Zurückweisung einer Beschwerde durch den (noch) nicht in Anspruch genommenen Gesamtschuldner.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, betreffend Beschwerde vom ergänzt mit Stellungnahme vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Rechtsgebühren, Steuernummer ***BF1StNr1***, ***2***, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Sachverhalt
Das ***8******FA*** legte gegenständliche Beschwerde am mit folgender Stellungnahme zur Entscheidung vor:
"Sachverhalt:
Zwischen ***3*** (Vermieterin) und ***4*** (Mieterin) wurde am ***5*** ein Mietvertrag abgeschlossen, der mit Schreiben vom beim h.o. ***6*** von der RA-Kanzlei ***7*** angezeigt wurde.
Der Mietvertrag wurde auf 10 Jahre und 6 Monate abgeschlossen. Weiters wurde eine zweimalige Optionsmöglichkeit auf Verlängerung von je 5 Jahren vereinbart.
Im Vertrag Punkt 6.1 wurde festgehalten: "Das Mietverhältnis hat am begonnen. Es wird auf die Dauer von zehn Jahren und sechs Monaten…befristet abgeschlossen und erlischt daher zehn Jahre und sechs Monate nach dem auf den Mietbeginn folgenden Monatsletzten das ist der , ohne dass es einer Kündigung oder sonstigen Erklärung einer Vertragspartei bedarf. Der Übergang auf ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit ist ausdrücklich ausgeschlossen."
Das Recht auf vorzeitige Auflösung aus wichtigen in Punkt 6.2.1-6.2.8. angeführten Gründen und beim Vermieter aus den Gründen des § 30 Abs. 2 MRG blieb vorbehalten. Im Punkt 6.5 räumte der Vermieter dem Mieter die Option auf zweimalige Verlängerung des Mietvertrages um jeweils weitere fünf Jahre ein. Gemäß Punkt 7. setzt sich der Mietzins aus dem Umsatzhauptmietzins, mindestens jedoch dem Hauptmietzins, dem grundsätzlich der Nutzfläche entsprechenden Anteil an Betriebs- und Nebenkosten und der Umsatzsteuer zusammen.
Zu diesem Mietvertrag erging am ein vorläufiger Gebührenbescheid gem. § 33 TP 5 GebG an die Mieterin zHd RA-Kzl. ***7***.
Nach Vorhaltbeantwortung vom betr. Höhe des tatsächlichen Mietzinses wurde die Gebühr im Sinne der ständigen Judikatur des BFG - ausgehend von einer bestimmten Vertragsdauer von 10 Jahren plus 6 Monaten plus 2x 5 Jahre Option auf Verlängerung - vom 18-fachen Jahreswert mit EDV-Bescheid vom vorgeschrieben. Im Bescheid wurde auf eine gesonderte Begründung verwiesen.
Die händische gesonderte Begründung dazu wurde zunächst versehentlich nicht abgesandt, sondern verblieb im Akt. Gegen diesen Gebührenbescheid vom wurde am sowohl per Fax als auch per Post eine Beschwerde sowohl von der Mieterin ***4*** als auch von der Vermieterin ***3*** (nunmehr ***8***), beide vertreten durch ***9*** eingebracht.
Durch die Einbringung dieser Beschwerde wurde h.a. erkannt, dass die händische Begründung zum Gebührenbescheid vom noch im Akt einlag. Diese wurde am mit RSb an ***10***, zHd ***9*** versandt. In Folge kam es am zu einer ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführer zu ihren Beschwerden.
Die Beschwerde der Einschreiterin richtet sich gegen einen Ansatz der Vertragsdauer länger als 36 Monate (unbestimmte Zeit) unter Hinweis auf ständige Judikatur des VwGH und die Gebührenrichtlinien RZ 705 ff.
Die Beschwerdevorentscheidungen zu o.a. Beschwerden wurden am erlassen: BVE-Abweisung an Mieterin ***4*** und BVE-Zurückweisung an Vermieterin ***3*** (nunmehr ***8***), je zHd ***9***.
Zu diesen beiden Beschwerdevorentscheidungen wurden wieder von beiden Parteien, vertreten durch ***9***, am BFG-Vorlageanträge eingebracht.
Beweismittel:
Bem-Akt ***11***
Stellungnahme:
In Ergänzung zur Begründung der BVE wird zum Vorlageantrag Folgendes ausgeführt:
1) Zur Zurückweisung wegen mangelnder Rechtsmittellegitimation:
Auch bei Gesamtschuldverhältnissen ist nur der in Anspruch genommene Gesamtschuldner bzw der in Anspruch genommene Haftungspflichtige zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde berechtigt. Noch nicht herangezogene Gesamtschuldner und Haftungspflichtige sind nicht beschwerdebefugt, sondern allenfalls gem § 257 beitrittsberechtigt ( 84/15/0007; , 2001/16/0253).
Keine Beschwerdebefugnis besteht allein deshalb, weil jemand zivilrechtlich dem Abgabepflichtigen gegenüber regresspflichtig ist (vgl 85/17/0006; RV/0071-G/10). Wird eine Beschwerde von einem hiezu nicht Legitimierten eingebracht, so ist sie gem § 260 Abs 1 lit a zurückzuweisen (vgl. Ritz, Kommentar BAO, 6. Auflage § 246 BAO, RZ 5-7 bzw 85/16/0113, 0114).
Das ***6*** beantragt die Beschwerde mangels Legitimation der Einschreiterin als unzulässig zurückzuweisen.
