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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.08.2020, RV/7106194/2019

Rückforderung der Familienbeihilfe wegen Überschreitens der Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG im Fall eines Studenten, der eine Gerichtspraxis machte, wobei der Ausbildungsbeitrag nicht als Lehrlingsentschädigung beurteilt wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Rückforderung der für VN-Sohn NN für den Zeitraum Jänner 2018 bis Dezember 2018 ausbezahlten Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Formular Beih 100-PDF teilte NN VN-Bf1, in der Folge mit Bf. bezeichnet, dem Finanzamt mit, dass die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe für NN VN-Sohn wegen Berufseinstiegs nach Studienbeendigung mit 02/2019 weggefallen seien.

Im Finanzamtsakt ist ein 3. Diplomprüfungszeugnis vom abgelegt, wonach VN-Sohn das Diplomstudium am abgeschlossen hat. Ferner befindet sich im Akt ein Sammelzeugnis betreffend ein ab betriebenes Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften, für welches er am eine Prüfung, die mit 4 ECTS bewertet wurde, erfolgreich abgelegt hat.

Laut Einkommensteuerbescheid vom hatte VN-Sohn 2018 ein steuerpflichtiges Einkommen von 15.561,03 Euro. Er war bis auf 9 Tage im September durchgehend unselbständig erwerbstätig.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für VN-Sohn für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2018 gewährte Familienbeihilfe (1.981,20 Euro) und den Kinderabsetzbetrag (700,80 Euro), insgesamt 2.682,00 Euro, zurück und verwies begründend auf § 5 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG).

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde und brachte u.a. Folgendes vor:

"Der Sohn der Beschwerdeführerin, VN-SohnNN, geboren am GEBURTSDATUM, hat im Jahr 2018 insgesamt einen Betrag von EUR 15.621,03 als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bezogen; davon EUR 7.928,97 an Ausbildungsbeitrag als Rechtspraktikant gemäß § 16 RPG."

...

Gemäß § 5 Abs 1 FLAG gilt, dass ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe führt. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshafes sind unter "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" gemäß § 5 Abs 1 lit b FLAG nicht nur Lehrverhältnisse nach dem Berufsausbildungsgesetz, sondern ganz allgemein "Ausbildungsverhältnisse" zu verstehen (vgl ):

"Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG idF BGBl. 550/1979, die auf ein "gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis" abstellte, geprüft und die Einschränkung der nicht beihilfenschädlichen Bezüge des Kindes auf solche aus "gesetzlich" anerkannten Lehrverhältnissen als verfassungswidrig erkannt () und das Wort "gesetzlich" aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof beurteilte dabei in seinen Erwägungen bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG nicht "Lehrverhältnisse" im engen Sinn (des Berufsausbildungsgesetzes), sondern sprach von "Ausbildungsverhältnissen" (im beschwerdegegenständlichen Fall: zum Vermessungstechniker}. Dies war schon deswegen geboten, weil unter "Lehrverhältnissen" im Sinne des FLAG bei enger Wortinterpretation nur solche verstanden werden könnten, die unter den Anwendungsbereich des Berufsausbildungsgesetzes fallen. Gerade diese Einschränkung erachtete der VfGH aber als unsachlich und damit verfassungswidrig. Abschließend führte der Gerichtshof ausdrücklich aus, dass unter einem "anerkannten Ausbildungsverhältnis" (im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG) dem Gesetzeszweck entsprechend nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes verstanden werden kann.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist daher unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ein "anerkanntes Ausbildungsverhältnis" zu verstehen, wenn es durch generelle Normen (z.B. Gesetz oder Verordnung) geregelt ist. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall aber erfüllt. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) in der Verordnung der Bundesministerin für Inneres, BGBl ll 430/2006 idgF geregelt. Der von der Tochter des Beschwerdeführers bezogene "Ausbildungsbeitrag" ist damit unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu sumbsumieren. Damit wurde im gegenständlichen Fall der Grenzbetrag von 10.000 € nicht überschritten." (vgl ; Erkenntnis des ).

Der Sohn der Beschwerdeführerin, VN-SohnNN, hat im Jahr 2018 den Betrag von EUR 7.928,97 als Rechtspraktikant iSd Rechtspraktikantengesetzes so als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs 1 Iit b FLAG bezogen, sodass das Finanzamt diesen Betrag bei der Ermittlung des Einkommen außer Betracht hätte lassen müssen; so VN-SohnNN im Jahr 2018 nur einen Betrag von EUR 7.692,08 bezogen hat, der bei der Ermittlung des Einkommens für die Zuverdienstgrenze iSd § 5 Abs 1 FLAG zu berücksichtigen gewesen wäre.

• Der "Ausbildungsbeitrag" iSd § 16 RPG ist zweifellos als "Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis" zu qualifizieren, da der Ausbildungsbeitrag lediglich 50 % des Monatsentgelts einer Vertragsbediensteten oder eines Vertragsbediensteten während der Ausbildungsphase (§ 72 Abs. 1 VBG) der Entlohnungsgruppe v1, Entlohnungsstufe 1, so lediglich EUR 1.359,45 brutto, beträgt;

• die Gerichtspraxis nach dem Rechtspraktikantengesetz für die weitere Ausbildung als Rechtsanwaltsanwaltsanwärter, Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung und Eintragung als Rechtsanwalt notwendige Voraussetzung ist (§ 2 Abs 2 RAO iVm § 1 Abs 1 RPG);

• die Ausbildung zum Rechtsanwalt durch eine generelle Norm, die Rechtsanwaltsordnung (RAO), geregelt ist;

VN-SohnNN auch unmittelbar nach der Gerichtspraxis die Ausbildung zum Rechtswalt begonnen hat (siehe Beilagen).

Der Sohn der Beschwerdeführerin, VN-SohnNN, hat die Zuverdienstgrenze von EUR 10.000,00 iSd § 5 Abs 1 FLAG daher nicht überschritten; der Bescheid ist so mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet."

Abschließend stellte die Bf. den Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge, in eventu auf Abänderung des Bescheides dahingehend, dass der Rückforderungsbetrag 700,80 Euro beträgt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte nach Wiedergabe des Wortlautes des § 5 Abs. 1 FLAG wie folgt aus:

"Für das Kind VN-Sohn bestand grundsätzlich das ganze Jahr 2018 Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe.

Der für das Gerichtspraktikum bezahlte Ausbildungsbeitrag stellt aber keine Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis dar.

Mangels einer bestehenden Ausnahme ist daher das erzielte steuerpflichtige Einkommen bei der Einkommensgrenze zu berücksichtigen.

Der Sohn hat im ganzen Kalenderjahr 2018 Einkünfte in Höhe von 15.621,03 Euro bezogen. Wesentlich ist, dass es sich bei der Tätigkeit des Rechtspraktikanten um eine Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967 handelt (vgl. dazu ).

