Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2020, RV/7100681/2020

Erhöhte Familienbeihilfe; paranoide Schizophrenie, kein Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Margot Artner, Luftbadgasse 4/3/-, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , mit welchem der Antrag auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab März 2018 abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.), geboren am Dezember 1992, ist besachwaltet.

Die Sachwalterin stellte am einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt, im Höchstausmaß rückwirkend auf fünf Jahre ab Antragstellung.

Der Bf. wurde am untersucht und von der Neurologin Dr.in B am folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:

Lt. VGA von 9/2015 50% GdB mit Diagnose paranoide Schizophrenie. In Äthiopien geboren; seit 1999 in Österreich.

17. - 19. Lj. 2 - 3x wö. vermehrter Alkoholkonsum sowie gelegentlicher Konsum von Cannabis.

Seit 1/2013 akustische Halluzinationen; 8/2013 ambulante Begutachtung in Äthiopien mit Diagnose schwerer Depression und Leistungseinbruch; Gewichtszunahme unter Olanzapin;

7/2014 zwei Wochen stationär in Äthiopien.

6-8/2015 stationärer Aufenthalt Psych./AKH wegen paranoider Schizophrenie.

Zn. Obdachlosigkeit 2015-2017.

Danach 3xig stationär im OWS: 2 x 2017 (kein Befund vorliegend) sowie 2-5/2013 zwecks Krisenintervention.

Derzeitige Beschwerden: Sprache könne nicht kontrolliert werden (sage oft ungewollt Schimpfworte)

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel: Leponex, Haldol; FÄ-Betreuung bei Dr. Prause 1 x wö.; keine Psychotherapie

Sozialanamnese:

Ausbildung: 12 Kl. in Vienna International School-Abschluss mit Zertifikat 2011; 6 Monate Präsenzdienst; 1 J. Physikstudium, 6 Mo. Studium für Computerwissenschaft; Ferialjobs, sonst keine Erwerbstätigkeit; zuletzt 2015 BVL/BIKU 3x.

Lebt seit Herbst 2017 bei der Heilsarmee; seit ca. 2016 besachwaltet (Mag. Artner-Tauscher); kein PG-Bezug.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

, Psych./OWS, Primariat Rießland-Seifert: paranoide Schizophrenie, schädlicher Gebrauch von Cannabis.

[…]

Psycho(patho)logischer Status:

Stimmung gebessert, dysthym, Antrieb leicht herabgesetzt, tägl optische und akustische Halluzinationen; Schlaf gut; in ADL relativ selbständig; wenig soziale Kontakte gegeben; durchschnittliche Begabung; abstinent, seit 2017 kein Konsum von Cannabis mehr (?); keine Epilepsie

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze: Pos.Nr. Gdb%

1 paranoide Schizophrenie

Unterer Rahmensatz, da verminderte psychische Belastbarkeit 50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten: keine Änderung gegenüber dem VGA von 9/2015

der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 07/2014

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist weiterhin nicht gegeben (idem zu VGA ab 7/2014), da höhergradige psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind, welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen.

Dauerzustand

Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Nachuntersuchung zwecks Kontrolle der der Unterhaltsfähigkeit mit rezenten Befunden erforderlich; da Besserung unter Drogenkarenz möglich."

Unter Zugrundelegung der im Gutachten getroffenen Feststellungen wies das Finanzamt den Antrag mit Bescheid vom ab und führte zunächst die Bestimmungen des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF an, wonach volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe haben, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Laut amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom sei die Erwerbsunfähigkeit ab April 2014, also nach Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt worden. Es bestehe daher ab dem Monat der der Antragstellung (März 2018) kein Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde von der Erwachsenenvertreterin des Bf. am folgende Beschwerde erhoben:

"Laut dem Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice ist der Beschwerdeführer ab Juli 2014 erwerbsunfähig, dies auf Grund einer seit diesem Zeitpunkt bestehenden psychischen Erkrankung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.00).

Eine Begründung, warum trotz festgestellter akustischer Halluzinationen im Jänner 2013 und einer ambulanten psychiatrischen Begutachtung mit psychiatrischer Diagnose im August 2013 (zu beiden Zeitpunkten hat der Beschwerdeführer das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt) Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers erst ab dem Juli 2014 angenommen werden, fehlt.

Tatsächlich ist der Beschwerdeführer bereits seit Jänner 2013 auf Grund seiner bis heute bestehenden paranoiden Schizophrenie nicht erwerbsfähig. Das Gutachten des Sozialministeriumservice ist daher insbesondere aus folgenden Gründen nicht schlüssig.

Aus dem Befund vom August 2013 des St. Gabriel Hospital in Addis Abeba, Äthiopien, geht die Diagnose einer "schweren depressiven Verstimmung mit psychotischen Zügen" hervor. Das Gutachten führt jedoch unrichtig "schwere Depression" an und lässt den Zusatz "mit psychotischen Zügen" außer Acht. Dies ist möglicherweise auf die schwere Lesbarkeit des handschriftlichen Befunds zurückzuführen, ändert jedoch nichts an der unrichtigen Wiedergabe im Gutachten und der wohl daran anknüpfenden unrichtigen Bewertung. Der Beschwerdeführer hat zwischenzeitig die Übersetzung in die deutsche Sprache veranlasst und legt auch diese vor.

Sachverständigengutachten des SMS vom ;

Befund St. Gabriel General Hospital samt Übersetzung; Aktuelle Befunde OWS.

