Festsetzungen gem. § 201 und 202 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Günter Franz Wappel, Buchengasse 47 Tür 19, 1100 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Säumniszuschlag zur Lohnsteuer für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.), Bf. (Name), ist ein karitativer Verein der im Jahr 1997 gegründet wurde. Laut aktuellem Vereinsregisterauszug endete die Funktionsperiode der organschaftlichen Vertreter mit . Als Obmann ist nach wie vor Herr Obmann eingetragen. Der Bf. bot Wohnmöglichkeiten und strukturierte Tagesabläufe für Menschen in besonderen Lebenssituationen an.
Im Jahr 2007 entschloss sich der Bf. diesen Aufgabenbereich an einen anderen karitativ tätigen Verein zu übertragen und wurde das Wohnheim verkauft und dem neuen Betreiber übergeben.
Mit Prüfungsbeginn im Juni 2007 fand beim Bf. für die Jahre 2004 bis 2006 eine GPLA-Prüfung, d.h. auch eine Lohnsteuerprüfung statt. Über diese wurde ein Bericht gem. § 150 BAO ausgefertigt.
Die Abgabenbehörde erließ gem. § 82 EStG 1988 für 2004 und 2005 Haftungs- und Abgabenbescheide, datiert , betreffend Lohnsteuer, DB und Säumniszuschlag zur Lohnsteuer. Als Begründung war in diesen beiden kombinierten Bescheiden angeführt "Die Begründung für obige Bescheide entnehmen Sie bitte dem Bericht vom ."
Die Abgaben wurden wie folgt festgesetzt:
2004 - Lohnsteuer Euro 12.886,20, DB Euro 1.531,96 und Säumniszuschlag Euro 257,72;
2005 - Lohnsteuer Euro 29.806,99, DB Euro 7.148,13 und Säumniszuschlag Euro 598,59.
Der Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der AP (ABNr) war mit datiert und enthielt die folgenden Angaben.
Nach dem Deckblatt befand sich auf der zweiten Seite die Überschrift "Eingesehene Unterlagen und Hinweise für den Dienstgeber" - Lohnkonten, Meldungen, Jahresabschlüsse, Sachkonten, Belege, Gerichtsprotokolle, Niederschriften.
Nach der folgenden Überschrift "Feststellungen" war angeführt "Laut Feststellung des GPLA-Prüfers" und unter "Sachverhaltsdarstellung" fanden sich der Hinweis auf einen monatlichen "Nettobezug laut Aufstellung" und Angaben über Hinzurechnungen. Die angeführten Nettobezüge waren zwei Personen (Person1 und Person2) und Zeiträumen im Jahr 2004 und 2005 zugeordnet.
Das Jahr 2005 betreffend war noch eine nicht näher beschriebene "Abfuhrdifferenz" - Abgleichsdifferenzen lt. Betriebssummenblatt - zu mehreren Monaten dargestellt.
Die letzte Seite des Berichts enthielt die Ergebnisübersichten für die Jahre 2004 und 2005 betreffend Lohnsteuer und DB.
Es waren weder Angaben zur Rechtsgrundlage und zur Ermessensübung noch zum Sachverhalt oder die Feststellungen betreffend im Bericht enthalten.
Mit inhaltsgleichen Schriftsätzen vom wurde durch den rechtlichen Vertreter des Bf. fristgerecht gegen die beiden o.a. Haftungs- und Abgabenbescheide der Jahre 2004 und 2005 Beschwerde, vormals Berufung, erhoben.
Das Rechtsmittel richtete sich gegen die Vorschreibungen für die Jahre 2004 und 2005.
Begründet wurden die Rechtsmittel mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger und mangelhafter Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und mit unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
Die Behörde verweise auf den Bericht vom worin Person1 und Person2 als Dienstnehmer ausgewiesen wären. Richtig sei, dass Person1 beim Bf. die Leitung des Pflegeheimes in freiberuflicher Tätigkeit ausübte. Es sei keine dienstnehmerähnliche Beschäftigung vorgelegen und sei Person1 Mitglied des Vorstandes des Bf. gewesen. Person2 habe eine Vermittlungsagentur betrieben, sei selbständig gewesen und sei keine dienstnehmerähnliche Beschäftigung vorgelegen. Person1 habe im August 2005 die Tätigkeit für den Bf. beendet und Person2 habe ihr Vermittlungsgewerbe bei der Bezirkshauptmannschaft ***1*** ruhend gemeldet. Dem Schriftsatz lagen zum Nachweis, dass keine Dienstverhältnisse vorgelegen seien, u.a. Unterlagen zu einem gerichtlichen Verfahren bei, welches zwischen Person1 und dem Bf. im Zusammenhang mit Darlehensforderungen an den Bf. geführt wurde.