Damit befand sich aber der Sohn unabhängig von der Beurteilung des von ihm nebenher betriebenen Doktorat Studiums, während des ganzen Kalenderjahres 2018 in Berufsausbildung und das während dieser Zeit bezogene Einkommen ist für die Beurteilung, ob die "Zuverdienstgrenze" überschritten wurde oder nicht, heranzuziehen. Da dies ohne jeden Zweifel der Fall ist, musste die Beschwerde abgewiesen werden."

Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und verwies begründend auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom (GZ. RV/5100538/2014), mit der "klargestellt wurde, dass Polizeischüler/innen unter den entsprechenden Voraussetzungen während ihres zweijährigen Ausbildungszeitraums Anspruch auf Familienbeihilfe haben; deren Ausbildungsentgelt nicht für die Berechnung der Zuverdienstgrenze heranzuziehen ist. Nichts anderes kann daher für Rechtspraktikanten gelten."

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde den Parteien des Verfahrens nach Wiedergabe des Verfahrensganges Folgendes vorgehalten:

"Für das Doktoratsstudium wurde ein Sammelzeugnis vom vorgelegt, aus dem ersichtlich war, das der Sohn der Bf. am für das Sommersemester 2018 eine Prüfung abgelegt hatte. Fraglich ist, ob dieses Studium noch ernsthaft betrieben wurde. Das Diplomstudium war laut vorliegendem Zeugnis bereits im November 2017 abgeschlossen worden.

Dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 ist zu entnehmen, dass der Sohn der Bf. im Jänner bei DG1, steuerpflichtige Bezüge von 425,00 Euro erzielt hat, vom bis beim GERICHT (für die Gerichtspraxis) steuerpflichtige Bezüge von 7.928,97 Euro und bei RA-BETRIEB von bis steuerpflichtige Bezüge in Höhe von 7.851,06 Euro.

1.

Gemäß § 1 Abs. 1 Rechtspraktikantengesetz soll die Gerichtspraxis Personen, die die vorgesehene wissenschaftliche Berufsvorbereitung für einen Beruf abgeschlossen haben, für den die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist, die Möglichkeit geben, ihre Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit in der Gerichtsbarkeit fortzusetzen und dabei ihre Rechtskenntnisse zu erproben und zu vertiefen.

Dass es sich bei der Gerichtspraxis um eine Ausbildung im Sinne des FLAG handelt, hat der VwGH u.a. in seinem Erkenntnis vom , Zahl 2008/13/0015, anerkannt.

Der VwGH hat in diesem Erkenntnis auch darauf hingewiesen, dass gemäß § 5 Abs. 1 lit a FLAG das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, außer Betracht zu bleiben hat.

Da die Gerichtspraxis im Zeitraum von Februar bis August 2018 absolviert wurde und der Sohn der Bf. daneben noch studierte, wäre der Zeitraum bis August heranzuziehen gewesen. In diesem Zeitraum wurde die Einkommensgrenze nicht überschritten.

2.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Laut Zentralem Melderegister war der Sohn der Bf. nur bis an derselben Adresse wie die Bf. mit Hauptwohnsitz gemeldet. Danach war er an dieser Adresse nur mit Nebenwohnsitz gemeldet. Ab war er an der Adresse "Straße, PLZ-ORT (GKZ ZAHL)" mit Hauptwohnsitz gemeldet. Als Unterkunftgeber wurde "UNTERKUNFTGEBER" angeführt.

Die Zugehörigkeit des Sohnes zum Haushalt der Bf. ist daher ab diesem Zeitpunkt fraglich, zumal der Sohn ab Februar 2018 über ein Einkommen verfügte, dass üblicherweise ausreicht, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Sollte eine gegenteilige Auffassung vertreten werden, müsste sowohl die Höhe der Kosten des Unterhalts als auch deren überwiegende Tragung durch die Bf. nachgewiesen werden, weil aufgrund der Angabe eines anderen Hauptwohnsitzes des Sohnes und der Erzielung eigener Einkünfte durch diesen eine gemeinsame Haushaltsführung nicht wahrscheinlich ist."

Das Finanzamt gab dazu folgende Stellungnahme ab:

"1. Aus Sicht der Abgabenbehörde wurde nicht in Frage gestellt, dass VN-Sohn das Doktorratsstudium ernsthaft und zielstrebig betrieben habe. So wurde die Familienbeihilfe auch 01-03/2019 (bis zum 25. Lebensjahr) wiederum ausbezahlt. Wenn das BFG nun zum Schluss gelangt, dass das Doktoratsstudium nicht (mehr) ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, so wäre die Konsequenz, die Beihilfe auf die Zeit bis Ende des Gerichtspraktikums (01/2018 - 8/2018) einzuschränken. Zusätzlich wäre die Beihilfe für 01-03/2019 (vom Finanzamt) zurückzufordern.

2. Wenn das BFG zur Ansicht gelangt, dass das Kind nicht mehr haushaltszugehörig gewesen sei, so hätte das zur Folge, dass die Beschwerde abgewiesen werden müsste. Ein Eigenantrag des Kindes würde jedoch wiederum zur Auszahlung der Familienbeihilfe (w.o.) führen. Unstimmigkeiten zwischen Sohn und Kindesmutter sind dem Finanzamt nicht bekannt. Da dies auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, plädiert das Finanzamt für eine Entscheidung in der Sache."

Die Bf. gab folgende Stellungnahme ab:

"1

Das Gericht hält richtigerweise fest, dass es sich nach der Jud des VwGH bei der Gerichtspraxis um eine Ausbildung im Sinne des FLAG handelt () und die Einkommensgrenze im vorliegenden Fall somit nicht überschritten wurde.

2

Der Sohn der Beschwerdeführerin war konkret bis Jänner 2019 zum Haushalt der Beschwerdeführerin zugehörig; dies unabhängig von der anderslautenden Hauptwohnsitzmeldung.

Der polizeilichen Meldung kommt grundsätzlich nur Indizienwirkung zu; ausschlaggebend sind vielmehr primär die tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnisse des Betroffenen (VfSlg 11220/1987).

Tatsächlich hat der Sohn der Beschwerdeführerin seine tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnisse bis Jänner 2019 im Haushalt der Beschwerdeführerin gehabt; konkret also in PLZ-ORTSTEIL-Bf1, Straße-Bf1.

Die am vorgenommen Hauptwohnsitzmeldung in PLZ-ORT, Straße-Nummer, war daher unrichtig; vielmehr entsprach es den tatsächlichen Verhältnissen, dass der Sohn der Beschwerdeführerin

o sich ab teilweise (rund ein- bis zweimal in der Woche) in PLZ-ORT, Straße-Nummer, aufgehalten hat,

o seinen tatsächlichen Wohn- und Lebensmittelpunkt aber weiterhin im Haushalt der Beschwerdeführerin hatte.

Nach den tatsächlichen Verhältnissen hätte daher ab eigentlich eine Nebenwohnsitzmeldung in PLZ-ORT, Straße-Nummer, vorgenommen werden sollen bzw. müssen.

