Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.09.2020, RV/7106025/2019

Grundausbildung für den Exekutivdienst - keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt, Domplatz 16, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Juni 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Mai 2019 für ihren Sohn S., der eine exekutivdienstliche Ausbildung als Polizeischüler ("Polizeigrundausbildung") aufgenommen habe.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom mit Hinweis auf das Erkenntnis des mit der Begründung abgewiesen, dass die exekutivrechtliche Ausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 (§ 2 Abs. 1 lit. b. bis e FLAG 1967) darstelle.

Dagegen richtete sich die Beschwerde der Bf. vom mit folgender Begründung:

"Im angeführten Bescheid wird der Antrag der Einschreiterin auf Familienbeihilfe vom abgewiesen.

Begründend wird lediglich ausgeführt, dass die exekutivdienstliche Ausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG ans dem Jahr 1997 darstellen würde.

Verwiesen wird auf das Erkenntnis VWGH RA 2018/16/0203. Diese Begründung ist unrichtig, da in der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom über eine andere Ausbildung entschieden wurde.

Der wesentliche Unterschied der dortigen Ausbildung zu der hier gegenständlichen liegt darin, dass eine Grenzpolizeiliche Aufgabe erfüllt wurde und eine Kursunterbrechung vorgelegen ist.

Verwiesen wird in der Entscheidung darauf, dass die Kursunterbrechung nicht als gesamte Ausbildungsphase angesehen werden kann.

All dies ist aber im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Auch das Bundesfinanzgericht hat in seiner Entscheidung vom zur GZ RV/5100538/2014 entschieden, dass der Ausbildungslehrgang für Exekutivbedienstete ein Ausbildungsverhältnis darstellt, für welches Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Es wurde eindeutig festgehalten, dass die Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellt.

Ausgesprochen wurde, dass nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes beim gegenständlichen, exekutivdienstlichen Ausbildungsverhältnis, es sich um ein anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne des FLAG handelt, da ein anerkanntes Ausbildungsverhältnis vorliegt.

Als Beweis für die Ausbildungsumstände wird der Sondervertrag gemäß E 36 VBG 1948 für exekutivdienstliche Ausbildung vorgelegt.

Zum Nachweis des Ausbildungsverhältnisses wird in der Anlage der Ausbildungsvertrag beigelegt.

Beweis: beiliegender Sondervertrag, beiliegender Ausbildungsvertrag

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass beim gegenständlichen Ausbildungsverhältnis weder eine Kursunterbrechung, noch ein Dienstverhältnis im Rahmen der Grenzpolizei oder im Rahmen des sonstigen Exekutivdienstes vorliegt und es sich um ein reines Ausbildungsverhältnis handelt, weshalb die Familienbeihilfe zu gewähren ist."

Die belangte Behörde schloss sich der Ansicht der Bf. nicht an und wies die Beschwerde u.a. unter nochmaliger Bezugnahme auf das an oberer Stelle zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes () mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Mit Schriftsatz vom (per Fax eingebracht am ) stellte der Rechtsanwalt der Bf. in ihrem Namen einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht ohne weitere Begründung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Der Sohn der Bf. hat einen auf 24 Monate befristeten Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung mit der Landespolizeidirektion Niederösterreich abgeschlossen und die Ausbildung am begonnen.

Im Zusammenhang damit beantragte die Bf. die Zuerkennung der Familienbeihilfe, welche das Finanzamt unter Hinweis auf das Erkenntnis des , wonach die gegenständliche exekutivdienstliche Ausbildung keine Berufsausbildung iSd FLAG darstelle, nicht gewährte.

Die Bf. erachtet das angeführte Erkenntnis des VwGH auf ihren Fall für nicht anwendbar, da ihr Sohn keine dem Erkenntnis zugrunde liegende Ausbildung zum Grenzpolizisten ("oder im Rahmen des sonstigen Exekutivdienstes") absolviere. Es liege auch keine Kursunterbrechung beim gegenständlichen Ausbildungsverhältnis vor.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Aktenlage, die Angaben der Beschwerdeführerin (Bf.) sowie die von ihr vorgelegten Unterlagen und ist unstrittig.

Rechtslage und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , 2016/15/0076, , 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ) - hinsichtlich der wiedergegebenen Judikatur siehe die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203.

In dem genannten Erkenntnis - - hat sich das Höchstgericht mit der familienbeihilfenrechtlichen Relevanz der Ausbildungsphase im öffentlichen Dienst befasst und in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:

"15 […] § 66 VBG über die "Ausbildungsphase" des Vertragsbediensteten trifft nähere Bestimmungen über die besoldungsrechtliche Einordnung des Vertragsbediensteten "am Beginn des Dienstverhältnisses bis zum Abschluss der Ausbildungsphase" (Abs. 1) und über die Dauer der Ausbildungsphase (Abs. 2 - in der Entlohnungsgruppe v4 das erste Jahr des Dienstverhältnisses). Den ErläutRV 1561 BlgNR 20. GP zur Neufassung des § 66 VBG durch das Vertragsbedienstetenreformgesetz, BGBl. I Nr. 10/1999, zufolge ist in der ersten Zeit des Dienstverhältnisses (Ausbildungsphase) vom Vertragsbediensteten noch nicht die vollwertige Ausübung aller Aufgaben seines Arbeitsplatzes zu erwarten.