Es wurde beantragt, die beiden genannten Personen als Zeugen im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren zu ihren Tätigkeiten und zum Betrieb der Vermittlungsagentur zu hören.
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) der Abgabenbehörde vom wurden die Beschwerden gegen die Abgaben- und Haftungsbescheide als unbegründet abgewiesen.
Die Abgabenbehörde verwies in der BVE auf ein Rechtsmittelverfahren welches der Bf. zum sozialversicherungsrechtlichen Teil in Folge der gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben geführt hatte.
In diesem Verfahren hatte der Bf. gegen den Bescheid der Gebietskrankenkasse beim Landeshauptmann Einspruch erhoben. Der Einspruch richtete sich gegen die Einbeziehung von Person1 und Person2 für bestimmte Zeiträume als Dienstnehmer des Bf. in die Pflichtversicherung und Feststellung der Beitragspflicht gem. § 6 Abs. 1 BMSVG. Nach abschlägiger Entscheidung des Landeshauptmannes über den Einspruch mit Bescheid vom rief der Bf. zur Frage der Feststellung der Beitragspflicht nach § 6 BMSVG den VwGH an. Der VwGH entschied abweisend und begründete dies damit, dass der Landeshauptmann bei der Entscheidung über die Beitragspflicht, wenn er als Vorfrage auch die Versicherungspflicht zu beurteilen hat, wegen u.a. des Grundsatzes der Unabänderlichkeit eigener Entscheidungen, auch dann gebunden ist, wenn diese Entscheidung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist und noch einem Rechtszug unterliegt. Bei diesem Stand des Verfahrens kann ein Abspruch über die Beitragspflicht nicht mit dem Argument angegriffen werden, es liege keine die Pflichtversicherung begründendes Beschäftigungsverhältnis vor. Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorgelegen war, war die Beschwerde abzuweisen (s. ).
Die Abgabenbehörde führte dann aus, dass aufgrund dieser Entscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Teil die Vorschreibungen der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages nicht anders behandelt werden könnten als die Sozialversicherungsbeiträge. Es sei daher auch die Beschwerde, die sich gegen die Vorschreibung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag richtete, abzuweisen.
Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom ist derzeit noch ein Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig. Wie dem Bundesfinanzgericht (BFG) durch das BVwG mitgeteilt worden ist, wurde dieses Verfahren bis zur Entscheidung über den Vorlageantrag zu den Abgaben- und Haftungsbescheiden für die Jahre 2004 und 2005 ausgesetzt, da die Frage nach der Lohnsteuerpflicht eine Vorfrage zur Versicherungspflicht nach dem ASVG darstellt.
Mit Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde vom gegen die Abgaben- und Haftungsbescheide vom durch das BFG beantragt.
Zu den in der Beschwerde als Zeugen beantragten Personen wurde durch das BFG festgestellt: Herr Person1 ist lt. ZMR-Anfrage seit Februar 2014 in Österreich nicht mehr gemeldet. Frau Person2 ist am x.2010 verstorben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Strittig sind die Haftungsinanspruchnahme des Bf. nach § 82 EStG 1988 sowie die Festsetzung der Selbstberechnungsabgaben, Lohnsteuer (und Säumniszuschlag) sowie DB mit den für die Jahre 2004 und 2005 vorliegenden Haftungs- und Abgabenbescheiden vom nach erfolgter Außenprüfung (AP).
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Gemäß § 79 EStG 1988 ist die Lohnsteuer eine Selbstberechnungsabgabe. Die Geltendmachung der Haftung erfolgt mittels Haftungsbescheid und liegt im Ermessen der Behörde.
Ein derartiger Lohnsteuerhaftungsbescheid stellt, wenn er sich auf mehrere Arbeitnehmer und/oder auf mehrere Monate bezieht, einen Sammelbescheid dar, da die Lohnsteuer grundsätzlich pro Arbeitnehmer und Monat anfällt.
Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Dieser ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht. Die selbst zu berechnende Abgabe ist vom Dienstgeber an die Abgabenbehörde abzuführen ohne dass die Abgabenbehörde in diesen Vorgang eingebunden ist. Eine bescheidmäßige Festsetzung ist daher nur in Ausnahmefällen vorgesehen bzw. möglich.
§ 201 BAO lautet:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen a oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
4. [aufgehoben durch BGBl I 2009/20]
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
2. [aufgehoben durch BGBl I 2013/70
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.
