindesvater unterschriebener Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe, in dem dieser als Antragsteller aufscheint und die Bf. einen Verzicht auf Gewährung der Familienbeihilfe unterfertigte, die Kopie der NAG-Karte des Kindes, eine Geburtsurkunde und Meldebestätigung des Kindes, eine Verfahrensanordnung, mit welchem NN-KV Sohn2, vertreten durch die Mutter, der "Verein Menschenrechte Östereich" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wurde, Auszüge des Bescheides, mit welchem NN-KV Sohn2 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Bescheid, mit dem der Bf. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bis zum erteilt wurde, Verdienstnachweise des Kindesvaters für die Zeit von Jänner bis März 2018, sowie eine Arbeitsbestätigung des Dienstgebers vom über die Beschäftigung und den daraus erzielten Bruttomonatslohn, die erste und die letzte Seite des Bescheides, mit welchem dem Kindesvater am der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

In der Folge erlangte das Finanzamt aufgrund einer Versicherungsdatenabfrage Kenntnis davon, dass die Bf. in diesem Zeitraum weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig war. Sie war im Rückforderungszeitraum vom bis Arbeit suchend gemeldet.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für NN-KV Sohn1 für den Zeitraum von März 2016 bis Mai 2018 bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zurück. Begründend führte das Finanzamt aus, Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt worden sei, werde nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien.

Mit weiterem Bescheid vom wies das Finanzamt den für NN-KV Sohn2 gestellten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab März 2018 ab und führte begründend aus, Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt worden sei, werde nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien.

Die Bf. erhob gegen beide Bescheide Beschwerde.

In der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid führte sie begründend aus wie folgt:

"Im April 2016 hat mein damaliger Lebensgefährte und Vater unseres gemeinsamen Sohnes Sohn1NN-KV, geb. GebDat-Sohn1) - Herr VN2-KVVN-KVNN-KV für unseren Sohn Familienbehilfe beantragt.

Sowohl Herr NN-KV als auch unser Sohn Sohn1 sind gem. § 3 AsyIG asylberechtigt, und haben daher gem. § 3 Abs 3 Familienlastenausgleichsgesetz Anspruch auf Familienbeihilfe.

Wir haben damals als Familie zusammengewohnt und einen gemeinsamen Haushalt geführt, unsere Adresse lautete:

Adresse-KV

Ich selbst habe subsidiären Schutz gem. § 8 AsylG und bin nicht erwerbstätig, ich hatte daher keinen Anspruch auf Familienbehilfe für unseren Sohn. Ein etwaiger Verzicht war daher gar nicht möglich, da ich nicht anspruchsberechtigt war und bin.

Die Familienbehilfe für Sohn1 wurde bewilligt, und wurde seitens des Finanzamtes seit April 2016 auf das Konto des Vaters von Sohn1 (IBAN: Konto-Nummer) überwiesen.

Im Juli 2017 haben Herr NN-KV und ich unseren gemeinsamen Haushalt aufgegeben und ich bin mit unserem Sohn verzogen, nach: Adresse-KM (aktuelle Adresse)

Herr NN-KV hat nach unserer Trennung weiterhin den überwiegenden Unterhalt für seinen Sohn Sohn1 gezahlt (EUR 200,-), weshalb ich für Sohn1 auch fast keine Mindestsicherungsleistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs bekomme. Für Kinder sind EUR 233,- pro Monat vorgesehen, Sohn1 erhält nur 33,-, da die restlichen EUR 200,- von seinem Vater Herrn NN-KV bezahlt werden.

Beweis: aktueller Mindestsicherungsbescheid vom - Angaben zu den Alimentenzahlungen auf Seite 2

Gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz hat der Vater meines Sohnes auch nach unserer Trennung weiterhin Anspruch auf Familienbehilfe für unseren Sohn, da er die Unterhaltskosten für Sohn1 weiter überwiegend trägt und ich als subsidiär schutzberechtigte Mutter auch nicht anspruchsberechtigt bin.

Das Finanzamt begründet die Rückforderung mit meinem Status als subsidiär Schutzberechtigte.

Wie oben angeführt erfolgte der Antrag und Anspruch auf Familienbehilfe für Sohn1 aber durch seinen Vater VN2-KVVN-KVNN-KV, der seit 2011 asylberechtigt ist.

Die Zahlungen der Familienbehilfe erfolgten auch immer auf sein Bankkonto.

Der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge ist daher rechtswidrig.

