Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.06.2020, RV/7102213/2020

Eintritt der erheblichen Behinderung als Voraussetzung der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe bei ADHS, Legasthenie und einer emotionalen Belastungsreaktion

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für NN VN-S für den Zeitraum von September 2016 bis März 2017 beschlossen:

Der angefochtene Bescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.

Gemäß § 278 Abs. 2 BAO tritt das Verfahren durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

***Bf1***, in der Folge mit Bf. bezeichnet, stellte am einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab September 2016 für ihren Sohn NN VN-S, geboren am GebDat. Als Begründung wurde angeführt, Ihr Sohn leide an folgender erheblichen Behinderung bzw. Erkrankung:

F 90.0 (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität)
F 81.0 (Legasthenie)
F 43.23 (emotionale Belastungsreaktion) lt. ICD-10.

Am stellte die Bf. einen weiteren Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für NN VN-S ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung. Dieser Antrag trägt zwei Eingangsstempel des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln, vom und vom .

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, erstellte durch die Allgemeinmedizinerin Dr.in Susanne Kargl-Gruber, am folgendes, mit approbiertes Gutachten:

"Anamnese:
Unauffällige Schwangerschaft, Im Kindergarten keine Probleme, eher introvertiert, kaum Kontakt mit den anderen Kindern , zu Hause sehr unruhig, ärgert die Schwester oft, kann kaum ruhig sitzen , ist schwer zu führen ,oft auch aggressiv, hört nicht auf die Mutter

Derzeitige Beschwerden:
In der Schule große Konzentrationsprobleme, er kann nicht zuhören , es muss ganz ruhig in dem Raum sein , in dem VN-S seine Aufgaben macht, ist sehr leicht ablenkbar, die Leistungen wären bis auf Mathematik in allen Gegenständen unterdurchschnittlich . In Deutsch hätte er einen Vierer

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Legasthenietraining 1x wöchentlich , Psychotherapie und Konzentrationstraining 1x wtl.

Sozialanamnese:
VN-S lebt mit der Mutter und der 6 jährigen Schwester im gemeinsamen Haushalt, es besteht regelmäßiger Kontakt zum leiblichen Vater

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
mitgebrachter Befund Dr.
PS/klinische Psychologin vom :
Auszüge:.... im Rahmen der psychologischen Untersuchung konnte ich feststellen dass
VN-S die Diagnosekriterien gemäß F90.0 ( Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität) sowie F 81,0 ( Legasthenie) und F 43,23 ( emotionale Belastungsreaktion) weitgehend erfüllt

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut

Ernährungszustand:
normal

Größe: 133,00 cm Gewicht: 27,00 kg Blutdruck: 90/60

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Caput/Collum: keine pathologischen Lymphknoten tastbar
Stamm: reine, rhythmische Herztöne, normales Atemgeräusch über der gesamten Lunge
Abdomen: weich , kein Druckschmerz, keine pathologischen Resistenzen tastbar
OE/UE/WS: die Beweglichkeit in allen Gelenken und der Wirbelsäule unauffällig

Gesamtmobilität - Gangbild:
unauffälliges Gangbild , unauffällige Gesamtmobilität

Psycho(patho)logischer Status:
sehr unruhiger, zappeliger Bub, kann kaum auf seinem Sessels sitzen bleiben , läuft in der gesamten Ordination herum , reagiert kaum auf die "Kommandos" der Mutter, kognitive Entwicklung nicht beurteilbar da er mit mir kaum kommuniziert"

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Am wies das Finanzamt den Antrag vom auf "Gewährung der Familienbeihilfe" für den Zeitraum von September 2016 bis März 2017 ab und verwies begründend auf das Gutachten, gemäß welchem der Grad der Behinderung von 50 % erst ab April 2017 gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. Einspruch, welcher als Beschwerde anzusehen ist und erklärte begründend, der Grad der Behinderung habe bereits seit dem Kleinkindalter von VN-S NN bestanden. Das ADH-Syndrom sei nicht plötzlich auftretend sondern wirke sich bereits im Kleinkindalter aus, was für die Bf. als Laie nicht erkennbar gewesen sei, aber trotzdem Bestand gehabt habe. Sie beantrage rückwirkend die erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn.

Die Bf. legte dem Antrag eine Stellungnahme Dris VN-PS PS vom wie folgt bei:

"Betrifft:
NNVN-S,
geb.:
GebDat,
PLZ-Ort, Straßenbez
NÖGKK
NUMMER
Vorstellungsgrund: ADHS

Datum der psychologischen Untersuchung: 1.8., 7.9., ,

Tests: Familie in Tieren, IDS, SLRT, Rorschach, Baumtest, DIPS, HKS

Stellungnahme:

Im Rahmen der psychologischen Untersuchung (1.8., 7.9., , ) konnte ich feststellen, dass VN-S die Diagnosekriterien gemäß F90.0 (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, ADH-S), sowie F 81.0 (Legasthenie) und F 43.23 (emotionale Belastungsreaktion) lt. ICD-10 weitgehend erfüllt.
In Bezug auf das ADH-Syndrom ist festzuhalten, dass dies nicht plötzlich auftritt, sondern sich bereits im Kleinkindalter meist deutlich zeigt Die Hauptmerkmale dieser Störung sind ein Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die einen kognitiven Einsatz verlangen und eine Tendenz von einer Tätigkeit zu einer anderen zu wechseln, ohne etwas zu Ende bringen zu können. Hinzu kommt oft eine desorganisierte, mangelhaft regulierte und überschießende Aktivität. Die Schwierigkeiten persistieren gewöhnlich durch die Schulzeit und sogar bis ins Erwachsenenalter. Lernstörungen und motorische Ungeschicklichkeiten treten mit großer Häufigkeit zudem auf.
Adäquate und rechtzeitige Fördermaßnahmen des Kindes sind daher notwendig."

Das Finanzamt forderte neuerlich ein Gutachten des Bundessozialamtes für Soziales und Behindertenwesen an. Dieses wird in der Folge mit "Bundessozialamt" bezeichnet.