Die Abgabenbehörde hat bei Festsetzung einer Abgabe nach § 201 BAO jene Sachverhaltselemente zu benennen und den sechs Fallgruppen des § 201 Abs. 2 und 3 BAO zuzuordnen, welche die erstmalige Festsetzung der Abgabe rechtfertigen. Dies kann weder im Verfahren vor der Abgabenbehörde noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (vgl. Ritz, BAO6, § 307 Tz. 3).
§ 202 Abs. 1 BAO lautet:
Die §§ 201 und 201a gelten sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.
In der Begründung eines Haftungsbescheides sind sowohl die Ermessensübung als auch die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme darzulegen.
Haftungs- und Abgabenbescheide der Jahre 2004 und 2005
Die Rechtsgrundlage für die Erlassung von Haftungs- und Abgabenbescheiden, wie sie im gegenständlichen Fall strittig sind, bilden die §§ 201 und 202 BAO sowie § 82 EStG 1988.
Der durch das BFG zu beurteilende Sachverhalt ergab sich, wie schon in den Entscheidungsgründen angeführt, aus den Inhalten der von der Abgabenbehörde vorgelegten Akten und Unterlagen.
Den kombinierten Bescheiden waren außer dem Verweis auf § 82 EStG 1988 keine Angaben zu den Bemessungsgrundlagen und Rechtsgrundlagen zu entnehmen.
In der Begründung der beiden angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide über Lohnsteuer samt Säumniszuschlag und DB war angeführt: "Die Begründung für obige Bescheide entnehmen Sie dem Bericht vom ."
Folgende Angaben waren im Bericht der AP vom enthalten:
Nach dem Deckblatt des Berichts befand sich auf der zweiten Seite die Überschrift "Eingesehene Unterlagen und Hinweise für den Dienstgeber" - Lohnkonten, Meldungen, Jahresabschlüsse, Sachkonten, Belege, Gerichtsprotokolle, Niederschriften.
Es folgte die Überschrift "Feststellungen" und darunter die Angabe "Laut Feststellung des GPLA-Prüfers", darunter "Sachverhaltsdarstellung" und darunter "Nettobezug laut Aufstellung mit einem Betrag".
Die angeführten Nettobezüge waren zwei Personen (Person1 und Person2) in verschiedenen Monaten im Jahr 2004 und 2005 zugeordnet und Lohnsteuer sowie DB berechnet.
Das Jahr 2005 betreffend war noch eine nicht näher beschriebene "Abfuhrdifferenz" - "Abgleichsdifferenzen lt. Betriebssummenblatt" - zu mehreren Monaten angeführt.
Die letzte Seite des Berichts enthielt die Ergebnisübersichten für die Jahre 2004 und 2005 betreffend Lohnsteuer und DB.
Demzufolge wurde durch das BFG festgestellt, dass dem Bericht jegliche Angaben zu den Rechtsgrundlagen, aufgrund der die Abgaben festgesetzt wurden, fehlten.
Es fehlten aber auch die Angabe zu den Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. sowie die Begründung der Ermessensübung.
Der Bericht enthielt weder Angaben zum Sachverhalt noch hinsichtlich der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel die für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen wären.
Im Bericht waren bis auf die oben angeführten, rudimentären Angaben und Überschriften, keinerlei Tatsachenfeststellungen oder Ermittlungsergebnisse enthalten. Wenn auf Feststellungen des GPLA-Prüfers verwiesen wurde, so wurde nicht angegeben welche Feststellungen dieser getroffen hatte und nach welche Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass ein steuerrechtlich relevanter Sachverhalt vorlag. Zu all diesen Punkten war dem Bericht nichts zu entnehmen. Es gab auch keinen Verweis auf etwaige weitere Unterlagen oder auf eine Niederschrift über eine Schlussbesprechung.
Wenn in der Beschwerde argumentiert wurde, dass der Bf. nicht Dienstgeber der beiden genannten Personen war, so waren im Bericht z.B. keine Angaben zur Tätigkeit der Personen enthalten um auf ein Arbeitsverhältnis zum Bf. schließen zu können oder Angaben, woraus sich der sogenannte "Nettobezug" ergab und worauf dieser basierte.
Es war kein Sachverhalt angeführt, woraus das BFG hätte beurteilen bzw. schließen können, dass Dienstverhältnisse der beiden Personen zum Bf. vorlagen und daraus folgend eine Steuerpflicht gegeben war.
