Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2020, RV/7102971/2020

Leistungsort von Vermittlungsleistungen

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0105. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch INTER-TREUHAND PRACHNER Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Hauptplatz 7, 3430 Tulln, über die Beschwerden gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend Umsatzsteuer 2014 bis 2016 und über den Vorlageantrag vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2017, Steuernummer ,

I. zu Recht erkannt:

Den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2014 bis 2016 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Umsatzsteuer 2014 bis 2016 wird endgültig festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. beschlossen:

Der Vorlageantrag vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2017 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2014 bis 2016 wurde mit Bescheiden vom (2014 und 2015) bzw. vom (2016) vorläufig festgesetzt und in der Begründung ausgeführt, der Umfang der Abgabepflicht sei von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig.

Die fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde - datiert mit - fristgerecht ein Vorlageantrag, der im Betreff auch die Umsatzsteuer 2013 und 2017 anführte, eingebracht und ausgeführt, das Bundesfinanzgericht sei in seiner Entscheidung GZ RV/7100189/2015 den Feststellungen des Finanzamtes zur Umsatzsteuer 2010 - 2018 (richtig: 2013) hinsichtlich des Leistungsortes von Vermittlungsleistungen für Kundenvermittler im Rahmen einer internationalen Einkaufsgemeinschaft für die M-AG Schweiz gefolgt und habe die Vermittlungsleistungen des Beschwerdeführers als im Inland steuerbar und steuerpflichtig angesehen. In der Begründung sei ausgeführt worden, die Kundengewinnung durch den Beschwerdeführer stelle eine Vermittlungsleistung dar, Leistungsempfänger sei die T-GmbH, da diese im eigenen Namen auftrete. Aber selbst wenn man davon ausgehe, dass die Kundenvermittlung an die Holding in der Schweiz erfolge, sei davon auszugehen, dass diese Holding für die Bestimmung des Leistungsortes Nichtunternehmer iSd § 3 a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 sei.

Gegen dieses Erkenntnis sei eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden, welche sich auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts GZ RV/2100552/2018 stütze, das in einem ident gelagerten Vermittlungsfall einen Kollegen des Beschwerdeführers betreffend ergangen sei. Darin habe das BFG die operative Tätigkeit der L Schweiz AG als erwiesen angesehen und auf Unterlagen seitens der Schweizer Steuerbehörde verwiesen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer niemals Umsatzsteuer ausgewiesen habe bzw. die Gutschriftsabrechnungen der L Schweiz AG immer ohne (österreichische) Umsatzsteuer erstellt habe. Die Schweizer M-AG oder auch die im Erkenntnis RV/7100189/2015 angeführte Tochtergesellschaft T-GmbH als vermeintliche Leistungsempfängerin habe daher niemals einen spiegelbildlichen Vorsteuerabzug gehabt, sodass die einseitige Vorschreibung von Umsatzsteuer auf Ebene des Beschwerdeführers aus den erhaltenen Nettohonoraren gegen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie idF RL 2010/45/EU und gegen den Grundsatz der Steuerneutralität innerhalb der Unternehmerkette verstoße. Schon allein deshalb seien die Bescheide rechtswidrig.

Mit Schreiben vom wies die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers darauf hin, dass nunmehr lediglich die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2014 bis 2016 angefochten seien. Für die Jahre 2017 und 2018 seien aufgrund der nachgereichten Unterlagen die Vermittlungsleistungen als nicht steuerpflichtig anerkannt worden. Es werde nochmals auf die Entscheidung des verwiesen.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts legte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers die für die Jahre 2014 bis 2016 gültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Fassung April 2012), die Auszahlungsberichte betreffend die Provisionsansprüche der Jahre 2014 bis 2016 sowie Auszüge aus den Kontoauszügen vor, aus denen ersichtlich ist, dass die Überweisung der Provision in den Jahren 2014 bis 2016 von der M-AG veranlasst worden ist.