Beweis: Eine schwere depressive Episode mit psychotischen Zügen ist jedoch nach ICD-10 eine andere Diagnose (F 32.3 bzw F 33.3) als die im Gutachten wiedergegebene (F 32.2 bzw F 33.2). Der wesentliche Unterschied zu einer depressiven Episode ohne schizophrene Symptomatik besteht in einer schizophrenen Symptomatik, die neben der depressiven affektiven Verstimmung auftritt, und einen erheblichen Schweregrad erreicht.

Beweis: Auszug aus dem ICD-10.

Eine solche schizophrene Symptomatik (zb optische oder akustische Halluzinationen, Wahnideen) ist auch für die im Juli 2014 gestellte Diagnose einer paranoiden Schizophrenie (F 20.0) maßgeblich. Akustische Halluzinationen - typische Symptome dieser Erkrankung - sind bereits im Jänner 2013 aufgetreten. Das geht nicht nur aus dem vorgelegten Befund des St. Gabriel General Hospital, sondern auch aus der Krankengeschichte des AKH Wien anschaulich hervor.

Beweis: Krankengeschichte AKH.

Typisch für die Symptomatik einer paranoiden Schizophrenie sind in aller Regel neben einer "Positivsymptomatik" (va Halluzinationen, Wahnideen) auch eine "Negativsymptomatik" (va sozialer Rückzug, flacher Affekt, Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit). Die Negativsymptomatik ist im Rahmen einer ambulanten Diagnosestellung nur sehr schwer von einer depressiven Symptomatik zu unterscheiden, da sich viele wesentliche Merkmale überschneiden. Gerade beim Beschwerdeführer ist die Minussymptomatik stark ausgeprägt. Beweis: Psychiatrisches Sachverständigengutachten vom .

Laut ICD-10 soll die Diagnose Schizophrenie bei ausgeprägten depressiven oder manischen Symptomen nicht gestellt werden, es sei denn, schizophrene Symptome wären der affektiven Störung vorausgegangen.

Beweis: Auszug aus dem ICD-10.

Genau dieser Sachverhalt liegt schon nach der im Sachverständigengutachten insoweit richtig aufgenommenen Anamnese vor: Akustische Halluzinationen als typische schizophrene Symptome haben nämlich bereits im Jänner 2013 Vorgelegen. Daher hätte bereits im August 2013 eine paranoide Schizophrenie und nicht eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen diagnostiziert werden können bzw müssen. Im Rahmen eines längeren stationären Aufenthalts im Juli 2014, der eine differenziertere Diagnostik ermöglicht hat, ist die Erkrankung paranoide Schizophrenie dann auch richtig erkannt worden. Diese Diagnose ist unstrittig bis heute aufrecht.

Tatsächlich bestanden hat die Erkrankung aber bereits seit Anfang 2013, wie sich aus der Zusammenschau der angeführten Befunde schlüssig ergibt. Eine andere Ansicht wäre begründungsbedürftig, dazu enthält das Gutachten jedoch keine Ausführungen.

Auf Basis der Ergebnisse der Befundaufnahme hätte sich das Sozialministeriumservice mit den oben angeführten Überlegungen auseinandersetzen müssen. Es hätte dann bei richtiger Würdigung der Ergebnisse der Befundaufnahme zum Schluss gelangen müssen, dass bereits seit Jänner oder August 2013, jedenfalls vor der Vollendung des 21. Lebensjahres, eine die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers verursachende Erkrankung vorgelegen hat.

Die belangte Behörde hätte dann bei richtiger rechtlicher Beurteilung dem Antrag des Beschwerdeführers stattgeben müssen.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers spätestens ab August 2013 tatsächlich eingetreten. Im Sachverständigengutachten wird bereits zu diesem Zeitpunkt - richtig - ein Leistungseinbruch vermerkt, der auf Grund einer schweren Depression per definitionem äußerst schwerwiegend sein muss. Sowohl eine paranoide Schizophrenie als auch eine schwere depressive Verstimmung hätten den Beschwerdeführer jedenfalls bereits im August 2013 erwerbsunfähig gemacht. Auch dazu finden sich im Gutachten keine Ausführungen.

Der Beschwerdeführer stellt sohin den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und den angefochtenen Bescheid insofern abändern, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe bewilligt und ihm rückwirkend im längst möglichen Ausmaß Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe in der gesetzlichen Höhe zuerkannt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und der belangten Behörde die neuerliche Bescheiderlassung nach Verfahrensergänzung auftragen."

Der Bf. wurde auf Grund der eingebrachten Beschwerde am neuerlich untersucht und am vom Neurologen Dr. S folgendes Sachverständigengutachten erstellt:

"Anamnese:

VGA 8/18: 50% ( GdB und EU ab 7/14)

Beschwerde: der GdB sei schon früher eingetreten, da er in Äthiopien in Behandlung war.

In Äthiopien geboren; seit 1999 in Österreich.

17.-19. Lj. 2 - 3x wö. vermehrter Alkoholkonsum sowie gelegentlicher Konsum von Cannabis.

Seit 1/2013 akustische Halluzinationen; 8/2013 ambulante Begutachtung in Äthiopien mit Diagnose schwerer Depression und Leistungseinbruch; Gewichtszunahme unter Olanzapin;

7/2014 zwei Wochen stationär in Äthiopien.

6 - 8/2015 stationärer Aufenthalt Psych./AKH wegen paranoider Schizophrenie.

Zn. Obdachlosigkeit 2015 - 2017.

