Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.05.2020, RV/7400044/2020

Haftung nach §§ 6a KommStG und DGAG, Berücksichtigung der Konkursquote

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Pitzal / Cerny / Partner Rechtsanwälte OG, Paulanergasse 9, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, vom , N-1, betreffend Haftung gemäß §§ 6a KommStG und DGAG zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von € 428,51 eingeschränkt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01/2017
406,59
Dienstgeberabgabe
01/2017
21,92

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom des Magistrates der Stadt Wien MA6 wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG iVm § 80 BAO als Haftungspflichtiger der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 445,03 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Kommunalsteuer
01/2017
414,21
Säumniszuschlag
01/2017
8,28
Dienstgeberabgabe
01/2017
22,54

Gemäß § 6a Abs. 1 KommStG hafteten die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG hafteten die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gelte sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Der Bf. sei im Firmenbuch als Geschäftsführer der angeführten Gesellschaft eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.

Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der GmbH auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag überhaupt noch eingebracht werden könnte.

Mit Schreiben vom sei der Bf. aufgefordert worden, eine Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Jänner 2017 vorzulegen. Es sei darauf jedoch keine Antwort erfolgt.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe der Vertreter vorhandene Mittel zwar nicht in erster Linie zur Begleichung der Abgabenschulden zu verwenden, er dürfe allerdings auch nicht den Abgabengläubiger schlechter behandeln, als alle anderen Gläubiger, er dürfe also nicht andere Verbindlichkeiten vor den Abgabenschulden erfüllen. Seien zwar Geldmittel vorhanden, reichten sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssten - damit dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen werde - alle Verbindlichkeiten anteilig im gleichen Verhältnis erfüllt werden (, 82/14/0070-0072).

Durch die in der Stellungnahme angeführten Zug-um-Zug-Zahlungen sei es jedenfalls zu einer Schlechterstellung des Abgabengläubigers gekommen. Dass Zug-um-Zug-Geschäfte sich allenfalls im Lichte der Anfechtungsordnung (Anmerkung: gemeint wohl Anfechtungsbestimmungen der Insolvenzordnung) als anfechtungsfest erwiesen, vermöge daran nichts zu ändern. Abgabenrechtlich sei nämliche keine Bevorrechtung von Forderungen aus Zug-um-Zug-Geschäften im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot vorgesehen.

Im gegenständlichen Fall seien laut Aktenlage zwar die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt, die damit fälligen Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers habe der Haftungspflichtige somit seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass die Behörde übersehe, dass eine Haftung nur in dem Ausmaß gegeben sei, als die Abgabenschuldigkeiten im Verhältnis schlechter behandelt worden seien als andere Verbindlichkeiten.

Die Behörde führe richtig aus, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 (Anmerkung: gemeint 2017) über das Vermögen der Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.

Richtig sei zwar, dass der Bf. im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft eingetragen sei, jedoch sei es zu keiner schuldhaften Verletzung der ihm auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Verpflichtungen gekommen.

Die Fälligkeit der nunmehr geltend gemachten Abgabenrückstände für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für Jänner 2017 sei mit eingetreten.

Aufgrund der bei der Schuldnerin eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und in Wahrung der gesetzlichen Pflichten seien Anfang Februar 2017 sämtliche Zahlungen der Gesellschaft eingestellt worden. Im Februar 2017 seien lediglich nur mehr Zug-um-Zug-Leistungen getätigt worden.

Schon allein aus diesem Grund sei ersichtlich, dass eine Haftung des Geschäftsführers ausscheide, zumal die Abgabenschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt worden seien.

Die Behauptung der Behörde, dass auf ihr Schreiben vom keine Antwort erfolgt sei, sei jedenfalls unrichtig, da der Bf. am sehr wohl eine entsprechende Antwort verfasst habe. Bereits aus dieser Stellungnahme ergebe sich eindeutig, dass sämtliche Zahlungen der in Insolvenz befindlichen GmbH mit Februar 2017 eingestellt worden seien.

Somit ergebe sich folgende Berechnung des Ausfalls der Gläubiger der Gesellschaft:
Im Februar 2017 hätten sowohl die Gläubiger als auch die Abgabenschuldigkeiten einen Ausfall von 100% erlitten, sodass keine Haftung für offene Abgabenschuldigkeiten bestehen könne.

Nachfolgende Urkunden würden vorgelegt:
- aktuelles Anmeldeverzeichnis der GmbH im Insolvenzverfahren (Beilage./1)
- E-Mail des Bf. vom (Beilage ./2)
- Aufstellung der mit fälligen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, die jedoch nicht hätten bezahlt werden können (Beilage ./3)
- Konvolut an Kontoauszügen der GmbH (Beilage ./4)

Aus den vorgelegten Urkunden sei eindeutig ersichtlich, dass mit Anfang Februar 2017 aufgrund der vorliegenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft sämtliche Zahlungen an die Gläubiger eingestellt worden seien. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sei ebenfalls ersichtlich, dass lediglich Zug-um-Zug-Leistungen noch gezahlt worden seien.