Mit Telefax vom wurde der Vorlageantrag vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2017 zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer vermittelt Kunden (-umsätze) im Rahmen einer internationalen Einkaufsgemeinschaft. Als Leistungsempfänger der beschwerdegegenständlichen Vermittlungsleistungen trat in den Streitjahren die unternehmerisch tätige Muttergesellschaft M-AG und nicht die Tochtergesellschaft T-GmbH auf. Die Eidgenössische Steuerverwaltung bestätigt für die Streitjahre, dass es sich bei der M-AG um eine mehrwertsteuerpflichtige Unternehmerin handelte.

Der Beschwerdeführer erzielte in den Streitjahren Provisionen in folgender Höhe:


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2014
2015
2016
6.141,83 € brutto
(5.118,19 € netto)
2.210,25 € brutto
(1.841,88 € netto)
1.775,66 € brutto
(1.479,72 € netto)

Die Überweisung dieser Provisionen wurde von der M-AG veranlasst.

2. Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer legte im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht die für die Streitjahre gültigen allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, die auszugsweise wie folgt lauten:

"Präambel

Die M-AG mit Sitz AdresseM-AG, und Firmenbuchnummer CH-***** des Handelsregisters des Kantons St. Gallen betreibt eine internationale Einkaufsgemeinschaft, die den Teilnehmern (im folgenden "Mitglieder" genannt) ermöglicht, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei L Partnerunternehmen (im Folgenden "Partnerunternehmen" genannt) Vorteile zu erhalten (im Folgenden "L Treueprogramm" genannt). Vertragspartner der Mitglieder ist somit die M-AG (im Folgenden "L" genannt). L wird in Österreich durch die T-GmbH mit Sitz AdresseT-GmbH (im Folgenden " T-GmbH" genannt) vertreten.

1. Vertragsgegenstand

1.1. Das Mitglied ist nach Maßgabe dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen berechtigt, am L Treueprogramm teilzunehmen und die damit verbundenen Vorteile (nachfolgend "Mitgliedsvorteile" genannt) zu erhalten. Das Mitglied kann das L Treueprogramm weiteren Personen empfehlen (im folgenden "Empfehlungsgeber" genannt). Das Mitglied ist nicht zur Weiterempfehlung verpflichtet und schuldet L keinerlei Erfolg.

...

2. Vertragsgrundlage

2.1. Mit Annahme des Registrierungsantrages durch L wird der Antragsteller Mitglied bei L und erhält eine persönliche Mitgliedsnummer (im Folgenden "ID-Nummer" genannt). Diese berechtigt zur Teilnahme am L Treueprogramm, zunächst im Rahmen einer Testmitgliedschaft gemäß Ziffer 14.1. Im L Treueprogramm werden erfasste Einkäufe nur für registrierte Mitglieder (mit ID-Nummer) berücksichtigt.

2.2. Für den Vertrag zwischen L und dem Mitglied gelten die von L zur Verfügung gestellten Registrierungsflyer oder das Online-Registrierungsformular sowie diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Für die erweiterten Mitgliedsvorteile gilt Ziffer 7.5. Abweichungen hiervon werden von L nicht akzeptiert.

…"

Die nunmehr vorgelegten AGBs belegen eine Abweichung zu den, dem Erkenntnis des , zugrundegelegten AGBs. Vertragliche Beziehungen des Beschwerdeführers bestanden in den Streitjahren ausschließlich zur M-AG mit dem Sitz in der Schweiz und nicht zu der in Österreich ansässigen Tochtergesellschaft.

Bezüglich der Unternehmereigenschaft der Muttergesellschaft legte der Beschwerdeführer für die Streitjahre Bestätigungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vor, in welcher bescheinigt wird, dass diese seit als mehrwertsteuerpflichtige Person unter der Nummer CHE-xxxxx MWST/TVA/IVA eingetragen ist.

