Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.05.2020, RV/7104786/2017

Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO - Vorhandensein liquider Mittel zu den Fälligkeitszeitpunkten bestritten und Gleichbehandlung der Abgabenbehörde behauptet.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Karl Kittinger in der Beschwerdesache N.N., Adresse1, vertreten durch Mag. Werner Obermüller, Maderspergerstraße 22a, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf folgende Abgaben in Höhe von insgesamt € 2.412,90 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/2015
1.419,04
Lohnsteuer
01/2016
188,27
Lohnsteuer
02/2016
5,94
Körperschaftsteuer
01-03/2016
424,20
Kammerumlage
10-12/2015
36,23
Dienstgeberbeitrag
01/2016
311,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2016
27,69
Summe:
2.412,90

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin N.N. (in der Folge kurz Bf. genannt) als Haftungspflichtige gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma X-GmbH, Firmenbuchnummer ******, Adresse2, im Ausmaß von € 3.109,55 Euro in Anspruch genommen. Dieser Betrag gliedert sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/2015
1.461,85
Umsatzsteuer
01/2016
549,32
Lohnsteuer
01/2016
193,95
Lohnsteuer
02/2016
6,12
Körperschaftsteuer
01-03/2016
437,00
Kammerumlage
10-12/2015
37,32
Dienstgeberbeitrag
01/2016
320,93
Dienstgeberbeitrag
02/2016
68,45
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2016
28,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2016
6,08
Summe:
3.109,55

Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 9 und 80 BAO sowie § 1298 ABGB obliege dem, der vorgibt, dass der wirksam bestellte
Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht
entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht
eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein
Verschulden nicht entrichtet hätten werden könnten. Die Abgaben könnten bei der X-GmbH nicht eingebracht werden, weil der Konkurs bereits am nach
Schlussverteilung aufgehoben worden und die X-GmbH daher vermögenslos sei.

Die Bf. sei im Zeitraum von bis unbestritten handelsrechtliche
Geschäftsführerin der X-GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Sie sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei folgendes
festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs 1 UStG 94 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt
einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer
(Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter
entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu
berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die im Haftungsbescheid genannten Zeiträume sei die Umsatzsteuer rechtskräftig gemeldet, festgesetzt bzw. veranlagt, jedoch nicht
entrichtet worden.

In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die
Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm
obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der
Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen
werden dürfe (,0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die
Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung
standen, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig
für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im
Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten,
dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 bzw. 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des
Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre die Pflicht der Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Die Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem
Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den
Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten
Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und
abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes
Verhalten zu erblicken. (vgl. . 84/13/0085).

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person
nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters,
darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Gesellschaft die
anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde
eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die
Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe
(vgl. ; und ). Da die Bf. ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden.

Die Geltendmachung der Haftung liege auch im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich
innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb
dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigten Interessen der Partei", dem Begriff der "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlichen vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten
Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel
dann ermessenskonform sei, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner
uneinbringlich sei. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare
Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige
Einzelinteressen verdränge, habe sich das Finanzamt veranlasst gesehen, die gesetzliche
Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall auch auf das Verschulden der Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei den
Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten als Vertreter der Gesellschaft (Nichtentrichtung der angeführten Abgaben aus den Mitteln
der X-GmbH) die Uneinbringlichkeit eingetreten sei.

In der Vorhaltsbeantwortung der Bf. werde vorgebracht, dass der Monat bis durch eine angespannte finanzielle Situation gekennzeichnet gewesen sei, wobei aber die Bf. peinlich genau darauf geachtet habe, dass kein Gläubiger bevorzugt werde, um einer (strafrechtlichen) Haftung nach § 158 StGB zu entgehen.

Dem sei vom Finanzamt zu entgegnen, dass es dem Vertreter obliege den Nachweis zu
erbringen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel
andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.
Da in der Stellungnahme zum Haftungsvorhalt vom keine Unterlagen für den
Nachweis der Gläubigergleichbehandlung beigelegt worden seien, sei am ein
Ersuchen um Ergänzung an die Bf. geschickt worden mit der Bitte die Kontoauszüge der X-GmbH vom Oktober 2015 bis April 2016 vorzulegen.

