Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.05.2020, RV/7400166/2017

Haftung des Geschäftsführers für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 vom , zzz, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Säumniszuschläge zu Recht erkannt:

1.) Der Haftungsbescheid wird abgeändert wie folgt:

a) zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

Der Bf. wird zur Haftung des Rückstandes an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der NNGmbH in der Höhe von € 1.411,72 in Anspruch genommen.

b) zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

Der Bf. wird zur Haftung des Rückstandes an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der NNGmbH in der Höhe von € 430,38 in Anspruch genommen.

2.) Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

3.) Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

4.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am erging seitens des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 unter der Geschäftszahl ZZZ, an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn Bf, ein Haftungsbescheid.

Spruchpunkt I dieses Bescheides betrifft die Heranziehung des Bf. als Haftender gem. § 6 a des KommStG 1993 für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der NNGmbH, in der Höhe von € 1.422,35 für den Zeitraum Jänner bis November 2014.

Spruchpunkt II des angesprochenen Bescheides betrifft die Heranziehung des Bf. als Haftender gemäß § 6a des Dienstgeberabgabegesetzes für den Rückstand an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der NNGmbH in der Höhe von € 439,75 für den Zeitraum Jänner bis November 2014.

Der Bescheidbegründung ist zusammengefasst zu entnehmen, über das Vermögen der Primärschuldnerin sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.MM.2014 zu Zahl zZz, ein Konkursverfahren eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei durch die Eröffnung des Konkurses jedenfalls erfüllt. Der Beschwerdeführer sei seit 5. MM 2014 im Firmenbuch als Geschäftsführer der oben angeführten Gesellschaft eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der Gesellschaft auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte. Der Rückstand setze sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in €
Kommunalsteuer
1-11/2014
1.394,47
Säumniszuschlag Kommunalsteuer
1-11/2014
27,88
Dienstgeberabgabe
1-11/2014
431,13
Säumniszuschlag Dienstgeberabgabe
1-11/2014
8,62
Summe
1.862,10

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Am richtete der Magistrat der Stadt Wien einen Vorhalt an den Bf. Das zuständige Finanzamt habe der Behörde sämtlich Unterlagen zur Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben zur Verfügung gestellt. Es stehe nunmehr fest, dass sich die Bemessungsgrundlage auf € 278.031,67 belaufe. Dies betreffe den Zeitraum Jänner bis Oktober 2014 - im November und Dezember 2014 seien keine Auszahlungen mehr erfolgt.

Einer dazu erstellten im Vorhalt integrierten tabellarischen Aufstellung ist nachvollziehbar zu entnehmen, dass der offene Kommunalsteuerrückstand nur mehr den Zeitraum August bis Oktober 2014 betrifft und insgesamt € 1.421,29 ausmacht. Der anteilige Säumniszuschlag beläuft sich demnach auf € 28.42.

Zu den Dienstgeberrückständen wird im Vorhalt festgehalten, dass diesbezüglich für den Zeitraum Jänner bis Juli 2014 keine offenen Beträge mehr aushaften. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Geltendmachung der Haftung hinsichtlich der Dienstgeberabgabe den Zeitraum August bis November 2014 betrifft.

Zu der in der Beschwerde behaupteten Gleichbehandlung aller Gläubiger wird der Bf. in diesem Vorhalt aufgefordert, eine Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum August bis Dezember 2014 vorzulegen.

Diese Liquiditätsaufstellung habe für den genannten Betrachtungszeitraum und auf die Fälligkeit bezogen konkrete (im Vorhalt näher spezifizierte) Angaben zu enthalten.

Dieser Vorhalt wurde dem Bf. laut vorliegendem Rückscheinabschnitt am nachweislich zugestellt. Die im Vorhalt festgelegte Frist für die Vorlage der angeforderten Unterlagen und zur Übermittlung einer allfälligen Stellungnahme verstrich fruchtlos.

Der Magistrat der Stadt Wien entschied daraufhin über die o.a. Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom , GZ. xXx, und änderte die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen wie folgt ab:

Spruchpunkt I:

Gemäß § 6a des Kommunalsteuergesetzes 1993 werde der Bf. für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der NNGmbH in der Höhe von € 1.449,71 für den Zeitraum August bis Oktober 2014 haftbar gemacht.