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Mit Schreiben vom der MA6 wurde der Bf. erneut eingeladen, eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum 2017 vorzulegen. Die Liquiditätsaufstellung habe für den genannten Betrachtungszeitraum und auf die Fälligkeit bezogen folgende Angaben zu enthalten, wobei der jeweilige Betrachtungszeitraum zwischen dem Entstehen der einzelnen Abgabe bis zu deren Fälligkeit falle:

- eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum bestandenen (falle zwischen dem 16. des Vormonats und dem 15. des Fälligkeitsmonats) und neu entstandenen Verbindlichkeiten, in Gegenüberstellung mit

- einer Auflistung aller Zahlungen (inklusive Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bzw. Zug-um-Zug-Geschäfte) und sonstigen Tilgungen im Betrachtungszeitraum und

- eine Aufstellung der liquiden Mittel zum Fälligkeitstag (15. des Fälligkeitsmonats)

Eine korrekte Aufstellung der Verbindlichkeiten, der neu entstandenen Verbindlichkeiten sowie deren Abstattungsbeträge habe nach den jeweiligen Fälligkeiten alle Gläubiger - einzeln und mit Angabe des Namens - und Beträge zu enthalten (zB Lieferverbindlichkeiten, Miete, Pacht, Gas Strom, Wasser, Versicherungen, Löhne und Gehälter, Gebietskrankenkasse, Finanzamt, etc.).

Darüber hinaus sei eine Aufstellung der liquiden Mittel zum jeweiligen Fälligkeitstag (15. des Folgemonats) beizubringen. Weiters habe die Liquiditätsaufstellung eine Quotenberechnung zu enthalten. Die Liquiditätsaufstellung samt Quotenberechnung müsse für die Behörde rechnerisch nachvollziehbar und aussagekräftig sowie durch entsprechende Unterlagen belegt sein.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich seien, und könne eine Bevorzugung von Gläubigern daher auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern in Form von Zug-um-Zug-Geschäften bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger habe somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen ().

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Mit Schreiben vom nahm der Bf. dazu Stellung und hielt fest, dass die Zahlungsunfähigkeit der nunmehrigen Schuldnerin erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Hauptauftraggeber G-2 vom D-2 eingetreten sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die nunmehrige Schuldnerin in der Lage gewesen, ihre Verbindlichkeiten laufend zu bedienen. Erst durch den Ausfall ihres Hauptauftraggebers habe die Gesellschaft feststellen müssen, dass sie einen Forderungsausfall in Höhe von € 70,000,00 erleiden werde. Aus diesem Grund seien nach Kenntnis der Insolvenzeröffnung über ihren Hauptauftraggeber sämtliche Zahlungen eingestellt worden.

Somit könne folgende Darstellung vorgenommen werden:

Befriedigung der Gläubiger:

Zum Stichtag hätten die Gläubiger einen Ausfall von 0% erlitten, die Abgabenschuldigkeiten ebenfalls von 0%.

Lediglich betreffend zwei Gläubiger (G-3 und G-4) habe es länger bestehende Rückstände gegeben. Mit diesen Gläubigern sei jedoch eine Ratenvereinbarung getroffen worden. Sämtliche übrigen Gläubiger seien bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit stets per Fälligkeit vollständig befriedigt worden, sodass eine konkrete Aufstellung der einzelnen Forderungen obsolet erscheine.

Der Vollständigkeit halber übermittle der Bf. jedoch wie gewünscht die Kontoauszüge für den Zeitraum bis (Beilage ./5).

Aus den vorgelegten Kontoauszügen sei eindeutig ersichtlich, dass sämtliche Zahlungen bis einschließlich ordnungsgemäß und fristgerecht durchgeführt worden seien. Ab diesem Zeitpunkt (welcher auch mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einhergehe) seien lediglich die mit dem Geschäftsbetrieb notwendigen Ausgaben sowie Zug-um-Zug-Geschäfte getätigt worden. Den diesbezüglichen Nachweis habe er bereits durch Vorlage der entsprechenden Kontoauszüge erbracht (Beilage ./4), aus denen eindeutig ersichtlich sei, dass ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit lediglich das Leasingentgelt für die zwei Fahrzeuge, die für den Geschäftsbetrieb unbedingt notwendig gewesen seien, für 02/2017 bezahlt worden sei.

Darüber hinaus sei ersichtlich, dass ein Zug-um-Zug-Geschäft mit dem Sachverständigen P-1 durch Bezahlung der Schätzkosten für die Fahrzeuge im Eigentum der Schuldnerin in Höhe von € 480,00 getätigt worden sei.