Ich beantrage, der Beschwerde stattzugeben und den oben bezeichneten Bescheid zu beheben."

Vorgelegt wurde der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 vom betreffend Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung an die Bf. samt Anweisungsplan.

In der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid führte die Bf. begründend aus wie folgt:

"Ich bin subsidiär schutzberechtigt, der Vater meines Sohnes Sohn2, geb. Geb-Dat-Sohn2, (-mein Ex-Lebensgefährte Herr VN2-KVVN-KVNN-KV) ist seit 2011 in Österreich asylberechtigt.

Wir leben seit Juli 2017 getrennt.

Unsere beiden gemeinsamen Söhne Sohn1 und Sohn2 leben bei mir unter der Adresse: Adresse-KM

Wie aus dem Mindestsicherungsbescheid vom hervorgeht, trägt der Vater von Sohn2 die überwiegenden Unterhaltskosten für ihn. Er trägt monatlich EUR 200,- Unterhalt für Sohn2 (wie auch für unseren ersten gemeinsamen Sohn Sohn1).

Herr NN-KV ist seit 2011 gem. § 3 AsylG asylberechtigt und ist seit März 2017 durchgehend und vollzeitbschäftigt unselbständig erwerbstätig.

Mein Sohn Sohn2 ist gem. § 8 AsylG subsidiär schutzberechtigt, sein Beschwerdeverfahren betreffend Asylberechtigung ist noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Gemäß § 3 Abs 3 und 4 Familienlastenausgleichgesetz haben Personen, denen Asyl gewährt wurde, Anspruch auf Familienbehilfe und besteht Anspruch auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

Ich selbst habe subsidiären Schutz gem. § 8 AsylG und bin nicht erwerbstätig, ich habe daher keinen Anspruch auf Familienbehilfe für unseren Sohn. Ein etwaiger Verzicht war daher gar nicht möglich, da ich nicht anspruchsberechtigt war und bin.

Meine abgegebene Verzichtserklärung erfolgte irrtümlich, da ich ja nicht anspruchsberechtigt bin und daher auch keinen Anspruchsverzicht abgeben kann.

Herr NN-KV dachte bei der Antragstellung, er müsste im Antrag die Wohnadresse seines Sohnes angeben (Adresse-KM) und nicht seine eigene, die Antragstellung mit der Adresse Gasse erfolgte daher irrtümlich.

Herr NN-KV ist nach unserer Trennung im vorigen Jahr weiter unter unserer alten gemeinsamen Adresse wohnhaft geblieben:

Adresse-KV

Gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz hat der Vater meines Sohnes Sohn2 Anspruch auf Familienbehilfe für unseren Sohn, da er die Unterhaltskosten für ihn überwiegend trägt und ich als subsidiär schutzberechtigte Mutter auch nicht anspruchsberechtigt bin.

Das Finanzamt begründet die Rückforderung mit meinem Status als subsidiär Schutzberechtigte.

Wie oben angeführt erfolgte der Antrag und Anspruch auf Familienbehilfe für Sohn2 aber durch seinen Vater VN2-KVVN-KVNN-KV, der seit 2011 asylberechtigt ist, arbeitet und die überwiegenden Unterhaltskosten trägt.

Der an mich gerichtete Abweisungsbescheid war daher nicht korrekt.

Ich beantrage, der Beschwerde stattzugeben, den oben bezeichneten Bescheid zu beheben und dem anspruchsberechtigten Vater die Familienbehilfe zu gewähren."

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung betreffend beide Bescheide und führte nach Wiedergabe des Beschwerdevorbringens und der Anführung gesetzlicher Bestimmungen begründend wie folgt aus:

"Dass im Beihilfenantrag vom , welcher der Gewährung der nunmehr rückgeforderten Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag) zugrunde lag, nicht Sie selbst, sondern Herr VN2-KVVN-KVNN-KV Antragstellen gewesen wäre(n), ist durch die Antragsangaben zur Person der Antragstellerin eindeutig widerlegt.

Dass die für Zwecke der Überweisung bekannt gegebene Bankverbindung nicht (unmittelbar) auf die Antragstellerin, sondern ev. auf eine andere Person lautete, ändert nichts an der Person, der Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) als Antragstellerin gewährt worden war.