Aufgrund der im Bericht lediglich rudimentär enthaltenen Angaben war für das BFG weder nachvollziehbar noch darauf zu schließen, dass der Bf. Bezüge ausbezahlt hätte und diesbezüglich zu Unrecht die Meldung und Abfuhr selbstzuberechnender Abgaben unterlassen hätte.
Die Abgabenbehörde hatte weder in den angefochtenen Bescheiden noch im zu deren Begründung angeführten Bericht die zur Festsetzung der Abgabe nach § 201 BAO maßgeblichen Sachverhaltselemente benannt und diese jener Fallgruppe des § 201 Abs. 2 und 3 BAO zugeordnet, welche die erstmalige Festsetzung rechtfertigen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH hat ein gemäß § 201 BAO erlassener Bescheid über Selbstberechnungsabgaben zu enthalten, dass die Festsetzung nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig ist. Demzufolge haben sich die Bescheide damit auseinanderzusetzen, ob die in § 201 BAO genannten Voraussetzungen gegeben sind und welche gegeben sind.
Die Begründung der amtswegigen Festsetzungsbescheide hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung darzulegen. Bei der Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO sind somit neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel (im Sinne des § 303 BAO) darzulegen.
Die Vorschrift des § 201 BAO hat den Zweck, einen Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage herbeizuführen.
Daraus folgt, auch unter Bezug auf die Rechtsprechung des VwGH, dass wie bei Wiederaufnahmebescheiden die fehlende Darlegung der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel in der Begründung des Bescheides im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden kann (vgl. ).
Wie das BFG feststellte, erfüllten die angefochtenen Bescheide für die Jahre 2004 und 2005 die geforderten Voraussetzungen nicht. Sie enthielten weder in ihren Begründungen noch in dem als Begründung angeführten Bericht vom Argumente und Angaben zur Frage, ob und warum die Festsetzung des DB sowie die Nachforderung von Lohnsteuer mittels Haftungsbescheid zulässig war. Die Tatsache, dass eine Bekanntgabe selbstberechneter Beträge durch die Bf. fristgerecht erfolgt war, ließ vermuten, dass die Abgabenbehörde vom Vorliegen der Voraussetzungen iS der Wiederaufnahme des Verfahrens ausging. Dementsprechend wären jene Wiederaufnahmegründe und im Falle des Neuerungstatbestandes die Tatsachen und Beweismittel und das Neuhervorkommen durch das Prüforgan bzw. die Abgabenbehörde anzuführen gewesen.
Wie durch das BFG festgestellt wurde, war all dies jedoch unterlassen worden. Weder in den Bescheiden noch in dem als Begründung angeführten Bericht waren die erforderlichen Angaben enthalten. Die angefochtenen Bescheide stützen sich somit auf keine Wiederaufnahmegründe (vgl. ).
Die Unterlassung der Darlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in nach §§ 201 und 202 BAO ergangenen Bescheiden ist im Rechtsmittelverfahren nicht sanierbar.
Gemäß § 279 BAO hat das BFG immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Eine Aufhebung hat dann zu erfolgen, wenn eine Wiederaufnehme des Verfahrens (§ 303) verfügt wurde, obwohl kein Wiederaufnahmegrund vorlag oder in richtiger Ermessensübung die Wiederaufnahme zu unterlassen gewesen wäre.
Da weder aus den angefochtenen Bescheiden, noch aus dem Prüfungsbericht hervorging, auf welchen Sachverhalt und auf welche Wiederaufnahmegründe die Abgabenbehörde die Festsetzungen nach § 201 BAO gestützt hatte, waren die angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide für die Jahre 2004 und 2005 durch das BFG ersatzlos aufzuheben.
Zur Festsetzung der Säumniszuschläge
Gemäß § 217 Abs.1 BAO sind, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
Säumniszuschläge gegenüber einem Haftungspflichtigen sind als verwirkt zu beurteilen, wenn der Haftungsbescheid ersatzlos aufgehoben wird.
In Verbindung mit der ersatzlosen Aufhebung der Haftungsbescheide für die Lohnsteuer der Jahre 2004 und 2005, waren auch die Bescheide über die Festsetzung des auf den Haftungsbetrag entfallenden Säumniszuschlages ersatzlos aufzuheben.
Die Entscheidung über die Beschwerde war wie im Spruch angeführt zu treffen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Fall über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden wurde und die Entscheidung aufgrund des eindeutigen Gesetzestextes und der Rechtsprechung des VwGH getroffen wurde, war die Revision nicht zuzulassen. (vgl. ; , Ra 2014/15/0058).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 202 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101766.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at