Sonst sei lediglich der für den Antrag auf Insolvenzeröffnung notwendige Kostenvorschuss in Höhe von € 4.000,00 sowie die Kosten der Rechtsanwaltskanzlei für die Einbringung des Insolvenzeröffnungsantrages in Höhe von € 4.800,00 (die ebenfalls ein Zug-um-Zug-Geschäft seien) und eine Zahlung an eine notwendige Versicherung in Höhe von € 27,75 geleistet worden.

Alle übrigen Gläubiger seien ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht befriedigt worden. Wie bereits dargelegt hätten somit sämtliche Gläubiger keine Zahlungen ihrer mit fälligen Forderungen erhalten.

Somit ergebe sich, dass die Stadt Wien in keiner Weise schlechter gestellt worden sei als die übrigen Gläubiger.

Zur Vollständigkeit der Unterlagen werde darüber hinaus der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegt (Beilage ./6).

Aus dem nunmehr vollständig geschilderten Sachverhalt samt vorgelegten Nachweisen der (notwendigen und gesetzlich verpflichteten) Zahlungseinstellung mit Anfang Februar 2017 gehe eindeutig hervor, dass eine Haftung des Geschäftsführers jedenfalls ausscheide.

Es werde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den Haftungsbescheid zur Gänze zu beheben.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung der §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG sowie des § 80 Abs. 1 BAO ausgeführt:

Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehörten auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hätten.

Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.

Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestünden, stehe nach der Aktenlage fest.

Weiters stehe unbestritten fest, dass der Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.

Ferner werde nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich seien.

Es sei ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.

Zum Beschwerdevorbringen werde festgehalten:

Die eingebrachte Stellungnahme vom beziehe sich auf den Vorhalt zur Stellungnahme vom . Aufgrund dieser Stellungnahme sei der Bf. mit Schreiben vom aufgefordert worden, eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe der Vertreter vorhandene Mittel zwar nicht in erster Linie zur Begleichung der Abgabenschulden zu verwenden, er dürfe allerdings auch nicht den Abgabengläubiger schlechter behandeln, als alle anderen Gläubiger, er dürfe also nicht andere Verbindlichkeiten vor den Abgabenschulden erfüllen. Seien zwar Geldmittel vorhanden, reichten sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssten - damit dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen werde - alle Verbindlichkeiten anteilig im gleichen Verhältnis erfüllt werden (, 82/14/0070-0072).

Sowohl im Haftungsbescheid vom als auch im Schreiben vom , mit welchem neuerlich eine Liquiditätsaufstellung angefordert worden sei, werde darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgabenrechtlich keine Bevorrechtung von Forderungen aus Zug-um-Zug-Geschäften im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot vorgesehen sei. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beziehe sich nämlich auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich seien. Eine Bevorzugung von Gläubigern könne daher auch in der Bezahlung von Wirtschaftsgütern in Form von Zug-um-Zug-Geschäften bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger habe somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (zB ; ; ).

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoße ein Geschäftsführer, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichte, gegen die Gleichbehandlungspflicht dann nicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stünden, nicht für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten ausreichten, er aber diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfülle; insoweit sei auch das Ausmaß der Haftung bestimmt. Dies setze allerdings voraus, dass der Geschäftsführer im Verfahren betreffend seine Heranziehung zur Haftung die Grundlagen für die behördliche Feststellung des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Anteils an liquiden Mittel beigebracht habe ().

Dieser Nachweis sei jedoch trotz Aufforderung nicht erbracht worden. Nach der Aktenlage seien zwar Zahlungen geleistet, die Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Dadurch habe der Bf. seine Pflichten schuldhaft verletzt und hafte für den Rückstand zur Gänze.

Der Bf. habe in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.

Die Pflichtverletzung des Bf. ergebe sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Er hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass nicht zutreffe, dass er den Nachweis, für die haftungsrelevanten Abgaben keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen zu haben, nicht erbracht habe, da der Behörde mehrfach Unterlagen sowie eine Liquiditätsaufstellung übermittelt worden seien.

Zur nochmaligen Veranschaulichung, dass er jedenfalls keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen habe, lege er nunmehr eine konkrete Aufstellung betreffend die Forderungen gegenüber der GmbH vor. Aus dieser sei eindeutig ersichtlich, dass für den Zeitraum ab die meisten Gläubiger nicht befriedigt worden seien und gerade die Behörde zu 100% befriedigt worden sei.

Sämtliche Gläubiger hätten einen Ausfall betreffend ihre Forderungen ab in Höhe von 100% erlitten.

Aus diesem Grund gehe eindeutig hervor, dass dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht widersprochen worden sei, sondern vielmehr die Behörde gegenüber den anderen Gläubigern für die am fälligen Abgaben bevorzugt worden sei.

