Geschäftsführerhaftung, Verjährungseinrede, Herabsetzung im Ermessen wegen langer Dauer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Bonafide Treuhand- und Revisions GmbH, Berggasse 10, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung für die Kapitalertragsteuer 2001 auf € 20.000,00 herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Haftungsprüfungsvorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer (Bf.) um Mitteilung betreffend den Abgabenrückstand der G-1 um Darlegung der Gründe, warum er als verantwortlicher Geschäftsführer im Zeitraum vom D-1 bis D-2 nicht für die Abfuhr der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft gesorgt habe. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem Haftungspflichtigen, dem Finanzamt zu beweisen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung bei der Abfuhr von Abgabenschuldigkeiten vorliege.
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In Beantwortung des Vorhaltes gab der Bf. am bekannt, dass es richtig sei, dass er in der Zeit vom D-1 bis D-2 Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen sei.
Der Hauptbetrag des Abgabenrückstandes, nämlich die Kapitalertragsteuer 2001 in Höhe von € 50.708,54 resultiere aus einem Betriebsprüfungsverfahren, welches im Jahr 2003 durchgeführt worden sei und in welchem betreffend das Steuerjahr 2001 die Frage einer verdeckten Ausschüttung releviert worden sei.
Die GmbH habe gegen diese Bescheide aufgrund der Betriebsprüfung Berufung eingebracht und habe der UFS zur Zahl RV/1116-W/04 bzw. RV/0921-W/04 eine abweisende Berufungsentscheidung erlassen, welche die Gesellschaft mit Beschwerde vom beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft habe. Dieses Verfahren sei zur Zahl 2008/13/0154 noch immer anhängig und sei zu erwarten, dass der VwGH im heurigen Jahr darüber entscheiden werde.
Jedenfalls stehe fest, dass ein Verteilungsfonds für die Zahlung der Kapitalertragsteuer des Jahres 2001 naturgemäß nicht habe vorhanden sein können, weil im Zeitpunkt des Ankaufs und Verkaufs der Liegenschaft, die beide im Jahre 2001 stattgefunden hätten, nicht habe bekannt sein können, dass zwei Jahre später aufgrund einer Betriebsprüfung hier Sachverhalte vollkommen unberechtigterweise angenommen würden, die eine Kapitalertragsteuer in der Höhe hätten verursachen können.
Aus diesem Grund bestehe auch kein Sachverhalt, der eine Geschäftsführerhaftung im Sinne der §§ 9 und 80 BAO verursachen könnte.
Dessen ungeachtet dürfe der Bf. anregen, abzuwarten, bis der der VwGH in dieser Sache entschieden habe, da dann, wenn er die von der Gesellschaft bekämpfte Berufungsentscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben sollte, ohnedies eine vollkommen andere Sachlage bestehe.
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Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom D-3 wurde der über das Vermögen der Gesellschaft beantragte Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet.
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Mit Bescheid vom wurde der Bf. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als ehemaliger Geschäftsführer der G-1 für die Kapitalertragsteuer 2001 in der Höhe von € 51.888,40 zur Haftung herangezogen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.
Der Bf. sei vom D-1 bis D-2 Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für die nachgeforderte Kapitalertragsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 96 EStG diese einzubehalten und innerhalb einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge an das Finanzamt zu entrichten gewesen wäre. Auf das Vorhalteverfahren werde verwiesen.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ausdrücklich Verjährung ein, da es sich um Sachverhalte des Jahres 2001 gehandelt habe. Aus diesem Grund bestehe sowohl Einhebungs- als auch Festsetzungsverjährung.
Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass er im Zeitraum seines Ausscheidens als Geschäftsführer, nämlich am D-2, seinem Nachfolger die entsprechenden Geldmittel für diesen Kapitalertragsteuerbetrag übergeben habe und im damaligen Zeitraum noch keine Rückzahlung zu leisten gewesen sei.
Da aber sämtliche Voraussetzungen des § 238 BAO vorlägen, nämlich die genannte Frist von 5 Jahren unzweifelhaft abgelaufen sei, erscheine der angefochtene Bescheid rechtswidrig.
Überdies werde auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen, mit welcher über seine Haftung rechtskräftig entschieden worden sei.
Es sei bestenfalls eine quotenmäßige Haftungsinanspruchnahme denkmöglich und verweise der Bf. diesbezüglich auf seine Eingabe vom , in welcher er die entsprechenden Daten der Finanzbehörde mitgeteilt habe.
Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Kapitalertragsteuer auf das Jahr 2001 beziehe, d.h. auf eine Steuer, die vor 14 Jahren entstanden sei.