§ 67 Abs. 1 VBG verweist nunmehr auf den 3. Abschnitt des Allgemeinen Teils des BDG 1979, der wiederum in seinem 1. Unterabschnitt über die dienstliche Ausbildung als Maßnahme der Personal- und Verwaltungsentwicklung in § 23 Abs. 1 BDG 1979 bestimmt, dass die dienstliche Ausbildung dem Beamten die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermitteln, sie erweitern und vertiefen soll. Der 2. Unterabschnitt über die Grundausbildung bestimmt in § 25 Abs. 1 leg. cit. näher, die Grundausbildung hat die Grund- und Übersichtskenntnisse sowie fachliche, soziale und methodische Fähigkeiten, die für den vorgesehenen Aufgabenbereich erforderlich sind, zu vermitteln. Überdies soll die Grundausbildung zur Erfüllung von Ernennungs- oder Definitivstellungserfordernissen führen.

Nach § 26 Abs. 1 BDG 1979 haben die obersten Dienstbehörden für ihren Zuständigkeitsbereich die Grundausbildung durch Verordnung zu regeln (Grundausbildungsverordnung).

16 Absolviert der öffentlich Bedienstete (hier: in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) seine Grundausbildung oder Ausbildungsphase erfolgreich, hat dies nicht eine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge. Dem öffentlich Bediensteten soll die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt.

17 Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.

18 Mit einer Berufsausübung sind die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht erfüllt. Schon deshalb ermangelte es (auch) während des revisionsgegenständlichen Zeitraumes eines Anspruchs auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge."

Im Hinblick auf das ergangene Erkenntnis liegt auf der Hand, dass der Bf. ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn für den strittigen Zeitraum nicht gebührt. Der aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG seit in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehende Sohn absolviert die zwei Jahre dauernde Polizeigrundausbildung. Durch die erfolgreiche Absolvierung der Polizeigrundausbildung ändert sich für den Sohn insoferne nichts, als er weiterhin in einem öffentlichen Dienstverhältnis zum Bund (ver)bleibt. Er wird nach erfolgreicher Absolvierung der 24-monatigen Polizeigrundausbildung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund ernannt (Exekutivdienst Verwendungsgruppe E 2b), wobei gemäß Pkt. 9 des abgeschlossenen Sondervertrages die im Ausbildungsverhältnis zurückgelegte Dienstzeit zur Gänze angerechnet wird. Die Polizeigrundausbildung dient dazu, dem Sohn die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis zu vermitteln. Darin liegt laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung bereits die Ausübung eines Berufes. Mit einer Berufsausübung sind aber die Tatbestandvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht erfüllt.

Dass durch die Polizeigrundausbildung den Auszubildenden die für ihre erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in ihrem Dienstverhältnis vermittelt werden soll, ergibt sich ganz klar aus dem von der Sicherheitsakademie gemäß § 4 Abs. 2 der Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017, erstellten Ausbildungsplan.

Darin werden die Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt definiert:

"BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen […]

BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE

Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst […]

VERTIEFUNG - 5 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.

BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt."

Wenn sich die Bf. in ihren Ausführungen auf die Entscheidung des , beruft, so lässt sich damit für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die Bezüge der Tochter des seinerzeitigen Beschwerdeführers während des Grundausbildungslehrganges für den Exekutivdienst unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 einzureihen sind (Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis). Wenn das Bundesfinanzgericht in dieser Entscheidung die Polizeigrundausbildung als "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 eingestuft hat, so ist diese Rechtsansicht durch das Erkenntnis des , überholt.

In dem genannten Erkenntnis hat der VwGH allgemein gültige Aussagen zur familienbeihilfenrechtlichen Relevanz der Ausbildungsphase öffentlich Bediensteter getroffen. Die vom Höchstgericht in der Entscheidung getätigten Aussagen gelten nicht nur - wie die Bf. vermeint - für den fremden- und grenzpolizeilichen Exekutivdienst und hier wiederum für den Zeitraum der "Kursunterbrechung" zwischen der Basisausbildung und der Ergänzungsausbildung, sondern besitzen Gültigkeit für den öffentlichen Dienst insgesamt und zwar für die gesamte Ausbildungsphase. Hinsichtlich der im Anschluss an das erlassene VwGH-Erkenntnis ergangenen Judikatur des Bundesfinanzgerichtes siehe z.B. betr. Ausbildungsphase im Finanzdienst, betr. Grundausbildung für den Exekutivdienst, gleichfalls betr. Grundausbildung für den Exekutivdienst u.a.

Die Abgabenbehörde ist demnach im Recht, wenn sie die Zuerkennung von Familienbeihilfe mangels Vorliegens einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 versagt hat.

Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig. Das Bundesfinanzgericht folgt in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203).

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106025.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at