Der Hintergrund des ein- bis zweiwöchigen Aufenthalts des Sohnes der Beschwerdeführerin in PLZ-ORT, Straße-Nummer, war nämlich folgender:

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat im September 2012 sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften begonnen. Da das Pendeln zwischen seinem Wohnort bei der Beschwerdeführerin und der Universität Wien aufgrund der schlechten infrastrukturellen Anbindung äußerst mühsam gewesen ist, hat der Sohn der Beschwerdeführerin seinen Bruder, UNTERKUNFTGEBER, darum ersucht, längere Pausen zwischen einzelnen Präsenzlehrveranstaltungen in dessen Wohnung in PLZ-ORT, Straße-Nummer (die direkt neben dem Bahnhof liegt), verbringen zu dürfen bzw. nach Abendlehrveranstaltungen in dieser Wohnung auch vereinzelt zu übernachten.

Aus diesem Grund ist ab auch eine Meldung an dieser Adresse vorgenommen worden; fälschlicherweise eine Hauptwohnsitzmeldung statt richtigerweise eine Nebenwohnsitzmeldung.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hatte aber bis zum Jänner 2019 seinen tatsächlichen Wohn- und Lebensmittelpunkt bei der Beschwerdeführerin. Dies ist auch bislang nicht von der belangten Behörde in Frage gestellt worden; es hat zweifellos eine gemeinsame Haushaltsführung stattgefunden.

Daran ändert auch nichts die Erzielung eigener Einkünfte des Sohnes der Beschwerdeführerin ab dem Februar 2018, da die Beschwerdeführerin und der Vater des Sohnes weiterhin dessen Unterhaltskosten getragen haben; konkret finanzielle Unterstützungen und Sachzuwendungen an ihren Sohn geleistet haben.

Beweis: Einvernahme von VN-SohnNN, p.A. PLZ-ORT. Straße-Nummer; Einvernahme von ***Bf1***, p.A. PLZ-ORTSTEIL-Bf1, Straße-Bf1; Einvernahme von VATER, p.A. PLZ-ORTSTEIL-Bf1, Straße-Bf1; Einvemahme von MITBEWOHNERIN, p.A. PLZ-ORT, Straße-Nummer; Einvernahme von UNTERKUNFTGEBER, p.A. PLZ-ORTSTEIL-Bf1, Straße-Bf1; Kontoauszüge von Mag. VN-SohnNN.

3

Der Sohn der Beschwerdeführerin betreibt das Doktoratsstudium ernsthaft und zielstrebig.

Richtigerweise hält das Bundesfinanzgericht fest, dass der Sohn der Beschwerdeführerin am für das Sommersemester 2018 eine Prüfung abgelegt hat.

Wesentlicher Teil des Doktoratsstudiums ist aber nicht die Ablegung von Prüfungen oder Teilnahmen an (Präsenz)Lehrveranstaltungen, sondern die Abfassung der Dissertation, die auch den Großteil der ECTS-Punkte des Doktoratsstudiums ausmacht.

Der Sohn der Beschwerdeführerin ist bis dato gerade intensiv mit der Zusammentragung der relevanten Literatur und Judikatur zu dieser Dissertation beschäftigt; diese soll das Thema "THEMA" behandeln. Dazu liegt auch bereits ein entsprechendes Kurzkonzept vor.

Dass das Dissertationsvorhaben neben der (zeitlich sehr intensiven) Konzipientenätigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin naturgemäß mehr Zeit in Anspruch nimmt und etwas länger dauert, als dies bei einem "Vollzeitstudium" der Fall ist, ändert nichts daran, dass der Sohn der Beschwerdeführerin das Doktoratsstudium seit Beginn ernsthaft und zielstrebig betreibt.

(Der Sohn der Beschwerdeführerin hat zudem auch bereits zwei Publikationen veröffentlicht, die dessen Eignung zur Abfassung wissenschaftlicher Abhandlungen belegen).

Beweis: Einvernahme von VN-SohnNN, PLZ-ORT, Straße-Nummer;

Kurzkonzept des Dissertationsvorhabens;

Aufsatz des Sohnes der Beschwerdeführerin in der Zeitschrift XXX;

Bald erscheinender Aufsatz des Sohnes der Beschwerdeführerin in der Zeitschrift YYY.

Informativ wird bekanntgegeben, dass eine Gleichschrift dieser Stellungnahme (samt Beilagen) an die belangte Behörde per Post übermittelt wurde."

Die Bf. wiederholte ihre Beschwerdeanträge und beantragte "in eventu" die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Streitpunkte:

Der Sohn der Bf., VN-Sohn, in der Folge teilweise auch nur mit Sohn bezeichnet, hat laut
3. Diplomprüfungszeugnis der Universität Wien am sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften abgeschlossen.

Er hat ab März 2018 (Sommersemester 2018) ein Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften aufgenommen und im Sommersemester eine entsprechende Prüfung abgelegt.

Im Jahr 2018 lebte der Sohn im gemeinsamen Haushalt mit der Bf.. Vorübergehende Abwesenheiten wurden mit der Berufsausbildung begründet. Dies ist nachvollziehbar.

Vom bis absolvierte der Sohn seine Gerichtspraxis beim GERICHT.

Laut Einkommensteuerbescheid für 2018 erzielte der Sohn im Jahr 2018 nach Abzug der Pendlerpauschale, des Pauschbetrages für Werbungskosten und des Pauschbetrages für Sonderausgaben ein steuerpflichtiges Einkommen von 15.561,03 Euro.

In diesem Betrag sind folgende steuerpflichtige Bezüge enthalten:

Für Jänner 2018 ein Betrag von 425,00 Euro, von Februar bis August 2018 ein Betrag von 7.928,97 Euro für die Gerichtspraxis und von bis ein Betrag von 7.851,06 Euro ( von der RA-BETRIEB).

Der Sachverhalt ist unstrittig.

Das Finanzamt forderte die für Jänner bis Dezember 2018 für den Sohn gewährte Familienbeihilfe (1.981,20 Euro) und den Kinderabsetzbetrag (700,80 Euro), insgesamt 2.682,00 Euro unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) wegen Überschreitens der Einkommensgrenze zurück.

Die Bf. vertritt die Auffassung, der Ausbildungsbeitrag iSd § 16 RPG sei als "Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis" zu qualifizieren, weshalb die Einkommensgrenze nicht überschritten worden sei.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Sohn habe sich "unabhängig von der Beurteilung des von ihm nebenher betriebenen Doktorat Studiums während des ganzen Kalenderjahres 2018 in Berufsausbildung" befunden, weshalb das während dieser Zeit bezogene Einkommen für die Beurteilung, ob die "Zuverdienstgrenze" überschritten wurde, oder nicht, heranzuziehen sei.

Die Bf. verwies darauf, dass Ihr Sohn sein Doktoratsstudium seit Beginn ernsthaft und zielstrebig betreibe.