Aus den Kontoauszügen ergebe sich, dass im Februar und März noch Zahlungen an
verschiedene Gläubiger (z.B. B. u. C. ...) erfolgt seien, jedoch
keine Zahlungen ans Finanzamt.
Es sei daher keine Gläubigergleichbehandlung erfolgt.
Die Lohnsteuern seien vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen.

Reichten die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mitteln zur Zahlung des vollen
vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so habe er die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988). In solchen Fallen dürften Löhne somit nicht in voller Höhe ausgezahlt werden und sie seien (wie auch andere Schuldigkeiten) anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer sei zur Gänze zu entrichten.
Die Haftung sei daher in vollem Ausmaß geltend gemacht worden.

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Gegen diesen Bescheid richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde des Bf. vom , mit welcher beantragt wird, den Bescheid vom aufzuheben und das Verfahren wegen Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO einzustellen bzw. in eventu den Bescheid aufzuheben und das Verfahren wegen Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO zu ergänzen und § 212a BAO anzuwenden und die Aussetzung der Einhebung bis zu rechtskräftigen Erledigung über die Bescheidbeschwerde anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den Forderungsanmeldungen und den dort ersichtlichen Zinsenläufen sei eindeutig die Fälligkeit der Forderungen zu erkennen sowie der Umstand, dass ab dem Tag des Zinsenlaufes die liquiden Barmittel fehlten. Somit sei aus dem Beginn des Zinsenlaufes (§§ 1333 Abs. 1, 1334 ABGB) eindeutig auf die Fälligkeit der Forderung zu schließen, das heiße, dass der Tag des Beginnes des Zinsenlaufes am Tag nach der Fälligkeit der Forderung liege.

Somit könne aus dem Beginn der Zinsenläufe der Forderungen eindeutig nachvollzogen werden, wie hoch der Schuldenstand gewesen sei, aber nicht zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung, sondern zuvor. Damit lasse sich auch nachvollziehen, ob der Haftungspflichtige zu diesen Zeitpunkten liquide Mitteln gehabt habe, um die Abgaben zu entrichten.

Betrachte man dazu die Verteilungsquote (2,5%) in Verbindung mit der Masseunzulänglichkeit, so lasse dies den Schluss zu, dass kaum verteilbares Vermögen vorhanden gewesen sei, sodass alle Gläubiger gleichbehandelt worden seien, ansonsten Straftatbestände (§§ 156, 158 StGB) aktuell sein würden. Die Bf. sei eben bemüht gewesen, alle Gläubiger gleich zu behandeln, was bei mangelnden liquiden Mitteln durch die geringe Höhe der Verteilungsquote erwiesen sei.

Ausgehend von der Argumentation des Finanzamtes müsste ein redlicher Abgabepflichtiger bereits 2015/2016 wissen, dass im Konkursverfahren (Schlussverteilung Jänner 2016) 2,5% als Verteilungsquote anzunehmen sei, ein Unding.

Dazu passe argumentativ auch der Hinweis des Finanzamtes, wonach "sich deutliche Anhaltspunkte für eine gänzliche Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zu den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht ergeben hätten, zumal im haftungsgegenständlichen Zeitraum laufend Umsätze erzielt worden seien, woraus geschlossen werden könne, dass Mittel zur zumindest anteiligen Abgabenentrichtung vorhanden gewesen seien. Auch das Finanzamt könne nicht erklären, wie sich der Prozentsatz der zu entrichtenden Abgabenhöhe ergebe, da doch 2,5% erst Jahre später feststünden. Wie sei eine korrekte anteilige Abgabenentrichtung möglich, wenn zu diesem Zeitpunkt der ANTEIL nicht errechnet werden könne. Das Finanzamt bleibe nämlich - bei pauschaler Begründung für die aus ihrer Sicht notwendige Vorgangsweise - die Erklärung schuldig, wie die richtige Anteilsberechnung erfolgen solle, wenn der Anteil nicht bekannt sei.

In seinen Ausführungen übersehe aber das Finanzamt, dass die Salden der Konten im angefragten Zeitraum ständig NEGATIV gewesen seien, sodass die Entrichtung eines weiteren Obligos dazu geführt hätte, dass der Schuldenstand noch größer geworden wäre. Selbst bei einer positiven Einstellung zu den vorgebrachten Argumenten des Finanzamtes lasse sich nicht herauslesen, dass eine Vergrößerung der Schulden (hier gegenüber der Bank) verlangt werden könne.