Die Begutachtung wurde am durch Dr.in Sabine Renner, Fachgebiet Kinder- und Jugendheilkunde, mit folgendem Ergebnis durchgeführt:

"Anamnese:
Es liegt ein Vorgutachten vom 8/2018 auf, Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms mit Hyperaktivität, Einstufung auf Pos., 50% Grad der Behinderung, rückwirkend ab 4/2017.
Es wurde ein Befund von Dr.
PS, Klin. Psychologin, vom mit entsprechender Diagnose vorgelegt, Erstvorstellung im 8/2017.

Derzeitige Beschwerden:
Die heutige Vorstellung erfolgt wegen weiterer Rückdatierung, laut Mutter bestehen die Probleme der verminderten Aufmerksamkeit und der Unruhe nicht erst seit dem Schulbesuch, sondern bereits ab dem Kindergartenalter, es musste deswegen auch 3x der Kindergartenplatz gewechselt werden. Es wird daher um eine Rückdatierung auf 5 Jahre angesucht.
Es liegen keine Unterlagen wegen einer Diagnostik eines ADHD oder entsprechender Therapie in diesem Zeitraum vor 4/2017 auf, keine MKP-Aufzeichnungen .

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Legasthenie- und Lesetraining; Psychotherapie bei Mag. ***1***.

Sozialanamnese:
Lebt mit der Mutter und einer jüngeren Schwester, besucht die 3.Klasse VS nach dem Regellehrplan.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

, Frau NN-KM, Mutter:
Einspruch, da der Grad der Behinderung von 50% bereits ab dem Kleinkindesalter bestehe.
, Dr.
PS, Klin.Psychologin:
Dg: ADHD, Legasthenie, emotionale Belastungsreaktion; Klinische Untersuchung ab ; ADH-Syndrom nicht plötzlich auftretend, Fördermaßnahmen erforderlich.
, Mag.
***1***, Psychotherapeut:
Bestätigung derTherapie.( 2017/2018 und 2018/2019).

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
8-jähriger Knabe in gutem AZ

Ernährungszustand:
gutem EZ

Größe: 133,00 cm Gewicht: 28,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Caput, HNO und Augen o.b., interner Status unauffällig, grobneurologisch unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:
o.b.

Psycho(patho)logischer Status:
Bei der Untersuchung sehr freundlich und lustig, spielt mit der begleitenden Schwester; altersentsprechende Kognition und Sprachentwicklung.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Es besteht keine Änderung zum Vorgutachten bezüglich des Grades der Behinderung von 50%, auch nicht bezüglich der Rückdatierung der Einstufung von 50% Behinderung ab 4/2017; eine ADHD-Problematik tritt nicht plötzlich auf, dennoch ist der Behinderungsgrad von 50% nur durch Befunde nachvollziehbar, die die Diagnose und die Therapie bestätigen, diese liegen vom Zeitraum vor 4/2017 nicht auf."

Das Gutachten wurde von Dr.in Sabine Renner am erstellt und am approbiert.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und verwies begründend auf das zuletzt erstellte Gutachten.

Die Bf. stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte begründend wie folgt aus:

"Ich erhebe hiermit neuerlich Einspruch gegen den Abweisungsbescheid vom . Die Begründung dafür lautet, dass mein Sohn, VN-SNN, geboren am GebDat bereits seit dem Kleinkindalter an dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität leidet und somit eine rückwirkende erhöhte Familienbeihilfe der letzten 5 Jahre gegeben ist, wie in meinem Antrag vom beantragt wurde. Das ADH-Syndrom ist nicht plötzlich auftretend, sondern wirkt sich bereits im Kleindkindalter aus und ist daher ab Einreichungsdatum auf 5 Jahre rückwirkend, somit ab gegeben (siehe beiliegendes Gutachten von Frau Dr. VN-PSPS vom ). Ein Abweisungsantrag ist daher keinesfalls gegeben!

Somit beantrage ich hiermit, wie bereits am , um rückwirkende erhöhte Familienbeihilfe für meinen Sohn VN-SNN der letzten 5 Jahre (ab ). Anbei Kopie des Antrages vom .

Die Beschwerde bezieht sich nicht nur auf die Abweisung für den Zeitraum September 2016 bis März 2017, sondern ebenfalls auf den Zeitraum Juni 2013 bis März 2017.

Ein Gutachten vom wurde mir nie zugestellt. Auf die vorgelegte Stellungnahme von Frau Dr. VN-PSPS vom wurde bisher nicht eingegangen, sodass das Verfahren mangelhaft ist!

Ich stelle daher den Antrag erstens, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und zweitens, meiner Beschwerde Folge zu geben und mir die erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2013 bis März 2017 zuzusprechen!"

Dem Vorlageantrag war die Stellungnahme Dris PS vom beigelegt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den "Antrag vom " auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für NN VN-S für den Zeitraum von Juni 2013 bis August 2016 ab und führte begründend aus, ein Grad der Behinderung von 50 % könne nur durch ein Gutachten des Sozialminsteriumservice festgestellt werden. Verwiesen wurde auf eine Bescheinigung vom .

Eine derartige Bescheinigung befindet sich nicht im Akt des Finanzamtes.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. Beschwerde bzw. Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde und erklärte, der Grad der Behinderung habe bereits seit dem Kleinkindalter ihres Sohnes, fünf Jahre rückwirkend ab , bestanden.

Begründend führte die Bf. wie folgt aus:

"Ich erhebe hiermit neuerlich Einspruch gegen den Abweisungsbescheid vom . Die Begründung dafür lautet, dass mein Sohn, VN-SNN, geboren am GebDat bereits seit dem Kleinkindalter an dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität leidet und somit eine rückwirkende erhöhte Familienbeihilfe der letzten 5 Jahre gegeben ist, wie in meinem Antrag vom beantragt wurde. Das ADH-Syndrom ist nicht plötzlich auftretend, sondern wirkt sich bereits im Kleindkindalter aus und ist daher ab Einreichungsdatum auf 5 Jahre rückwirkend, somit ab . Ein Abweisungsantrag ist daher keinesfalls gegeben!

Somit beantrage ich hiermit um rückwirkende erhöhte Familienbeihilfe für meinen Sohn VN-SNN ab !

Ich bitte hiermit, dem Antrag statt zu geben!"