Das Familíenlastenausgleichsgesetz legt (abgesehen von eigenanspruchsberechtigten Kindern i.S. der Sonderbestimmungen des § 6 FLAG 1967) Kinder nicht als anspruchsberechtigte, sondern vielmehr als anspruchsbegründende Personen fest.(§§ 1 und 2 FLAG 1967)

Eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit von Ihnen im Beschwerdezeitraum kann nicht festgestellt werden, und wurde auch nicht eingewandt.

Die Bescheidbeschwerden räumen selbst ein, dass infolge des Rechtsstatus als subsidiär Schutzberechtigte ein Beihilfenanspruch nicht zukommt.

Die Bescheidbeschwerden räumen auch ein, dass die als anspruchsbegründend eingewandten Kinder bei Ihnen bzw. zusammen mit Ihnen leben, somit, dass sie bei Ihnen haushaltszugehörig sind.

Über einen eingewandten, allfälligen Beihilfenanspruch des Kindesvaters ist nicht im (in den) vorliegenden Verfahren abzusprechen.

Insofern wurden auch durch die Bescheidbeschwerden Sachverhalte, die für den Beschwerdezeitraum (Rückforderungs- bzw. Abweisungszeitraum) einen Beíhilfenanspruch, bzw. den angefochtenen Bescheiden anhaftende Rechtswidrigkeiten begründen könnten, nicht vorgebracht."

Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und verwies auf das Vorbringen in den Beschwerden.

Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Beschwerden und gab im Vorlagebericht folgende Stellungnahme ab:

"Die Beschwerdeführerin ist im Beschwerdezeitraum (Rückforderungs- und Abweisungszeitraum) subsidiär Schutzberechtigte und ohne Beschäftigung (und/oder selbständige Tätigkeit). Die Bf. verweist mit ihren Eingaben selbst darauf, dass sie aufgrund des ihr zuerkannten Status als subsidiär Schutzberechtigte und der mangelnden Beschäftigung nicht anspruchsberechtigt ist.

Die Bf. verweist mehrfach darauf, dass die Rückforderung bzw. Abweisung deshalb nicht zu Recht erfolgt wäre, da ja der Ex-Lebensgefährte und Vater von Sohn1 und von Sohn2 zufolge seines Status als Asylberechtigter Anspruch auf Familienbeihilfe hätte, und ebenso den Kindern der Beihilfenanspruch zukäme.

Weder aus den Anträgen, noch aus der Beschwerde, noch aus dem Vorlageantrag ist abzuleiten, dass die Bf. deren Anträge bezüglich Sohn1 (Beihilfen-Rückforderung) und Sohn2 (Abweisung) nicht im eigenen Namen, sondern namens des Vaters dieser Kinder gestellt hätte.

Auch wurde nicht eingewandt, dass die Bf. zu einem Einschreiten namens des Vaters der beiden genannten Kinder (etwa als Erwachsenenvertreterin oder als gewillkürte Vertreterin) legitimiert gewesen wäre.

Ein allenfalls mit dem Kindesvater abzuführendes Beihilfenverfahren tangiert nicht die seitens der Bf. angestrebten Beschwerdeverfahren, über allfällige Beihilfenansprüche des Kindesvaters ist nicht im hier gegenständlichen Verfahren der Kindesmutter abzusprechen. Der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang auch auf das dzt. zu RV/7102608/2019 anhängige Beschwerdeverfahren des KV hingewiesen.

Soweit die Bf. einwendet, dass das Bankkonto, welches sie zur Empfangnahme von Beihilfenbeträgen dem Finanzamt bekanntgegeben hat, nicht auf sie selbst, sondern auf den Vater der Kinder gelautet habe, bleibt entgegen zu halten, dass sich dadurch weder die antragstellende Person, noch die Person, der gegenüber der zu Unrecht geltend gemachte Beihilfenanspruch nach deren Erfüllungsvorgaben erfüllt worden war, geändert hat.

Der Vollständigkeit halber wird auch festgehalten, dass der Bf. auf Basis eines diesbezüglich am gestellten Antrages mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Nach ebendiesem Bescheid stellte sich der Antrag vom zwar als ein Folgeantrag der bis dahin beantragten und erteilten Aufenthaltsberechtigungen gem. § 8 Abs.4 AsylG dar, die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erfolgte aber nicht rückwirkend. Somit bleiben im Beschwerdezeitraum die mit § 3 Abs.4 FLAG 1967 festgelegten Bestimmungen für subsidiär Schutzberechtigte maßgeblich.

Es wird daher beantragt, die Beschwerden abzuweisen."