In Übereinstimmung damit und aufgrund der vorgelegten Unterlagen, insbesondere des vorgelegten Zeugnisses und des vorgelegten Kurzkonzepts des Dissertationsvorhabens wird davon ausgegangen, dass VN-Sohn von März bis Dezember 2018 ein Studium betrieben und insbesondere an seiner Dissertation gearbeitet hat. Die vorgelegten Publikationen, von denen erst eine am veröffentlicht wurde, haben keinen Bezug zum Thema der Dissertation.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zum Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden,

1. wenn es beantragt wird

a) in der Beschwerde,

b) im Vorlageantrag (§ 264),

c) in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) oder

d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des späteren Bescheides, oder

2. Wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

Der Verwaltungsgerichgshof hat in einem Rechtsatz zu seinem Erkenntnis vom , Zahl 2004/14/0102 zur Vorgängerbestimmung Folgendes festgehalten:

"§ 284 Abs. 1 BAO idF BGBl I 97/2002 sieht einen Antrag auf mündliche Verhandlung in der Berufung, im Vorlageantrag und in der Beitrittserklärung vor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein in einem ergänzenden Schriftsatz zur Berufung bzw zum Vorlageantrag gestelltes Ansuchen auf mündliche Verhandlung verspätet (Hinweis E , 2005/13/0078)."

Der Antrag in einer Vorhaltsbeantwortung vermittelt auch nach der neuen Rechtslage des
§ 274 BAO keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Im Hinblick auf die Unstrittigkeit des Sachverhalts und den Umstand, dass der Bf. bereits Gelegenheit gegeben wurde, sich schriftlich zu äußern, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

Zum Beschwerdevorbringen:

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0329 mit der dort angeführten Judikatur).

Zu prüfen ist daher, ob die Bf. im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für VN-Sohn hatte.

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ...

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ... Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. ...

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird; ...

Nach den im Akt erliegenden Unterlagen hätte bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen aufgrund des laut Bf. ab März ernsthaft betriebenen Studiums bis zum Jahresende Familienbeihilfe für VN-Sohn gebührt.

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG gilt Folgendes:

"Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse."

Nach der allgemeinen Regel des § 5 Abs. 1 FLAG verringert sich im Falle eines zu versteuernden Einkommen des Kindes gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 über 10.000,00 Euro der Betrag an Familienbeihilfe, der für das Kind gebührt, um den übersteigenden Betrag.

Zieht man vom Einkommen, welches VN-Sohn im Jahr 2018 erzielt hat, 10.000,00 Euro ab, verbleibt ein Betrag, welcher die für diesen Zeitraum ausbezahlte Familienbeihilfe übersteigt.

Von der allgemeinen Regel gibt es drei Ausnahmen, welche in § 5 Abs. 1 lit. a, b und c FLAG angeführt werden.

Gegenständlich ist strittig, ob es sich bei dem vom Sohn der Bf. während der Gerichtspraxis bezogenen Ausbildungsbeitrag um eine Lehrlingsentschädigung iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG handelt, welche bei der Ermittlung des erzielten Einkommens außer Betracht zu bleiben hat, oder nicht.

Gesetzlich geregelt wird die Ausbildung von Lehrlingen im Bundesgesetz vom über die Berufsausbildung von Lehrlingen (Berufsausbildungsgesetz - BAG).

Gemäß § 1 BAG sind Lehrlinge im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages (§ 12) zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste (§ 7) angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten (§ 2) fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung tätig (§ 9) werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 BAG gilt Folgendes:

Lehrberechtigte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 natürliche und juristische Personen sowie offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen Lehrlinge (§ 1) auf Grund eines Lehrvertrages (§ 12) zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste
(§ 7) angeführten Lehrberufes fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet (§ 9) werden."

Gemäß § 5 BAG enthält folgende Regelungen zu Lehrberufen:

"(1) Lehrberufe sind Tätigkeiten,

a) die alle oder einzelne Teile einer den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 unterliegenden Beschäftigung oder mehrere solcher Beschäftigungen zum Gegenstand haben,

b) die geeignet sind, im Wirtschaftsleben den Gegenstand eines Berufes zu bilden, und

c) deren sachgemäße Erlernung mindestens zwei Jahre erfordert.

(2) Die in § 94 der Gewerbeordnung 1994 angeführten Handwerke sind nach Maßgabe des Berufsausbildungsgesetzes Lehrberufe. Lehrberufe sind für solche Handwerke einzurichten, für welche die fachliche Ausbildung nicht bereits durch einen bestehenden Lehrberuf in einem auf Grund der Gewerbeordnung 1994 verwandten Handwerk oder verwandten gebundenen Gewerbe sichergestellt ist.

(3) Lehrberufe sind ferner Tätigkeiten,

a) die hinsichtlich der Berufsausbildung der Gesetzgebung und der Vollziehung des Bundes, nicht jedoch der Gewerbeordnung 1994 unterliegende Beschäftigungen zum Gegenstand haben,

b) bei denen die Ausbildung in dieser Beschäftigung als Lehrling im Sinne dieses Bundesgesetzes im Hinblick auf die für diese Tätigkeiten erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zweckmäßig ist, und

c) bei denen die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. b und c vorliegen.

(3a) Lehrberufe gemäß Abs. 1 bis 3, die als modulare Lehrberufe gemäß § 8 Abs. 4 eingerichtet werden, müssen aus einem Grundmodul und zumindest einem Hauptmodul sowie zumindest einem Spezialmodul bestehen.

(4) Lehrberufe, die auf Grund dieses Bundesgesetzes oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder eingerichtet sind, können in der Lehrberufsliste zueinander verwandt gestellt werden, wenn gleiche oder ähnliche Roh- oder Hilfsstoffe und Werkzeuge verwendet werden oder Tätigkeiten zu verrichten sind, die gleiche oder ähnliche Arbeitsgänge erfordern. Lehrberufe, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder eingerichtet sind, können jedoch nur dann zu Lehrberufen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes eingerichtet sind, verwandt gestellt werden, wenn darüber hinaus in diesen anderen Rechtsvorschriften eine Verwandtschaft zu den entsprechenden auf Grund dieses Bundesgesetzes eingerichteten Lehrberufen festgelegt ist. Hinsichtlich der Zusatzprüfung gilt
§ 27. Lehrberufe, die Gewerben entsprechen, die zu einem verbundenen Gewerbe zusammengefaßt sind, sowie Lehrberufe, die verwandten Gewerben entsprechen, sind jedenfalls verwandt zu stellen.