Das Finanzamt forderte neuerlich ein Gutachten an. Dieses wurde von Dr. Rainer Seidl, Fachgebiet Kinder- und Jugendheilkunde, erstellt. Die Begutachtung erfolgte am von 14:50 bis 14:55 Uhr wie folgt:

"Anamnese:
8/2018 und 11/2018 jeweils Sachverständigengutachten mit Untersuchung nach der Einschätzungsverordnung, mit Anerkennung eines GdB von 50 % ab 04/2017 für ein ADHS, Legasthenie und emotionaler Belastungsreaktion. 2/2019 Beschwerdeschrift an das Bundesfinanzgericht mit Antrag auf rückwirkende Anerkennung eines GdB von 50 % ab 6/2013. Begründet wurde der Antrag, dass bereits im Kleinkindalter ein ADHS vorgelegen war. Eine Stellungnahme durch Dr. PS () wurde vorgelegt. Anamnestisch wurde erhoben, dass mit Schuleintritt 09/2016 die Probleme des ADHS besonders hervortraten. Im Kindergarten war einerseits sehr zurückgezogen, aber teilweise auch sehr laut und impulsiv gewesen.
Aktuell Besuch der Knabe eine Volksschule mit spezieller Förderung in einer Integrationsklasse, jedoch Unterricht nach regulärem Lehrplan möglich.

Derzeitige Beschwerden:
ADHS, Legasthenie, emotionale Probleme

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Psychotherapie, Förderung

Sozialanamnese:
Lebt bei den Eltern, regelmäßiger Kontakt zum Vater, eine Schwester

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr. PS, Psychologie: Untersuchung 8-9/2017. Diagnosekriterien ADHS F 90.0 mit Hyperaktivität, sowie F 81.0 Legasthenie, und F 43.23 emotionale Belastungsreaktion erfüllt. In Bezug auf das ADH-Syndrom ist festzuhalten, dass dies nicht plötzlich auftritt, sondern bereits im Kleinkindalter meist deutlich zeigt. Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die einen kognitiven Einsatz verlangen und eine Tendenz von einer Tätigkeit zu einer anderen zu wechseln. Desorganisierte, mangelhaft regulierte und überschießende Aktivität. Lernstörungen und motorische Ungeschicklichkeiten treten mit großer Häufigkeit zudem auf. Adäquate und rechtzeitige Fördermaßnahmen sind daher notwendig.
***Bf1***: Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründung: der Grad der Behinderung bestand bereits seit dem Kleinkindalter, 5 Jahre rückwirkend ab 6/2013 beantragt. Einspruch gegen den Abweisungsbescheid vom . Siehe beiliegendes Gutachten Dr. PS. Auf diese Stellungnahme wurde bisher nicht eingegangen
Bundesfinanzgericht 1030 Wien: an das Finanzamt Hollabrunn/Korneuburg/Tulln. die Bescheid Beschwerde müsste unverzüglich an die zuständige Abgabenbehörde weitergeleitet werden.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
gut

Ernährungszustand:
gut

Größe: 142,00 cm Gewicht: 32,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
9 5/12 Jahre alter Knabe, intern-pädiatrisch unauffällig

Gesamtmobilität-Gangbild:
unauffällig

Psycho(patho)logischer Status:
Besucht aktuell die 4. Klasse einer Volksschule, laut Angaben mit regulärem Lehrplan, reduzierte Aufmerksamkeit und Konzentration, soziale Ängste, Legasthenie wird berücksichtigt, Geschwisterrivalität mit Impulskontrollstörung. wird zur Schule begleitet. Im Kindergarten sei er ihr zurückgezogen gewesen, bei größerer Gruppe aber auch laut und impulsiv, eine Therapie hat noch nicht stattgefunden. Die Konzentrationsprobleme sind mit Beginn in der 1. Klasse Volksschule 9/2016 eskaliert.

GdB liegt vor seit: 08/2017

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Die rückwirkende Anerkennung ist aufgrund der vorliegenden Befunde ab Beginn der psychologischen Diagnostik 08/2017 möglich, in Änderung zum Vorgutachten. Eine weiter zurückreichende Anerkennung, wie beantragt kann aufgrund der vorgelegten Befunde und der Anamnese nicht erfolgen. Die ADHS Problematik hat sich zum Teil schon im Kindergartenalter gezeigt, eine besondere Betreuung oder Therapie hat sich daraus aber nicht abgeleitet, Befunde liegen ebenfalls nicht vor. Mit Schuleintritt habe es eine deutliche Zunahme der Symptomatik gegeben und damit eine Einschränkung der sozialen Teilhabe, im Sinne eines GdB von zumindest 50 %."

Das Gutachten wurde am von Dr. Rainer Seidl erstellt und am approbiert.

Die Bf. legte eine mit datierte Bestätigung der Direktorin der VOLKSSCHULE, DIREKTORIN, vor, mit welcher bestätigt wurde, dass ihr "im Schuljahr 2016/17 wegen Aufmerksamkeitsprobleme ihres Sohnes eine psychologische Diagnostik empfohlen wurde".

Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht mit folgender Stellungnahme des Finanzamtes vorgelegt:

"Das Finanzamt ist an die Gutachten des Sozialministeriumservices angewiesen. Eigenständige Beurteilungen über erhebliche Behinderungen sind nicht zulässig. Das BFG wird daher, dem letzten Gutachten entsprechend, eine Abweisung mit zusätzlicher Einschränkung für den Zeitraum 04/2017-07/2017 erwirken müssen. Inwieweit auch die Beschwerde über den Vorzeitraum 03/2013-08/2016 behandelt wird, bleibt dem BFG überlassen. Das Finanzamt geht davon aus, dass eine BVE notwendig sein wird. Diese wird ggf. aus verfahrensökonomischen Gründen aber erst nach Entscheidung der unzweifelhaft vom BFG zu behandelnden Beschwerde für den Zeitraum 09/2016-03/2017 erlassen werden. Um Abweisung mit weiterer Einschränkung des Anspruchszeitraumes wird ersucht."

Der Bf. wurde Folgendes vorgehalten:

"Sie haben 2018 Anträge auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für Ihren Sohn zunächst ab September 2016, dann für fünf Jahre ab Antragstellung gestellt, wobei der zweite Antrag zwei Eingangsstempel des Finanzamtes trägt, einen vom 25.6. und einen vom 5.9.. Diese Anträge wurden vom Finanzamt mit zwei Bescheiden abgewiesen, wogegen Sie Beschwerden eingebracht haben.

Für die Bearbeitung dieser Beschwerden bin ich die zuständige Richterin.