Somit sei der Argumentation des Finanzamtes, der Abgabepflichtige habe darzutun, dass die Bf. die Abgabenforderungen bei Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe, der Boden entzogen. Wiesich aus den eingesehenen Kontoauszügen ergebe, sei im inkriminierten Zeitraum das Konto ständig überzogen gewesen, sodass nur eine zusätzliche Überziehung des Kontos (weitere Schulden gegenüber der Bank) den vorhin angeführten Forderungen entsprechen hätte können.

Rechtlich beurteilt ergebe sich:

Es zeige das Erkenntnis des VwGH, Ra 2016/16/0063 vom , dass die Entscheidungen des Höchstgerichtes über die Fragen der Haftungen (§§ 67 Abs. 10 ASVG bzw. 9; 80 BAO) inhaltlich vergleichbar seien. So führe der VwGH zu Ra 2016/16/0063 () aus:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfährt die Haftung des Vertreters nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet nicht, dass die Behörde von jeglicher Ermittlungspflicht entbunden wäre; hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen als unmaßgeblich einzustufen sind, so hat ihn die Behörde zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr, nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens, ermöglichen, zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zu der Annahme berechtigt, dass er seiner Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (vgl. etwa 2009/16/0206, 2009/16/0108, mwN)".

Das bedeute, dass die "einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen" den obigen Ausführungen entsprechen.

Abschließend noch ein Wort zur Frage des Ermessens:

Die vom Finanzamt verwendeten Pauschalbegründungen (Wiedergabe von Rechtssätzen) würden die Rechtswidrigkeit der Ermessensübung deswegen erkennen lassen, weil die Relation der Überschuldung (mehr als 400.000 Euro) im Verhältnis zu den vorliegenden Abgabenschulden (3.100 Euro) eine Prozentzahl von 0,7 ergäbe, die vernachlässigbar wäre.

Jedenfalls sei keine Begründung (außer der Wiedergabe von Pauschalbegründungen) nachvollziehbar.

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Mit Bechwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Haftung hinsichtlich der folgenden um die Verteilungsquote von
2,928717695040041% verminderten Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht wurde:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/2015
1.419,04
Umsatzsteuer
01/2016
533,23
Lohnsteuer
01/2016
188,27
Lohnsteuer
02/2016
5,94
Körperschaftsteuer
01-03/2016
424,20
Kammerumlage
10-12/2015
36,23
Dienstgeberbeitrag
01/2016
311,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2016
27,69
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2016
5,90
Summe:
2.952,03

Nach Zitieren der Bezug habenden Gesetzesbestimmungen führt die Abgabenbehörde aus, aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten. Die Abgaben könnten bei der X-GmbH nicht eingebracht werden, weil der Konkurs bereits am nach Schlussverteilung aufgehoben worden und die X-GmbH daher vermögenslos sei.

Die Bf. sei im Zeitraum von bis unbestritten handelsrechtliche
Geschäftsführerin der X-GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Sie sie sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Die umseitig angeführten Abgaben in Höhe von insgesamt € 2.952,03 seien nicht aus
den Mitteln der X-GmbH entrichtet worden, worin eine Pflichtverletzung zu sehen sei. Die Pflichtverletzung indiziere die Rechtswidrigkeit.

In der Beschwerde werde nun von der Bf. durch ihren Vertreter ausgeführt, dass aufgrund der Masseunzulänglichkeit in Verbindung mit einer Verteilungsquote von 2,5% geschlossen werden könne, dass kaum verteilbares Vermögen vorhanden gewesen sei, sodass eine Gleichbehandlung aller Gläubiger gegeben sei.
Weiters werde vorgebracht, dass die Konten ständig negativ gewesen seien, sodass die
Entrichtung eines weiteren Obligos dazu geführt hätte, dass die Schuldenstände noch größer geworden wären.

Dem sei vom Finanzamt zu entgegnen, dass der X-GmbH von der Bank ein
gewisser Rahmen zur Tilgung von Schulden anderer Gläubiger zur Verfügung gestanden sei, der auch in den Monaten Februar und März 2016 noch zur Tilgung anderer Gläubiger (wie z. B. B. und C. ...) genutzt worden sei. Dem Finanzamt seien jedoch im gleichen Zeitraum keine Zahlungen geleistet worden, woraus eine Ungleichbehandlung der Gläubiger zu ersehen sei.

