TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.10.2020, RV/7102309/2020

außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Stefan Pipal in der Beschwerdesache Mag. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis wird eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zugelassen .

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In einem Ersuchen um Ergänzung vom wurde die Bf. unter anderem ersucht, Auskunft zu geben über die als außergewöhnliche Belastung beantragten Anwaltskosten in Höhe von € 10.059,10. Die Beantwortung durch die Bf. erfolgt wie folgt:
"Erläuterung zu KZ 735

Nach der Trennung von meinem Ex-Partner M, der auch der Kindesvater von E

ist, hat sich eine prekäre Situation für unseren gemeinsamen Sohn ergeben. Der Kindesvater

hat in der Folge destruktive Handlungen gesetzt, die darauf abgezielten, mir das Kind zu

entziehen. Gegen meinen Willen hat er alles unternommen, um das Kind nach

Niederösterreich zu bringen. Ohne anwaltliche Hilfe wäre es mir nicht gelungen, eine

Gerichtsentscheidung herbeizuführen, die dieses Vorgehen rechtlich und faktisch

unterbunden hat. Es Vater hatte überdies Unterhaltsrückstände, meine Anwältin musste

auch deshalb klagen und eine Gehaltsexekution einleiten. Aufgrund dieser schwierigen Lage

musste ich 2019 Anwaltskosten in Höhe von € 10.059,10 begleichen. Dieser finanziellen

Belastung konnte ich mich nicht entziehen, weil ich als Mutter gefordert war, mich für das

Wohl meines Kindes einzusetzen. Es war - und es ist nach wie vor - notwendig, meinen Sohn

vor der Destruktivität seines Vaters zu schützen. Leider muss ich mich laufend gegen unwahre

Vorwürfe und Behauptungen wehren. Die Obsorgeklage des Kindesvaters im Jahr 2019

konnte ich nur mit anwaltlicher Hilfe abwenden.

Ich ersuche daher das Finanzamt, diese Kosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich

anzuerkennen. Gerichtliche Nachweise wurden der Behörde bereits im Jahr 2018 zur Einsicht vorgelegt".

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2019 in Höhe von € 1.263,00 festgesetzt. Dabei wurden von der Bf. beantragte außergewöhnliche Belastungen bezüglich der Anwaltskosten seitens des Finanzamtes nicht anerkannt, "da die geltend gemachten Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen" seien.

Mit brachte die Bf. wie folgt Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 ein:
"Die Anwaltskosten sind mir sehr wohl zwangsläufig erwachsen. Ich musste für die Dienste meiner Anwältin Euro 10.059,10 aufwenden, um die destruktiven Handlungen des Kindesvaters zu stoppen. Mein Ehepartner wollte mir nach dem Beziehungsende und der darauf folgenden Trennung das Kind wegnehmen. Ohne juristische Unterstützung hätte ich keine Chance gehabt, das zu verhindern."

Mit ergeht seitens des Finanzamtes eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wie folgt als unbegründet abgewiesen wurde:
"Begründung:

Gemäß § 107 Außerstreitgesetz KÖNNEN sich in einem Verfahren über die Obsorge oder die

persönlichen Kontakte die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte "relative Anwaltspflicht". Dies bedeutet, dass sich die Parteien nicht vertreten lassen müssen (wenn sie sich aber vertreten lassen, muss dies durch einen Anwalt sein).

Mangels (absoluter) Anwaltspflicht sind die Anwaltskosten nicht zwangsläufig erwachsen und können daher leider nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden".

Mit stellt die Bf. einen Vorlageantrag in dem sie wie folgt ausführt:
"Entgegen der Auffassung der Finanzbehörde bin ich sehr wohl der Auffassung, dass die Anwaltskosten in meinem Falle zwangsläufig erwachsen sind. Das Finanzamt irrt, wenn es von Schlichtungsbemühungen in einem elterlichen Obsorgestreit ausgeht. Im gegenständlichen Fall ist die geteilte Obsorgeregelung nach wie vor gültig. Das Recht des Kindesvaters auf geteilte Obsorge ist nicht die Ursache für das konflikthafte Geschehen. Der Grund für die Inanspruchnahme von anwaltlicher Hilfe liegt im äußerst destruktiven, das Kindeswohl gefährdende Verhalten meines Expartners. Dagegen musste ich mich zum

Schutze unseres gemeinsamen Kindes zur Wehr setzen. Ohne anwaltliche Hilfe wäre mir das nicht gelungen".