Im Übrigen verweise er auch auf die Entscheidung des , wonach die Haftung 5 Jahre nach Auflösung der Gesellschaft ende, was im gegenständlichen Fall vorliege, denn die Gesellschaft sei zwischenzeitig liquidiert.
Der Bf. beantrage daher dessen ersatzlose Aufhebung.
lm Falle der direkten Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantrage er die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Durchführung einer Senatsentscheidung.
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Mit ergänzendem Schriftsatz vom führte der Bf. aus:
Obwohl längst ein rechtskräftiger Bescheid gegenüber der GmbH bestanden habe, habe die Finanzbehörde keinerlei wie immer geartete Einhebungsschritte weder gegen die Gesellschaft noch den Gesellschafter gesetzt, denn es müsse bedacht werden, dass an und für sich für die nicht abgeführte Kapitalertragsteuer der Gesellschafter P-1 gehaftet hätte, sodass es nicht nur unbillig, sondern auch rechtswidrig erscheine, den Bf. nunmehr 12 Jahre später in Haftung zu ziehen.
Dabei erlaube er sich, auch noch auf das bereits in der Eingabe vom zitierte Erkenntnis des , zu verweisen; gleichfalls auf den , BMF-010200/0015-VI/1/2015.
Da somit alle relevanten Fristen sowohl bezüglich Festsetzungs- als auch Einhebungsverjährung abgelaufen seien, sei der angefochtene Bescheid zweifellos rechtswidrig.
Hätte nämlich die Abgabenbehörde entweder bei der GmbH oder beim Gesellschafter P-1 tatsächlich Einbringungsmaßnahmen gesetzt, wäre die Abgabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entrichtet worden, zumal insbesondere bei der GmbH im Jahr 2003 eine durchaus positive Vermögenslage bestanden habe und werde hilfsweise beantragt, in das Rechenwerk zum Einsicht zu nehmen.
Schließlich sei noch anzuführen, dass der Bf. im Sinne des § 9 BAO nur dann hafte, wenn er seine Aufgaben schuldhaft verletzt habe, was jedoch in keiner Weise vorliege, sodass auch aus diesem Grund eine Haftung seinerseits nicht gegeben sei. Dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Gesetzesbestimmung des § 9 BAO eine Ausfallshaftung normiere (; ; ; ). Weiters sei anzuführen, dass die Haftung nur subsidiär geltend gemacht werden könne, nämlich erst dann, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei dem (außerhalb des § 9) Haftenden eindeutig feststehe (; ; ). Dies auch unter Bedachtnahme des Umstandes, dass bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, was im gegenständlichen Fall vorliege, grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend sei ().
Schließlich komme noch dazu, dass die vom Gesetz geforderte Kausalität zwischen einer allfälligen schuldhaften Pflichtverletzung, die ohnedies nicht vorliege, und dem Abgabenausfall vorliegen müsse. Dies sei jedoch auch im gegenständlichen Fall keinesfalls gegeben.
Abschließend werde noch gerügt, dass die Ermessensübung, welche bei Anwendung des § 9 BAO anzuwenden sei, in keiner Weise stattgefunden habe, da im angefochtenen Bescheid über einen allfälligen Grad seines angeblichen Verschuldens nicht abgesprochen worden sei (; ).
Des Weiteren sei auch nicht berücksichtigt worden, welchen Grad des Mitverschuldens die Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der Abgabe treffe (). Und schließlich sei offensichtlich auch die Unbilligkeit angesichts lang verstrichener Zeit nicht berücksichtigt worden (, 91/13/0038; ).
Der Bf. wiederhole daher seinen Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides und beantrage vorsorglich im Falle der Vorlage an das Finanzgericht die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Durchführung einer Senatsentscheidung.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und unter Zitierung der gesetzlichen Bestimmungen des § 238 BAO ausgeführt:
Unbestritten sei die auf dem Abgabenkonto der gegenständlichen Firma rückständige Kapitalertragsteuer bei der GmbH uneinbringlich. Eine schuldhafte Pflichtverletzung wegen der Nichtentrichtung liege vor, da die Kapitalertragsteuer vor Auszahlung des Kapitalertrages einzubehalten und an das Finanzamt zu entrichten gewesen wäre.
Das Abgabenrecht räume die Möglichkeit ein, für jede einzelne uneinbringliche Abgabe innerhalb der Verjährungsfrist im Bedarfsfalle einen Haftungsbescheid zu erlassen. Die Abgaben müssten nicht in einem einzigen Haftungsbescheid zusammengefasst werden.