Die Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Reichten die dem
Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mitteln zur Zahlung des vollen vereinbarten
Arbeitslohnes nicht aus, so habe er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung
gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988).
In solchen Fallen dürften Löhne somit nicht in voller Höhe ausgezahlt werden und seien (wie auch andere Schuldigkeiten) anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer sei zur Gänze zu entrichten.

Die Geltendmachung der Haftung liege auch im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter
Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff
"Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigten Interessen der Partei", dem Begriff der
"Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben
mit allen gesetzlichen vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten
Besicherungszweck der Haftung folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel
dann ermessenskonform sei, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner
uneinbringlich sei. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare
Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige
Einzelinteressen verdränge, habe sich das Finanzamt veranlasst gesehen, die gesetzliche
Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall
auch auf das Verschulden der Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei den
Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen.

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Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf. eine mündliche Verhandlung in Senatsbesetzung, den Bescheid vom aufzuheben und das Verfahren wegen Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO einzustellen bzw. in eventu den Bescheid aufzuheben und das Verfahren wegen Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO bei Prüfung der Ermessensentscheidung zu ergänzen.

Zur Begründung werde auf die Bescheidbeschwerde und die dort ausgeführte Begründung verwiesen.

Der Hinweis des Finanzamtes im bekämpften Bescheid = Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15, Schwechat und Gerasdorf zu St Nr.: ***** vom , wonach sich deutliche Anhaltspunkte für eine gänzliche Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zu den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht ergeben würden, zumal im haftungsgegenständlichen Zeitraum laufend Umsätze erzielt worden seien, woraus geschlossen werden könne, dass Mittel zur zumindest anteiligen Abgabenentrichtung vorhanden gewesen seien, sei deswegen illusorisch, weil tatsächlich Masseunzulänglichkeit bestanden habe, ein Argument, dass das Finanzamt völlig ausblende.

Denke man die Argumente des Finanzamtes weiter, so würde verlangt, die Schulden zu erhöhen, um die Abgaben zu entrichten, wobei aber zu diesem Zeitpunkt der prozentuelle Anteil nicht feststehe.

Somit sei der Argumentation des Finanzamtes, der Abgabepflichtige habe darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe, der Boden entzogen, weil die Mittel nicht vorhanden gewesen seien.

Wie sich aus den eingesehenen Kontoauszügen ergebe, sei im inkriminierten Zeitraum das Konto ständig überzogen gewesen, sodass nur eine zusätzliche Überziehung des Kontos (weitere Schulden gegenüber der Bank) den vorhin angeführten Forderungen entsprechen hätte können.

Abschließend noch ein Wort zur Frage des Ermessens:

Die vom Finanzamt verwendeten Pauschalbegründungen (Wiedergabe von Rechtssätzen) liesen die Rechtswidrigkeit der Ermessensübung deswegen erkennen, weil die Relation der Überschuldung (mehr als 400.000 Euro) im Verhältnis zu den vorliegenden Abgabenschulden (3.100 Euro) eine Prozentzahl von 0,7 ergebe, die vernachlässigbar sei. Jedenfalls sei keine Begründung (außer der Wiedergabe von Pauschalbegründungen) nachvollziehbar. Dazu komme, dass die Frage des Verschuldens zwar angedacht, aber nicht begründet sei.

Worin solle ein Verschulden liegen, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe die Prozentzahl der notwendigen Reduktion nicht bekannt sei?

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Mit Schriftsatz vom zog die Bf. durch ihren steuerlichen Vertreter die Anträge auf Senatsentscheidung und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten war die Bf. im Zeitraum ab bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Fa. X-GmbH mit Beschluss des Landesgerichtes A. vom , Zl. ******, deren allein vertretungsbefugte Geschäftsführerin und sie zählt damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter, die gemäß § 9 Abs. 1 BAO bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zur Haftung herangezogen werden können.