Danach 3xig stationär im OWS: 2 x 2017 sowie 2 - 5/2018 zwecks Krisenintervention, seither keine stat. Aufnahme, macht Gruppentherapie Fa Behandlung Dr. Prause 1/ Monat

Ausbildung: 12 Kl. in Vienna International School - Abschluss mit Zertifikat 2011; 6 Monate Präsenzdienst; 1 J. Physikstudium, 6 Mo. Studium für Computerwissenschaft; Ferialjobs, sonst keine Erwerbstätigkeit;

Derzeitige Beschwerden: weiter Halluzinationen

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Haldol Depot 150mg/ Monat, Depakine, Lanolept (Dosis wird nicht gewußt)

Sozialanamnese:

lebt in betreuter WG, Reha Geld, Erwachsenenvertretung

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

OWS : paranoide Schizophrenie

St Gabriel Hospital ( Ort?), 2013 (Tag, Monat fehlend): grobe depressive Verstimmung mit psychot. Zügen, 3 Wochen Olanzapin ( keine Dosis), kein psychopath. Status.

[…]

Psycho(patho)logischer Status:

Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb ausreichend, keine kognitiven Einschränkungen, Stimmung dysthym, keine Ein- und Durchschlafstörung, Halluzinationen ( visuell und akustisch) werden angegeben, nicht suizidal eingeengt

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze: Pos.Nr. Gdb%

1 paranoide Schizophrenie

Unterer Rahmensatz, da unter Therapie Teilselbständigkeit gegeben 50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten: keine Änderung

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 07/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: GdB seit 4/14 ( siehe Befund im VGA)

Die neu vorgelegten Befunde bedingen keine Änderung der Beurteilung, der Befund aus 2013 ist zu ungenau um einen GdB zu beurteilen (St Gabriel Hospital ( Ort?), 2013 (Tag , Monat fehlend): grobe depressive Verstimmung mit psychot. Zügen, 3 Wochen Olanzapin empfohlen ( keine Dosis), kein psychopath. Status.)

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht gegeben, da deutliche psychischen Beeinträchtigungen vorhanden sind, welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen.

Dauerzustand

Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Besserung möglich"

Das Finanzamt legte die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Zunächst wurde begründend ausgeführt, dass dem Bf. mit amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom ein Behinderungsgrad von 50 vH und eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab dem Monat Juli 2014 bescheinigt worden sei. Da die Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei, sei der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Monat der Antragstellung März 2018 abgewiesen worden.

Weiters enthält die Beschwerdevorentscheidung folgende Begründung:

"In Ihrem Beschwerdebegehren führten Sie aus, dass Sie tatsächlich bereits seit Jänner 2013 auf Grund Ihrer bestehenden paranoiden Schizophrenie nicht erwerbsunfähig sind.

Das Gutachten des Sozialministeriumservice ist Ihrer Meinung nach nicht in sich schlüssig.

§ 6 Abs. 5 1. Satz : Kinder haben einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§6 Abs. 1 bis 3), sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder des Wohnbedarfs getragen wird.

§ 6 Abs. 5 2. Satz: Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c haben einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§6 Abs. 1 bis 3), sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und sie einen eigenständigen Haushalt führen.

§ 6 Abs. 6: kein Eigenanspruch Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes auf sie Anwendung finden.

§ 55 Abs. 39: § 6 Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des BGBl. Nr. XX/2018 tritt mit in Kraft.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs.5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gleichgestellten volljährigen Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21.Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres (bis vor Vollendung des 27.L ebensjahres), eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behindertes Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.

Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nach der geltenden Rechtslage § 8 Abs. 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung BGBl Nr. 105/2002 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Bei der Einschätzung des Grades der Behinderung wird die Verordnung über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) angewendet.

Ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 1. und 2. Satz Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der mit geltenden Fassung des BGBl Nr. XX/2018 wäre unter den vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen dann gegeben, wenn bei Ihnen im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen vor Vollendung Ihres 21.Lebensjahres festgestellt worden wäre.

Tritt die Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21.Lebensjahres ein, besteht weder Anspruch auf Familienbeihilfe, noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung zu.

Die medizinischen Sachverständigengutachten vom und vom gehen davon aus, das Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen nicht vor Vollendung Ihres 21. Lebensjahres beziehungsweise während einer späteren Berufsausbildung, eingetreten ist.

Da die amtsärztlichen Gutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Art zum gleichen Ergebnis führen, ist das Finanzamt daran gebunden.

Hinsichtlich Ihres Argumentes, die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei bereits viel früher eingetreten, wird auf das Erkenntnis des verwiesen, in dem der Gerichtshof zum Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ausführt, dass § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit abstellt. Eine solche Behinderung "dann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 erfüllt. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.

Im gegenständlichen Fall wurde Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, nach Vollendung Ihres 21. Lebensjahres festgestellt.

Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 1. und 2. Satz Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der mit geltenden Fassung des BGBl Nr. XX/2018 , bestand die Abweisung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung ab dem Monat März 2018 zu Recht."

Die Erwachsenenvertreterin brachte am folgenden Vorlageantrag ein:

"Auch das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom , der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin am zugestellt, ist hinsichtlich des Eintritts des Grades der Behinderung erst mit 04/14 nicht schlüssig.

Laut Gutachten ist der Befund des St. Gabriel Hospital in Addis Abeba aus August 2013 nicht ausreichend detailliert um den Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Befund ist jedoch im Gesamtzusammenhang mit den weiteren vorgelegten Befunden, insb dem Patientenbrief des AKH vom , zu lesen. Auch Informationen über Tatsachen im Jahr 2013, die erst zu einem späteren Zeitpunkt dokumentiert worden sind, müssen in die Beurteilung einfließen. Dies hat das Sozialministeriumservice nicht (erkennbar) berücksichtigt.