Im Zuge der vorgenommenen Beweiswürdigung wird somit davon ausgegangen, dass Leistungsempfängerin in den Streitjahren nicht die österreichische Tochtergesellschaft, sondern die in der Schweiz ansässige Muttergesellschaft war. Auch die Auszahlungsberichte betreffend die Provisionsansprüche und die vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontoauszüge belegen, dass die Gutschriften von der in der Schweiz ansässigen Muttergesellschaft stammen und von dieser die Überweisungen veranlasst wurden.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die Bezug habenden Bestimmungen des § 3a UStG 1994 lauten auszugsweise:

"Ort der sonstigen Leistung

(5) Für Zwecke der Anwendung der Abs. 6 bis 16 und Art. 3a gilt

1. als Unternehmer ein Unternehmer gemäß § 2, wobei ein Unternehmer, der auch nicht steuerbare Umsätze bewirkt, in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer gilt;

2. eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Unternehmer;

3. eine Person oder Personengemeinschaft, die nicht in den Anwendungsbereich der Z 1 und 2 fällt, als Nichtunternehmer.

(6) Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

(7) Eine sonstige Leistung, die an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.

(8) Eine Vermittlungsleistung an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 wird an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird.

…"

Der Vermittler führt einen Leistungsaustauch zwischen anderen herbei, steht aber selbst außerhalb des vermittelten Leistungsaustausches. Die vermittelte Leistung ist ihm umsatzsteuerlich nicht zuzurechnen. Seine eigene Leistung ist eine sonstige Leistung (Vermittlung, Vertretung) und unter den allgemeinen Bedingungen (Nachhaltigkeit, Selbständigkeit, Entgeltlichkeit, etc.) steuerbar. Wer der Empfänger der Leistung ist, ergibt sich aus dem Auftragsverhältnis (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 3 Tz 85).

Leistungsempfänger ist bei vertraglich geschuldeten Leistungen grundsätzlich, wer sich zivilrechtlich die Leistung ausbedungen hat, wer aus dem zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäft berechtigt und verpflichtet ist (Ruppe/Achatz, aaO, § 12 Tz 72).

Für die Bestimmung des Leistungsortes der vom Beschwerdeführer erbrachten Vermittlungsleistungen ist entscheidend, ob die in der Schweiz ansässige Muttergesellschaft oder die in Österreich ansässige Tochtergesellschaft als Leistungsempfängerin zu qualifizieren ist. Dafür ist - wie oben ausgeführt - maßgebend, wer sich zivilrechtlich die Leistung ausbedungen hat, wer aus dem zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäft berechtigt und verpflichtet ist (vgl. ).

Vor dem Hintergrund der obigen Sachverhaltsfeststellungen und der vorgenommenen Beweiswürdigung sind daher die beschwerdegegenständlichen Vermittlungsumsätze des Beschwerdeführers nicht der österreichischen Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Die steuerpflichtigen Umsätze der Streitjahre ändern sich daher wie folgt:


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2014
2015
2016
Gesamtbetrag der Entgelte laut angefochtenen Bescheiden
24.403,35 €
14.803,36 €
39.189,20 €
Abzgl. Provisionen
-5.118,19 €
-1.841,88 €
-1.479,72 €
Gesamtbetrag der Entgelte laut Erkenntnis
19.285,16 €
12.961,48 €
37.709,48 €

Zu Spruchpunkt II. (Gegenstandloserklärung)

Da der Beschwerdeführer mit Telefax vom den Vorlageantrag vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2017 zurückgenommen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts war in freier Beweiswürdigung vorzunehmen.

Die Rechtsfolge der Gegenstandsloserklärung nach Zurücknahme des Vorlageantrages ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung liegen daher nicht vor.

Beilage: 3 Berechnungsblätter (Umsatzsteuer 2014 bis 2016)

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
RL 2010/45/EU, ABl. Nr. L 189 vom S. 1

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102971.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at