Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2020, RV/7103717/2020

Berufsschulbesuch und überbetriebliche Lehrausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Rückforderung für ***Kind*** für den Zeitraum März 2018 bis Jänner 2019 bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Hinsichtlich der Monate Dezember 2018 und Jänner 2019 wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Hinsichtlich des übrigen Zeitraumes (März bis November 2018) bleibt die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag aufrecht.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am langte das von der Beschwerdeführerin (Bf.) unterfertigte Schreiben Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe zum Finanzamt zurück:

Angaben zum Kind
D…: derzeitige Tätigkeit Lehrling [es erfolgte keine Berichtigung der vorausgefüllten Eintragung]
Diesem Schreiben sind beizulegen:
Lehrabschlussprüfungszeugnis bzw. Schreiben der Kammer bez. Bekanntgabe des Prüfungstermins für D…
[handschriftlich ergänzt:] Mein Sohn befindet sich derzeit in der LBS P…, leider haben wir noch keinen Termin der Prüfung erhalten.

Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge forderte das Finanzamt von der Bf.
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
zurück:


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Name des Kindes
VNR/Geb.dat.
Zeitraum von - bis
… D…
… 10 97
März 2018-Jän. 2019

Der Rückforderungsbetrag beträgt € 2.614,70
Begründung:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.
Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.
Lehre wurde am abgebrochen, im Anschluss keine Berufsausbildung.

Gegen diesen Rückforderungsbescheid wurde Beschwerde erhoben.
Die Bf. legte betreffend ihren Sohn die Schulnachricht vom vor, wonach dieser Schüler der 3BSI (dritte Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik war. Weiters
- das Jahreszeugnis vom , wonach der Sohn der Bf. Schüler der 3BSI (dritte Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik war und die 3. Klasse (12. Schulstufe) mit gutem Erfolg abschloss und zum Aufsteigen in die 4. Klasse (13. Schulstufe) berechtigt war.
- eine Schulbesuchsbestätigung vom , wonach der Sohn der Bf. im Schuljahr 2017/18 die Klassen:
2BSI vom bis
3BSI vom bis
der Berufsschule für Elektro-, Veranstaltungs- und Informationstechnik Austria besuchte.
- eine Schulbesuchsbestätigung vom , wonach der Sohn der Bf. im Schuljahr 2018/19 die Klasse:
3BSI vom bis
der Berufsschule für Elektro-, Veranstaltungs- und Informationstechnik Austria besuchte.
- eine ÜBA Lehrgangsvereinbarung vom , wonach der Sohn der Bf. beim Lehrgangsträger bfi Niederösterreich im Lehrberuf Informationstechnologie -Technik, Lehrgang-Beginn , Teilnehmer war.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde mit nachstehender Begründung als unbegründet abgewiesen:
Gemäß § 2 Abs 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Eine Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Familienlastenausgleichsgesetz nicht. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ) sind unter diesem Begriff alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weist jede anzuerkennende Berufsausbildung sowohl ein qualitatives als auch ein quantitatives Element auf. Entscheidend ist nicht nur die Art der Ausbildung sondern auch deren zeitlicher Umfang. Die Ausbildung muss somit als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausbildung anzusehen sein und gleichzeitig überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Ihr Sohn D… besuchte im betreffenden Zeitraum die Berufsschule 1x wöchentlich und hatte 5x im Schuljahr je eine Woche EDV-Laborunterricht. Da die Ausbildung nicht die volle Zeit Ihres Sohnes in Anspruch genommen hat, lag in dieser Zeit keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes vor.
Es besteht daher für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der Vorlageantrag wurde eingebracht wie folgt:
Mein Sohn, … D…, verlor seine Lehrstelle in Wien. Wir haben daraufhin sofort das AMS Baden, Lehrlingsstelle, besucht, wo er genaue Anweisungen erhalten hat. Der Betreuer des AMS hat meinen Sohn ans BFI T… weiterverwiesen. Während der gesamten Zeit hat D… nach wie vor die Berufsschule Wien besucht. Nur die letzten 5 Wochen wurden ihm in Wien verwehrt, deswegen besuchte er diesen Block in P… . Nun warten wir noch auf die Lehrabschlussprüfung, die wahrscheinlich im September terminisiert wird.
Mein Sohn war während der gesamten Zeit sehr daran interessiert die Lehre fortzusetzen sowie nun zu beenden.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Sohn ***Kind*** besuchte in 1060 Wien die Berufsschule für XY vom 2.-; -; -; zusätzlich 5x/Schuljahr für je 1 Woche EDV-Laborunterricht.
Abbruch der Lehre am .
Stellungnahme:
Da die Ausbildung nicht die volle Zeit von D… in Anspruch genommen hat, lag in dieser Zeit (3/18-1/19 ) keine Berufsausbildung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am absolvierte der Sohn der Bf., Schüler der 2BSI (zweite Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik das Halbjahr (Schulnachricht).

Am schloss der Sohn der Bf., Schüler der 2BSI (zweite Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik, Schuljahr 2017/18 die 2. Klasse (11. Schulstufe) mit Erfolg ab und war zum Aufsteigen in die 3. Klasse (12. Schulstufe) berechtigt (Jahreszeugnis).

