Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.06.2020, RV/4100065/2019

Geltendmachung einer Haftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Vertreter***1*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Klagenfurt vom , betreffend Haftungsbescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1.

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Haftungsbetrag wird auf folgende Abgaben eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in Euro
Lohnsteuer
08/2016
206,44
Lohnsteuer
09/2016
177,19
Lohnsteuer
10/2016
177,20
Lohnsteuer
11/2016
347,71
Lohnsteuer
2015
801,81
Lohnsteuer
2016
1.375,07
Umsatzsteuer
07/2016
888,56
Umsatzsteuer
08/2018
458,28
Umsatzsteuer
09/2016
85,71
Umsatzsteuer
10/2016
609,63
Dienstgeberbeitrag
2015
2,22
Dienstgeberbeitrag
08/2016
35,84
Dienstgeberbeitrag
09/2016
21,94
Dienstgeberbeitrag
10/2016
16,48
Dienstgeberbeitrag
11/2016
9,00
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag
2015
0,19
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag
08/2016
3,26
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag
09/2016
2,00
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag
10/2016
1,50
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag
11/2016
0,82
Körperschaftsteuer
10.12/2016
25,93
Kammerumlage
07-09/2016
4,58
Säumniszuschlag 1
2016
32,16
Pfändungsgebühr
2016
9,58
Barauslagenersatz
2016
0,06
Summe
5.293,16

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs.4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.), geb. am , ist seit Geschäftsführer der Firma A-GmbH. Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom X. Jänner 2017, Zl. 11111, wurde über die Firma A-GmbH ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss vom X. April 2017, Zl. 22222, wurde der Sanierungsplan, der die Zahlung einer Quote von 20 % vorsieht, rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben.

Am erhielt das Finanzamt Klagenfurt eine erste Quotenzahlung in Höhe von € 6.726,97, mit welcher die Konkursforderungen anteilig abgedeckt wurden, am erfolgte eine zweite Quotenzahlung, welche auf die älteste Schuld, die Umsatzsteuer 06/2016, verbucht wurde.

Bereits mit Vorhalt des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde der Bf. aufgefordert bekanntzugeben, welche finanziellen Mittel dem Unternehmen im Zeitraum zwischen und zur Verfügung standen und wie sie verwendet wurden. Der Bf. wurde insbesondere aufgefordert, Nachweise für die Gläubigergleichbehandlung zu übermitteln. Der aushaftende Abgabenrückstand wurde mit € 44.846,51 beziffert.

Mit Schreiben vom teilte der Bf. mit, dass die Abgaben bis August 2016 ordnungsgemäß entrichtet wurden. Der Bf. übermittelte daher einen Vermögensstatus zum (17,90 % liquide Mittel im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten), zum (18,40 %), zum (13,49 %), zum (9,26 %) und zum (8,98 %) aus welchem hervorgeht, dass bei gleichmäßiger Verteilung der liquiden Mittel auf sämtliche Gläubiger jeweils eine Quote unter 20 % erreicht worden wäre. Laut dem vom Landesgericht Klagenfurt bestätigten Sanierungsplan sei eine Quote von 20 % angeboten und angenommen worden.

Mit Bescheid vom , Abgabenkontonummer 33333, wurde der Bf. vom Finanzamt Klagenfurt als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma A-GmbH in Anspruch genommen und aufgefordert, den Betrag von € 27.393,82 zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten darstelle, wenn die Mittel nicht auch für die darauf lastende Lohnsteuer ausreichen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei im Rahmen des Ermessens den Zweckmäßigkeitserwägungen der Vorrang gegenüber den Interessen des Bf. einzuräumen. Bei den geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten handelt es sich laut Rückstandsausweis vom im Wesentlichen um die Umsatzsteuer 6/2016 in Höhe von € 2.244,56 (Fälligkeitstag ), Umsatzsteuer 7/2016 in Höhe von € 6.037,18 (Fälligkeitstag ), Umsatzsteuer 8/2016 in Höhe von € 4.247,04 (Fälligkeitstag ), Umsatzsteuer 9/2016 in Höhe von € 1.160,84 (Fälligkeitstag ), Körperschaftssteuer 10-12/2016 in Höhe von € 351,20 (Fälligkeitstag 15.,11.2016) sowie Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) 8/2016, 9/2016, 10/2016, 11/2016 und 2015/2016 zu den Fälligkeitstagen , , , und in Höhe von insgesamt € 4.210,83.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Vorhaltsbeantwortung vom nicht gewürdigt worden sei.