Da ursprünglich davon ausgegangen wurde, dass der "Antrag vom " betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für NN-KV Sohn1 elektronisch von der Bf. eingebracht worden sei, wurde das Finanzamt von der Richterin um Auskunft zu folgenden Fragen ersucht:

"• In der ersten Zeile im ersten abgegrenzten Abschnitt mit den Daten findet sich rechts die Wortkombination "Scan ansehen". Diese Wortkombination befindet sich auf sämtlichen anderen Seiten - wurde hier ein Scan eines Antrages gemacht und wenn ja, wo befindet sich dieser? Oder handelt es sich nur um einen Ausdruck aus FinanzOnline?

• In demselben Abschnitt auf der ersten Seite findet sich neben dem Wort "Eingangskanal" das Wort "ALF" - wofür steht dieses Kürzel?

• Auf Seite 2 wäre die Kontonummer anzugeben gewesen, das Feld ist in der Vorlage jedoch nicht ausgefüllt. Wohin wurden die Zahlungen überwiesen?

• Der Antrag wirkt insgesamt eher dürftig ausgefüllt. Warum wurde die Familienbeihilfe hier überhaupt ausbezahlt?"

Das Finanzamt hat diese Fragen wie folgt beantwortet:

"bei dem übermittelten elektronischen Antrag handelt es sich um den Ausdruck (die Kopie) jener Maskenbilder, mit denen der elektronisch (via FinanzOnline) eigebrachte Antrag in der Beihilfen-Datenbank (DB7) abgebildet ist.

Ein Ausdruck des originalen FinanzOnline-Makros des Beihilfenanbringens (bzw. ein Zugriff darauf) ist (zumindest nach meinem Kenntnisstand) dem Finanzamt nicht möglich.

Die am DB7-Makro ersichtlichen Buttons "Vergleich DB7" und "Scan ansehen" ermöglichen bei der Fallbearbeitung einerseits einen Vergleich der Antragsdaten mit den bislang zu diesen Antragsbereichen in der DB7 gespeicherten Daten, andererseits einen Aufruf des Scan-Bildes allenfalls dem Antrag beigefügter Beilagen.

Der "Eingangskanal ALF" weist darauf hin, dass das Beihilfenverfahren durch ein grundsätzlich die antragslose Familienbeihilfengewährung auslösendes Ereignis angestoßen worden ist.

Tatsächlich waren im vorliegenden Fall mit dem elektronischen Antrag auch Beilagen mitübermittelt worden, die irrtümlich nicht gleich zusammen mit dem Antrag an das BFG nachgereicht wurden. Diese Beilagen umfassen u. a. auch das automatisch erstellte Ergänzungsersuchen in Zusammenhang mit einer antragslosen Beihilfegewährung, welches wiederum die Bf. zum Anlass für die elektronische Antragstellung genommen haben dürfte.

Die Erklärungsbeilagen werden daher im Anhang übermittelt."

Dem beilegten Schreiben, Formular "ALF3" war zu entnehmen, dass beim Finanzamt ein am an die Bf. übermitteltes Schreiben, welches händische Ergänzungen enthielt, am beim der Einlaufstelle des Finanzamtes "persönlich überreicht" wurde.

Dieses enthielt einleitend u.a. folgenden Text:

" ... Die Familienbeihilfe ist eine der familienbezogenen Leistungen, die Österreich frischgebackenen Müttern und Vätern zur Verfügung stellt, sofern alle dafür notwendigen Anspruchskriterien erfüllt werden.

In Ihrem Fall fehlen zur Feststellung der Anspruchsberechtigung und Auszahlung der Familienbeihilfe allerdings noch Daten.

Bitte ergänzen Sie die fehlenden Angaben und senden Sie dieses Schreiben samt den geforderten Unterlagen in Kopie so bald als möglich unterschrieben per Post an uns zurück. Dieses Schreiben wird als Antrag gewertet; es ist also nicht erforderlich, ein Antragsformular auszufüllen."

Händisch ergänzt waren der IBAN Konto-Nummer und die Versicherungsnummer des Vaters. Der Block mit den Angaben zum Dienstnehmer des Vaters war durchgestrichen.

Darunter fand sich folgender Absatz:

"Ich versichere, die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewíssen richtig und vollständig gemacht zu haben. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich sämtliche Anderungen meiner vorstehenden Angaben binnen einem Monat dem Wohnsitzfinanzamt melden muss."