Mit erfolgt die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht:
"Sachverhalt:

Die Steuerpflichtige beantragte außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in der Höhe von 10.059,10 Euro.

Dabei handelt es sich um Aufwendungen für die Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen in der Pflegschaftssache X betreffend die Festlegung der Kontaktrechte der Steuerpflichtigen und ihres Exgatten zum gemeinsamen Sohn.

In der Vorhaltsbeantwortung vom beschrieb die Steuerpflichtige die familiäre Situation, welche das Gerichtsverfahren notwendig machte. Weiters wurden in der Vorhaltsbeantwortung folgende Nachweise

vorgelegt:

*) Zahlungsnachweise der Anwaltskosten

*) Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , in welchem der von der Steuerpflichtigen beantragte Ferienkontaktregelung gefolgt wurde.

*) Schriftstück der Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen vom betreffend

Kontaktrecht/hauptsächlicher Aufenthalt.

Die außergewöhnliche Belastung wurde mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom mangels Zwangsläufigkeit nicht anerkannt. Dagegen brachte die Steuerpflichtige fristgerecht am Beschwerde ein, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurde.

Mit Schreiben vom beantragte die Steuerpflichtige fristgerecht die Vorlage der Beschwerde.

Beweismittel:

Beschluss des Bezirksgerichts Döbling

Schriftstück der Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen

Zahlungsnachweise der Anwaltskosten.

Stellungnahme:

Damit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, muss diese u.a. zwangsläufig erwachsen sein. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 EStG). Gemäß § 107 Außerstreitgesetz KÖNNEN sich in einem Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte die Parteien nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte "relative Anwaltspflicht". Das bedeutet, dass sich die Parteien nicht vertreten lassen müssen (wenn Sie sich aber vertreten lassen, muss dies durch einen Anwalt sein).
Der Steuerpflichtigen stand es daher frei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich (vgl. ).

Mangels (absoluter) Anwaltspflicht sind die Anwaltskosten nicht zwangsläufig erwachsen und können daher leider nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden".

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige beantragte außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in der Höhe von 10.059,10 Euro.

Dabei handelt es sich um Aufwendungen für die Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen in der Pflegschaftssache X betreffend die Festlegung der Kontaktrechte der Steuerpflichtigen und ihres Exgatten zum gemeinsamen Sohn E.
Die Bf. hat in Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung vom diesbezüglich ausgeführt, dass "die Obsorgeklage des Kindesvaters im Jahr 2019 nur mit anwaltlicher Hilfe von ihr abgewendet werden konnte".

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Wie die Bf. somit im Verfahren ausgeführt und durch die dem Finanzamt übermittelten Nachweise wie

*) Zahlungsnachweise der Anwaltskosten

*) Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , in welchen der von der Steuerpflichtigen beantragte Ferienkontaktregelung gefolgt wurde.

*) Schriftstück der Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen vom betreffend Kontaktrecht/hauptsächlicher Aufenthalt

belegt hat, erfolgten die Aufwendungen der Bf. für die Rechtsanwältin der Steuerpflichtigen in der Pflegschaftssache X betreffend die Festlegung der Kontaktrechte der Steuerpflichtigen und ihres Exgatten zum gemeinsamen Sohn E.

Damit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, müssen diese u.a. zwangsläufig erwachsen sein.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 EStG).
Gemäß § 107 Außerstreitgesetz KÖNNEN sich in einem Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte die Parteien nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Dabei handelt es sich um eine sogenannte "relative Anwaltspflicht". Das bedeutet, dass sich die Parteien nicht vertreten lassen müssen (wenn Sie sich aber vertreten lassen, muss dies durch einen Anwalt sein).
Der Steuerpflichtigen stand es daher frei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen.
Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind im vorliegenden Fall dem Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich.

Mangels (absoluter) Anwaltspflicht sind die Anwaltskosten somit, wie das Finanzamt in der Vorlageschrift zur Beschwerde angemerkt hat, als nicht zwangsläufig erwachsen zu qualifizieren und können daher auch nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102309.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at