Nachweislich sei eine Berufungsvorentscheidung über die Kapitalertragsteuer des Jahres 2001 am ergangen. Am sei die Aussetzung der Einhebung beendet worden. Die bewilligten Zahlungserleichterungen vom , , und sowie der Abweisungsbescheid vom hätten die Verjährungsfrist unterbrochen.
Im Fragenvorhalt vom sei die beabsichtigte Haftung für die Kapitalertragsteuer des Jahres 2001 bereits bekanntgegeben worden. In der Antwort vom habe der Bf. dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Höhe der Abgabenschuld wegen einer unerledigten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht feststehe. Die einzelnen Abgaben seien nicht angeführt worden. Jedoch sei aus der Textierung zu erkennen gewesen, dass es sich hauptsächlich um die Kapitalertragsteuer des Jahres 2001 handle. Deshalb hätte mit der Ausfertigung des Haftungsbescheides zugewartet werden sollen. Folglich sei im Haftungsbescheid vom die Kapitalertragsteuer für das Jahr 2001 nicht erfasst gewesen.
Die Verjährung sei somit nicht eingetreten.
Letztlich sei die abweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/13/0154, durch Ermittlung des hieramtlichen Fachbereiches beim Verwaltungsgerichtshof in Erfahrung gebracht und folglich auch der angefochtene Haftungsbescheid erlassen worden.
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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde in keiner Weise begründet werde, wodurch ein Begründungsmangel vorliege.
So hätte die Finanzbehörde nachstehende Umstände zu prüfen gehabt:
1. seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. z.B. ; ).
2. den Grad seines Verschuldens (vgl. z.B. ; ).
3. Berücksichtigung des Mitverschuldens der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der betroffenen Abgabenschuld (vgl. z.B. ).
4. Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit (vgl. , 91/13/0038; ).
5. Das vertragliche Innenverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Haftenden (vgl. /999).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausspreche, sei die Ermessensübung zu begründen (z.B. ; ; ; ). Indem die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidung in keiner Weise begründet habe, sei es ihm auch derzeit nicht möglich, ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten, und sei nach seinem Dafürhalten der angefochtene Bescheid schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Finanzbehörde habe aber auch die Bestimmungen des § 115 BAO aufs Gröbliche aus nachstehenden Gründen missachtet:
Bisher habe nämlich die Finanzbehörde sein Vorbringen überhaupt nicht dergestalt überprüft, wonach der Bf. im Zeitpunkt seines Ausscheidens als Geschäftsführer (per D-2) seinem Nachfolger ausreichend liquide Mittel überlassen habe, sodass dieser jederzeit die Kapitalertragssteuerschuld entrichten hätte können.
Wie sich aus dem Firmenbuch ergebe, seien die Bilanzen ab der Gründung der Gesellschaft im Jahr 1997 bis zum Stichtag beim Firmenbuch aufliegend, sodass sich die Finanzbehörde jederzeit einen entsprechenden Überblick verschaffen hätte können.
Warum die Finanzbehörde keinerlei Sicherungsmaßnahmen seit dem Jahre 2004 für den Abgabenanspruch eingeleitet habe, bleibe im Dunkeln und müsste von dieser wohl sach- und fachgerecht begründet werden, warum dies nicht geschehen sei, weil der Bf. durch diese Vorgangsweise der Finanzbehörde grob benachteiligt sei, zumal er, wie bereits dargelegt, seit D-2 nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei und daher auch seit diesem Zeitpunkt keinerlei Einfluss auf die Geldgebarung der Gesellschaft nehmen habe können.
Wenn nun weiters argumentiert werde, es habe die Finanzbehörde vermutet, dass sich sein Schreiben vom (gemeint wohl ) auf die Kapitalertragsteuer beziehe und daraus der Schluss gezogen werde, im Haftungsbescheid vom sei deswegen die Kapitalertragsteuer nicht erfasst worden, so liege hier zweifellos ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, der den Unbilligkeitstatbestand noch wesentlich verstärke. Es wäre wohl an der Finanzbehörde gelegen, dann, wenn sie Zweifel zum Inhalt eines Schreibens habe, diese mittels Vorhaltes zu klären.
Im Übrigen vermenge die Finanzbehörde in unzulässiger Weise die Verjährung gegenüber der Gesellschaft und die Verjährung gegenüber seiner Person als ehemaligen Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Zweifellos sei gegen den Bf. die Festsetzungsverjährung im Sinne des § 238 BAO eingetreten, da die diesbezügliche Frist von 5 Jahren wohl abgelaufen sei, denn erst mit Haftungsbescheid vom , also rund 14 Jahre nach dem Fälligwerden der Kapitalertragsteuer sei er in Haftung gezogen worden. Somit erscheine der angefochtene Bescheid auch in dieser Hinsicht rechtswidrig.