Ich habe mir den Akt angesehen und dabei Folgendes festgestellt:

Laut Anamnese im Sachverständigengutachten vom war die Schwangerschaft unauffällig und habe es im Kindergarten keine Probleme gegeben. Ihr Sohn sei eher introvertiert gewesen, kaum Kontakt mit den anderen Kindern, zu Hause sehr unruhig. Er ärgere die Schwester oft, könne kaum ruhig sitzen, sei schwer zu führen, oft auch aggressiv, höre nicht auf die Mutter.

Der Psycho(patho)logische Status Ihres Sohnes wurde bei dieser Untersuchung wie folgt beschrieben: sehr unruhiger, zappeliger Bub, kann kaum auf seinem Sessel sitzen bleiben, läuft in der gesamten Ordination herum, reagiert kaum auf die "Kommandos" der Mutter, kognitive Entwicklung nicht beurteilbar, da er mit mir kaum kommuniziert.

In der Folge haben Sie eine Stellungnahme von Frau Dr. VN-PSPS vorgelegt, gemäß welcher Ihr Sohn im Jahr 2017 psychologisch untersucht wurde. Dabei wurden folgende Diagnosen gestellt:
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, Legasthenie und emotionale
Belastungsreaktion. Die klinische Psychologin führte dazu aus, dass das ADH-Syndrom nicht plötzlich auftrete, sondern sich bereits im Kleinkindalter "meist deutlich" zeige.

Das Finanzamt forderte ein neues Gutachten an, für welches Ihr Sohn am begutachtet wurde (Datum des Gutachtens: ). Bei dieser Vorsprache haben Sie erklärt, die Probleme der verminderten Aufmerksamkeit und der Unruhe bestünden nicht erst seit dem Schulbesuch, sondern bereits ab dem Kindergartenalter, deswegen hätte auch 3x der Kindergartenplatz gewechselt werden müssen. Die Gutachterin hielt fest, dass keine Unterlagen wegen einer Diagnostik eines ADHD oder entsprechender Therapie in diesem Zeitraum vor 4/2017 aufschienen, keine MKP-Aufzeichnungen.

Der Psycho(patho)logische Status Ihres Sohnes wurde bei dieser Untersuchung wie folgt beschrieben: Bei der Untersuchung sehr freundlich und lustig, spielt mit der begleitenden Schwester; altersentsprechende Kognition und Sprachentwicklung.

Am wurde neuerlich eine Begutachtung durchgeführt. (Datum des Gutachtens: ).

Laut Anamnese in diesem Gutachten sei Ihr Sohn im Kindergarten sehr zurückgezogen, aber teilweise auch sehr laut und impulsiv gewesen. Mit Schuleintritt 09/2016 seien die Probleme mit der ADHS besonders hervorgetreten.

Der Psycho(patho)logische Status Ihres Sohnes wurde bei dieser Untersuchung wie folgt beschrieben: Besucht aktuell die 4. Klasse einer Volksschule, laut Angaben mit regulärem Lehrplan, reduzierter Aufmerksamkeit und Konzentration, soziale Ängste, Legasthenie wird berücksichtigt, Geschwisterrivalität mit Impulskontrollstörung. Wird zur Schule begleitet. Im Kindergarten sei er ihr zurückgezogen gewesen, bei größerer Gruppe aber auch laut und impulsiv, eine Therapie habe noch nicht stattgefunden. Die Konzentrationsprobleme seien mit Beginn in der 1. Klasse Volksschule 9/2016 eskaliert.

Das heißt, bisher wurden drei Gutachten erstellt.

Sowohl Ihrem ersten Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe als auch diesen Angaben ist zu entnehmen, dass sich das Problem offenbar ab 9/2016 verschlimmert hat. Da die Einstufung mit 50 % infolge der damals bestätigten Behinderung erfolgte und bei einem leichteren Grad der Behinderung die erhöhte Familienbeihilfe nicht zusteht, ist auch aus Ihren eigenen Angaben erkennbar, dass zumindest bis September 2016 noch kein entsprechender Grad der Behinderung belegbar ist.

Die Volksschule bestätigte zwar, dass Ihnen "im Schuljahr 2016/2017 wegen Aufmerksamkeitsprobleme ihres Sohnes eine psychologische Diagnostik empfohlen wurde". Wann diese Empfehlung ausgesprochen wurde, geht aus der Bestätigung jedoch nicht hervor. Das Schuljahr hat zwar im September 2016 begonnen, die erste nachgewiesene Einschätzung Ihres Sohnes ist jedoch erst im August 2017 erfolgt. Das deutet darauf hin, dass das Problem bei der Einschulung noch nicht entsprechend wahrgenommen wurde.

Hinzu kommt, dass der Kindesvater im September 2016 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen ist und Ihre Ehe geschieden wurde.

Sie sind seit der Geburt Ihres Sohnes zwei Mal umgezogen, wodurch sich die Kindergartenwechsel zum Teil erklären lassen. Es ist wahrscheinlich, dass die von der Psychologin ab August 2017 festgestellte emotionale Belastungsreaktion sich auf das Verhalten Ihres Sohnes ausgewirkt hat. Auf welche emotionale Belastung diese Reaktion Ihres Sohnes erfolgte, ist nicht bekannt."

Es folgte eine Wiedergabe der rechtlichen Grundlagen.

"Das heißt, eine Behinderung im Ausmaß von mindestens 50 % kann nur anerkannt werden, wenn diese vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (aktuell: Sozialministeriumservice) bestätigt wird. Dieses richtet sich ausschließlich nach vorgelegten ärztlichen bzw. psychologischen Befunden. Einen persönlichen Eindruck von der Behinderung können sich die begutachtenden Ärzte im Nachhinein auch nicht verschaffen.

Belastungsreaktionen der Kinder können sich auf den Grad einer Behinderung auswirken, ebenso eine rechtzeitige oder verschleppte Behandlung in bestimmten Fällen.

In der Regel wird bei verhaltensauffälligen Kindern bereits relativ rasch eine entsprechende Behandlung bzw. Betreuung empfohlen, weil auftretende Probleme eher gelöst werden können, wenn rasch etwas dagegen unternommen wird.