Aus dem Befund des AKH vom ergibt sich, dass bereits seit dem 6. Lebensjahr beim Beschwerdeführer optische Halluzinationen, spätestens seit Anfang 2013 auch akustische Halluzinationen bestanden haben. Eine Krankenbehandlung mit Olanzapin in Äthiopien wegen derselben Symptome wie sie das Gutachten ab 04/14 annimmt, geht aus der Zusammenschau von Patientenbrief des AKH und Befund des St. Gabriel Hospital hervor.

Detailliertere Angaben zur Krankenbehandlung in Äthiopien und den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Jahr 2013 können er selbst und seine Mutter machen.

Beweis: Patientenbrief AKH vom (insb Seiten 1 bis 3);

PV;

ZV Frau BFMutter (Mutter des Beschwerdeführers) pA Beschwerdevertreterin;

Weitere Beweise Vorbehalten.

Das psychotische Zustandsbild im Status iSd EinschätzungsVO ergibt sich darüber hinaus auch aus der Diagnose im Befund des St. Gabriel Hospital, da ohne einen solchen Status eine Störung mit psychotischen Zügen nicht diagnostiziert hätte werden können.

Sowohl ein Leistungsknick im Studium 06/13 als auch die Diagnose einer schweren depressiven Verstimmung 08/13 legen nahe, dass dem Beschwerdeführer bereits zu diesem Zeitpunkt keine geregelte Erwerbstätigkeit möglich gewesen ist. Die vorgelegten Befunde sind widerspruchsfrei und ergeben in der Gesamtbetrachtung das Bild einer kontinuierlichen Erkrankung, die bereits 2013 zu schweren Beeinträchtigungen geführt hat.

Der Beschwerdeführer hat ein einmonatiges Praktikum im Juni 2012 absolviert und weder davor noch danach in irgendeiner Form am Erwerbsleben teilgenommen.

Beweis: Versicherungsdatenauszug.

Insgesamt ergibt sich spätestens ab 06 bzw 08/2013 die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers auf Grund einer damals wie heute bestehenden Erkrankung."

Mit Beschluss vom erteilte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt einen Ermittlungsauftrag, sonach ein neuerliches Sachverständigengutachten beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (SMS) einzuholen sei.

Diesem Beschluss wurde entsprochen und am (nach durchgeführter Untersuchung des Bf. am selben Tag) folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:

Vorgutachten :

paranoide Schizophrenie GdB 50%

ab 07/2014

Eu ab 1.stationärem Aufenthalt 7/2014

Vorgutachten :

paranoide Schizophrenie GdB 50%

seit 07/2014

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist weiterhin nicht gegeben (idem zu VGA ab 7/2014), da höhergradige psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen.

Vorgutachten :

"Beschwerde: der GdB sei schon früher eingetreten, da er in Äthiopien in Behandlung war.

In Äthiopien geboren"

paranoide Schizophrenie GdB 50%

ab 07/2014

GdB seit 4/14 (siehe Befund im VGA)

Die neu vorgelegten Befunde bedingen keine Änderung der Beurteilung, der Befund aus 2013 ist zu ungenau um einen GdB zu beurteilen (St Gabriel Hospital (Ort?), 2013 ( Tag , Monat fehlend): grobe depressive Verstimmung mit psychot. Zügen, 3 Wochen Olanzapin empfohlen (keine Dosis), kein psychopath. Status.)

Beschwerdevorentscheidung

Vorlageantrag vertreten durch Mag. Artner :

..."Insgesamt ergibt sich spätestens ab 06 bzw 08/2013 die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers auf Grund einer damals wie heute bestehenden Erkrankung".

aktuell: Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, Neuantrag ab Eintritt der Behinderung,

Neuerliche Beantragung wegen Beschwerde: ja

17.-19.Lj. 2-3x Woche vermehrter Alkoholkonsum sowie gelegentlicher Konsum von Cannabis.

Seit 1/2013 akustische Halluzinationen

Erstmals deswegen in Behandlung 8/2013. Er sei 2 Wochen stationär in Äthiopien mit Diagnose schwerer Depression und Leistungseinbruch. (Anmerkung: Diskrepanz zu den Angaben im Vorgutachten: in den Vorgutachten ist diese Behandlung 8/13 als ambulant dokumentiert und eine stationäre Behandlung 7/2014. AW gibt heute auch an, dass er in Äthiopien nur 1x stationär war. Es kann heute nicht geklärt werden ob dies 8/2013 oder 7/2014 war.)

6-8/2015 stationärer Aufenthalt Psych./AKH wegen paranoider Schizophrenie.

Danach 3xig stationär im OWS: 2x 2017 sowie 2-5/2018

Seither in ambulanter Behandlung

Derzeitige Beschwerden:

Es gehe ihm schlecht. Er komme im Alltag nicht zurecht. Mit den Medikamenten gehe es besser, er habe aber auch optische Halluzinationen

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Abilify 15 2x1, Abilify maintena 400 alle 4 Wochen i.m., Depkaine CR 500 0-0-1

Psychiater 1x/ Monat

Sozialanamnese:

In Äthiopien geboren; Kindergarten und fast die ganze 1. Klasse VS habe er in Äthiopien absolviert

seit 1999 in Österreich.

12 Kl. Vienna International School- Abschluss mit Zertifikat 2011

Bundesheer: absolviert, 6 Monate

Ferialjob 1 Monat vor dem Studium

Beginn Studium (in GB/ Wales) Physikstudium für ein Jahr (2013), dann 2-3 Monate wieder in Wien, dann 6 Mo. Studium für Computerwissenschaft 2014 (in Addis Abbeba). Er sei dann 1 Jahr in Äthiopien geblieben, dann kehrte er wieder nach Wien zurück.