Abschließend beantragte der Bf. erneut die Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides sowie die Durchführung einer Senatsentscheidung und die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
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Mit Schreiben vom übermittelte der steuerliche Vertreter des Bf. eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung vom , welche in Rechtskraft erwachsen sei. Wie man daraus ersehen könne, seien Kapitalertragsteuerbeträge der Jahre 2005 und 2007 sowie Umsatzsteuerbeträge 2005-2007 als nicht der Organhaftung iSd § 9 BAO unterliegend angesehen worden.
Es sei daher kein sachlicher und rechtlicher Grund erkennbar, warum dies nicht auch für die Kapitalertragsteuer 2001 so zu betrachten sei, denn offenbar sei bereits das Finanzamt der Meinung gewesen, dass eine schuldhafte Verletzung der Pflichten des Bf. nicht vorgelegen sei und in rechtlicher Sicht zweifellos eine Teilung dergestalt, dass für einen nicht unwesentlichen Teil an Steuerbeträgen keine schuldhafte Verletzung vorliege und für eine andere Steuer, nämlich die Kapitalertragsteuer 2001, ein Verschulden vorgelegen sein solle, nicht vorgenommen werden könne.
Dies erscheine ihm äußerst bedenklich in rechtlicher Hinsicht.
Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass es an der Behörde liege, den Nachweis für eine schuldhafte Verletzung der Steuerpflichten des Organs die Beweismittel darzulegen, was bisher nicht geschehen sei und einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle.
Bei der gegenständlichen Sachlage und in Anbetracht des Umstandes, dass es sich um eine Steuer aus dem Jahre 2001 handle, werde es wohl auch aus diesem Grund ratsam sein, den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich aufzuheben, zumal auch die Frage der Verjährung immanent sei und auch die überlange Verfahrensdauer wesentlich erscheine.
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Mit Schreiben vom übermittelte der steuerliche Vertreter ein Erkenntnis der Finanzstrafbehörde vom , mit dem das gegen den Bf. geführte Finanzstrafverfahren wegen (versuchter) Abgabenhinterziehung von Kapitalertragsteuer und Umsatzsteuer 2005-2007 gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG eingestellt worden sei, da der Beschuldigte die Tat nicht begangen habe.
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Mit Schriftsatz vom zog der Bf. die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Abgabenanspruch
Zur Haftung in Anspruch genommen wurde der Bf. hinsichtlich der mit Bescheid vom für den Zeitraum 1998 bis 2001 festgesetzten Kapitalertragsteuer 2001.
Diese Abgabe ergab sich aus den Feststellungen einer abgabenbehördlichen Betriebsprüfung über eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter P-1, der eine Liegenschaft in A-2 nach Errichtung eines Einfamilienhauses zunächst als Hauptwohnsitz nutzte und in der Folge mit Kaufvertrag vom an die G-1, deren Gesellschafter er im Zeitraum vom D-4 bis D-5 war, um ATS 6.862.000,00 verkaufte, die diese Liegenschaft schließlich am um einen Kaufpreis von lediglich ATS 4.900.000,00 weiterverkaufte. Die Differenz von ATS 1.962.000,00 sah die Betriebsprüfung darin begründet, dass beim Ankauf der Liegenschaft dem Verkäufer ein überhöhter Kaufpreis gezahlt wurde, der seine Wurzeln im Gesellschafterstatus des Veräußerers hatte und nicht fremdüblich war. Da dieser überhöhte Preis eine Vorteilsgewährung an den Gesellschafter P-1 darstellte, war diese als verdeckte Gewinnausschüttung im Jahr 1999 anzusehen.
Darüber hinaus stellte die Betriebsprüfung weitere verdeckte Ausschüttungen aus Aufwendungen der Gesellschaft, die nicht betrieblich veranlasst waren, in den Jahren 1998-2001 fest.
Im Rechtsmittelweg wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung am , RV/1116-W/04, ab, die Behandlung der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss vom , 2008/13/0154, abgelehnt.
Gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 hat der Abzugsverpflichtete die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen.
Die Kapitalertragsteuer ist gemäß § 96 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge abzuführen.
Dem Empfänger der Kapitalerträge ist gemäß § 95 Abs. 5 EStG 1988 (in der am gültigen Fassung) die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.
Vorauszuschicken ist, dass die der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer 2001 zugrundeliegenden verdeckten Ausschüttungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter P-1 (D-7 bis D-6) und den Bf. (D-8 bis D-9) die Jahre 1998-2001 betreffen.
