zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.09.2020, RV/7102668/2020

Nicht nachgewiesener Versuch eines Schulabschlusses auf Externistenbasis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Rückforderung für ***Kind*** für den Zeitraum November 2017 bis Juni 2019 bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO wie mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise Folge gegeben.
Hinsichtlich des Zeitraumes November 2017 bis August 2018 wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Hinsichtlich des übrigen Zeitraumes (September 2018 bis Juni 019) bleibt die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag aufrecht.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt den beschwerdegegenständlichen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Name des Kindes
VNR/Geb.dat.
Zeitraum von - bis
… M…
… 10 99
Nov. 2017-Juni 2019

Rückforderungsbetrag gesamt: € 4.205,00
Begründung:
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen.
Da Sie trotz Aufforderung keine Zeugnisse von den Schuljahren 2017/18 und 2018/19 sowie keine aktuelle Schulbestätigung von Ihrem Sohn M… vorgelegt haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 119 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass in oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.

Der Beschwerdeführer (Bf.) erhob Beschwerde mit folgender Begründung:
Durch ein Kommunikationsproblem ist es leider zu diesem Bescheid erst gekommen. Mein Sohn hat bis 09/2018 die Schule in der … besucht und danach das letzte Jahr auf Externistenbasis abgeschlossen. Siehe die angeführten Zeugnisse. Irgendwie gab es ein Missverständnis.

Das Finanzamt erließ eine teilweise stattgebende Beschwerdevorentscheidung - hinsichtlich der Monate November 2017 bis August 2018 - wie folgt:
Der Beschwerde wird für den Zeitraum von November 2017 bis August 2018 stattgegeben und der Bescheid aufgehoben.
Hinsichtlich des Zeitraumes von September 2018 bis Juni 2019 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung:
Sachverhalt:
Mit Jahreszeugnis 2017/18 vom hat ihr Sohn die 3. Klasse Handelsschule für Leistungssportler nicht positiv abgeschlossen. Er war somit nicht berechtigt in die 4. Klasse aufzusteigen, jedoch berechtigt die 3. Klasse zu wiederholen. Laut Unterlagen wurde die Berufsausbildung jedoch nicht fortgeführt. Von 09/2018 bis 09/2019 hat ihr Sohn ehrenamtlich bei der Ausbildung zum Versicherungsagenten und Vermögensberater bei der Fa. I… Finanzmanagement im Gegenzug diverser Sponsoraktivitäten teilgenommen.
Laut Vereinbarung war er in der Saison 2019 bei der Fa. …speed als Rennfahrer, ohne Bezüge tätig.
Gesetzliche Grundlage:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe für volljährige Kinder nur dann zu , wenn das Kind in Berufsausbildung steht.
Würdigung:
Der Begriff "Berufsausbildung" ist im Gesetz nicht näher definiert. Auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich als wesentliche Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzunehmen. Die Ausbildung muss ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind durch Prüfungsantritte innerhalb eines angemessenen Zeitraumes die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung erfüllt (vgl. ZI. 98/15/0001).
Eine Ausbildung, bei der das Kind während längerer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ; ). Die Berufsausbildung muss somit auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , ).
Weder die ehrenamtliche Ausbildung zum Versicherungsagenten und Vermögensberater noch die Vereinbarung im Bereich Motorsport stellen unter den oben skizzierten Voraussetzungen eine Berufsausbildung dar.
Die Beschwerde war daher für den Zeitraum von September 2018 bis Juni 2019 abzuweisen.