(5) Verwandte Lehrberufe im Sinne des Abs. 4 können zu einem Lehrberuf zusammengefaßt werden. Eine solche Zusammenfassung darf nur erfolgen, wenn zumindest der Ersatz der Lehrabschlußprüfung für einen dieser von diesem neuen Lehrberuf erfaßten einzelnen Lehrberufe vorgesehen werden kann. Wenn das Zeugnis über die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlußprüfung in einem solchen neuen Lehrberuf das Zeugnis über die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlußprüfung in den von diesem neuen Lehrberuf erfaßten einzelnen Lehrberufen ersetzt, dürfen die von einem solchen neuen Lehrberuf erfaßten einzelnen Lehrberufe nicht im Rahmen einer Doppellehre ausgebildet werden. Werden einzelne Lehrberufe zu einem neuen Lehrberuf zusammengefaßt so ist gleichzeitig zu überprüfen, ob einer oder mehrere von diesen einzelnen Lehrberufen noch den Voraussetzungen des Abs. 1 entsprechen. Gegebenenfalls ist die Lehrberufsliste entsprechend zu ändern.

(6) Außer in den im Abs. 5 dritter Satz und im Abs. 7 angeführten Fällen ist die gleichzeitige Ausbildung eines Lehrlings in zwei Lehrberufen zulässig.

(7) Die gleichzeitige Ausbildung ist nicht zulässig:

a) bei verschiedenen Lehrberechtigten,

b) in Lehrberufen, die verwandt sind und deren Lehrzeit gegenseitig ohnedies in vollem Ausmaß anzurechnen ist (§ 6 Abs. 3), oder

c) in mehr als zwei Lehrberufen überhaupt.

(8) Die Ausbildung eines Lehrlings durch einen Lehrberechtigten, dessen Betrieb nur saisonmäßig geführt wird, ist nur dann zulässig, wenn für die Erfüllung der Berufsschulpflicht und für die Erreichung des Ausbildungsziels, beispielsweise im Rahmen eines Ausbildungsverbundes, vorgesorgt ist. Dies ist im Lehrvertrag unter sinngemäßer Anwendung des § 12 Abs. 4 darzulegen."

Zur Dauer der Lehrzeit ist in § 6 BAG Folgendes festgehalten:

(1) Die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf hat in der Regel drei Jahre zu betragen; sie darf innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis höchstens vier Jahren nur in ganzen oder halben Jahren festgesetzt werden. Für die Festsetzung der Dauer der Lehrzeit eines Lehrberufes sind die in diesem zu erlernenden Fertigkeiten und Kenntnisse, der Schwierigkeitsgrad der Ausbildung in dem betreffenden Lehrberuf sowie die Anforderungen, die die Berufsausübung stellt, maßgebend.

(2) Bei gleichzeitiger Ausbildung in zwei Lehrberufen beträgt die Dauer der Gesamtlehrzeit die Hälfte der Gesamtdauer der beiden festgesetzten Lehrzeiten, vermehrt um ein Jahr; die gesamte Lehrzeit darf höchstens vier Jahre betragen.

(2a) Die Ausbildung eines Lehrlings in einem Lehrberuf, der als modularer Lehrberuf gemäß §§ 5 Abs. 3a und 8 Abs. 4 eingerichtet ist, hat jedenfalls ein Grundmodul und ein Hauptmodul in der Dauer von insgesamt mindestens drei Jahren zu umfassen. Innerhalb einer Gesamtausbildungsdauer von bis zu vier Jahren können dem Lehrling ein weiteres Hauptmodul oder zusätzlich ein oder zwei Spezialmodule vermittelt werden. Dies ist im Lehrvertrag festzulegen (§ 12 Abs. 3 Z 3). Bei der Ausschöpfung der Gesamtausbildungsdauer von vier Jahren dürfen höchstens so viele Hauptmodule und Spezialmodule vermittelt werden, dass die Summe der zeitlichen Dauer des Grundmoduls und der einzelnen Hauptmodule sowie der einzelnen Spezialmodule vier Jahre nicht überschreitet.

(3) Die Dauer der Lehrzeit verwandter Lehrberufe ist gegenseitig anrechenbar.

(4) Für die Festsetzung des Ausmaßes der Anrechnung von Lehrzeiten verwandter Lehrberufe in den einzelnen Lehrjahren ist maßgebend, ob und in welchem Umfang in den verwandten Lehrberufen während der einzelnen Lehrjahre gleiche oder ähnliche Roh- und Hilfsstoffe und Werkzeuge verwendet werden oder Tätigkeiten zu verrichten sind, die gleiche oder ähnliche Arbeitsgänge erfordern; hiebei ist auf die Berufsbilder (§ 8 Abs. 2) dieser Lehrberufe Bedacht zu nehmen.

(5) Das Ausmaß der Anrechnung von Lehrzeiten in nach § 5 Abs. 4 letzter Satz verwandten Lehrberufen beträgt zumindest die Hälfte der Lehrzeit.

(6) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat mit Verordnung die Lehrberufe, die in einer verkürzten Lehrzeit erlernt werden können sowie das Ausmaß der Verkürzung, die allenfalls notwendige Vorbildung und die Grundzüge, wie diese verkürzte Ausbildung gestaltet werden muß, festzulegen."

§ 7 BAG enthält Bestimmungen zur Lehrberufsliste:

"(1) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat mit Verordnung in einer Lehrberufsliste festzusetzen:

a) die Lehrberufe im Sinne des § 5 Abs. 1 und des § 5 Abs. 3,

b) die Dauer der Lehrzeit im Sinne des § 6 Abs. 1,

c) die verwandten Lehrberufe im Sinne des § 5 Abs. 4,

d) das Ausmaß der Anrechnung von Lehrzeiten verwandter Lehrberufe im Sinne des § 6 Abs. 4 und

e) den Ersatz der Lehrabschlußprüfung durch erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlußprüfung in einem anderen Lehrberuf.

(2) Durch Änderungen der Lehrberufsliste darf in bestehende Lehrverhältnisse nicht eingegriffen werden.

(3) In den Lehrverträgen, Lehrzeugnissen, Lehrabschlußprüfungszeugnissen und Lehrbriefen ist der Lehrberuf in der dem Geschlecht des Lehrlings entsprechenden Form zu bezeichnen."

§ 8 BAG enthält Bestimmungen zu Ausbildungsvorschriften:

(1) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat für die einzelnen Lehrberufe nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4, 12, 15 und 16 durch Verordnung Ausbildungsvorschriften festzulegen.

(2) Die Ausbildungsvorschriften haben Berufsbilder zu enthalten; diese sind entsprechend den dem Lehrberuf eigentümlichen Arbeiten und den zur Ausübung dieser Tätigkeiten erforderlichen Hilfsverrichtungen, jedoch ohne Rücksicht auf sonstige Nebentätigkeiten des Lehrberufes unter Berücksichtigung der Anforderungen, die die Berufsausbildung stellt, festzulegen und haben hierbei nach Lehrjahren gegliedert die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, die während der Ausbildung zu vermitteln sind, anzuführen. ..."

Zu den Pflichten des Lehrberechtigten hält § 9 BAG idgF Folgendes fest:

"(1) Der Lehrberechtigte hat für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen und ihn unter Bedachtnahme auf die Ausbildungsvorschriften des Lehrberufes selbst zu unterweisen oder durch geeignete Personen unterweisen zu lassen.