Übers AMS Berufsfindungskurse

Lebte bei den Eltern;

Obdachlosigkeit 2015-2017.

Lebt seit Herbst 2017 bei der Heilsarmee- zuerst betreute WG (dort sei es nicht gut gegangen weil er mehr äußere Tagesstruktur brauchte). Ab im Wohnheim (2 Bettzimmer) der Heilsarmee mit Betreuung und Tagesstruktur

Ledig, keine Kinder

Seit 2016 besachwaltet

Bezüge: das wisse er nicht

Führerschein: in Äthiopien habe er den 2014 oder 2015 gemacht , kein FS in Österreich

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Arztbrief AKH Wien Psychiatrie 02 06- :

Dg.:

Paranoide Schizophrenie

Generalisierte idiopathische Epilepsie und epileptische Syndrome

Vitamin-D-Mangel, nicht näher bezeichnet

......Pat. berichtet, seit Jänner 2013 unter akustischen Halluzinationen in Form von dialogisierenden und imperativen Stimmen. Konzentrationsstörungen und Gewichtszunahme unter der Medikation mit Olanzapin zu leiden. Weiters habe er sich sozial zurückgezogen und neige zu vermehrtem Grübeln.....

....Seit seiner Kindheit (ca. 6. Lebensjahr) habe er immer wieder Bilder/Visualisierungen vor Augen, die wie Fernsehbilder oder Computerspiele aussehen würden, beispielsweise sehe er alltägliche Dinge wie seine Freundin beim Essen oder aber auch eine Pflanze mit einem menschlichen Körper....

....Im Jahr 2013 stand der Pat. während seines Aufenthaltes in Äthiopien für ca. 2 Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung. Damals seien, die akust. Halluzinationen, Vorstellungskonkretisierungen, Gedankenausbreitung sowie Wahnideen (bizarre Ängste) und Konzentrationsstörungen im Vordergrund gestanden..... zur Untersuchung mitgebrachter Befund:

Befund Psychiater Dr. Prause Heilsarmee :

...wird seit 11/2017 h.o. betreut...von 27 02- musste er wegen einer akuten psychotischen Episode ....stationär behandelt werden.....

Dg.: paranoide Schizophrenie mit deutlichem Residuum

Z.n. Cannabismissbrauch

....in den letzten Monaten deutlich geringe Belastbarkeit.....eine Übersiedlung ....in betreutes Wohnheim .....scheint längerfristig ...die...einzig realistische Option........

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

27 jähriger in gutem AZ

Ernährungszustand:

gut

Größe: 180,00 cm Gewicht: 65,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

voll mobil

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt frei gehend zur Untersuchung, Betreuerin anwesend. kommen mit PKW

Psycho(patho)logischer Status:

Kooperativ und freundlich, etwas eingeschränkt auskunftsfähig, bewußtseinsklar, leichte Unschärfen im zeitlichen Ablauf der anamnestsichen Daten voll orientiert, kein schwerwiegendes kognitives Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb reduziert ; Stimmungslage ausgeglichen, kaum affizierbar ; Affekte: angepasst, optische Halluzinationen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr. : 1

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

paranoide Schizophrenie mit deutlichem Residuum Mittlerer Rahmensatz, da instabil, verminderte belastbar, Minussympotmatik, daher betreute Wohnform erforderlich

Pos.Nr.: 60

Gdb %: 60

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

--

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Erhöhung um 1 Stufe gegenüber Vorgutachten , da Verschlechterung und Ausbildung eines Residuums.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 07/2020

GdB 50 liegt vor seit: 07/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

aktuelle Untersuchung

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Nach der Anamnese und dem im Vorgutachten 5/2019 vorliegendem Befund ist eine psychische Erkrankung in die Jugend zurückreichend bzw. dokumentiert 2013 anzunehmen. Aus dem im Vorgutachten zitierten Befund des St. Gabriel Hospital ("St Gabriel Hospital ( Ort?), 2013 ( Tag , Monat fehlend) : grobe depressive Verstimmung mit psychot. Zügen, 3 Wochen Olanzapin ( keine Dosis), kein psychopath. Status") lässt sich nicht eindeutig ableiten, dass damals eine dauernde Selbsterhaltungunfähigkeit vorlag. Es liegen keine Befunde vor, woraus sich eindeutig ableiten ließe, dass eine schwerwiegende Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß vorlag, dass sich eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ ergeben hätte.

X Dauerzustand"

In der am beim Bundesfinanzgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde Folgendes erörtert:

Bezüglich des Sachverständigengutachtens von Seite 5 letzter Absatz legt der Erwachsenenvertreter dem Gericht zwei Schriftsätze vor und weist darauf hin, dass das St. Gabriel General Hospital in Addis Ababa ein renomiertes Privatspital ist. Er weist darauf hin, dass im Befundbericht vom St. Gabriel Hospital in der deutschen Übersetzung Dr. Padesse als behandelnder psychiatrischer Arzt angeführt ist, aus der Urkunde ergibt sich aber, dass er Dr. Tadesse Bedasa heißt und der Arzt ist nach wie vor in diesem Krankenhaus beschäftigt (Ausdruck aus dem Internet).