Eine Haftung des Bf. als Geschäftsführer scheide daher jedenfalls aus.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a KommStG 1993 neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz (DGAG) neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Erschwerte Einbringlichkeit

Die Haftung nach § 6a KommStG sowie § 6a DGAG ist keine Ausfallshaftung, es ist lediglich vorausgesetzt, dass die Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Dies gilt nach den genannten Haftungsbestimmungen insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Im Beschwerdefall steht sogar die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben, jedoch unter Berücksichtigung der am eingelangten Quotenzahlungen von € 7,62 (Kommunalsteuer 01/2017) und € 0,62 (Dienstgeberabgabe 01/2017) fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-3 der über das Vermögen der G-1 am D-4 eröffnete Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben wurde. Danach wurde die Gesellschaft am D-5 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Vertreterstellung

Unbestritten ist auch, dass der Bf. im Zeitraum vom D-6 (ab D-7 mit P-2) bis D-4 (Konkurseröffnung) Geschäftsführer der genannten GmbH war.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Ihm oblag daher die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Festzustellen war, dass die haftungsgegenständliche Kommunalsteuer 01/2017 gemäß § 11 Abs. 2 KommStG am und die haftungsgegenständliche Dienstgeberabgabe 01/2017 gemäß § 6 Abs. 1 DGAG ebenfalls am fällig waren, weshalb der Bf. für deren Entrichtung Sorge zu tragen hatte, da deren Fälligkeiten in den Zeitraum seiner Geschäftsführungstätigkeit fielen.

Hingegen kann der Bf. für den haftungsgegenständlichen Säumniszuschlag in Höhe von € 8,28 nicht zur Haftung in Anspruch genommen werden, da Säumniszuschläge im Zusammenhang mit Landes- und Gemeindeabgaben gemäß § 217a BAO im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig werden und die Fälligkeit des am festgesetzten Säumniszuschlages 01/2017 somit erst nach Konkurseröffnung eintrat.

Aus dem Vorbringen, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Hauptauftraggeberin G-2 am D-2 eingetreten sei, lässt sich nichts gewinnen, da es für die Haftungsinanspruchnahme ohne Bedeutung ist, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall wurde nicht behauptet, dass dem Bf. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären, sondern brachte er vor, Zahlungen ab Anfang Februar 2017 lediglich Zug-um-Zug zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes geleistet, diese aber gegenüber "sämtlichen" Gläubigern eingestellt zu haben.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch Lieferanten, die ihr Entgelt bereits im Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung erhalten haben, Gläubiger waren, die in den Gleichbehandlungsnachweis aufzunehmen gewesen wären, da sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur bei Abzahlung bestehender Verbindlichkeiten ergeben kann, sondern auch bei Zug-um-Zug-Geschäften (Ritz, BAO6, § 9 Rz 11a mit vielen Judikaturnachweisen, zB ).

Auch bei Zutreffen der Behauptung des Bf., sämtliche Zahlungen eingestellt zu haben, ließe sich für ihn nichts gewinnen, da damit das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet würde, als keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung geleistet werde, weshalb der Vertreter mit dieser Vorgangsweise die gegenüber dem Abgabengläubiger bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen verletzte ().

Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. jedoch nicht aufgestellt, da aus seiner übermittelten "Liquiditätsaufstellung" weder die im Februar 2017 getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte noch die in diesem Zeitraum (vor Entrichtung der Zug-um-Zug-Zahlungen) vorhandenen liquiden Mittel hervorgehen, weshalb auch keine korrekte Quote berechnet wurde.

Aus der Gesamtschau aller angeführten Mängel ergibt sich, dass der vom Bf. unternommene Versuch zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises als gescheitert anzusehen ist.

Da der Bf. mehrfach mit konkreten Anleitungen durch die Abgabenbehörde dazu aufgefordert und ihm Gelegenheit zur Verbesserung gegeben wurde, waren nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtes weitere Ermittlungen seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht mehr vorzunehmen ().

Der Einwand, dass die Abgabenschulden zum Fälligkeitszeitpunkt zu 100% entrichtet worden seien, weshalb die Abgabenbehörde gegenüber den übrigen Gläubigern sogar bevorzugt worden sei, hat für die Prüfung der schuldhaften Pflichtverletzung zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich zum haftungsgegenständlichen Fälligkeitstag , keinerlei Bedeutung.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können, zumal auch die zweite Geschäftsführerin P-2 zur Haftung herangezogen wurde.

Conclusio

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die nachstehenden Abgabenschuldigkeiten der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 428,51 zu Recht:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag laut Haftungsbescheid
abzüglich Konkursquote
Kommunalsteuer
01/2017
414,21
406,59
Dienstgeberabgabe
01/2017
22,54
21,92

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400044.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at