Darunter fand sich ein Datum und eine unleserliche Unterschrift. Das Schriftbild unterscheidet sich deutlich von demjenigen der Unterschrift der Mutter auf dem am gestellten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe. In diesem wurde erklärt, der Kindesvater sei unbekannten Aufenthalts, nicht in Europa.

Nach einem persönlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter des Finanzamtes übermittelte dieser die Erklärung des Kindesvaters zur Arbeitnehmerveranlagung 2017. Die Unterschrift auf diesem Formular ist der Unterschrift auf den Formularen ALF3 ähnlich.

In der Folge reichte das Finanzamt auch der Antrag vom nach, der aufgrund der Beilagen und der Unterschrift ebenfalls eindeutig dem Kindesvater zuzuordnen war.

Die dem Finanzamt aus den Verfahren zur Arbeitnehmerveranlagung bekannte Kontonummer des Kindesvaters entspricht der Kontonummer, welche auf dem Formular ALF 3, welches als erster Antrag gewertet wurde, und auf dem zweiten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe bekannt gegeben wurden.

Nach einer weiteren Rücksprache mit dem Finanzamt gab dieses folgende Erklärung ab:

"Der Ausgangs-Sachverhalt stellt sich demnach wie folgt dar:

Dem vom KV (unter Verwendung des Ergänzungsformulars ALF3) gestellten Antrag vom (für das Kind Sohn1) wurde stattgegeben und unter dem bei der KM automatisch aufgebauten ALF-Verfahren am die lfd. Beihilfenauszahlung auf das Bankkonto des KV verfügt. (Diese Auszahlungen erfolgten letztlich für den ZR 03/2016 bis 05/2018)

Am wurde wiederum vom KV (unter Verwendung des der KM zugesandten Ergänzungsformulars ALF3) die Beihilfengewährung auch für das Kind Sohn2 beantragt. Offenbar um zu erreichen, dass das Beihilfenverfahren unter der SV-Nummer des KV abgeführt wird, fügte der KV auch ein Antragsformular Beih1 bei.

Dieser Antrag wurde (ebenfalls unter der Versicherungsnummer der KM) unter Hinweis auf deren Status als subsidiär Schutzberechtigte (ab März 2018) abgewiesen.

Die Familienbeihilfe 03/2016 bis 05/2018 wurde somit über Antrag des KV auf das Bankkonto des KV ausbezahlt. Dass die Auszahlung nicht unter der SV-Nummer des antragstellenden KV, sondern (nachdem dieses Verfahren wegen der ALF-Initiierung bereits bei der KM aufgebaut worden war) fälschlich unter der SV-Nummer der KM abgeführt worden war, rechtfertigt für sich alleine nicht die RF der an sich richtig, aber eben unter der unzutreffenden SV-Nr. ausbezahlten FBH-Beträge.

Da die KM faktisch weder Antragstellerin, noch FBH-Empfängerin war, wäre es somit nur sachgerecht, den gegen die KM erlassenen RF-Bescheid aus dem Rechtsbestand zu beseitigen.

Damit wäre die Beschwerde in Bezug auf das Kind Sohn1 erledigt, und die Auszahlung in der bereits vollzogenen Form (also unter der SV-Nr. der KM) einzementiert.

Über die weiterführende Beihilfengewährung für das Kind Sohn1 an den KV (von 06/2018 bis 12/2018 - ab 01/2019 Auszahlung an die nunmehr vorrangig anspruchsberechtigte KM) ist nicht (mehr) im vorliegenden Rechtsmittelverfahren abzusprechen.

Das FA müsste Feststellungen treffen, ob sich der KV noch in Österreich aufhält, bzw. ob dieses Verfahren noch mit ihm abgeführt werden kann. Wenn nein, müsste das Verfahren nötigenfalls eingestellt werden.

Auch in Bezug auf das 2018 geborene Kind Sohn2 steht fest, dass ein FBH-Antrag vom KV (und nicht von der KM) gestellt worden war.

Der angefochtene Abweisungsbescheid erging also gegen die KM, ohne dass diese einen derartigen Antrag gestellt hatte. Er wäre folglich ersatzlos aus dem Rechtsbestand zu beseitigen.

Infolge des geäußerten Beschwerdebegehrens wäre auch darauf hinzuweisen, dass über den diesbezüglichen Antrag des KV nicht in einem, die KM betreffenden Verfahren (auch nicht in einem die KM betreffenden Rechtsmittelverfahren) abzusprechen ist.

