Rechtzeitigkeit eines außerhalb der dreijährigen Antragsfrist eingebrachten Erstattungsantrags nach Art. 117 UZK ?
Entscheidungstext
Im Namen der republik
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pichler Rechtsanwalt GmbH, Marktstraße 33, 6850 Dornbirn, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom , Zahl ***2***, betreffend Zurückweisung eines Erstattungsantrags nach Art. 117 UZK, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom wurde der auf Art. 117 UZK gestützte Antrag auf Erstattung der mit Bescheid vom zu GZ ***1*** vorgeschriebenen Eingangsabgaben iHv. € 8.816,00 sowie ein Antrag auf Erlass eines Grundlagenbescheides gestellt.
Unter einem beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer (Bf.) die Verlängerung der Eingabefrist mit der Begründung, die mit mehr als drei Jahren überlange Dauer des Beschwerdeverfahrens falle nicht in seinen Verantwortungsbereich.
Zu den inhaltlichen Voraussetzungen brachte er vor, beim verfahrensgegenständlichen PKW handle es sich um eine Gemeinschaftsware, die von Italien über die Schweiz nach Österreich bzw. Deutschland verbracht wurde. Damit seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Rückwarenbegünstigung gegeben. Der Bf. habe das Fahrzeug wenige Stunden nach Ausfuhr unverändert an der Zollstelle Höchst in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. Er habe über die Zollformalitäten nicht Bescheid gewusst. Als der Zollbeamte ihn "herausgewinkt" habe sei er sofort stehen geblieben, jedoch habe man ihm keine Möglichkeit zur Nachmeldung gegeben. Sein Verhalten sei jedoch nicht als grob fahrlässig einzustufen.
Mit Bescheid vom , Zahl ***2***, wies das Zollamt Feldkirch Wolfurt den Antrag auf Erstattung als verspätet eingebracht zurück. Gemäß Art. 221 Abs. 1 lit. a UZK könne dieser Antrag nur innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach Mitteilung der Zollschuld eingebracht werden. Ein unvorhersehbares Ereignis, das den Antragsteller an der Einhaltung der Frist gehindert habe, liege nicht vor; ebenso wenig höhere Gewalt.
Dass das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Abgabenvorschreibung unangemessen lange gedauert habe sei kein unvorhersehbares Ereignis.
Am wurde diesbezüglich eine Beschwerde von A., AdrA, Vater des Beschwerdeführers, eingebracht. A. war jedoch zur Einbringung der gegenständlichen Beschwerde nicht aktivlegitimiert, weshalb die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom (GZ. ***3***) als nicht zulässig zurückgewiesen wurde.
Am langte sodann ein Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 308 BA0 ein, welchem mit Erkenntnis des , stattgeben wurde.
In der (nachgeholt) eingebrachten Beschwerde vom brachte der Bf. vor, in der mündlichen Verhandlung (betreffend Abgabenvorschreibung) vor dem Bundesfinanzgericht am habe der Vertreter des Zollamtes während bzw. nach der Verhandlung erörtert, dass die Überschreitung der 3-Jahresfrist nach Art. 121 Abs. 1 lit. a UZK im Rahmen eines Antrages mit der überlangen Verfahrensdauer im Beschwerdeverfahren begründet werden solle. Dies sei bereits als positive Fristverlängerungsentscheidung des zuständigen Sachbearbeiters zu sehen, zumindest liege darin eine verbindliche Erklärung, einen Antrag auf Fristverlängerung positiv zu entscheiden. Für mündliche Bescheide seien keine Formerfordernisse vorgesehen.
Das Beschwerdeverfahren habe bereits länger als 3 Jahre gedauert und sei deshalb bereits die 3 Jahresfrist, innerhalb der Anträge nach Art. 117 UZK gestellt werden können, überschritten. Dies sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Bereits aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis könne von einem Antragsteller nicht verlangt werden, dass ein Beschwerdeverfahren und ein Erlass- bzw. Erstattungsverfahren gemäß Art. 117 UZK parallel geführt werden müsse. Die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung legen daher vor.
Da das Zollamt über den Fristverlängerungsantrag nicht entschieden habe, sei es unzulässig, den Antrag auf Erstattung als verspätet eingebracht zurückzuweisen.
Weiters habe er bereits im Rechtsmittel gegen die Abgabenvorschreibung (und somit innerhalb der 3-Jahresfrist) implizit einen Eventualantrag auf Erstattung bzw. auf Erlass gestellt. Die falsche bzw. mehrdeutige Bezeichnung eines Rechtsmittels sei nicht schädlich. Bereits unter Pkt. III der Beschwerde vom habe er entsprechende Anträge gestellt.
Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Grundlagenbescheides seien gegeben. Beim Fahrzeug handle es sich um eine Gemeinschaftsware, die von Italien über die Schweiz und unmittelbar danach wieder nach Österreich gebracht worden sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***4***, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Art. 121 UZK sehe eine dreijährige Frist zur Antragstellung auf Erstattung von Eingangsabgaben vor. Da die Mitteilung der Zollschuld nachweislich bereits am erfolgte, sei diese Frist im Zeitpunkt des Einlangens des Erstattungsantrages am bereits verstrichen gewesen. Entgegen der Ansicht des Bf. liege eine positive Fristverlängerungsentscheidung durch den Vorstand des Zollamtes nicht vor.
Es liege auch kein unvorhersehbares Ereignis oder höhere Gewalt vor, das den Bf. an der fristgerechten Einbringung des Erstattungsantrages gehindert habe. Die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens stelle kein solches Ereignis dar, da er innerhalb der Frist des Art. 116 ff. UZK (ehemals Art. 235 ff. ZK) einen Antrag stellen hätte können.