Der Vorlageantrag wurde mit folgender Begründung eingebracht:
Mein Sohn durfte die dritte Klasse nicht mehr zum 2. Mal wiederholen und darum versuchten wir den Abschluss privat neben dem Rennfahren auf Externistenbasis zu erreichen.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Mit Rückforderungsbescheid vom wurde die FB vom Bf für seinen Sohn M… für den Zeitraum November 2017 - Juni 2019 zurückgefordert.
Mit BVE vom , approbiert am , wurde der Beschwerde insoweit teilweise stattgegeben, als die Rückforderung für den Zeitraum November 2017 - August 2018 aufgehoben wurde.
Der Sohn des Bf ist im Motorsport tätig und besuchte bis zum Schuljahr 2017/18 die … …schule für HochleistungssportlerInnen. Er war jedoch nicht berechtigt, in die 12. Schulstufe aufzusteigen, allerdings die 11. Schulstufe zu wiederholen, was laut Unterlagen allerdings nicht passierte.
Der Bf brachte vor, dass das letzte Jahr somit "auf Externistenbasis probiert wurde", wobei diesbezüglich keine Unterlagen vorgelegt wurden.
Stellungnahme:
Zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages:
Die BVE wurde am approbiert, was einen Zustellungszeitpunkt unter Anwendung der Zustellfiktion gem § 26 Abs 2 ZustG am bedeuten würde. Der diesbezügliche Rückschein wurde von der Post noch nicht an die belangte Behörde übermittelt.
Der Zustellzeitpunkt kann aber dahingestellt werden, weil das 2. COVID-19-Gesetz in § 323c BAO im Hinblick auf die Verlängerung von Fristen im Abgabenverfahren Folgendes vorsieht:
Abs 1 lautet: "In anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden werden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des unterbrochen. Sie beginnen mit neu zu laufen."
Da die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages nach dem ausgelöst wurde, beginnt diese ab neu zu laufen und ist daher der am eingebrachte Vorlageantrag fristgerecht.
Inhaltlich wird wie folgt Stellung genommen:
Gemäß § 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) in der geltenden Fassung, haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung Kriterien entwickelt (vgl für viele zB , , ), welche für die Beurteilung heranzuziehen sind.
Da der Sohn des Bf nachgewiesenermaßen bis August 2018 eine Berufsausbildung absolvierte, ist die Familienbeihilfe bis zu diesem Zeitpunkt auch zu gewähren.
Für den Zeitraum September 2018 - Juni 2019 liegen keine Nachweise vor, dass sich der Sohn des Bf in einer Berufsausbildung befand, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass die BVE als ein Vorhalt anzusehen ist und im Zuge des Vorlageantrages die Möglichkeit bestand, Unterlagen vorzubringen, die eine Berufsausbildung des Sohnes auch ab September 2018 nachweisen könnten.
Da der Bf dies jedoch unterlassen hat, wird beantragt, der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattzugeben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Am bestätigte die …schule für Hochleistungssportler, dass der Sohn des Bf. im Schuljahr 2017/18 die dritte Klasse besucht hat (vorgelegte Bestätigung).
Laut Jahreszeugnis vom war der Sohn des Bf. nicht zum Aufsteigen in die 4. Klasse der o.a. Schule berechtigt (Jahreszeugnis).

Zum Zeitraum November 2017 bis August 2018:

Der Sohn des Bf. hatte die o.a. Schule im Schuljahr 2017/18 bis August 2018 besucht. Dementsprechend ist der Beschwerde betreffend diesen Zeitraum wie mit Beschwerdevorentscheidung stattzugeben.

Zum Zeitraum September 2018 bis Juni 2019:

Ab September 2018 besuchte der Sohn des Bf. die o.a. Schule nicht (auch keine andere Schule). Er nahm ,von 09/2018 bis 09/2019 ehrenamtlich bei der Ausbildung zum Versicherungsagenten und Vermögensberater bei der Fa. I… Finanzmanagement im Gegenzug diverser Sponsoraktivitäten teil' und betätigte sich (ohne Bezüge) als Rennfahrer. Das weder konkretisierte noch nachgewiesene, lediglich in den Raum gestellten Vorbringen ,versuchten wir den Abschluss privat neben dem Rennfahren auf Externistenbasis zu erreichen' spricht nicht für, sondern gegen den Standpunkt des Bf., muss die Berufsausbildung (neben dem Rennfahren) ja in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Die (erfolgreiche) Ablegung der Prüfungen der dritten Klasse (der bis August 2018 besuchten Schule) wurde nicht nachgewiesen (Einbringung des Vorlageantrages im Mai 2020). Hinsichtlich der Beurteilung dieser Aktivitäten wird auf die oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Die Beschwerde ist daher betreffend den Zeitraum September 2018 Juni 2019 als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerde war daher insgesamt wie mit Beschwerdevorentscheidung teilweise stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind einer Revision nicht zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102668.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at