(2) Der Lehrberechtigte hat den Lehrling nur zu solchen Tätigkeiten heranzuziehen, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar sind. Dem Lehrling dürfen keine Aufgaben zugewiesen werden, die seine Kräfte übersteigen.

(3) Der Lehrberechtigte hat den Lehrling zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben und zu verantwortungsbewußtem Verhalten anzuleiten und ihm diesbezüglich ein gutes Beispiel zu geben; er darf den Lehrling weder mißhandeln noch körperlich züchtigen und hat ihn vor Mißhandlungen oder körperlichen Züchtigungen durch andere Personen, insbesondere durch Betriebs- und Haushaltsangehörige, zu schützen.

(4) Der Lehrberechtigte hat die Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte des Lehrlings von wichtigen Vorkommnissen, die die Ausbildung eines minderjährigen Lehrlings betreffen, und, sofern ein minderjähriger Lehrling in die Hausgemeinschaft des Lehrberechtigten aufgenommen wurde, auch von einer Erkrankung des Lehrlings ehestens zu verständigen. Die Verständigung vom Eintritt der Endigung des Lehrverhältnisses gemäß § 14 Abs. 2 lit. b und d hat schriftlich und auch an den Lehrling zu erfolgen.

(5) Der Lehrberechtigte hat dem Lehrling, der zum Besuch der Berufsschule verpflichtet ist, die zum Schulbesuch erforderliche Zeit freizugeben und ihn zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten sowie auf den Stand der Ausbildung in der Berufsschule nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen. Die Lehrberechtigten haben die Kosten der Unterbringung und Verpflegung, die durch den Aufenthalt der Lehrlinge in einem für die Schüler der Berufsschule bestimmten Schülerheim zur Erfüllung der Berufsschulpflicht entstehen (Internatskosten), zu tragen. Bei Unterbringung in einem anderen Quartier sind ebenso die bei Unterbringung in einem Schülerheim entstehenden Kosten zu tragen. Der Lehrberechtigte kann einen Ersatz dieser Kosten bei der für ihn zuständigen Lehrlingsstelle beantragen. Der Kostenersatz gilt nicht für Lehrberechtigte beim Bund, bei einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband.

(6) Wenn an ganzjährigen und saisonmäßigen Berufsschulen einzelne Unterrichtsstunden an einem Schultag entfallen oder wenn an lehrgangsmäßigen Berufsschulen während des Lehrganges der Unterricht an bis zu zwei aufeinanderfolgenden Werktagen entfällt und es in jedem dieser Fälle wegen des Verhältnisses zwischen der im Betrieb zu verbringenden Zeit und der Wegzeit nicht zumutbar ist, daß der Lehrling während dieser unterrichtsfreien Zeit den Betrieb aufsucht, hat der Lehrberechtigte dem Lehrling diese Zeit unter Fortzahlung der Lehrlingsentschädigung frei zu geben.

(7) Der Lehrberechtigte hat dem Lehrling die zur Ablegung der Lehrabschlußprüfung und der in den Ausbildungsvorschriften vorgesehenen Teilprüfungen erforderliche Zeit freizugeben. Wenn der Lehrling während der Lehrzeit oder während der Zeit seiner Weiterverwendung gemäß § 18 dieses Bundesgesetzes erstmals zur Lehrabschlußprüfung antritt, hat der Lehrberechtigte dem Lehrling die Kosten der Prüfungstaxe zu ersetzen.

(8) Die Abs. 2 bis 7 gelten für den Ausbilder sinngemäß. Der Lehrberechtigte hat dafür Sorge zu tragen, daß dem Ausbilder die zur Erfüllung seiner Ausbildungsaufgaben erforderliche Zeit sowie eine angemessene Zeit zur beruflichen Weiterbildung im Interesse der Verbesserung der Ausbildung von Lehrlingen zur Verfügung steht.

(9) Der Lehrberechtigte hat der Lehrlingsstelle ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch binnen vier Wochen anzuzeigen:

a) die Dauer des Lehrverhältnisses gemäß § 13 Abs. 3 berührende Umstände,

b) eine Endigung des Lehrverhältnisses gemäß § 14 Abs. 2 lit. a oder d,

c) eine Fortsetzung des Lehrverhältnisses gemäß § 14 Abs. 3,

d) eine vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses (§ 15) und

e) die Betrauung und den Wechsel des Ausbilders, sofern jedoch ein Ausbildungsleiter betraut wurde (§ 3 Abs. 5), dessen Betrauung und Wechsel.

(9a) Der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren bzw., wenn kein Gerichtskommisär bestellt wurde, das Verlassenschaftsgericht hat der Lehrlingsstelle ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch binnen vier Wochen eine Endigung des Lehrverhältnisses durch Ableben des Lehrberechtigten gemäß § 14 Abs. 2 lit. b anzuzeigen.

(10) Die Lehrlingsstellen haben die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte vom Inhalt der auf Grund des Abs. 9 erstatteten Anzeigen in Kenntnis zu setzen."

§ 12 BAG regelt das Lehrverhältnis und den Lehrvertrag wie folgt:

"(1) Das Lehrverhältnis wird durch den Eintritt des Lehrlings in die fachliche Ausbildung und Verwendung begründet und durch den Lehrvertrag geregelt. Der Lehrvertrag ist unter Bedachtnahme auf den Zweck der Ausbildung in einem in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberuf zwischen dem Lehrberechtigten und dem Lehrling schriftlich abzuschließen. Der Abschluß des Lehrvertrages eines minderjährigen Lehrlings bedarf der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Lehrlings.

(2) Verträge, deren Gegenstand die Erlernung von Tätigkeiten ist, die nicht in der Lehrberufsliste als Lehrberufe festgesetzt sind, begründen kein Lehrverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes. ..."

§ 13b BAG enthält eine Bestimmung zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses.

Den angeführten, auszugsweise wiedergegebenen Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes kann entnommen werden, dass dieses auf die typischen Lehrverhältnisse zugeschnitten ist, bei denen in den meisten Fällen minderjährige Lehrlinge, welche nicht einmal über einen Pflichtschulabschluss verfügen müssen, in der Regel eine Berufsausbildung in einem Gewerbe- oder Handelsbetrieb absolvieren, welche ihnen nach zwei bis vier Jahren die Ausübung eines Berufes ermöglicht. Die Ausbildung erfolgt regelmäßig im dualen System (Lehrbetrieb und Berufsschule) und endet mit einer Lehrabschlussprüfung.

Diese Rechtsansicht entspricht sowohl der allgemeinen Auffassung von einem Lehrverhältnis als auch den dazu veröffentlichten Informationen der Sozialpartner:

Laut WKO, Stichwort "Lehrlingsausbildung", erwirbt ein Lehrling in Österreich an zwei Lernorten (Betrieb und Berufsschule) eine vollständige Berufsausbildung, die Kosten für die betriebliche Ausbildung übernimmt der Lehrbetrieb (https://www.wko.at/service/bildung-lehre/lehrlingsausbildung.html).