Zu den Hinweisen des Bf. auf das Erkenntnis des , sowie den , BMF-010200/0015-VI/1/2015, die allerdings nicht weiter konkretisiert wurden, ist festzustellen, dass sowohl nach dem Erkenntnis des BFG als auch nach dem genannten Erlass des Finanzministeriums die Kapitalertragsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen zwingend vorrangig an den Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben war.
Auch nach der früheren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich beide stützten, war die Vornahme verdeckter Ausschüttungen vielmehr ein klassischer Anwendungsfall der zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme der Gesellschaft vom gültigen Gesetzesbestimmung des § 95 Abs. 5 EStG (nunmehr § 95 Abs. 4 EStG), da das Wesen verdeckter Ausschüttungen doch gerade darin besteht, die Zuwendung von Vorteilen an die Gesellschafter nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen und auch keine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge vorzunehmen ().
Allerdings ist der genannte Erlass unter Änderung der bisherigen (zur am gültigen) Verwaltungspraxis (Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge oder an die ausschüttende Gesellschaft im Ermessen) ergangen und wurde diese Rechtsansicht bereits durch den , BMF-010203/0276-VI/1/2015, wieder geändert, da mittlerweile auch der VwGH von seiner bisherigen Judikatur abging, weshalb es nunmehr wieder im Ermessen liegt, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt. Da abgabenrechtliche Haftungen nach ständiger Rechtsprechung den Bestand einer Abgabenschuld voraussetzen, nicht aber, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber bereits geltend gemacht wurde, stößt es grundsätzlich auf keine Bedenken, die ausschüttende GmbH zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen (; ).
Darüber hinaus judiziert nunmehr auch das Bundesfinanzgericht, dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist und nur ausnahmsweise der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen wird (; ; ; ; ).
Das vom Bf. herangezogene Erkenntnis steht daher nicht mehr im Einklang mit der seit dem Erkenntnis des , und dem , BMF-010203/0276-VI/1/2015, bestehenden Rechtsansicht.
Im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2001 am war daher herrschende Rechtsansicht, die lediglich im Zeitraum vom (VwGH 2008/15/0170) bis (Änderung des BMF-Erlasses vom ) davon abwich, dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist.
Akzessorietät
Da die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen als Einhebungsmaßnahme unter anderem voraussetzt, dass nach dem Grundsatz der materiellen Akzessorietät eine Abgabenschuld entstanden, aber noch nicht erloschen ist (, 0440), worauf auch noch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen ist (), war die Haftungsinanspruchnahme einzuschränken, da die Kapitalertragsteuer 2001 nunmehr aufgrund zwischenzeitiger Verrechnungen mit sonstigen Gutschriften lediglich mit einem Betrag von € 50.708,54 aushaftet.
Uneinbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit bei der selbst lediglich haftungspflichtigen G-1 fest, da mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom D-3 der über ihr Vermögen beantragte Konkurs mangels kostendeckenden Verfahrens nicht eröffnet und die Gesellschaft am D-10 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.
Dem Vorbringen des Bf., dass die Haftung erst dann geltend gemacht werden könne, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei allen Gesamtschuldnern eindeutig feststehe, war zu folgen, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Haftungspflichtige nur unter der Voraussetzung haftet, dass der unberichtigte Rückstand weder beim ursprünglichen Abgabenschuldner noch bei demjenigen einbringlich ist, der nach den Abgabenvorschriften (uneingeschränkt) als Gesamtschuldner in Betracht kommt (; ).
Gesamtschuldner der Kapitalertragsteuer 2001 sind sowohl die Gesellschaft als Haftungspflichtige (aufgrund der Geltendmachung der Haftung mit Bescheid vom ) und die beiden Gesellschafter P-1 und Bf. als Empfänger der Kapitalerträge und damit gemäß § 95 Abs. 1 EStG (nicht bescheidmäßig herangezogene) Primärschuldner.
Gemäß § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.
Da aufgrund des Eintritts der absoluten Verjährung auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2001, der verdeckte Ausschüttungen der Jahre 1998-2001 zugrunde liegen, eine erstmalige Geltendmachung der haftungsgegenständlichen Abgabe bei den Primärschuldnern nicht mehr möglich ist, kann diese somit bei allen Gesamtschuldnern (außerhalb der Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO) nicht mehr einbringlich gemacht werden.
Vertreterstellung
Unbestritten ist auch, dass der Bf. im Zeitraum vom D-1 bis D-2 Geschäftsführer der genannten GmbH war.