Am kam es zum Abbruch der Lehre des Sohnes der Bf. (Rückforderungsbescheid, Beschwerdevorlage und Abgabeninformationssystemabfrage).

Am absolvierte der Sohn der Bf., Schüler der 3BSI (dritte Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik das Halbjahr (Schulnachricht).

Am wurde der Sohn der Bf. vom Arbeitsmarktservice zur Teilnahme an der Informationsveranstaltung zum Kursangebot Überbetriebliche Lehrausbildung 2018 - Vorbereitung eingeladen. Der Kurs ÜBA-Vorbereitung begann mit einer Informationsveranstaltung (AMS- Einladungsschreiben).

Am wurde der Sohn der Bf. vom AMS zur Teilnahme am Kursangebot Überbetriebliche Lehrausbildung 2018 - Vorbereitung, Beginn Montag, , 08:00 Uhr, eingeladen (AMS- Schreiben).

Am schloss der Sohn der Bf., Schüler der 3BSI (dritte Fachklasse) für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik, Schuljahr 2018/19 die 3. Klasse (12. Schulstufe) mit gutem Erfolg ab und war zum Aufsteigen in die 4. Klasse (13. Schulstufe) berechtigt (Jahreszeugnis).

Der Sohn der Bf. "hat die Berufsschule 1x/Woche besucht. Zusätzlich dazu hatte er 5x/Schuljahr für je 1 Woche EDV-Laborunterricht.


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Klasse
Von
Bis
2BSI
2BSI
3BSI
3BSI
"

(Schulbesuchsbestätigung der Berufsschule für Elektro-, Veranstaltungs- und Informationstechnik Austria vom ).

Vom bis nahm der Sohn der Bf. an einem Ausbildungslehrgang im Rahmen der Überbetrieblichen Lehrausbildung des Berufsförderungsinstitut NÖ im Auftrag des AMS NÖ teil. Gemäß § 30 BAG war dieser Teilnehmer Lehrlingen gleichgestellt.
Die im Ausbildungslehrgang zurückgelegte Praktikumszeit ist der Lehrzeit im betreffenden Lehrberuf gleichgestellt:
von bis
Informationstechnologie - Technik (Bestätigung des bfi Niederösterreich vom ).

Am erreichte der Sohn der Bf. das Bildungsziel der Berufsschule für den Lehrberuf Informationstechnologie-Technik und erfüllte damit die Berufsschulpflicht in diesem Lehrberuf (Jahres- und Abschlusszeugnis).

Der Sohn der Bf. bezog
- Arbeitslosengeld für 127 Tage vom bis ,
- Arbeitslosengeld für 13 Tage vom bis ,
- Notstandshilfe für 110 Tage vom bis .

Bezüge vom Arbeitsmarktservice erhielt der Sohn der Bf.
- im Jahr 2018 vom 1012-3112, und zwar Leistungsart GC und GT Beiträge -
Leistungsart: zur Deckung des Lebensunterhaltes bzw. Schulung,
- im Jahr 2019 vom 0101-3101 (Abgabeninformationssystemabfragen).

Familienbeihilfe bezog die Bf. für ihren Sohn, soweit beschwerdegegenständlich relevant, für den Zeitraum März 2018 bis Jänner 2019.

In diesen Zeitraum (März 2018 bis Jänner 2019) fallen folgende Ausbildungen des Sohnes der Bf.:
- Berufsschulbesuche 1x/Woche (bis und ab )
- 5x/Schuljahr für je 1 Woche EDV-Laborunterricht
- Teilnahme am Kursangebot Überbetriebliche Lehrausbildung 2018 - Vorbereitung, ab Montag, .

Beweiswürdigung

Diese Feststellungen beruhen auf dem Akteninhalt bzw. den angeführten Beweismitteln und sind unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestimmt:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Betreffend den Zeitraum bis hatte das AMS die o.a. Schulungsmaßnahme Kurs Überbetriebliche Lehrausbildung 2018 - Vorbereitung unterstützt. Ließ das Finanzamt diese AMS-unterstützte Schulungsmaßnahme (Internet: w…ams.at/ arbeitsuchende: "Danach schließen Sie einen Ausbildungsvertrag mit einer Schulungseinrichtung und beginnen die überbetriebliche Lehrausbildung:
- Entweder werden Sie in der Schulungseinrichtung selbst ausgebildet.
- Oder die Schulungseinrichtung kooperiert mit Unternehmen, in denen Sie die praktischen Fertigkeiten erlernen. Sie sind rechtlich allen anderen Lehrlingen gleichgestellt und besuchen daher auch die Berufsschule. Dort lernen Sie die Theorie.
), die zu den 1x/Woche erfolgten Berufsschulbesuchen hinzutrat, außer Acht, ist dem Standpunkt des Finanzamtes hinsichtlich dieses - zwei Monate umfassenden - Zeitraumes nicht zu folgen.

Der Beschwerde war daher betreffend die Monate Dezember 2018 und Jänner 2019 stattzugeben und im Übrigen als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind einer Revision nicht zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103717.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at