Mit Vorhalt des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde der Bf. aufgefordert, eine Zusammenstellung sämtlicher Zahlungen, welche im Zeitraum bis geleistet wurden, eine Darstellung, wie die Reduzierung der Verbindlichkeiten "Darlehen B", "Bankverbindlichkeiten kurzfristig" , "Bankverbindlichkeiten langfristig" und "Verbindlichkeiten WLL" erfolgte, sowie eine Darstellung der Zahlungen an den entsprechenden Fälligkeitstagen sowie eine Einnahmenaufstellung samt Verwendung zu übermitteln.

Mit Eingabe vom übermittelte der Bf. den Buchungsauszug vom Kassabuch, von zwei Konten der Volksbank Kärnten Süd AG und vom "Darlehen B" vom bis . Die kurzfristigen Bankverbindlichkeiten hätten sich demnach von € 236.577,30 auf € 241.788,70 erhöht, die Raten der langfristigen Bankverbindlichkeiten seien bis November 2016 über das Kontokorrentkonto bezahlt worden, wobei die Höhe der Reduzierung ungefähr dem Aufbau an Verbindlichkeiten beim Kontokorrentkonto entspreche. Die Lieferantenverbindlichkeiten seien insgesamt gestiegen. Da die von der Firma angebotene Quote von 20 % höher ist, als jene bei gleichmäßiger Verteilung der liquiden Mittel auf sämtliche Gläubiger, sei eine Haftung des Geschäftsführers nicht gegeben.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde lediglich ausgeführt, die mit Schreiben vom eingelangten Unterlagen seien gewürdigt worden, es konnte aber nicht belegt werden, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt wurden.

Mit Schreiben vom , ergänzt mit Schreiben vom , stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Relation liquide Mittel zu aushaftenden Verbindlichkeiten stets unter 20 % gelegen sei. Da dieser Prozentsatz niedriger als die angebotene Quote im Sanierungsverfahren ist, sei die Gleichbehandlung der Gläubiger nicht verletzt. Die dabei zu entrichtende Quotenzahlung sei teilweise auch privat aufgebracht worden. Der Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt Klagenfurt aus, dass das Finanzamt Klagenfurt nicht wie andere Gläubiger befriedigt worden sei. Im haftungsrelevanten Zeitraum, am und am , seien lediglich zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt € 1.193,33 eingegangen, während das "Darlehen B" zwischen (€ 3.437,26) und (€ 0,00) verringert worden sei und Barzahlungen neuer Materialien, Miete und Strom geleistet wurden.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde die Haftung für die Lohnsteuer vom Bf. außer Streit gestellt. Hinsichtlich der übrigen Abgaben wandte der Bf. neuerlich ein, die Quote von 20 % sei höher als die Quote der jeweiligen vorhandenen liquiden Mittel gewesen, weshalb die Gläubigerinteressen des Finanzamtes nicht beeinträchtigt worden seien. Ein Vertreter des Finanzamtes Klagenfurt ist nicht erschienen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. hat bis August 2016 als Geschäftsführer die Abgaben der Firma A-GmbH ordnungsgemäß entrichtet. Nach diesem Zeitraum wurden im Rahmen von "Zug-um-Zug-Geschäften", wie etwa bei neuen Materialien, oder laufenden Ausgaben wie für Miete, Strom, Steuerberatung und auch bei der Tilgung des Darlehens "B" Gläubiger vorrangig bedient, während gegenüber dem Finanzamt Klagenfurt nur Zahlungen in Höhe von € 603,12 () und € 590,21 () geleistet wurden. Nach der Aufhebung des Sanierungsverfahrens wurde am eine erste Quotenzahlung in Höhe von € 6.726,97, mit welcher die angemeldeten Forderungen anteilig abgedeckt wurden, entrichtet, am erfolgte eine zweite Quotenzahlung, welche auf die älteste Schuld, die Umsatzsteuer 06/2016, verbucht wurde. Mittel zur Begleichung dieser Quote wurden teilweise privat aufgebracht.

Bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte der aushaftenden Abgaben sind dem Bf. Ende August 2016 liquide Mittel in der Höhe von € 17,63 %, Ende September 2016 liquide Mittel in der Höhe von 18,40 %, Ende Oktober 2016 2016 liquide Mittel in der Höhe von € 13,49 %, Ende November 2016 liquide Mittel in der Höhe von 9,23 %, und Ende Dezember 2016 liquide Mittel in der Höhe von 8,98 % aller aushaftenden Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden.