Im Zuge von Scheidungen mit minderjährigen Kindern wird oft auch das Jugendamt einbezogen und das Verhalten der Kinder begutachtet. Aus dem Akt geht nicht hervor, wann Ihre Ehe geschieden wurde, allfällige Einschätzungen oder Gutachten bezüglich der Entwicklung Ihres Sohnes liegen dem Bundesfinanzgericht - abgesehen von dem Bericht über die 2017 von der Psychologin vorgenommene Begutachtung - nicht vor. Dass Ihr Sohn im Kindergarten bereits verhaltensauffällig war, ist nicht belegt.

Ihre eigenen Angaben betreffend das Verhalten Ihres Sohnes haben sich im Verlauf der Begutachtungen geändert. Während im ersten Gutachten in der Anamnese erklärt wird, Ihr Sohn habe im Kindergarten "keine Probleme" gehabt, wird später erklärt, Ihr Sohn habe bereits im Kindergartenalter verminderte Aufmerksamkeit und Unruhe gezeigt und habe deswegen 3x der Kindergartenplatz gewechselt werden müssen. Im dritten Gutachten haben Sie erklärt, mitSchuleintritt seien die Probleme mit der ADHS besonders hervorgetreten bzw. "eskaliert", was auf eine Steigerung gegenüber dem bisher wahrgenommenen Verhalten hindeutet.

Gegenständlich ist nicht die aktuelle Behinderung Ihres Sohnes, sondern nur die Rückdatierung der Behinderung strittig und für diese wurden bisher von Ihnen keine entsprechenden Belege in Form von ärztlichen Beurteilungen und dergleichen vorgelegt.

Wenn Sie möchten, können Sie noch Unterlagen vorlegen, aus denen eine tatsächliche erhebliche Behinderung Ihres Sohnes bereits vor dem von den Gutachtern festgestellten Zeitpunkt ersichtlich ist. Ohne entsprechende Einschätzungen offizieller Stellen oder Ärzte wird es nicht möglich sein, seitens der Gutachter des Sozialminsteriumservice eine Bescheinigung mit einer Rückdatierung des Beginns der Behinderung zu erhalten. In diesem Fall kann die Beschwerde wiederum nur abgewiesen werden.

Sie haben überdies im Vorlageantrag die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da die Gutachten seitens des Sozialministeriums nie in einer mündlichen Verhandlung geändert werden, sondern die Gutachten immer schriftlich nach Durchführung einer entsprechenden Begutachtung erstellt werden, macht eine mündliche Verhandlung im gegenständlichen Fall keinen Sinn. Diese könnte kein inhaltlich anderes Ergebnis bewirken, weil das Bundesfinanzgericht an die Einschätzung des Sozialministeriumservice gebunden ist. Nur im Fall der Nichtberücksichtigung entscheidender Faktoren oder Unschlüssigkeit der Gutachten muss ein neues Gutachten angefordert werden.

Für die Vorlage von Unterlagen zum Nachweis einer erheblichen Behinderung Ihres Sohnes vor dem festgestellten Zeitpunkt und die Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme wird eine

Frist bis zum

eingeräumt. Diese Frist kann in begründeten Fällen verlängert werden.
Fristverlängerungsansuchen sind telefonisch unter der oben angeführten Telefonnummer, per Mail, Fax oder schriftlich an die oben angegebenen Adressen bzw. die angegebene Faxnummer möglich."

Die Bf. hat dazu per E-Mail folgende Stellungnahme abgegeben:

"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom Juni 2020 möchte ich Ihnen hiermit folgende Stellungnahme abgeben:

Mein Kind, VN-SNN, hat von Frau Dr. VN-PSPS Aufmerksamtkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, Legasthenie und Belastungsreaktion festgestellt und dazu bestätigt, dass das ADH-Syndrom nicht plötzlich auftrete, sondern sich bereits im Kleinkindalter abspielt. Wie bei den übrigen Stellungnahmen von mir bestätigt wurde, hat sich dieser klinische Befund erst im Laufe der ersten Klasse gezeigt, weil es natürlich im Kindergarten keine speziellen Situationen gibt, in der mein Kind besonders lange ruhig sitzen muss, sich auf Aufgaben bzw. Aufgaben- und Fragestellungen konzentrieren muss. Jedoch in der Schule schon und somit hat sich das dann gezeigt.

Natürlich kann ich keine Bestätigung bringen, wenn mich erstens niemand darüber informiert hat, dass mein Kind darunter leiden könnte, ich selbst bis dato überhaupt keine Ahnung davon hatte. Ich bin weder Ärztin, noch Psychologin noch hatte ich von diesem Syndrom irgendeine Ahnung. Erst in der Volksschule haben mich die Lehrer im Laufe der ersten Klasse davon informiert, dass es bestehen könnte und hat sich auch bestätigt. Das heißt aber auf keinen Fall, dass es vorher nicht bestanden hat, nur weil die Pädagoginnen im Kindergarten das nicht erkannt haben, wie auch die Fachfrau Dr. VN-PSPS bestätigt hat.

Außerdem finde ich es nicht in Ordnung, dass ich für das Recht meines Kindes ständig Einspruch erheben muss, wo ich mehrere Fälle kenne, die selbst nach mir eingereicht haben, mit ähnlichem Inhalt, und sofort die 5 Jahre rückwirkend genehmigt bekommen haben, obwohl es auch in diesen Fällen kein ärztliches Attest gibt, weil es erst im Nachhinein diagnostiziert wurde und dass finde ich sehr befremdlich."

Das Finanzamt wurde ersucht, das nicht im Akt erliegende Gutachten vom vorzulegen und hat dazu folgende Auskunft erteilt:

"Es gibt insgesamt nur die von Ihnen erwähnten drei Gutachten. Aufgrund unserer Anforderung vom wurde offenbar kein (neues) Gutachten erstellt, weil wörtlich "bis dato keine Unterlagen eingelangt (Beschwerdeschreiben, neue Befunde)" seien. Das unter "Bescheinigung" aufscheinende Datum dürfte bloß das Erledigungsdatum beim SMS sein, also die Mitteilung ans Finanzamt, dass quasi kein neues Gutachten ausgestellt wird.

In beiden Abweisungsbescheiden wird ein solches Gutachten daher auch nicht erwähnt. Im zweiten Bescheid wurde auf die Gutachten vom und verwiesen.

Das erste Gutachten wurde für den ersten Antrag angefordert.

