Beschwerde gegen einen Haftungsbescheid, der im Zuge eines Wiedereinsetzungsantrages eingebracht wurde: Der Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet steht ein unerledigter Wiedereinsetzungsantrag nicht entgegen
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Reinhold Schürer-Waldheim, Heigerleinstraße 55 Tür 23, 1170 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , zZ MA 6/ARL-544469/2019, betreffend Haftungsinanspruchnahme, den Beschluss:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurückgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und aus dem den Beschwerdeführer betreffenden, mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , zu Zahl RV/7400052/2018, rechtskräftig beendeten Beschwerdeverfahren ergibt sich für das Bundesfinanzgericht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt, der gleichzeitig den Verfahrensgang abbildet:
1.1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , wurde der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 3 und 7 der Bundesabgabenordnung (BAO) und § 13 Abs. 5 des Vergnügungssteuergesetzes 2005 als Obmann des Vereins ***1*** für den entstandenen Rückstand an Sportförderungsbeitrag iHv 1.792,83 Euro zur Haftung herangezogen und gemäß § 224 BAO aufgefordert, diesen Betrag binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Der Bescheid wurde nach einem Zustellversuch am an der Adresse des Beschwerdeführers in ***Bf1-Adr***, am selben Tag bei der zuständigen Postgeschäftsstelle hinterlegt (Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 ZustG; vgl. Rückschein im Verwaltungsakt, AS 8) und ist ab dem zur Abholung bereitgehalten worden, da dem Bf. das Schriftstück beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte. Das Kuvert kam am an die belangte Behörde als nicht behoben zurück (Verwaltungsakt, AS 11).
Am , somit nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des Bescheides, langte bei der Magistratsabteilung 6, Dezernat Abgaben und Recht, Landes- und Gemeindeabgaben, eine - undatierte - Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom , "zugestellt im Mai 2017", ein.
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer die Verspätung der Beschwerde vorgehalten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer wurde über den Zustellversuch durch Verständigung über die Hinterlegung informiert (vgl. Rückschein im Verwaltungsakt, AS 16).
Mit als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichnetem Bescheid vom wies die belangte Behörde die verspätet eingebrachte Beschwerde als unzulässig zurück (Verwaltungsakt, AS 17). Die Beschwerdevorentscheidung wurde vom Beschwerdeführer persönlich übernommen (Verwaltungsakt, AS 18).
Mit E-Mail vom gab der nunmehr steuerlich vertretene Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Haftungsbescheid ab und führte aus, er habe den Zustellnachweis im Jahr 2015 nie erhalten, da dieser Zettel "vermutlich verloren ging". Auf Grund dieser Tatsache sei der ursprüngliche Bescheid im Mai 2017 neu zugestellt und am Beschwerde erhoben worden (Verwaltungsakt, AS 19).
Mit Beschwerdevorlage vom legte der Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 6, die mittels E-Mail vom eingebrachte und als Vorlageantrag gewertete Eingabe des Bf. samt Vorakten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Verwaltungsakt, AS 20-23).
Mit Eingabe vom stellte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers ohne sich konkret auf den Beschwerdeführer zu beziehen einen Antrag gemäß § 293 BAO auf Aufhebung des Haftungsbescheides vom wegen fehlerhafter Feststellungen. Die in der Beschwerdevorentscheidung vom angeführte Meinung, es handle sich um eine Ausfallshaftung, sodass der Vertreter für den Rest der Abgabenschuld herangezogen werden könne, sei unrichtig.
Da der Haftungsbescheid am mittels Hinterlegung als ordnungsgemäß zugestellt galt und die Beschwerde nach Ablauf der einmonatigen Rechtsmittelfrist erst am per Email bei der Behörde eingelangt war, wurde die Beschwerde vom Bundesfinanzgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom , RV/7400052/2018, als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
1.2. Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß 308 BAO und brachte damit verbunden die gegenständliche Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ein (Verwaltungsakt, AS 29).
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom im Verfahren betreffend Haftung als unbegründet abgewiesen und unter einem die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid mittels Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen (Verwaltungsakt, AS 31 bis 33). Dieser Bescheid wurde dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am zugestellt.