Die Abgaben hafteten zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zumindest in folgender Höhe aus:


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Abgabenart
Betrag in Euro inklusive Quotenzahlungen
Fälligkeit
Betrag in Euro abzüglichQuotenzahlungen
Lohnsteuer 08/2016
245,15
206,44
Lohnsteuer 09/2016
210,42
177,19
Lohnsteuer 10/2016
210,43
177,20
Lohnsteuer 11/2016
412,90
347,71
Lohnsteuer 2015
952,15
801,81
Lohnsteuer 2016
1.939.53
1.375,07
Umsatzsteuer 06/2016
2.665,41
2,24
Umsatzsteuer 07/2016
7.169,15
6.037,18
Umsatzsteuer 08/2016
5.043,36
4.247,04
Umsatzsteuer 09/2016
1.378,50
1.160,84
Umsatzsteuer 10/2016
10.078,28
8.486,97
Dienstgeberbeitrag 2015
3,30
2,78
Dienstgeberbeitrag 2016
277,18
233,41
Dienstgeberbeitrag 08/2016
289,20
243,54
Dienstgeberbeitrag 09/2016
241,44
203,32
Dienstgeberbeitrag 10/2016
264,96
223,12
Dienstgeberbeitrag 11/2016
148,74
125,25
Zuschlag/Dienstgeberb.2015
0,28
0,24
Zuschlag/Dienstgeberb.2016
25,27
21,28
Zuschlag/Dienstgeberb.08/16
26,35
22,19
Zuschlag/Dienstgeberb.09/16
22,00
18,53
Zuschlag/Dienstgeberb.10/16
24,14
20,33
Zuschlag/Dienstgeberb.11/16
13,56
11,42
Körperschaftsteuer 10-12/16
417,05
351,20
Kammerumlage 07-09/2016
73,79
62,14
Säumniszuschlag 1 2016
517,22
435,55
Pfändungsgebühr 2016
105,41
88,77
Barauslagenersatz 2016
0,65
0,55
Stundungszinsen 2016
80,97
68,19

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Klagenfurt vorgelegten Verwaltungsakten. Das Bundesfinanzgericht kommt auf Grund der Auszüge aus dem Kassajournal und dem Darlehenskonto "B" zu dem Schluss, dass gewisse andrängende Gläubiger bei der Abzahlung bestehender Verbindlichkeiten begünstigt wurden. Aus den vom Bf. vorgelegten Unterlagen (Status- und Quotenberechnung zum jeweiligen Stichtag) ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aber auch, dass dem Bf. in den jeweiligen Monaten nur liquide Mittel im Ausmaß von 17,63 % (August 2016), 18,40 % (September 2016), 13,49 % (Oktober 2016), 9,23 % (November 2016) bzw. 8,98 % (Dezember 2016) zur Verfügung standen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs.1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die Abgaben hafteten zu diesem Zeitpunkt in einer Höhe von

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Nach der Bestätigung des Sanierungsplanes und der Aufhebung des Sanierungsverfahrens steht fest, dass die nach den erfolgten Quotenzahlungen offenen Abgabenverbindlichkeiten der Firma A-GmbH uneinbringlich sind.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (Fälligkeitstermin).

Zur Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO müssen die Verletzung von Pflichten, ein Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit gegeben sein.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört, insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Verfügt der Vertretene nicht über ausreichende Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (zB VwGH15.12.2009, 2005/13/0040). Es kann aber nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen (). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

  • Betreffend die aushaftenden Lohnabgaben ist auszuführen:

Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für die Lohnsteuer (zB ).

Gemäß § 78 Abs.3 EStG hat der Arbeitgeber, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer nach dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Dies gilt nicht für die Dienstgeberbeiträge ().

Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037,0038, Slg.N.G. Nr. 7038/F, ausdrücklich aufrechterhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet (). Die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer ist jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Dies unabhängig von den vorhandenen liquiden Mitteln. Reichen die Mittel nicht zur vollen Entrichtung aus, sind die Lohnzahlungen entsprechend der Bestimmung des § 78 Abs.3 EStG entsprechend zu kürzen.