Der Finanzamtsvertreter erwidert, dass es nach Ansicht des FA nicht darauf ankommt, ob es sich um ein Privatspital gehandelt hat bzw. auf dem Namen des damals behandelnden Arztes, der den Befund ausgestellt hat. Es lässt sich aber aus dem Befund nicht eindeutig ableiten, dass damals schon eine Selbsterhaltungsunfähigkeit des Beschwerdeführers (Bf.) vorgelegen ist. Generell dürfte es keinen Befund gegeben haben, aus dem sich eine Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr des Bf. ableiten lässt.

Der Erwachsenenvertreter erwidert, dass es sich bei der Erstellung des Befundes nicht um das Thema des Eintritts einer Erwerbsunfähigkeit gehandelt habe. Vielmehr spiegelt der Befund wider, dass der Bf. schon damals unter einer schweren Krankheit gelitten hat, die eine Erwerbsfähigkeit ausschließt. Auch es ist schwer bei einer psychischen Erkrankung festzustellen, wann diese eintritt. Ein Indiz das damals schon die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist das Gutachten aus Äthopien.

Dazu entgegnet der Vertreter des FA und verweist auf das Erkenntnis . Das FA bestreitet nicht, dass damals schon eine Krankheit des Bf. vorgelegen ist. Vielmehr kommt es darauf an, ab welchem Zeitpunkt die Erwerbsunfähigkeit durch diese Behinderung eingetreten ist.

Der Erwachsenenvertreter verweist in Bezug auf das zuletzt erstellte Gutachten des Sozialministeriumsservice auf den letzten Absatz auf Seite 5. Demgemäß lasse sich nicht eindeutig ableiten, dass damals eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit vorlag. Dazu merkt er an, dass dies in dem Gutachten nicht begründet wurde. Er beantragt dazu die Einvernahme von Dr. X als Zeugin und auch die Zeugeneinvernahme der Kindesmutter zum Gesundheitszustand des Bf. vor dem 18. Lebensjahr.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Feststellungen:

Der Bf. ist am Dezember 1992 geboren und vollendete am Dez. 2013 das 21. Lebensjahr.

Frau Mag. Margot Artner wurde mit Beschluss des BG Favoriten vom , GZ. 50P 82/16f-19, zur Sachwalterin bestellt.

Der Bf. war - außer Ferialjobs - nie berufstätig.

Er lebt in einem Übergangswohnheim der Heilsarmee (Hauptwohnsitzmeldung seit ).

Der Bf. bezieht seit Pflegegeld Stufe 1 und eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs (Bescheid der MA 40 vom ).

Der Bf. wurde im Zuge des Antrags- und Beschwerdeverfahrens vier Mal untersucht.

Im Gutachten vom stellte Dr.in B, Fachärztin für Neurologie, den Grad der Behinderung von 50 vH sowie eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Juli 2014 fest.

Im Gutachten vom wurde dem Bf. vom Sachverständigen Dr. S, ebenfalls ein Neurologe, ein Grad der Behinderung von 50 vH sowie eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Juli 2014 bescheinigt.

Es wurde dem Bf. somit vor dem 21. Lebensjahr weder ein Behinderungsgrad von 50 vH noch eine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.

Im Gutachten vom wurde dem Bf. von der Sachverständigen Dr.in X, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ein Grad der Behinderung von 60vH seit 7/2020 sowie eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Es wurde festgestellt, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten ist.

Das Bundesfinanzgericht geht aus den nachstehend angeführten Gründen in freier Beweiswürdigung von der Richtigkeit der in den Gutachten getroffenen Feststellungen aus.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen basieren auf den drei (vier) vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten sowie aus den von der Erwachsenenvertreterin vorgelegten in der Folge angeführten Unterlagen:

St Gabriel Hospital, Addis Ababa, Äthiopien (laut Erwachsenenvertreterin vom August 2013)

grobe depressive Verstimmung mit psychot. Zügen, 3 Wochen Olanzapin ( keine Dosis), kein psychopath. Status.

Otto Wagner Spital, : paranoide Schizophrenie

Psych./OWS, Primariat Rießland-Seifert, , paranoide Schizophrenie, schädlicher Gebrauch von Cannabis.

In der von den Sachverständigen heranzuziehenden Einschätzungsverordnung wird bei Schizophrenen Störungen (Schizophrenie, schizoide Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Erkrankungen, akut psychotische Zustandsbilder) zwischen leichten, mittelschweren und schweren Verlaufsformen unterschieden.

Bei einer leichten Verlaufsform (Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung) ist eine Gesamtgrad der Behinderung zwischen 10 und 40 % festgelegt.

"10 - 20 %:

Psychopathologisch stabil, Medikation im Schub,

Akut psychotischem Zustandsbild in der Anamnese (z.B. drogeninduzierte Psychose)

30 %:

Psychopathologisch stabil, Intervalltherapien

Residualzustand mit geringen Auffälligkeiten

Im sozialen und Arbeitsleben voll integriert

40 %:

Psychopathologisch auffällig (beginnende Störung des formalen Denkens, gelegentlich Wahninhalt und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie

Mäßige soziale Beeinträchtigung, Arbeitsleistung gering eingeschränkt"

Für die mittelschwere Verlaufsform (Pkt. ) sieht die Einschätzungsverordnung einen Behinderungsgrad zwischen 50 und 70% vor.