Die Informationen, welche von der Arbeiterkammer auf ihrer homepage zur Lehrlingsausbildung veröffentlicht wurden, geben in verkürzter Darstellung die Regelungen des Berufsausbildungsgesetzes wieder.

Die Voraussetzungen für die Gerichtspraxis unterscheiden sich grundlegend von den Bedingungen, unter denen eine Lehre absolviert wird.

So führt § 1 Abs. 1 Rechtspraktikantengesetz (RPG) wie folgt aus:

" Die Gerichtspraxis soll Personen, die die vorgesehene wissenschaftliche Berufsvorbereitung für einen Beruf abgeschlossenen haben, für den die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist, die Möglichkeit geben, ihre Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit in der Gerichtsbarkeit fortzusetzen und dabei ihre Rechtskenntnisse zu erproben und zu vertiefen."

Während im Fall der Lehre also nicht einmal ein Pflichtabschluss erforderlich ist, auch wenn im Regelfall ein solcher verlangt wird, ist für die Absolvierung der Gerichtspraxis ein Abschluss der wissenschaftlichen Berufsvorbereitung erforderlich.

Gemäß § 2 Abs. 1 RPG besteht auf die Zulassung zur Gerichtspraxis in dem Ausmaß ein Rechtsanspruch, in dem die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist. Die Zulassung für einen längeren Zeitraum kann nach Maßgabe der budgetären, personellen und räumlichen Möglichkeiten erfolgen.

Zum Ablauf der Ausbildung legt § 5 RPG Folgendes fest:

"(1) Der Präsident des Oberlandesgerichtes führt die Oberaufsicht über die Gerichtspraxis. Er hat zu bestimmen, wo, in welcher Dauer und in welchen Geschäftssparten ein Rechtspraktikant auszubilden ist (Ausbildungsplan).

(2) Die Ausbildung in der Dauer von fünf Monaten hat jedenfalls beim Bezirksgericht und beim Landesgericht zu erfolgen. Einer Ausbildung in Strafsachen bei Gericht steht jene bei einer Staatsanwaltschaft unter sinngemäßer Anwendung dieses Bundesgesetzes gleich. Für die Verwendung bei der Staatsanwaltschaft gelten sinngemäß die Bestimmungen der §§ 32 Abs. 3 und 38 Abs. 2 des Staatsanwaltschaftsgesetzes (StAG), BGBl. Nr. 164/1986.

(3) Der Vorsteher des Gerichtes führt die Aufsicht über die Gerichtspraxis. Er hat den Rechtspraktikanten gegebenenfalls einzelnen Gerichtsabteilungen zuzuweisen. Der Vorsteher des Gerichtes und der Leiter der Gerichtsabteilung haben für eine dem Zweck der Gerichtspraxis entsprechende Ausbildung des Rechtspraktikanten Sorge zu tragen.

(4) Wünschen des Rechtspraktikanten zu der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes und vom Vorsteher des Gerichtes zu treffenden Auswahl soll nach Maßgabe der Erfordernisse der Ausbildung und der dienstlichen Interessen tunlichst entsprochen werden."

Die Gestaltung der Ausbildung ist in § 6 RPG wie folgt geregelt:

"(1) Die Ausbildung ist so zu gestalten, daß der Rechtspraktikant durch Mithilfe an der Bearbeitung der bei Gericht vorkommenden Angelegenheiten der Rechtspflege einen möglichst umfassenden Einblick in die richterliche Tätigkeit sowie in die Aufgaben der Geschäftsstelle erhält und die sonstigen gerichtlichen Einrichtungen kennenlernt. Er ist soviel wie möglich zur Ausarbeitung von Entscheidungsentwürfen und zu anderer konzeptiver Vorarbeit heranzuziehen. Er ist - soweit dies mit dem Zweck der Ausbildung vereinbar ist - auch als Schriftführer einzusetzen. Die Verwendung als Schriftführer hat grundsätzlich nicht im bloßen Schreiben nach Ansage zu bestehen.

(2) Ab dem sechsten Ausbildungsmonat der Gerichtspraxis ist § 10 Abs. 1 RStDG sinngemäß anzuwenden.

(3) Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten können nach einer fünfmonatigen Ausbildung bei einem Bezirks- und Landesgericht (bzw. bei einer Staatsanwaltschaft) unter sinngemäßer Anwendung dieses Bundesgesetzes auch

1. bei einem Oberlandesgericht,

2. bei einer Oberstaatsanwaltschaft,

3. beim Obersten Gerichtshof, wie insbesondere im Evidenzbüro,

4. bei der Generalprokuratur,

5. in einer Justizanstalt und

6. im Bundesministerium für Justiz

ausgebildet werden."

Zur theoretischen Ausbildung führt § 7 RPG wie folgt aus:

"Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten haben - nach Maßgabe der organisatorischen, personellen und räumlichen Möglichkeiten - an den für Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter eingerichteten Übungskursen (§ 14 RStDG) oder an für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten eingerichteten eigenen Übungskursen teilzunehmen."

Schließlich hält § 8 RPG zu Ausbildungsausweis und Beurteilung Folgendes fest:

"(1) Für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten ist ein Ausbildungsausweis zu führen, in dem jeweils nach Ablauf einer Zuweisung das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft, der Ausbildungszeitraum, die Geschäftssparten und die oder der mit der Ausbildung betraute Richterin oder Richter bzw. die oder der mit der Ausbildung betraute Staatsanwältin oder Staatsanwalt sowie die von dieser oder diesem abgegebene Beurteilung anzuführen sind.

(2) Die Beurteilung der jeweils erbrachten Leistungen hat unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 und 2 sowie 54 Abs. 3 RStDG zu erfolgen.

(3) Bei Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten, die eine Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst nicht anstreben, kann sich die Begründung der Beurteilung auf eine komprimierte Beschreibung und zusammenfassende Darstellung der Erwägungen beschränken.

(4) Nach Beendigung der Gerichtspraxis ist der Ausbildungsausweis von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten des Oberlandesgerichts aufzubewahren."

Während ein Lehrvertrag zwischen Lehrherrn und Lehrling aus freien Stücken abgeschlossen wird, besteht auf die Zulassung zur Gerichtspraxis unter den angeführten Bedingungen ein Rechtsanspruch. Eine Zulassung für einen längeren Zeitraum ist möglich. Ferner kann eine Gerichtspraxis auch von Personen absolviert werden, für welche diese gesetzlich nicht als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist. Mit Ausnahme der Richteramtsanwärter erfolgt noch keine fachspezifische Ausbildung für einen bestimmten Beruf. Dies geht einerseits aus dem RPG hervor, als auch aus einer auf der Website des Oberlandesgerichtes Wien veröffentlichten Information:

"Die Gerichtspraxis gibt Personen, die ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, die Möglichkeit, ihre Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit bei Gericht fortzusetzen und dabei die Rechtskenntnisse zu vertiefen.