Verjährung
Das Vorbringen des Bf., dass die Haftung 5 Jahre nach Auflösung der Gesellschaft ende, geht ins Leere, da die dazu ins Treffen geführte Berufungsentscheidung des , wonach nicht § 238 BAO zur Anwendung komme, sondern § 159 Abs. 1 UGB, und die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft oder nach dem Ausscheiden des Gesellschafters verjähren würden, eine Haftung von Gesellschaftern von Personengesellschaften gemäß § 12 BAO betrifft, deren Umfang sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richtet, der Bf. mit dem angefochtenen Bescheid jedoch zur Haftung nach § 9 BAO herangezogen wurde.
Die Rechtsrichtigkeit der judizierten Rechtsansicht des Unabhängigen Finanzsenates - da sich gemäß § 12 BAO nur der Umfang der Haftung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes richtet - mag somit dahingestellt bleiben, zumal die Gesellschaft laut Firmenbuch am D-3 infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde und der Haftungsbescheid vom daher ohnehin noch innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 159 UGB erging.
Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Erlassung von Haftungsbescheiden eine Einhebungsmaßnahme dar, welche (nur) innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig ist ().
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gemäß § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist (…) bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. (…)
Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (…).
Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte.
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Die Verjährung ist gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO ist gehemmt, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist.
Dem Einwand des Bf., dass die haftungsgegenständliche Abgabe festsetzungs- und einhebungsverjährt sei, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach die gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO in den Jahren 1998-2001 entstandene Kapitalertragsteuer 2001 (zusammengefasster Zeitraum 1998-2001) am , somit innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO iVm § 208 Abs. 1 lit. a BAO von fünf Jahren, festgesetzt wurde.
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO begann die Einhebungsverjährungsfrist frühestens am (Fälligkeit der Kapitalertragsteuer gemäß § 96 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG) und endete (vorläufig, ohne Berücksichtigung der Bestimmungen des § 238 Abs. 2 und Abs. 3 lit. b BAO) am .
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wurde folgende Unterbrechungshandlung, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist neu in Gang setzte, unternommen:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährungsfrist verlängert bis |
bescheidmäßige Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2001 |
Aus der Bestimmung des § 238 Abs. 3 lit. b BAO ergibt sich eine (Fortlauf-) Hemmung der Verjährungsfrist, solange die Einhebung einer Abgabe gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist:
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Hemmung von | Hemmung bis | Tage | Verjährungsfrist verlängert bis |
224 | |||
1.575 |
Weitere Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährungsfrist verlängert bis |
Bewilligung von Zahlungserleichterungen | ||
Bewilligung von Zahlungserleichterungen | ||
Haftungsprüfungsvorhalt | ||
Haftungsbescheid | ||
Beschwerdevorentscheidung | ||
Vorlagebericht |
Dem Einwand des Bf., dass allfällige Maßnahmen nicht seine Person beträfen, wird auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der VwGH den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht mehr aufrecht hält und sich nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekennt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Der Text dieser Vorschrift nimmt nicht Bezug auf eine Person, sondern handelt allein vom Anspruch. "Jede" zur Durchsetzung "des Anspruches" unternommene, nach außen "erkennbare" Amtshandlung wird als verjährungsunterbrechend normiert, ohne dass diesem Gesetzestext ein Anhaltspunkt für die Anordnung entnommen werden kann, eine bestimmte, von einer solchen Amtshandlung "betroffene" Person in das die Verjährungsunterbrechung bewirkende Geschehen einzubinden ().
Daraus erhellt, dass auch eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO und der Hemmungen gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO nicht eingetreten ist.
Vorangegangenes Haftungsverfahren
Aus dem Einwand des Bf., dass über seine Haftung bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom rechtskräftig entschieden worden sei, lässt sich nichts gewinnen, da im Haftungsbescheid vom die im nunmehr angefochtenen Haftungsbescheid vom enthaltene Kapitalertragsteuer 2001 nicht enthalten ist, da diesbezüglich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (, wonach die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss abgelehnt wurde) zugewartet wurde.
Die Aussage des steuerlichen Vertreters des Bf., dass man aus der in Rechtskraft erwachsenen Beschwerdevorentscheidung vom ersehen könne, dass Kapitalertragsteuerbeträge der Jahre 2005 und 2007 als nicht der Organhaftung iSd § 9 BAO unterliegend angesehen worden seien, weshalb auch für die Kapitalertragsteuer 2001 ein Verschulden nicht vorliegen könne, trifft nicht zu.