Der Bf. haftet daher jedenfalls für die Lohnsteuer 08/2016 in der Höhe von € 206,44, die Lohnsteuer 09/2016 in der Höhe von € 177,19, die Lohnsteuer 10/2016 in der Höhe von € 177,20, die Lohnsteuer 11/2016 in der Höhe von € 347,71, die Lohnsteuer 2015 (Fälligkeitstag ) in der Höhe von 801,81 und die Lohnsteuer 2016 (Fälligkeitstag ) in der Höhe von € 1.375,07.

  • Zu den sonstigen Abgabenschuldigkeiten ist auszuführen:

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann sich nach der Judikatur nicht nur bei Abzahlung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei "Zug-um-Zug-Geschäften" ergeben, wie etwa bei der Bezahlung neuer Materialien, laufender Ausgaben wie Miete, Strom (Ritz Bundesabgabenordnung § 9 Rz. 11a und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dem vorgelegten Kontoverlauf "Darlehen B" ist zu entnehmen, dass das das Darlehen Ende Juli 2016 mit € 3.437,26 aushaftete und bis Jahresende zur Gänze zurückgezahlt wurde. Dem vorgelegten Kassajournal wiederum ist zu entnehmen, dass diverse Ausgaben wie für Miete, Strom, Steuerberatung und diverse Waren bezahlt wurden. Es liegt daher eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vor, eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass eine Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete schlüssige Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt weiters eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Besteht aber nur die Pflicht zur anteiligen Entrichtung, so ist die Verletzung dieser Pflicht nur kausal für den anteiligen Abgabenausfall, nicht jedoch für die Abgabe zur Gänze (Ritz Bundesabgabenordnung § 9 Rz. 27). Nicht zuletzt deshalb besteht bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht die Haftung des § 9 nur anteilig, nämlich mit jenem Teilbetrag der bei Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre ().

Dem Vertreter obliegt nach der Judikatur des VwGH der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB VwGH Ra 2015/16/0078). Hiebei sind noch nicht fällige Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen ().

Eine Haftung zur Gänze kommt daher nur in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt (zB ).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist dem Bf. der Nachweis gelungen, dass dem Bf. in den jeweiligen Monaten nur liquide Mittel im Ausmaß von 17,63 % (August 2016), 18,40 % (September 2016), 13,49 % (Oktober 2016), 9,23 % (November 2016) bzw. 8,98 % (Dezember 2016) zur Verfügung standen. Dass die Mittelgegenüberstellung nicht für den jeweils konkreten Fälligkeitstag erfolgte, ändert nichts daran, dass der Bf. seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und seine Liquiditätslage zeitbezogen glaubhaft darstellen konnte. Die vorhandene Liquidität hat sich dabei beständig verringert bis sie Ende Jänner erschöpft war. Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ist daher jeweils auf diesen Prozentsatz beschränkt.

Die am fälligen Abgaben Umsatzsteuer 07/2016, Dienstgeberbeitrag 08/2016 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016 sind auf 18,40 % (€ 1.319,12, € 53,21, € 4,85), die am fälligen Abgaben Umsatzsteuer 08/2016, Dienstgeberbeitrag 09/2016 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2016, bzw. die am fällige Pfändungsgebühr und Barauslagenersatz sind auf 13,49 % (€ 680,35, € 32,57, € 2,97, € 14,22, € 0,09), die am fälligen Abgaben Kammerumlage, Körperschaftsteuer 10-12/2016, Umsatzsteuer 09/2016, Dienstgeberbeitrag 10/2016, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2016 und der am fällige Säumniszuschlag 1 2016 sind auf 9,23 % (€ 6,81, € 38,49, € 127,24, € 24,46, € 2,23, € 47,74), und die am fälligen Abgaben Umsatzsteuer 10/2016, Dienstgeberbeitrag 11/2016, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2016 sind auf 8,98 % (€ 905,03, € 13,36, € 1,22) einzuschränken. Diese Beträge hätte der Bf. im Rahmen seiner vorhandenen liquiden Mittel jeweils zum Fälligkeitszeitpunkt dem Finanzamt Klagenfurt entrichten müssen, um eine Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten. Für die darüberhinausgehenden Abgabenschuldigkeiten liegt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall nicht vor. Die errechneten Beträge sind dabei noch um die Quote von rund 15,80 % zu kürzen, die der Abgabenbehörde im Rahmen des Sanierungsverfahrens bereits zugekommen sind, weshalb auch diesbezüglich kein Abgababenausfall eingetreten ist. Dabei handelt es sich um die Quotenzahlung von € 6.726,97, welche anteilig auf die angemeldeten Forderungen aufgeteilt wurde. Nur für den daraus entstandenen Abgabenausfall und keineswegs für die Abgabenschuldigkeiten zur Gänze, war das Handeln des Bf. kausal.