Spruchpunkt II:

Gemäß § 6a des Dienstgeberabgabegesetzes werde der Bf. für den Rückstand an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der NNGmbH in der Höhe von € 439,75 für den Zeitraum August bis November 2014 haftbar gemacht.

Im Übrigen wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

Mit Eingabe vom zog der Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Der Bf. vertrat laut seinen eigenen Angaben seit 05. MM 2014 die NNGmbH selbständig als Geschäftsführer. Über dieses Unternehmen wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.MM.2014 zu ZzZ das Insolvenzverfahren eröffnet.

Beim genannten Unternahmen fand eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben durch das zuständige Finanzamt (GPLA-Prüfung) statt.

Dabei kam hervor, dass für den Zeitraum 1/2014 bis 10/2014 angesichts der Bemessungsgrundlage (§ 5 Kommunalsteuergesetz 1993) in der Höhe von € 278.031,67 eine Kommunalsteuer in der Höhe von € 8.340,84 zu bezahlen war, tatsächlich aber nur € 6.919,55 entrichtet worden sind. Der sich daraus ergebende Rückstand in der Höhe von € 1.421,29 an aushaftender Kommunalsteuer betrifft den Zeitraum August bis Oktober 2014 (siehe Beilage).

Der dazu ebenfalls aushaftende Säumniszuschlag beträgt € 28,42.

Hinsichtlich der Dienstgeberabgabe beträgt der Rückstand für den Zeitraum August bis November 2014 € 431,13 zuzüglich Säumniszuschlag in der Höhe von € 8,62.

Sämtliche Rückstände beruhen auf Nichtzahlungen von erklärten oder ermittelten Beträgen durch die Primärschuldnerin, die NNGmbH.

Die Firma ist laut Firmenbuchauszug gem. § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht (Löschung eingetragen am TT.MM.2018).

Am teilte der Magistrat der Stadt Wien dem BFG mit, dass nach der Schlussverteilung folgende Zahlungen bei der Buchhaltungsabteilung einlangten und gegenverrechnet wurden: € 37,99 für Kommunalsteuer und € 9,41 für Dienstgeberabgabe.

Beweiswürdigung:

Die vorstehend angeführten Feststellungen hinsichtlich Verfahrenslauf und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und sind im Wesentlichen unbestritten.

Außer Streit steht ebenfalls, dass die angeführten Beträge an Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschläge von der Primärschuldnerin nicht entrichtet worden sind. Die Uneinbringlichkeit dieser Abgaben bei der Primärschuldnerin ergibt sich aus dem Konkursverfahren und aus dem Umstand, dass die genannte Gesellschaft mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde.

Die Feststellung zu Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge sowie der selbst erklärten und gezahlten Beträge ergibt sich aus dem Bericht des prüfenden Finanzamtes im Anschluss an die GPLA-Prüfung.

Rechtslage:

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG), BGBl. 819/1993 idF BGBl. I 111/2010, haften die in den § § 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Die Kommunalsteuer ist gemäß § 11 Abs. 2 KommStG vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werden laufende und sonstige Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausbezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen.

Gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DienstgeberabgabeG), LGBl. für Wien 17/1970 idF LGBl. für Wien 25/2012, hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DienstgeberabgabeG), LGBl. für Wien 17/1970 idF LGBl. für Wien 25/2012, haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Erwägungen:

Zunächst ist festzustellen, dass dem Beschwerdevorbringen, es läge eine Verletzung des Parteiengehörs vor, keine Berechtigung zukommt, zumal dem Bf. seitens der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden ist (siehe näheres dazu in der o.a. Sachverhaltsdarstellung).

Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

Zur Vertreterstellung:

Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführerin der NNGmbH (Primärschuldnerin) und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO iVm § 6a KommStG und § 6a DienstgeberabgabeG.

Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , ). Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden u.a. in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten.

Zur Uneinbringlichkeit bzw. erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB ). Sie erstreckt sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche wie Säumniszuschläge (vgl. zB ).

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin aufgelöst, das Konkursverfahren aufgehoben und die Firma mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist daher nicht möglich. Im Übrigen ist die Konkurseröffnung nach den Bestimmungen des KommStG und des DienstgeberabgabeG als typischer Fall einer erschwerten bzw. unmöglichen Einbringung anzusehen.