Das über das Vermögen der Primärschuldnerin Fa. X-GmbH eröffnete Konkursverfahren wurde mit Beschluss desselben Gerichtes vom mangels Kostendeckung aufgehoben. Am erfolgte die amtswegige Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch. Die unbestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht damit fest.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Es wäre im gegenständlichen Fall an der Bf. gelegen den Nachweis zu erbringen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen (vgl. z.B. ).

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , 2008/15/0220 und 2008/15/0263, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen.

Die Bf. hat im gegenständlichen Haftungsverfahren - trotz diesbezüglichen Hinweis im angefochtenen Haftungsbescheid - eine Gleichbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten mit den übrigen Verbindlichkeiten zwar behauptet und vorgebracht, dass sie bemüht gewesen sei, die Gläubiger gleich zu behandeln, jedoch keinen Gleichbehandlungsnachweis erbracht.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der Abgabenvorschriften zu entrichten gewesen wären (zB ; ; ). Bei Selbstbemessungsabgaben (zB Umsatzsteuervorauszahlungen, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (zB ; ; ). Maßgebend ist somit der Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Abgabe, unabhängig davon, wann sie bescheidmäßig festgesetzt wird (vgl. zB ; ).

Bereits mit Haftungsvorhalt vom wurde der Bf. unter Punkt 5.) Folgendes vorgehalten:

"5. Sofern die X-GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben
nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der X-GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger), geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.

Es steht Ihnen frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der X-GmbH auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter, Nachweise dafür, wie viele Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der X-GmbH noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der X-GmbH ist. Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB 2005/15/0114)."

Die Bf. wurde somit bereits vor Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides aufgefordert, einen auf die jeweiligen Fälligkeitstage der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bezogenen Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen, sie hat jedoch einen derartigen - von der Abgabenbehörde geforderten - Nachweis nicht einmal ansatzweise erbracht. Es wäre daher an der Bf. gelegen, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen die Finanzverbindlichkeit den übrigen Schulden gegenüberzustellen, den Anteil der Finanzverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten zu berechnen (=Quote) und darzustellen, inwieweit die Abgabenbehörde gegenüber den anderen Gläubiger quotenmäßig bei Verwendung der vorhandenen liquiden Mittel benachteiligt wurde. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist sie nicht dadurch von der Haftung befreit, dass sie insolvenzrechtliche Vorschriften im Bezug auf Gläubigergleichbehandlung eingehalten und damit keine Straftatbestände (§§ 156, 158 StGB) verwirklicht hat. Im Zusammenhang mit der Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO ist im Zusammenhang mit uneinbringlich aushaftenden Selbstbemessungsabgaben ausschließlich die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen relevant.

Zutreffend ist das Vorbringen der Bf. unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ), dass die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers nicht bedeutet, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (siehe auch , , 0038). Wie bereits ausgeführt, hat die Bf. jedoch - trotz diesbezüglicher Aufforderung durch die Abgabenbehörde und auch Hinweis im angefochtenen Bescheid - einen von der Abgabenbehörde geforderten Gleichbehandlungsnachweis nicht einmal ansatzweise zu ihrer Entlastung erbracht, sodass die Behörde nicht gehalten war, von ihr entsprechende Präzisierungen und Beweise abzufordern.

Unstrittig ist, dass zu den hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkten ( und ) nicht ausreichend liquide Mittel zur vollen Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten vorhanden waren, was die Bf. selbst unter Verweis auf die geringe Höhe der Verteilungsquote (2,5%) und das Bemühen der Bf., alle Gläubiger gleich zu behandeln, vorbringt. Es wäre daher im Sinne der oben zitierten Judikatur die Verpflichtung der Bf. gewesen, die Abgabenschuldigkeiten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes quotenmäßig gleichmäßig zu befriedigen, und dies der Abgabenbehörde auch darzulegen.

Dass tatsächlich liquide Mittel zu einer zumindest quotenmäßigen Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten vorhandenen waren, zeigt sich aus den von der Bf. nach Aufforderung durch die Finanzbehörde vorgelegten Kontoauszügen, aus denen Zahlungen der Bf. an diverse Gläubiger (B., D., C., E., F., G. etc.) bis ersichtlich sind.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen der Bf. wäre ein pflichtgemäßes Verhalten nicht darin gelegen, die Schulden einseitig zugunsten des Finanzamtes zu erhöhen und so die Abgabenschuldigkeiten (bevorzugt) zu bedienen, sondern die für die Zahlungen an die genannten Gläubiger verwendeten liquiden Mittel auch quotenmäßig anteilig für die Zahlung der Abgabenverbindlichkeiten zu verwenden.