Der Bf. habe keinen Fristverlängerungsantrag im Sinne des Art. 121 UZK eingebracht, auch wenn er der Ansicht sei, dass zeitgleich mit der Beschwerde vom ein (Eventual-) Antrag auf Erstattung gestellt worden sei.
Dagegen brachte der Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1200045/2019, wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom , Zahl ***2***, aufgehoben. Bevor die Behörde über einen außerhalb der Antragsfrist eingebrachten Erstattungsantrag entscheiden könne, müsse sie zuerst über den Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung des Antrages entscheiden. Erst dann könne das Zollamt über den Antrag auf Erstattung entscheiden und diesen als verspätet zurückweisen.
Der außerordentlichen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0055-6, statt und hob das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus:
"Weder die Vorschriften des Zollkodex noch die Vorschriften des Unionszollkodex enthalten Bestimmungen über einen gesonderten Antrag und eine gesonderte Entscheidung betreffend die Verlängerung der Frist des Art. 236 Abs. 2 ZK oder des Art. 121 Abs. 1 UZK. Eine solche Verlängerung erfordert keinen formellen Antrag auf Fristverlängerung. Der Antragsteller hat lediglich seinen außerhalb der Dreijahresfrist gestellten Antrag damit zu begründen (und nachzuweisen), dass die Voraussetzungen für eine verlängerte Frist vorliegen.
Somit ist eine abgesonderte Entscheidung über die Fristverlängerung weder vorgesehen noch erforderlich.
Gelangt die Behörde zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist vorliegen, dann hat sie, ohne über die Frist spruchmäßig zu entscheiden, über einen Antrag auf Erstattung oder Erlass inhaltlich abzusprechen.
Gelangt die Behörde jedoch zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist nicht vorliegen, dann hat sie den Antrag als verspätet zurückzuweisen und in der Begründung auf ein Vorbringen in einem allfälligen Fristverlängerungsantrag - wie bei verfahrensleitenden Anbringen - einzugehen (vgl. etwa zum Antrag auf Akteneinsicht Ro 2017/15/0021). Dabei unterlaufene Begründungsmängel hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu beheben, wenn es zum selben Ergebnis wie die Behörde gelangt.
Nur wenn das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist für einen Antrag auf Erstattung oder Erlass entgegen der Annahme der Behörde im bekämpften Zurückweisungsbescheid vorliegen, dann hat es den Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben und dabei zu begründen, weshalb die Voraussetzungen einer Fristverlängerung vorliegen (vgl. etwa ). In der Folge hat das Zollamt dann über den Antrag auf Erstattung oder Erlass inhaltlich abzusprechen.
Im Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Zurückweisungsbescheid des Zollamtes vom mit der unzutreffenden und das Zollamt gemäß § 278 Abs. 3 BAO bindenden Ansicht, das Zollamt hätte vor einer Zurückweisung des Antrages auf Erstattung oder Erlass mit Bescheid über den Fristverlängerungsantrag absprechen müssen, (ersatzlos) aufgehoben, ohne selbst das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist für den Antrag auf Erstattung oder Erlass zu prüfen."
Rechtliche Beurteilung
zur Frage der Rechtzeitigkeit:
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie grundsätzlich nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten (, EU:C2006:136).
Bei den hier entscheidungserheblichen Regelungen bezüglich der Erstattung von Einfuhrabgaben handelt es sich um Vorschriften des materiellen Rechts. Dies gilt sowohl hinsichtlich Art. 236 und Art. 239 ZK als auch hinsichtlich Art. 117 UZK, dessen Anwendung der Bf. beantragt hat.
In Art. 117 UZK wurden die Erlass- und Erstattungsvorschriften der Art. 236 und 239 ZK ohne grundsätzliche Änderungen übernommen. Soweit diese Vorschriften über die Erstattung von Einfuhrabgaben auch Verfahrensvorschriften (zB. Antragsfrist) beinhalten, kommen die Bestimmungen des UZK zur Anwendung.
Art. 121 Abs. 3 UZK lautet wie folgt:
Ist nach Art. 44 ein Rechtsbehelf gegen die Mitteilung der Zollschuld eingelegt worden, so wird die Frist des Absatzes 1 Unterabsatz 1 ab dem Tag der Einlegung des Rechtsbehelfs für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt.
Art. 121 Abs. 3 UZK stellt eine Neuerung gegenüber dem bisherigen Recht dar, indem die Antragsfrist für alle Anträge nach Art. 121 (1) durch einen Rechtsbehelf nach Art. 44 gegen die Mitteilung der Zollschuld ausgesetzt wird. Durch diese Vorschrift kann der Zollschuldner die Rechtmäßigkeit der Mitteilung der Zollschuld innerhalb der regelmäßigen Rechtsbehelfsfristen (§ 355 (1) AO, § 245 BAO) überprüfen lassen, bevor er einen Erlass- oder Erstattungsantrag stellt, und zwar unabhängig von dessen Rechtsgrundlage in den Art. 116 (1) UA 2, 117 bis 120. Damit erübrigt sich die bisher übliche vorsorgliche Antragstellung (Witte/Alexander, UZK Art. 121 Rz.6).
Die Mitteilung der Zollschuld erfolgte mit Bescheid vom , ***1***. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde eingebracht.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1200033/2014, (zugestellt ) hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Durch die Aussetzung der Antragsfrist während der Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens ( bis ) gilt der Antrag als rechtszeitig - innerhalb von 3 Jahren - eingebracht.
Der Zurückweisungsbescheid des Zollamtes war daher aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die über den Einzelfall hinausgeht, lag im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vor. Die Lösung der mit dem vorliegenden Erkenntnis zu beantwortenden Rechtsfragen ergibt sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden und im Erkenntnis zitierten Bestimmungen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1200051.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at