Zur Umsatzsteuer 06/2016 ist auszuführen, dass diese durch die Quotenzahlungen bis auf den Betrag von € 2,24 entrichtet ist, diesbezüglich daher keine Gläubigerungleichbehandlung vorliegt und daher keine Haftung geltend gemacht werden kann. Die Vorschreibung der Stundungszinsen 2016 entfällt, da diese erst am und somit nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig wurden. Für den am fälligen Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ist davon auszugehen, dass im Jänner 2017 keine Zahlungen mehr geleistet werden konnten, da am das Sanierungsverfahren eröffnet wurde. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt diesbezüglich nicht vor.

Die vom Bf. vertretene Rechtsansicht, es liege keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor, da die zu den Stichtagen errechnete Quote an liquiden Mitteln stets unter 20 % gelegen sei, die die belangte Behörde ohnehin im Rahmen des Sanierungsverfahrens erhalten habe, ist hingegen nicht zutreffend. Der Bf. wäre nämlich verhalten gewesen, in den Monaten bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens alle Gläubiger gleich zu behandeln, d.h. die Abgaben im Rahmen der vorhandenen liquiden Mittel zu entrichten. Dies bedeutet, dass der Bf. in den Monaten August bis Dezember 2016 bereits Quoten zwischen 18,40 % und 8,98 % entrichten hätte müssen. Zusätzlich wäre der belangten Behörde von den noch ausständigen Restbeträgen im Rahmen des Sanierungsverfahrens jeweils 20 % zugekommen. Für diesen verkürzten Betrag ist der Bf. zur Haftung heranzuziehen.

Zur Ermessensentscheidung ist auszuführen:

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (ZB ). Gemäß § 20 BAO ist die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgaben zu. Dem öffentlichen Interesse an der Einhebung der Abgaben ist dabei der Vorzug gegenüber den Billigkeitsgründen einzuräumen. Zugunsten des Bf. war jedoch zu berücksichtigen, dass er bis zu den Liquiditätsproblemen im August 2016 seinen Verpflichtungen zur Abgabenentrichtung stets nachgekommen ist und die im Sanierungsplan vereinbarte Quote auch durch Aufwendung privater Mittel entrichtet wurde. Der errechnete Betrag, hinsichtlich welcher der Bf. zur Haftung herangezogen wird, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes daher für die sonstigen Abgabenschuldigkeiten gemäß Punkt II. dieses Bescheides, nicht aber für die Lohnsteuer gemäß Punkt I. im Ermessenswege um 20 % zu kürzen.


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Abgabenart
Errechneter Betrag bei Gläubigergleichbehandlung
Abzügl. 15,80 % Quote in Euro
Abzügl. 20 % lt. Ermessen
Umsatzsteuer 07/2016
1.319,12
1.110,70
888,56
Umsatzsteuer 08/2016
680,35
572,85
458,28
Umsatzsteuer 09/2016
127,24
107,14
85,71
Umsatzsteuer 10/2016
905,03
762,04
609,63
Dienstgeberbeitrag 2015
3,30
2,78
2,22
Dienstgeberbeitrag 08/2016
53,21
44,80
35,84
Dienstgeberbeitrag 09/2016
32,57
27,42
21,94
Dienstgeberbeitrag 10/2016
24,46
20,60
16,48
Dienstgeberbeitrag 11/2016
13,36
11,25
9,00
Zuschlag/Dienstgeberb.2015
0,28
0,24
0,19
Zuschlag/Dienstgeberb.08/16
4,85
4,08
3,26
Zuschlag/Dienstgeberb.09/16
2,97
2,50
2,00
Zuschlag/Dienstgeberb.10/16
2,23
1,88
1,50
Zuschlag/Dienstgeberb.11/16
1,22
1,03
0,82
Körperschaftsteuer 10-12/16
38,49
32,41
25,93
Kammerumlage 07-09/2016
6,81
5,73
4,58
Säumniszuschlag1 2016
47,74
40,20
32,16
Pfändungsgebühr 2016
14,22
11,97
9,58
Barauslagenersatz 2016
0,09
0,08
0,06
Summe
2.207,74

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

[...]

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100065.2019

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