Das zweite Gutachten wurde aufgrund der Beschwerde angefordert.

Die Anforderung vom war bereits für die Vorlage beabsichtigt. Da jedoch daraus kein Gutachten resultierte (s.o.), haben wir im Okt. 2019 noch einmal ein Gutachten angefordert, aus dem das Gutachten vom entstand.

Erst im Rahmen der Vorlage sind wir draufgekommen, dass über den Vorzeitraum, also über den zweiten Antrag, noch nicht abgesprochen wurde, das haben wir im Zuge des Vorlageverfahrens nachgeholt (Bescheid vom )."

Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Vom ZEITRAUM1 war die Bf. an der Adresse ADRESSE1 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Unterkunftgeber war NN VN-V.

Am GebDat wurde der Sohn der Bf., VN-S VN2-S NN, geboren.

Vom ZEITRAUM2 waren die Bf., NN VN-V und ihr Sohn an der Adresse In ADRESSE2, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Am GebDat-T wurde die Tochter der Bf., VN-T NN, geboren. Sie war in der Folge ebenfalls an der genannten Adresse gemeldet.

Die Bf. und die Kinder sind seit an der Adresse ADRESSE-aktuell, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

NN VN-V war vom bis an dieser Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet. Ab diesem Zeitpunkt bestand kein gemeinsamer Hauptwohnsitz von NN VN-V, der Bf. und den Kindern mehr.

Wegen Aufmerksamkeitsproblemen ihres Sohnes in der Schule empfahl diese der Bf. "im Laufe der ersten Klasse" eine psychologische Diagnostik.

Diese erfolgte durch Dr. VN-PS PS, Klinische Psychologin und Psychotherapeutin, welche den Sohn am , am und am untersuchte und folgende Diagnosen laut ICD-10 stellte:

F 90.0 (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, ADH-S)
F 81.0 (Legasthenie) und
F 43,23 (emotionale Belastungsreaktion.

Am stellte die Bf. einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab 9/2016, in der Folge am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Im Verfahren vor dem Finanzamt wurden durch drei verschiedene Ärzte des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Gutachten betreffend das Vorliegen einer erheblichen Behinderung des Sohnes erstellt.

Das Gutachten vom bescheinigt dem Sohn der Bf. das Vorliegen eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 % aufgrund eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms mit Hyperaktivität, unterer Rahmensatz bei globalem Unterstützungsbedarf beim Lernen inkludiert Legasthenie, aber keine motorischen Defizite, ab 4/2017.

Das Gutachten vom bescheinigt dem Sohn der Bf. das Vorliegen eines das Vorliegen eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 % aufgrund eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms und von Hyperaktivität, Legasthenie, einer emotionalen Belastungsreaktion, unterer Rahmensatz, da keine motorischen Defizite, ab 4/2017.

Das Gutachten vom bescheinigt dem Sohn der Bf. das Vorliegen eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 % aufgrund von ADHS, unterer Rahmensatz da regulärer Unterricht möglich ist, keine zusätzlichen motorischen Defizite bestehen, jedoch zusätzlich Teilleistungsprobleme und eine emotionale Belastung bestehen. In diesem Gutachten wird vom Vorliegen eines entsprechenden Grades der Behinderung ab 8/2017 ausgegangen.

Die Bf. vertritt die Auffassung, dass die Probleme ihres Sohnes schon im Kindergartenalter bestanden hätten, aber nicht erkannt worden seien. Sie verweist auf die Stellungnahme der Psychologin, wonach das ADH-Syndrom nicht plötzlich auftrete, sondern "sich bereits im Kleinkindalter abspielt". Der klinische Befund habe sich erst im Laufe der ersten Klasse gezeigt, weil es im Kindergarten keine speziellen Situationen gebe, in der ihr Kind besonders lange ruhig sitzen müsse, sich auf Aufgaben bzw. Aufgaben- und Fragestellungen konzentrieren müsse. Jedoch in der Schule schon und somit habe sich das dann gezeigt.

Dies entspricht den Aussagen der Bf. im ersten Gutachten, wonach es im Kindergarten keine Probleme gegeben habe und den weiteren Aussagen, wonach die Probleme mit der ADHS beim Schuleintritt 09/2016 besonders hervorgetreten bzw. eskaliert seien.

Eine genaue zeitliche Eingrenzung des Eintritts der erheblichen Behinderung war mangels vorliegender objektiver Befunde nicht möglich.

Die Bf. verweist auf die Stellungnahme Dris PS, wonach das ADH-Syndrom nicht plötzlich auftrete, sondern sich bereits im Kleinkindalter "meist" deutlich zeige, woraus ersichtlich ist, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Dieser Absatz der Stellungnahme enthält auch keine Beschreibung des Zustandes des Sohnes der Bf., sondern eine allgemeine Beschreibung des ADH-Syndroms, in welchem auch von häufig auftretenden motorischen Ungeschicklichkeiten die Rede ist, während das letzte Gutachten feststellt, dass beim Sohn der Bf. zusätzliche motorische Defizite nicht festgestellt wurden.

Auch die Schule spricht keinen bestimmten Zeitpunkt an, zumal diese lediglich die Empfehlung einer psychologischen Diagnostik "im Schuljahr 2016/2017" wegen Aufmerksamkeitsproblemen bestätigte. Erst aufgrund der im August und September 2017 durchgeführten Begutachtung der Klinischen Psychologin ist das Vorliegen einer Behinderung zu diesem Zeitpunkt belegt, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass eine mögliche Behinderung des Sohnes bereits vor dem Schulschluss erkannt wurde und zu der Empfehlung durch die Schule geführt hat.

Die einzige Abweichung des letzten Gutachtens des Bundessozialamtes zu den Vorgutachten besteht darin, dass dieses den Grad der Behinderung erst mit 8/2017 bescheinigt, wobei eine Untersuchung von 8-9/2017 Dris PS angeführt wird, während die Vorgutachten die Behinderung ab 04/2017 bestätigt haben. Das erste Gutachten verweist auf einen mitgebrachten "Befund Dr. PS /klinische Psychologin vom ". Ein derartiger Befund befindet sich nicht im Akt. Laut im Akt erliegender Stellungnahme der Genannten wurde der Sohn der Bf. am 1.8., am 7.9. und am untersucht. Die Bestätigung einer erheblichen Behinderung ab April 2017 ist aus diesen Gutachten nicht nachvollziehbar.