Auch hier gilt, dass das FA den Hinweis der KM auf einen "Nicht-mehr-Aufenthalt des KV in Europa" aufgreifen, und klären muss, ob und in welcher Form das Beihilfenverfahren betreffend Sohn2 für die Monate 03 - 12/2018 tatsächlich (noch) abgeführt werden kann."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf., welche die somalische Staatsangehörigkeit besitzt und zum damaligen Zeitpunkt subsidiär schutzberechtigt war, gebar folgende Söhne, deren Vater NN-KV VN2-KV VN-KV ist:

Am GebDat-Sohn1 NN-KV Sohn1 und am GebDat-Sohn2 NN-KV Sohn2.

Aufgrund von überspielten Daten wurden aus Anlass der Geburten jeweils automatisch Verfahren zwecks Gewährungen der Familienbeihilfe angestoßen. Aufgrund fehlender Daten und Unterlagen war eine antragslose Gewährung jeweils nicht möglich, weshalb die Bf. kontaktiert wurde.

Aus den rückgesandten, ausgefüllten Formularen ALF3 ist ersichtlich, dass diese offenbar vom Kindesvater in unleserlicher Handschrift unterschrieben wurden, dessen Kontonummer auf dem Schreiben angeführt wurde. Den Formularen waren verschiedene auszugsweise kopierte Dokumente beigelegt. Die Auszahlungen erfolgten auf das Konto des Kindesvaters.

Aus Sicht der Bf. und des Kindesvaters waren die Anträge und die Auszahlungen dem Kindesvater zuzurechnen.

Aufgrund der Verbuchung der Eingabe vom , welche als Antrag der Bf. gewertet wurde, unter deren Sozialversicherungsnummer, unter welcher auch die Auszahlungen der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den älteren Sohn verbucht wurden, war das Finanzamt zunächst der Ansicht, dass die Auszahlung zu Unrecht erfolgte und forderte die ausbezahlten Leistungen zurück.

Der Antrag vom wurde einerseits als Antrag der Bf., andererseits als Antrag des Kindesvaters gewertet. Beide Anträge wurden abgewiesen. Von der Bf. und vom Kindesvater wurde jeweils Beschwerde erhoben.

Das Finanzamt geht nunmehr aufgrund des Vergleichs der Unterschriften auf den bisherigen Anträgen auf Gewährung der Famililenbeihilfe der Bf. und des Kindesvaters sowie der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 des Kindesvaters davon aus, dass der erste Antrag dem Kindesvater zuzurechnen war und dass die Rückforderung bei der Bf. zu Unrecht erfolgte, zumal auch die Zahlungen auf das Konto des Kindesvaters geleistet wurden.

Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom sei eindeutig dem Kindesvater zuzurechnen. Da die Bf. keinen Antrag gestellt habe, sei die Abweisung zu Unrecht erfolgt.

Beide Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe und die Auszahlung im Fall des ersten Antrages waren daher unstrittig dem Kindesvater zuzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Der Rückforderungsbescheid wurde ausschließlich mit der Stellung der Bf. als subsidiär Schutzberechtigter begründet. Dem Antrag stellenden Vater kam jedoch die Stellung eines Asylberechtigten zu. Da die Auszahlungen auch auf dessen Konto erfolgten und lediglich die Sozialversicherungsnummer der Bf. angeführt wurde, weil das Finanzamt aufgrund der unleserlichen und nicht näher erläuterten Unterschrift auf dem Formular ALF3 von einem Antrag der Bf. ausging, war die Rückforderung nicht berechtigt.

Gemäß § 13 FLAG idgF hat über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Der zweite Antrag wurde unstrittig vom Kindesvater gestellt. Da dass Finanzamt einen nicht gestellten Antrag der Bf. abgewiesen hat, fehlte dem Abweisungsbescheid die Grundlage für dessen Erlassung.

Beiden Beschwerden war daher insoweit Folge zu geben.

Über den Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe an den Kindesvater kann nicht im Verfahren betreffend die Beschwerde der Bf. gegen den Abweisungsbescheid entschieden werden. Gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag des Kindesvaters auf Gewährung der Familienbeihilfe abgewiesen wurde, wurde eine Beschwerde eingebracht. Es ist bereits ein Beschwerdeverfahren des Kindesvaters beim Bundesfinanzgericht anhängig.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über keine Rechtsfrage abzusprechen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103715.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at