Mit E-Mail Eingabe vom ersuchte der steuerlich vertretene Beschwerdeführer, seine Beschwerde vom gegen den Bescheid vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Gleichzeitig erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages vom .
Dem Bundesfinanzgericht wurde die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt.
2. Da hinsichtlich des abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrages Beschwerde erhoben wurde und dieses Beschwerdeverfahren bei der belangten Behörde noch anhängig ist, ist im vorliegenden Beschwerdefall lediglich strittig, ob die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat:
2.1. Dazu ist zunächst auf die eingangs wiedergegebene Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7400052/2018, zu verweisen, mit dem die Beschwerde bereits rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen worden ist. Das Bundesfinanzgericht hat darin festgestellt, dass die Hinterlegung am nach einem Zustellversuch an diesem Tag und die Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung rechtskonform erfolgt sind. Die neuerlich im Zusammenhang mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingebrachte, hier gegenständliche (idente) Beschwerde vermag daran nichts zu ändern. Da der Haftungsbescheid somit am mittels Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt wurde und der Wiedereinsetzungsantrag von der belangten Behörde abgewiesen wurde, erweist sich die gegenständliche Beschwerde vom als nicht fristgerecht eingebracht und ist spruchgemäß zurückzuweisen.
2.2. Soweit der Beschwerdeführer in Zusammenhang mit der bei der belangten Behörde noch anhängigen Beschwerde gegen den Wiedereinsetzungsantrag vermeint, die Behörde hätte noch nicht über die (damit unter einem eingebrachte) Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom entscheiden dürfen, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 310 Abs. 1 BAO obliegt die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Behörde, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war. Gemäß § 310 Abs. 3 BAO tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Soweit die versäumte Handlung erst die Einleitung eines Verfahrens zur Folge gehabt hätte, ist durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung die ursprünglich versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen anzusehen.
Dem § 310 Abs. 3 erster Satz BAO zufolge wird durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung bewirkt, dass alle nach Ablauf der versäumten (aber durch die Wiedereinsetzung restituierten) Frist und in Konsequenz der stattgefundenen Versäumung ergangenen Bescheide mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Erlassung vernichtet werden (Stoll, BAO, 2994; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 1609); einer ausdrücklichen (bescheidmäßig verfügten) Aufhebung bedarf es nicht. Daher tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung etwa ein wegen Versäumung der Frist erlassener Zurückweisungsbescheid ex lege außer Kraft (, Slg 12.275 A; , 89/05/0235, ZfVB 1991/4/1795; , 96/21/0574, ZfVB 1998/3/898).
Ob zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag oder über die verspätete Eingabe zu entscheiden ist, sollte sich (nach Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10, Tz 636) nach prozessökonomischen Gesichtspunkten orientieren, die im Regelfall für die vorherige Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sprechen (vgl. auch Stoll, BAO, 2989). Nach der jüngeren Rechtsprechung hat die Nichterledigung des Wiedereinsetzungs-antrages auf die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides aber keinen Einfluss, weshalb der Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ein unerledigter Wiedereinsetzungsantrag nicht entgegensteht (vgl zB , Slg 12.275A, verstärkter Senat; , 92/04/0280; , 94/18/0842, ZfVB 1996/3/1243; , 2005/16/0039 sowie Ritz, BAO6, § 260 Tz 22).
2.3. Da auf Grund der rechtswirksamen Zustellung am die verspätete Einbringung der Beschwerde objektiv besteht, ist die gegenständliche Beschwerde vom gemäß § 260 Abs. 1 lit. b iVm § 278 Abs. 1 lit. a BAO als verspätet zurückzuweisen. Die belangte Behörde wird in der Folge über die bei ihr nach derzeitigem Stand nach wie vor anhängige Beschwerde gegen den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers abzusprechen haben. Anzumerken ist, dass im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung gemäß § 310 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat, sodass in diesem Fall der Zurückweisungsbescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt würde (vgl. Ritz, aaO, sowie ).
3. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen, vielmehr ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zur Frage, ob der Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ein unerledigter Wiedereinsetzungsantrag entgegensteht, eine einheitliche Rechtsprechung vorhanden (vgl. die dazu zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 310 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 310 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400173.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at