Mit dem damaligen Haftungsbescheid vom wurde der Bf. unter anderem für die Kapitalertragsteuer 2005 und 2007, die mit Bescheiden vom in Höhe von € 760,60 sowie € 2.167,61 festgesetzt wurden, in der festgesetzten Höhe in Anspruch genommen. Mit der eingewendeten Beschwerdevorentscheidung vom wurde lediglich für die übrigen Abgaben (Umsatzsteuer 2005-2007, Aussetzungs- und Stundungszinsen sowie Säumniszuschläge) die prozentuelle Ungleichbehandlung ermittelt, die zu einer Verminderung der genannten Abgaben führte.
Die Kapitalertragsteuern 2005 und 2007 blieben hingegen entgegen der Rechtsansicht des steuerlichen Vertreters unverändert, da für diese Abgaben eine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der auf die Ausschüttung der Kapitalerträge entfallenden Steuern gemäß § 95 Abs. 2 EStG iVm § 96 Abs. 1 EStG besteht.
Schuldhafte Pflichtverletzung
Aus dem vom steuerlichen Vertreter übermittelten Erkenntnis der Finanzstrafbehörde vom , mit dem das gegen den Bf. geführte Finanzstrafverfahren wegen (versuchter) Abgabenhinterziehung von Kapitalertragsteuer und Umsatzsteuer 2005-2007 gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG eingestellt worden sei, da der Beschuldigte die Tat nicht begangen habe, lässt sich nichts gewinnen, weil einerseits die Einstellung die Jahre 2005-2007 betrifft, nicht hingegen die haftungsgegenständliche Kapitalertragsteuer 2001, und andererseits lediglich eine vorsätzlich begangene Tat nicht erwiesen werden konnte, wohingegen für das Verschulden im Haftungsverfahren auch leichte Fahrlässigkeit ausreichend ist. Während der Tatbestand der Abgabenhinterziehung ein vorsätzliches Handeln erfordert, setzt die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 9 BAO eine bestimmte Schuldform nicht voraus ().
Außerdem könnte weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes und daher auch nicht ein einstellendes Erkenntnis der Finanzstrafbehörde eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 BAO bewirken (vgl. ebenfalls ).
Dem Bf. oblag als damaliger Vertreter die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Im gegenständlichen Fall bringt der Bf. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor.
Dem Einwand, dass bestenfalls eine quotenmäßige Haftungsinanspruchnahme denkmöglich sei, ist entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der Kapitalertragsteuer deren Nichtabführung grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden kann, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Kapitalertragsteuer der Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträge nur eine vom Empfänger der Kapitalerträge geschuldete Steuer gemäß § 95 Abs. 3 EStG einzubehalten und gemäß § 96 Abs. 1 EStG - binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge (Fälligkeit) - dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Kapitalertragsteuer genauso wie auch bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Aus der Bestimmung des § 95 Abs. 3 EStG ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die Abzugssteuer zur Gänze zu entrichten ist ().
Wenn daher der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor.
Aus dem Vorbringen des Bf., dass bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend sei, lässt sich nichts gewinnen, weil die Kapitalertragsteuer weder eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe ist, sondern eine Abzugssteuer, noch die nach der Festsetzung gemäß § 201 BAO eingeräumte Zahlungsfrist nach § 210 Abs. 4 BAO für den Eintritt der Pflichtverletzung wesentlich war, sondern die bereits davor eingetretene Fälligkeit.
Auch der Einwand des Bf., dass er bei seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung seinem Nachfolger ausreichende liquide Mittel überlassen habe, um die Kapitalertragsteuerschuld entrichten zu können, kann ihn nicht exkulpieren, weil er bereits im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge bzw. spätestens nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens mit der Berufungsentscheidung des bzw. nach der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung vom die Verpflichtung zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabe gehabt hätte, zumal im anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem VwGH keine aufschiebende Wirkung beantragt bzw. bewilligt wurde.
Kausalität
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Kommen mehrere Haftungspflichtige in Betracht, so ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen. Hierbei ist die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beschwerdebehörde maßgeblich (vgl. ).
Da - wie bereits ausgeführt - die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist und nur ausnahmsweise der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen wird, kann auch im Rahmen des Ermessens keine Unbilligkeit darin gesehen werden, dass die Gesellschaft am zur Haftung in Anspruch genommen wurde und nicht die Gesellschafter.
Ebenfalls wurde auch bereits ausgeführt, dass Einbringungsmaßnahmen beim Gesellschafter P-1 infolge Eintritts der absoluten Verjährung (für eine Vorschreibung der Kapitalertragsteuer 2001 mit Abgabenbescheid gemäß § 201 BAO) und mangels dessen Vertretereigenschaft im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge aus den verdeckten Ausschüttungen (1998-2001) (für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO) nicht (mehr) möglich sind.