Rechtspraktikant*innen sind während dieser Zeit spartenspezifisch einem oder mehreren Gerichten zugeteilt und können dabei erste Einblicke in das juristische Berufsangebot (als Richter*in, als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, als Notar*in, als Staatsanwalt/Staatsanwältin oder auch in der öffentlichen Verwaltung sowie in der Wirtschaft) gewinnen und Erfahrungen sammeln, die ihnen bei der Berufswahl helfen."

https://www.justiz.gv.at/olg-wien/oberlandesgericht-wien/gerichtspraxis~2c948486422806360142d7b12cae271f.de.html

Der Ausbildung für einen bestimmten Beruf mit einer festgelegten Lehrzeit im Lehrverhältnis steht in der Gerichtspraxis die Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit bei Gericht und das praktische Sammeln von Erfahrungen zur Gewinnung von Einblicken "in das juristische Berufsangebot" als Hilfestellung zur Berufswahl gegenüber. Eine direkte Vergleichbarkeit mit der Lehre ist daraus nicht ersichtlich.

Zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes stützt sich die Bf. u.a. auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Zl. G98/94 vom , in welchem ein nur kollektivvertraglich geregeltes Ausbildungsverhältnis zum Vermessungshilfstechniker als einem Lehrberuf so ähnlich beurteilt wurde, dass der Verwaltungsgerichtshof den damaligen Wortlaut der lit. b "Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis" in dem Sinne abänderte, dass er das Wort "gesetzlich" als verfassungswidrig aufhob.

In einem Rechtssatz zu diesem Erkenntnis führte der Verfassungsgerichtshof wie folgt aus:

"Ist die für die Entwicklung des Berufsausbildungsrechtes zur Verfügung stehende Zeit verstrichen und bleiben wesentliche Ausbildungsverhältnisse mangels Aufnahme in die Liste der Lehrberufe ohne gesetzliche Anerkennung, obwohl sie in einer den Lehrberufen gleichzuhaltenden Form auf kollektivvertraglicher Grundlage bestehen, so führt das zunächst zulässige System (vgl. VfSlg. 8605/1979) zu einem verfassungsrechtlich nichtmehr haltbaren Zustand. Die unvollständige Erfassung der bestehenden Lehrverhältnisse macht auch das daran anknüpfende Familienlastenausgleichsrecht verfassungswidrig.

Der Eintritt eines verfassungswidrigen Zustandes fällt nicht nur dem - warum immer - säumigen Verordnungsgeber, sondern auch dem Gesetz selbst zur Last, das diesen Zustand herbeiführt - weil der Gesetzgeber diesfalls eben die Wirkungen des Gesetzes von der Erlassung einer Verordnung abhängig gemacht hat. Dies gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit in der Anknüpfung an ein Rechtsgebiet besteht, das die in Betracht kommenden Verhältnisse im Ergebnis unvollständig erfaßt.

Der Gesetzgeber kann von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen; das Ausmaß der dabei hinzunehmenden ungleichen Auswirkung einer generellen Norm hängt allerdings nicht nur vom Grad der Schwierigkeiten ab, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde, sondern auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen.

Vor dem Hintergrund der Möglichkeit, den Lehrberuf Vermessungshilfstechniker vorzusehen oder die (oberste) Verwaltungsbehörde zur Feststellung der Gleichwertigkeit kollektivvertragsrechtlich geregelter Ausbildungsverhältnisse zu ermächtigen, und angesichts der empfindlichen Auswirkung der aus ihnen erzielten Einkünfte auf den Anspruch auf Familienbeihilfe kann eine grundlose Ausnahme offenkundig vorhandener Ausbildungsverhältnisse aus dem Katalog der beihilfenunschädlichen Einkunftsquellen jedoch keinen Bestand haben.

Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit genügt es, das Wort "gesetzlich" in §5 Abs1 litb FamilienlastenausgleichsG 1967 aufzuheben.

Einer Anerkennung kollektivvertraglich geregelter Ausbildungsverhältnisse steht offenkundig nur das Wort "gesetzlich" im Wege. Denn das KollektivvertragsG enthält keineals Anerkennung von Ausbildungsverhältnissen deutbaren Regelungen. Solche enthält vielmehr nur das der Ausführung durch Verordnungen bedürftige Berufsausbildungsgesetz. Andererseits kann unter einem anerkannten Ausbildungsverhältnis dem Gesetzeszweck entsprechend nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes verstanden werden."

Aus der Begründung des Erkenntnisses selbst ist ersichtlich, dass im Fall des Vermessungshilfstechnikers ein kollektivvertraglich geregeltes Ausbildungsverhältnis vorlag, welches laut Stellungnahme des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten einem Lehrverhältnis gleichzuhalten war.

Durch die Aufhebung des Wortes "gesetzlich" in der Wortfolge "Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis" hat der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Ausnahme für jegliches Ausbildungsverhältnis und das daraus erzielte Einkommen anzuwenden ist. Aus dem Erkenntnis in Verbindung mit dem Rechtssatz ist klar ersichtlich, dass Säumigkeit des Verordnungsgebers nicht dazu führen sollte, dass für Personen, die eine Ausbildung absolvieren, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Lehrberuf erfüllt, die Rechtsfolge eintritt, dass diese keine Familienbeihilfe erhalten.

In der Folge wurde überdies die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufsausbildung im Lehrberuf Vermessungstechniker (Vermessungstechniker-Ausbildungsordnung) mit BGBl. II Nr. 163/1998 erlassen und damit der ursprünglich fehlende Lehrberuf geschaffen.

Die seinerzeit an Rechtspraktikanten gewährten Unterstützungsbeiträge waren als "Beihilfen für Zwecke der Erziehung oder Ausbildung" von der Einkommensteuer befreit. Mit Wegfall dieser Befreiung wurden sie vom Verwaltungsgerichtshof als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beurteilt () und dem damaligen Bf. im Hinblick auf die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG erklärt, dass kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe besteht.

Laut Rechtssatz des VwGH zum Erkenntnis vom , 83/13/0105 wurde der dem Rechtspraktikaten bewilligte Unterstützungsbeitrag nicht als Entschädigung aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis beurteilt.

Auch aus der Gegenüberstellung der gesetzlichen Regelungen des Berufsausbildungsgesetzes und des Rechtspraktikantengesetzes sowie unter Berücksichtigung der verkehrsüblichen Verwendung des Begriffes Lehrverhältnis ergibt sich, dass eine Auslegung der Ausnahmebestimmung auf sonstige Ausbildungsverhältnisse weder geboten ist, noch gerechtfertigt wäre.

Der Beschwerde konnte daher keine Folge gegeben werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die angeführten gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, ist eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig. Es stützt sich auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Gerichtspraxis
Lehrlingsentschädigung
Verweise
VwGH, 2008/15/0329
VfGH, G98/94
VwGH, 82/13/0063
VwGH, 83/13/0105
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106194.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at