Das zuletzt erstellte Gutachten wurde wie folgt begründet:
"Die rückwirkende Anerkennung ist aufgrund der vorliegenden Befunde ab Beginn der psychologischen Diagnostik 08/2017 möglich, in Änderung zum Vorgutachten. Eine weiter zurückreichende Anerkennung, wie beantragt kann aufgrund der vorgelegten Befunde und der Anamnese nicht erfolgen. Die ADHS Problematik hat sich zum Teil schon im Kindergartenalter gezeigt, eine besondere Betreuung oder Therapie hat sich daraus aber nicht abgeleitet, Befunde liegen ebenfalls nicht vor. Mit Schuleintritt habe es eine deutliche Zunahme der Symptomatik gegeben und damit eine Einschränkung der sozialen Teilhabe, im Sinne eines GdB von zumindest 50 %."

Das Gutachten anerkennt damit das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erst ab 8/2017 und verweist gleichzeitig auf die Angaben der Kindesmutter, wonach es mit Schuleintritt eine deutliche Zunahme der Symptomatik gegeben habe. Im Hinblick darauf, dass der Sohn der Bf. die Volksschule seit 9/2016 besucht, ist diese Aussage insofern widersprüchlich, als die Behinderung seit 9/2016 vorliegen müsste, falls man der Anamnese der Mutter Glauben schenkt.

Objektive Befunde liegen vor 9/2016 nicht vor. Aussagen des Klassenlehrers finden sich nicht im Akt. Insbesondere ist unklar, zu welchem Zeitpunkt die Schule der Mutter eine psychologische Diagnostik empfohlen hat und ob es im Lauf des Schuljahres zu einer Verschlechterung der Symptome gekommen ist.

Rechtliche Würdigung:

Bescheid vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum von Juni 2013 bis August 2016:

Mit Beschwerde vom erhob die Bf. "Einspruch" gegen den Abweisungsbescheid vom . Dieser ist überschrieben mit "Beschwerdeantrag / Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde und damit begründet, dass der Grad der Behinderung bereits seit dem Kleinkindalter von VN-S NN, "5 Jahre rückwirkend ab " bestanden habe.

Gemäß § 262 BAO gilt Folgendes:

"(1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat."

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht zwar innerhalb der Frist des § 262 BAO vorgelegt. Ein Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung ist dem "Einspruch", welcher als Beschwerde anzusehen ist, jedoch nicht zu entnehmen.

Das Finanzamt wird daher noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen haben.

Bescheid vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum von September 2016 bis März 2017:

Das Finanzamt hat im Vorlagebericht beantragt, "den Anspruchszeitraum weiter einzuschränken".

Gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF gelten folgende Bestimmungen:

§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zur Auslegung dieser Bestimmungen in einem Rechtssatz zu seinem Erkenntnis vom , Zahl 2009/16/0243 wie folgt geäußert:

"Wird gegen einen einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abweisenden Bescheid Berufung erhoben und findet die angerufene Behörde, dass dem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe stattzugeben gewesen wäre, so hat die über diese Berufung ergehende meritorische Entscheidung dahingehend zu lauten, dass der bekämpfte, den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abweisende Bescheid ersatzlos aufgehoben wird. Auf Grund eines solchen Bescheides der Rechtsmittelbehörde hat sodann die zu gewährende Familienbeihilfe, wie sie beantragt wurde, von der zuständigen Abgabenbehörde nach § 11 FLAG ausbezahlt zu werden und hat das Wohnsitzfinanzamt entsprechend § 12 FLAG eine Mitteilung auszustellen. Nichts Anderes kommt dem Verwaltungsgerichtshof zu, wenn er auf Grund einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde hinsichtlich einer Berufung gegen einen solchen, einen die Gewährung von Familienbeihilfe abweisenden Bescheid in der Sache zu entscheiden hätte. Demnach ist der von der Beschwerdeführerin in der vorliegenden Säumnisbeschwerde gestellte Antrag "der Verwaltungsgerichtshof wolle ... in Stattgebung des gestellten Berufungsantrages meinem Antrag auf Familienbeihilfe stattgeben" gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. auch den hg. Beschluss vom , 2008/16/0116)."

Die Mitteilungen gemäß §§ 12 und 13 FLAG haben zwar keine Bescheidqualität. Sie deuten jedoch darauf hin, dass das Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe für gerechtfertigt gehalten hat und entsprechen damit einer Stattgabe des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe. Vom Vorliegen entsprechender Mitteilungen ist auszugehen, weil die Familienbeihilfe ab April 2017 bereits ausbezahlt wurde.

Wurde die Familienbeihilfe nach nunmehriger Ansicht des Finanzamtes zu Unrecht ausbezahlt, so ist gemäß § 26 FLAG mit Erlassung eines Rückforderungsbescheides vorzugehen.

§ 26 FLAG lautet wie folgt:

"(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

(4) Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre."

Dem Antrag auf weitere Einschränkung des Anspruchszeitraumes konnte daher im Beschwerdeverfahren nicht Folge gegeben werden.

Soweit der Zeitraum von September 2016 bis März 2017 betroffen ist, sind folgende gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden:

Gemäß § 8 Abs. 5 und 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) gelten folgende Bestimmungen:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (siehe Rechtssatz des ).

Die Gutachten gehen trotz eines im einzelnen unterschiedlichen Wortlautes übereinstimmend vom Vorliegen einer Behinderung von 50 % gemäß Pos.Nr. der Anlage zur Einschätzungsverordnung aus. Obwohl in der Stellungnahme der Psychologin drei verschiedene Diagnosen gestellt wurden, werden diese unter einer Position der Anlage erfasst.

Die Anlage zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II Nr. 261 vom , definiert unter dem Punkt 03.02. Entwicklungseinschränkungen bis zum 18. Lebensjahr wie folgt:

Erfasst werden umschriebene Entwicklungseinschränkungen des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung).

Diese Behinderung wird je nach Schwere wie folgt eingeschätzt, wobei die Prozentsätze rechts den Grad der Behinderung angeben:

Wie den verschiedenen Positionen entnommen werden kann, kommen für eine vorliegende Behinderung unterschiedliche Prozentsätze zur Anwendung, je nachdem, wie sich diese im Alltag auswirkt.