2) Vollständigkeitshalber wird auch auf das Inhaltliche Vorbringen wie folgt entgegnet:
Entgegen dem Vorbringen der Bf. widerspricht die Rechtsansicht des ***6*** und die Rechtsprechung des BFG nicht der Rechtsprechung des VwGH und auch nicht den Gebührenrichtlinien. In der zitierten Entscheidung 88/15/0040 ging es nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt. Es ging um einen Bestandvertrag mit unbestimmter Dauer und verschiedenen MRG-Kündigungsgründen während im gegenständlichen Fall es um einen Bestandvertrag mit bestimmter Dauer und die sinngemäße Anwendung der MRG-Kündigungsgründe geht.
Aus dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages in Punkt 6.1. ist zu erkennen, dass der Verpächter den Pächter auf eine längere bestimmte Zeit an das Vertragsverhältnis bindet und sich selbst ein Recht auf Kündigung nur aus einzelnen "wichtigen" Gründen, nämlich bei wesentlichen Vertragsverletzungen des Pächters, ausbedingt.
Es macht keinen Unterschied, ob die "wichtigen" Gründe, die zu vorzeitiger Vertragsauflösung berechtigen, im Vertrag selber umschrieben sind oder ob Definitionen aus dem MRG übernommen werden.
Ob eingeräumte Kündigungsgründe umfassend sind ist im Einzelfall zu entscheiden. Die Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 5, 6, 8 und 16 MRG beziehen sich auf Wohnungen.
Unstrittig ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z 10,11,12 und 15 MRG ausscheiden und die Z 2 ist nicht anwendbar, da die Gegenleistung nicht in einer Dienstleistung besteht.
Sämtliche Kündigungsgründe aus der Verletzung von Vertragspflichten der Z 1 (Mietzinsrückstand), Z 4 (Weitergabe, Untervermietung) und Z 7 (vertragswidrige Verwendung) und Z 3 (erheblich nachteiliger Gebrauch) sowie die in § 8 angeführten "wichtigen" Kündigungsgründe setzen schuldhaftes Verhalten des Vertragspartners voraus. Der einzige in der Sphäre des Bestandgebers liegende Kündigungsgrund Eigenbedarf (Z 9) setzt dringende Benötigung des vermieteten Objekts voraus. Diese Wahrscheinlichkeit ist gering.
Der VwGH ist im Beschluss vom , Ra 2017/16/0111 einer Einzelfallprüfung nicht entgegengetreten.
Desweiteren führt der VwGH in seinem Beschluss vom , Ra 2018/16/0040 wie folgt aus:
"Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen (vgl. auch nochmals VWGH , Ra 2017/16/0111 und 0112)."
Eine uneingeschränkte Kündigungsmöglichkeit jederzeit und ohne Angabe von Gründen, die als Vertrag auf unbestimmte Zeit zu werten wäre ist für den Verpächter unmöglich und Punkt 6.1. dritter Satz " Der Übergang in ein Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer ist ausdrücklich ausgeschlossen" schließt eine jederzeitige Kündigung auch des Pächters zwingend aus.
Der Vorlageantrag enthält kein weiteres Vorbringen, das hinsichtlich Laufzeit und bedingte Laufzeitverlängerung/Optionsmöglichkeit über bereits vom BFG entschiedene Fälle hinausgeht."
Mit Vorhalt vom brachte die Berichterstatterin der steuerlichen Vertretung die Sach- und Rechtslage nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens zur Kenntnis.
Mit Schriftsatz vom teilte die steuerliche Vertretung mit, es werde keine gesonderte Stellungnahme mehr ergehen, der Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat werde zurückgezogen.
2. Beweiserhebung
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch übermittelten Aktenteile des Bemessungsaktes des ***FA***, ***2***.
3. Rechtslage und Erwägungen
Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB ) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im allgemeinen einer Gebühr von. 1 v. H..
Gemäß § 28 Abs. 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet.
In diesem Sinne erging der streitgegenständliche Gebührenbescheid vom an die Mieterin, "***10***" zH ***12***.. Gegen diesen Bescheid hat auch die Vermieterin, ***3***, nunmehr ***8***, Beschwerde eingebracht.
Gemäß § 246 Abs 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist (§ 246 Abs 1).
Ein Bescheid ergeht an die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft), die (gem. § 93 Abs 2) im Spruch des Bescheides genannt ist. Die Rechtsmittellegitimation setzt überdies voraus, dass der Bescheid dem Betreffenden gegenüber wirksam bekannt gegeben ist (§ 97).
Beschwerdeführer kann daher nur der sein, dem der Bescheid wirksam bekannt gegeben wurde und für den er auch inhaltlich bestimmt war (vgl zB ).
Auch bei Gesamtschuldverhältnissen ist nur der in Anspruch genommene Gesamtschuldner bzw. der in Anspruch genommene Haftungspflichtige zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde berechtigt. Noch nicht herangezogene Gesamtschuldner und Haftungspflichtige sind nicht beschwerdebefugt, sondern allenfalls gem. § 257 beitrittsberechtigt ( ; , 92/13/0016; , 2001/16/0253).
Keine Beschwerdebefugnis besteht allein deshalb, weil jemand zivilrechtlich dem Abgabepflichtigen gegenüber regresspflichtig ist (vgl ; RV/0071-G/10).
Wird eine Beschwerde von einem hiezu nicht Legitimierten eingebracht, so ist sie gem. § 260 Abs 1 lit a zurückzuweisen (vgl , 0114). Zuständig sind hiezu die Abgabenbehörde (mit Beschwerdevorentscheidung) bzw das Verwaltungsgericht (mit Beschluss), Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 246, I. Allgemeine Regelung (§ 246 Abs 1) [Rz 1 - 7].
Demzufolge hat das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
4. Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Streitfall war lediglich die unstrittige Rechtslage auf den unstrittigen Sachverhalt anzuwenden. Bei dieser schlichten Rechtsanwendung war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102486.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at