"50 % :

Mindestens zwei psychotische Zustandsbilder in den letzten 1,5 Jahren,

Psychotische Symptome im Status

Psychopathologisch instabil (Störung des formalen Denkens, Wahninhalte und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie

Soziale Integration und Arbeitsleistung deutlich herabgesetzt

60 %:

Durchgängig geringe Belastbarkeit in allen Lebensbereichen

Soziale Isolation, sozialer Abstieg

70 %:

Langjährige Anamnese, hochdosierte Therapie,

Affektive Zusatzerkrankungen

Kognitiv höhergradig beeinträchtigt (Orientierung, Merkfähigkeit)

Schwere und durchgängig soziale Beeinträchtigung"

Für die schwere Verlaufsform (Richtsatzposition ) ist ein Behinderungsgrad zwischen 80 und 100% festgelegt.

"80-90 %:

Betreuung in allen Lebensbereichen notwendig

Trotz Ausschöpfung aller Therapiereserven psychotische Episoden

100 %:

Psychopathologisch hoch auffällig

Cerebraler Abbau einer hochgradigen Demenz entsprechend

Ständige Aufsicht und Betreuung"

Die Sachverständigen, Fachärzte für Neurologie, attestierten dem Bf. eine paranoide Schizophrenie und reihten die Erkrankung unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung mit einem Behinderungsgrad von 50 vH. rückwirkend ab Juli 2014. Die Erwerbsunfähigkeit wurde ebenfalls mit diesem Zeitpunkt bescheinigt. Festgehalten wurde, dass die Erkrankung nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Die Sachwalterin vertritt im Vorlageantrag zusammengefasst die Auffassung, dass der von ihr als nicht "nicht ausreichend" beschriebene Befund des St. Gabriel Hospital vom August 2013 in Zusammenschau mit den weiteren vorgelegten Befunden, insbesondere dem Patientenbrief des AKH vom gesehen werden müsse. Aus letzterem ergebe sich, dass beim Bf. bereits seit dem 6. Lebensjahr optische und spätestens seit Anfang 2013 auch akustische Halluzinationen bestanden habe. Auch Informationen über Tatsachen im Jahr 2013, die erst zu einem späteren Zeitpunkt dokumentiert worden seien, müssten in die Beurteilung einfließen. Dies habe das Sozialministeriumservice nicht (erkennbar) berücksichtigt.

Eine Krankenbehandlung mit Olanzapin in Äthiopien wegen derselben Symptome wie sie das Gutachten ab April 2014 annehme, gehe aus der Zusammenschau des Patientenbriefes des AKH und dem Befund des St. Gabriel Hospital hervor. Detailliertere Angaben zur Krankenbehandlung in Äthiopien und den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Jahr 2013 könnte dieser selbst sowie seine Mutter machen.

Sowohl ein Leistungsknick im Studium im Juni 2013 als auch die Diagnose einer schweren depressiven Verstimmung im August 2013 würden nahe legen, dass dem Bf. bereits zu diesem Zeitpunkt keine geregelte Erwerbstätigkeit möglich gewesen sei. Die vorgelegten Befunde seien widerspruchsfrei und würden in der Gesamtbetrachtung das Bild einer kontinuierlichen Erkrankung ergeben, die bereits 2013 zu schweren Beeinträchtigungen geführt habe. Der Bf. habe ein einmonatiges Praktikum im Juni 2012 absolviert und weder davor noch danach in irgendeiner Form am Erwerbsleben teilgenommen. Insgesamt ergebe sich spätestens ab Juni bzw. August 2013 die Erwerbsunfähigkeit des Bf. auf Grund einer damals wie heute bestehenden Erkrankung.

Die Diagnostik von psychischen Erkrankungen stellt komplexe Anforderungen an den untersuchenden Arzt, da diese Erkrankungen vor allem unterschiedliche Ausprägungen, unterschiedliche Krankheitsverläufe (schleichender Verlauf, Akutphasen) und verschiedene psychische Krankheitsbilder aufweisen.

Nach dem medizinischen Wissenstand ist die Schizophrenie durch ein sehr komplexes und vielfältiges Erscheinungsbild gekennzeichnet. Man unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen Krankheitsphase. Bei der akuten Schizophrenie stehen Phänomene im Vordergrund, die bei gesunden Menschen nicht vorhanden sind. Stimmenhören und Verfolgungswahn zählen beispielsweise zu dieser so genannten Positiv-Symptomatik. Die Patienten lehnen in dieser Phase jegliche Zuweisung eines Krankseins ab. Während der chronischen Phase überwiegt die Einschränkung bestimmter psychischer Funktionen und Emotionalität, welche gesunde Menschen in vollem Masse besitzen. Diese so genannte Negativ- oder "Minus"-Symptomatik (d.h. es fehlt etwas) ist u.a. durch sozialen Rückzug, abnehmende (Freizeit)Interessen, Verarmung des Sprechens, Mangel an Gefühlen, Antriebsstörungen und Vernachlässigung des Äußeren gekennzeichnet.

Im Rahmen einer Schizophrenie können folgende Krankheitsanzeichen auftreten: Ich-Störung, Störungen emotionaler Regungen (gestörte Affektivität), kognitive Störungen, Denk- und Sprachstörungen, Wahn, Halluzinationen, Auffälligkeiten der Psychomotorik (katatone Symptome).

Je nach Vorherrschen bestimmter Symptome kann man Subtypen unterscheiden, die während des Krankheitsverlaufs ineinander übergehen können. Die Subtypen (z.B. paranoide, hebephrene oder katatone Schizophrenie) bilden keine eigenen Krankheitseinheiten, sondern beschreiben lediglich die individuelle Kombination und Ausprägung der Symptome. Betroffene weisen häufig weitere psychische Krankheiten wie eine Depression oder Sucht auf. Sehr viele junge Patienten mit Schizophrenie konsumieren Cannabis (neue wissenschaftliche Erkenntnisse sprechen dafür, dass Cannabis Schizophrenie auslösen kann bzw. den Ausbruch der Erkrankung bei vorhandener erblicher Belastung beschleunigen kann). Auch körperliche Beschwerden wie Verstopfung oder Durchfall sowie Herzrasen und eine beeinträchtigte geistige Leistungsfähigkeit sind bei einigen Patienten zu beobachten.

Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, gestaltet sich daher naturgemäß sehr schwierig und kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit und nie mit Sicherheit festgestellt werden (vgl. Lenneis/Wanke, FLAG 2020, 2. Auflage, § 8 Tz 32).

Gutachter stützen sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auf die Erhebung der Anamnese, eine Untersuchung, vorhandene medizinische Unterlagen und Befunde und hier vor allem ältere Befunde. In weiterer Folge werden alle diese Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens bewertet und medizinische Schlussfolgerungen gezogen, dem Gutachten im engeren Sinn.

Der von der Sachwalterin vorgelegte älteste Befund datiert aus dem Jahr 2013 (= Befund des St Gabriel Hospital, Addis Ababa, Äthiopien). Laut Sachwalterin wurde der Befand im August 2013 erstellt. Die Befunde des Otto Wagner Spitals datieren mit und .

Die Sachwalterin bringt selbst vor, dass der Bf. im Studium im Juni 2013 einen Leistungsknick gehabt habe und im August 2013 an einer schweren depressiven Verstimmung gelitten habe, woraus sich in der Gesamtbetrachtung das Bild einer kontinuierlichen Erkrankung, die bereits 2013 zu schweren Beeinträchtigungen geführt habe, vorgelegen sei.

Es kommt aber bei der rückwirkenden Einschätzung des Behinderungsgrades bzw. bei der rückwirkenden Einschätzung, wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. , , , vgl. auch das Erkenntnis des , ).

Wenn die Sachverständigen davon ausgingen, dass die beim Bf. unbestritten vorhandenen Krankheitssymptome der Schizophrenie nicht schon vor dem 21. Lebensjahr ein so hohes Ausmaß erreicht haben, dass ein Behinderungsgrad von 50 vH vorlag bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit gegeben war und die rückwirkende Einschätzung des Zeitpunktes des Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Juli 2014, somit mit dem ersten stationären 14-tägiger Aufenthalt des Bf. im Krankenhaus in Äthiopien, festsetzten, so kann dadurch den Gutachten die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden.

Festgehalten wird, dass der Bf. nach der Aktenlage bereits in der Vergangenheit einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe gestellt hat und im Gutachten vom ebenfalls ein 50%iger Behinderungsgrad und eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Juli 2014 bescheinigt wurde.

Wenn der Erwachsenenvertreter die Einvernahme der Kindesmutter als Zeugin beantragt, so erachtet das Bundesfinanzgericht eine derartige Einvernahme als nicht zielführend, da diese mangels fachärztliche Kompetenz den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit nicht beurteilen kann.

Schließlich kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch durch die Einvernahme der Fachärztin Dr.in X, die das letzte Gutachten für das SMS am erstellt hat, nichts für die Feststellung gewonnen werden, ob beim Bf. die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr (bzw. dem 25. Lebensjahr) eingetreten ist, weil diese ihren Standpunkt bereits im Gutachten schlüssig dargelegt hat.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die in den vier Gutachten, welche im Zuge des nunmehrigen Antrags- und Beschwerdeverfahrens erstellt wurden, getroffenen Feststellungen (Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Juli 2014, somit nicht vor dem 21. Lebensjahr) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Voraussetzung für das Zustehen des Erhöhungsbetrages ist nach dem klaren und eindeutigen Gesetzestext der Anspruch auf den Grundbetrag an Familienbeihilfe (vgl , unter Verweis auf Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rzln 5 und 19 ff).

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Anspruchszeitraum

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag (vgl. ).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice

Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , ).

Die Beweisregel des § 8 Abs 6 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor ( ).

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().

Einschätzungsverordnung vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl II 2010/261 idF BGBl II 2012/151, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Diese VO lautet:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2.

(1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3.

(1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4.

(1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Inkrafttreten

§ 5. Diese Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

In der Anlage zu dieser VO sind die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) enthalten.

Anforderungen an Gutachten

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumsservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. zB ).

Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die Gutachten des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).

Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , B 700/07 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne NUR nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch /0307VwGH , 2009/16/0325; , ).

Schlüssigkeit von Gutachten

Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice, insbesondere bei Gutachten, in denen die Sachverständigen Feststellungen darüber zu treffen haben, wann eine psychische Erkrankung zu einer Erwerbsunfähigkeit geführt hat bzw. wie hoch der Behinderungsgrad zu einer bestimmten Zeit war, besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. etwa , ; , , ; , ).

Für den vorliegenden Fall wird zusammenfassend festgestellt, dass die Gutachten den Anforderungen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur festgelegt hat, entsprechen und die darin getroffenen Feststellungen nachvollziehbar und schlüssig sind.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Den schlüssigen Sachverständigengutachten wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die Sachverständigen konnten aus den vorgelegten Befunden nicht ableiten, dass der Behinderungsgrad von 50 vH bzw. die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist (vgl. , , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl., 2020, § 8 Rz 32).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich somit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe nicht vorlagen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, wie hoch der Behinderungsgrad in einem bestimmten Zeitraum war bzw. wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend eingetreten ist, handelt es sich um eine Tatfrage. Das Bundesfinanzgericht ist dabei an das vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten (bei Schlüssigkeit) gebunden. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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