Das Vorliegen der erst im Jahr 2017 durch die klinische Psychologin festgestellten Behinderung, welche bezüglich der Schwere von den begutachtenden Ärzten im Zeitpunkt der Begutachtung übereinstimmend mit 50 % eingeschätzt wurde, führt daher nicht automatisch dazu, anzunehmen, dass derselbe Grad der Behinderung durchgehend bereits vor fünf Jahren vorgelegen ist.

Die Gutachten nehmen übereinstimmend das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erst mit der psychologischen Begutachtung an, wobei die Befunde für diese Stellungnahme erst 2017 in den Sommerferien erstellt wurden.

Werden Probleme bereits bei Schuleintritt festgestellt, so führen diese zur Aufnahme in speziell eingerichtete Klassen. Werden diese erst nach Schuleintritt festgestellt, so kann wie im gegenständlichen Fall, eine psychologische Abklärung angeregt werden.

Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens wird bei auftretenden Problemen zunächst oft zugewartet, um festzustellen, ob diese vorübergehender Natur sind.

Die Bf. selbst spricht im Zuge der letzten Begutachtung von einer "Eskalation" der Konzentrationsprobleme mit dem Beginn des ersten Schuljahres und hat erklärt, ihr Sohn besuche eine Integrationsklasse.

Die vorgelegte Bestätigung der Schule ermöglicht keine genaue Einschätzung, wann und in welcher Form die Behinderung des Sohnes der Bf. zu welchen Problemen geführt hat.

Zeugnisse, Verbalbeurteilungen des Klassenlehrers bzw. der Klassenlehrerin oder Mitteilungshefte mit deren Wahrnehmungen wurden von der Bf. bisher nicht vorgelegt. Es ist nicht bekannt, wer der Klassenlehrer bzw. die Klassenlehrerin des Sohnes in der ersten Klasse Volksschule war.

Das erste Gutachten, welches den Eintritt des Zeitpunktes der Behinderung mit April 2017 bestätigte, verweist auf einen Befund Dris PS/klinische Psychologin, vom , welcher jedoch nicht im Akt erliegt. Das zweite Gutachten übernimmt diesen Zeitpunkt, obwohl dieser Befund in der Folge in diesem Gutachten nicht erwähnt wird.

Das zuletzt erstellte Gutachten deutet an, dass der Anamnese der Mutter Glauben geschenkt wird, wonach die Probleme ihres Sohnes bei Eintritt in die Volksschule offenkundig wurden, nimmt jedoch den Eintritt der Behinderung erst ab der psychologischen Diagnostik mit 8/2017 an.

Im Hinblick darauf, dass die Probleme ihres Sohnes der Grund dafür waren, dass die Bf. mit ihrem Sohn die Psychologin auf Empfehlung der Schule aufgesucht hat, ist es wahrscheinlich, dass die Behinderung bereits vorher vorgelegen hat.

Ärztliche Befunde aus der Zeit vor der psychologischen Einschätzung sind nicht vorhanden bzw. wurden nicht vorgelegt. Im Hinblick auf die Anregung der Schule ist jedoch davon auszugehen, dass im Unterricht entsprechende Wahrnehmungen gemacht wurden. Auskünfte dazu könnte der Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin erteilen, ebenso dazu, zu welchem Zeitpunkt die Empfehlung ausgesprochen wurde bzw. warum damit allenfalls zugewartet wurde.

Gemäß § 278 BAO gilt Folgendes:

"(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst."

Die ersten Gutachten des Bundessozialamtes gehen vom Eintritt einer Behinderung ab 4/2017 aus. Das zuletzt erstellte Gutachten nimmt einen Eintritt der Behinderung ab der Befunderstellung durch die Psychologin an und verweist gleichzeitig auf die Anamnese der Mutter, die von zunehmenden Problemen ab Schuleintritt spricht, welche zu einer Annahme des Eintrittes der Behinderung ab 9/2016 führen könnten.

Dabei ist nicht bekannt, ab wann in der Schule erstmals eine mögliche Behinderung des Sohnes in Betracht gezogen und die Bf. darauf angesprochen hat und wann sich die Bf. um einen Termin zur Begutachtung bemüht hat. In einigen Fällen muss auf einen Termin für eine Begutachtung gewartet werden. Die spätere Feststellung einer Behinderung ist jedoch nicht unbedingt mit dem späteren Eintritt der Behinderung gleichzusetzen.

In Ermangelung früherer Einschätzungen und Begutachtungen könnte auf Beobachtungen des Klassenlehrers bzw. der Klassenlehrerin zurückgegriffen werden. Der Klassenlehrer bzw. die Klassenlehrerin wäre mündlich oder schriftlich als Zeuge hinsichtlich seiner bzw. ihrer Wahrnehmungen zu befragen. Wann legten welche Beobachtungen des Kindes die Empfehlung einer psychologischen Diagnose nahe? Wann wurde der Mutter die Abklärung empfohlen?

Zeugnisse des Kindes, allfällige verbale Beurteilungen oder das Mitteilungsheft könnten ebenfalls aufschlussreich sein.

Die Ergebnisse des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens könnten dem Gutachter des Bundessozialamtes die zeitliche Einordnung des Eintrittes einer erheblichen Behinderung ermöglichen.

Im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit des letzten Gutachtens, welches bezüglich der Frage der Datierung des Eintrittes der erheblichen Behinderung einerseits auf die Anamnese bezüglich des Schuleintrittes (2016) verweist, andererseits eine Behinderung aber erst ab August 2017 (Ferien) anerkennt, müsste ein neues Gutachten angefordert werden. Nach Möglichkeit sollte ein Sachverständiger, welcher auf Entwicklungsstörungen von Kindern spezialisiert ist, beigezogen werden.

Im anzufordernden Gutachten sollten auch alle Diagnosen berücksichtigt werden. Sollten diese in keiner eigenen Position einzuordnen sein, müsste eine entsprechende Begründung erfolgen, die es einer nachprüfenden Stelle ermöglicht, die Einordnung nachzuvollziehen.

Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst ist weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, zumal die Gutachten aus technischen Gründen nach Absprache mit dem Bundessozialamt ohnehin im Wege des Finanzamtes angefordert werden müssen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war im gegenständlichen Fall nicht zu lösen. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
VwGH, Ro 2014/16/0053
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102213.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at