Hinsichtlich der übrigen Geschäftsführer der Gesellschaft ist im Hinblick auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme festzustellen, dass sowohl für P-2 (D-11 bis D-12) als auch für P-3 (D-12 bis D-9) aufgrund der aufrechten Bewilligung von Zahlungserleichterungen vom weder eine Zahlungsverpflichtung bestand noch diese die verdeckte Ausschüttung - im Gegensatz zum Bf. - bewirkten, weshalb ein Verschulden nicht vorlag.
Beim letzten Geschäftsführer und Liquidator der GmbH P-4 (D-9 bis D-10) kommt eine Haftungsinanspruchnahme ebenfalls nicht in Betracht, da er seit 2011 in Österreich nicht gemeldet ist und auch eine Sozialversicherungsanfrage negativ verlief.
Es war daher festzustellen, dass auch im Rahmen des Ermessens lediglich eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. in Betracht kam und die Abgabenbehörde somit das Ermessens rechtsrichtig ausübte.
Auch bei der GmbH selbst konnten keine Vollstreckungsschritte vorgenommen werden, da zunächst aufgrund der durchgehenden Anträge und Bewilligungen der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO sowie Zahlungserleichterungen gemäß § 212 BAO die Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgabe gemäß § 230 Abs. 3, 5 und 6 BAO bis (laut Bescheid über die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens vom ) gehemmt war. Der diesbezügliche Antrag des Bf. auf Einsichtnahme in das Rechenwerk zum geht daher ins Leere.
Danach waren Einbringungsmaßnahmen nicht mehr möglich, da entsprechende Versuche des Finanzamtes ergebnislos verliefen, weil die Gesellschaft an der Firmenadresse nicht mehr aufschien (), festzustellen war, dass die Firma nicht mehr existierte () und auch der steuerliche Vertreter zur GmbH keinen Kontakt mehr hatte ().
Diese Feststellungen des Finanzamtes stehen auch im Einklang mit den zuletzt eingereichten Bilanzen (bis ), wonach lediglich geringe liquide Mittel, aber dafür hohe Verbindlichkeiten, jeweils ein negatives Eigenkapital sowie erhebliche Bilanzverluste vorlagen.
Schließlich war auch der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom D-3 über die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ein Indiz für die auch schon am vorliegende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.
Dem Einwand des Bf., dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu prüfen gewesen sei, ist zu entgegnen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sogar eine allfällige Vermögenslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen und eine derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ).
Zur monierten Berücksichtigung des Grades des Verschuldens des Bf. sowie eines Mitverschuldens der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der betroffenen Abgabenschuld war festzustellen, dass der Bf. wie bereits ausgeführt in den Zeitpunkten des Zufließens der verdeckten Ausschüttungen alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft war und das Finanzamt keinerlei Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit trifft, da - wie ebenfalls bereits ausgeführt - frühere Einbringungsmaßnahmen aufgrund der Anträge und Bewilligungen der Aussetzung der Einhebung und Zahlungserleichterungen nicht möglich waren.
Aus dem Vorbringen des Bf. betreffend das vertragliche Innenverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Haftungspflichtigen lässt sich nichts gewinnen, weil ja die Gesamtschuldner P-1 und der Bf. selbst nicht mehr als Hauptschuldner herangezogen werden können, weshalb für eine Ermessensentscheidung kein Raum bleibt (vgl. ).
Jedoch kommt dem Einwand des Bf. hinsichtlich lange verstrichener Zeit Berechtigung zu, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen ist.
Allerdings frühestens erst ab der bescheidmäßigen Abweisung des zuletzt gestellten Zahlungserleichterungsansuchens vom , da zuvor infolge der Hemmungen der Einbringung durch die beantragten und bewilligten Aussetzungen der Einhebung und Stundungen Einbringungsmaßnahmen, zu denen auch die Haftungsinanspruchnahme zählt, nicht möglich waren.
Da aber der Bf. in seinem Schreiben vom (Beantwortung des Haftungsvorhaltes vom ) selbst anregte, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Haftung der Gesellschaft mit der Kapitalertragsteuer 2001 abzuwarten, verschob sich der Zeitpunkt, ab dem das Finanzamt Einbringungsmaßnahmen setzen hätte können, bis zum Ergehen des , eingegangen beim Finanzamt am .
Unter Berücksichtigung der ab Oktober 2012 bis zum Ergehen des Haftungsbescheides vom verstrichenen Zeit, ohne dass Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden wären, war die haftungsgegenständliche Kapitalertragsteuer 2001 im Rahmen des Ermessens auf den Betrag von € 20.000,00 herabzusetzen.
Conclusio
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeit der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 20.000,00 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102239.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at