Zum Vorbringen der Bf., ausgehend von der Argumentation des Finanzamtes hätte ein redlicher Abgabepflichtiger bereits 2015/2016 wissen müssen, dass im Konkursverfahren (Schlussverteilung Jänner 2016) 2,5% als Verteilungsquote anzunehmen sei, ist auszuführen, dass das von der Abgabenbehörde nie behauptet wurde. Die Höhe der im Konkurs ermittelten Quote ist völlig irrelevant, weil die Gläubigergleichbehandlung und die Ermittlung der bei Gleichbehandlung der Gläubiger zu entrichtenden Quotenzahlung an das Finanzamt sich jeweils auf die Fälligkeitstage der Abgabenschuldigkeiten zu beziehen hat.

Da sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den vorgelegten Kontoauszügen der Primärschuldnerin, Hinweise auf das Vorhandensein liquider Mittel lediglich bis zum ergeben und danach keinerlei Zahlungen mehr geleistet wurden, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass zum Fälligkeitstag keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren und der Bf. eine schuldhafte Pflichtverletzung im Bezug auf die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 01/2016, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 02/2016 nicht vorwerfbar ist. Für diese Abgabenschuldigkeiten war daher von einem Haftungsausspruch in teilweiser Stattgabe der Beschwerde Abstand zu nehmen.

In Bezug auf die haftungsgegenständlichen Beträge an Lohnsteuer ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegt und der Arbeitgeber nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 dann, wenn die Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Bruttoarbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigen Betrag zu berechnen und einzubehalten hat, woraus nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass die Ausbezahlung von Löhnen ohne korrekter Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer in jedem Falle eine Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht darstellt (vgl. z.B. und ).

Unstrittig wurden für die Monate Jänner und Februar 2016 noch (teilweise) Löhne ausbezahlt, die Lohnsteuer dafür aber nicht entrichtet. Bei pflichtgemäßen Verhalten hätte die Bf. somit die Auszahlung der Löhne so kürzen müssen, dass mit den vorhandenen Mittel auch noch die Entrichtung der Lohnsteuer möglich gewesen wäre. Da dies unterblieben ist, liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung vor.

Die Abgabenbehörde ist daher insgesamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung hinsichtlich der aus dem Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses ersichtlichen Abgabenschuldigkeiten ausgegangen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall (vgl. z.B. , 96/15/0049 und ).

Ermessen

Die Heranziehung der Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei" dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabe" beizumessen ().

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die Haftungsinanspruchnahme der Bf. die einzige Möglichkeit der Einbringlichmachung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten darstellt.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Wenn die Rechtswidrigkeit der Ermessensübung einwendet, weil die Relation der Überschuldung (mehr als 400.000 Euro) im Verhältnis zu den vorliegenden Abgabenschulden (3.100 Euro) eine Prozentzahl von 0,7 ergebe, die vernachlässigbar sei, so ist ihr dazu zunächst entgegen zu halten, dass darin keinen Billigkeitsgrund im Interesse der Bf. liegt, sondern dieses Vorbringen die quotenmäßige Gleichbehandlung der Gläubiger und somit die schuldhafte Pflichtverletzung betrifft.

Die Haftungsinanspruchnahme der Bf. im Umfang der aus dem Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses ersichtlichen uneinbringlich aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Fa. X-GmbH erweist sich daher als rechtskonform, zumal hier Zweckmäßigkeitserwägung dahingehend, dass sie die einzige Möglichkeit der Einbringung der gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten darstellt und somit die von der Bf. nicht vorgebrachten Billigkeitserwägungen jedenfalls überwiegen.

Der Ausspruch der Haftung der Bf. für die aus dem Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses ersichtlichen, derzeit noch uneinbringlich aushaftenden Abgabenschuldigkeit der Primärschuldnerin Fa. X-GmbH in Höhe von insgesamt € 2.412,90 erweist sich daher als rechtmäßig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der Rechtsprechung des VwGH ab und hatte auch die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104786.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at