Zum Verschulden:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Das tatbestandsmäßige Verschulden kann in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (vgl. Ritz BAO6, § 9 Tz 18 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird nämlich in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen.

Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden. Er trägt zumindest die "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast" (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Damit der organschaftliche Vertreter seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitraum erforderlich (vgl. ).

Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen.

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist es schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ; ).

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Der Magistrat der Stadt Wien hat den Bf. bereits mit Vorhalt vom davon in Kenntnis gesetzt, dass mit seiner Heranziehung als Haftender zu rechnen ist und ihn eingeladen, sich dazu zu äußern.

Mit Vorhalt vom forderte der Magistrat der Stadt Wien den Bf. auf, eine Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum August bis Dezember 2014 vorzulegen.

Beide Vorhalte blieben unbeantwortet.

Der Magistrat der Stadt Wien hat dem Bf. somit ausreichend Gelegenheit gegeben, Beweise zum Nachweis dafür vorzulegen, dass ihn als organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft kein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden trifft.

In der o.a. Beschwerdevorentscheidung vom (der nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ebenfalls Vorhaltwirkung zukommt) wurde u.a. darauf hingewiesen, dass der Bf. der Aufforderung zur Beibringung einer Liquiditätsaufstellung bis dato nicht Folge geleistet hat. Er habe somit keinen Nachweis erbracht, dass die im Haftungszeitraum vorhandenen Mittel der Gesellschaft anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien.

Trotz all dieser Umstände hat der Bf. im gesamten Verfahren (insbesondere auch in der Beschwerde und im Vorlageantrag) konkrete Angaben zu stichtagsbezogenen Befriedigungsverhältnissen und Zahlungen vermissen lassen und keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt.

Der Bf. hat es somit unterlassen, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzutun, dass die Primärschuldnerin bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen wie behauptet nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte. Der geforderte Gläubigergleichbehandlungsnachweis wurde somit nicht erbracht. Die bloße Behauptung, sämtliche Gläubiger seien gleichbehandelt worden, reicht dazu nicht aus.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers angenommen.

Zur Kausalität:

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der in Rede stehenden Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Bf. zuzurechnen.

Zum Ermessen:

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. ). Im vorliegenden Fall sind keine Gründe evident, die das Bundesfinanzgericht zu einer Ermessensübung im Sinne des Bf. veranlassen würden, zumal der Haftungsbescheid in zeitlicher Nähe zur Konkurseröffnung der Primärschuldnerin ergangen ist. Vom Bf. wurde auch nicht aufgezeigt, dass die Haftung wegen seiner konkreten persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünde im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB mwN).

Ergebnis:

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass dem Magistrat der Stadt Wien nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn er den Bf. zur Haftung für die nicht entrichteten in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Anspruch nimmt.

Vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung konnten die in Haftung gezogenen Kommunalsteuerbeträge auf Grund der vom Finanzamt an die belangte Behörde übermittelten Unterlagen zur Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach den einzelnen Monaten aufgeschlüsselt werden. Dabei stellte sich heraus, dass die Kommunalsteuer im Zeitraum Jänner bis Juli 2014 von der Primärschuldnern zur Gänze bezahlt worden waren und dass der Rückstand an Kommunalsteuer nur den Zeitraum August bis Oktober 2014 betrifft (im November und Dezember 2014 wurden keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt). Der Spruch des angefochtenen Bescheides, der noch von einem Zeitraum Jänner bis November 2014 ausging, war daher entsprechend abzuändern.

Hinsichtlich der Dienstgeberabgabe war der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern zu berichtigen, als die festgestellten Rückstände nur den Zeitraum August bis November 2014 betreffen.

Darüber hinaus war darauf Bedacht zu nehmen, dass die geleisteten Quotenzahlungen in der Höhe von € 37,99 für Kommunalsteuer und € 9,41 für Dienstgeberabgabe im angefochtenen Haftungsbescheid noch nicht berücksichtigt wurden. Die entsprechenden Beträge waren daher herauszurechnen und der angefochtene Bescheid insofern zu Gunsten des Bf. abzuändern.

Im Übrigen war die Beschwerde aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Berechnung der Haftungsbeträge (siehe auch o.a. Vorhalt vom ):

a) Kommunalsteuer (alle Beträge in Euro):


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Zeitraum
Bemessungsgrundlage
Abgabenbetrag
entrichtet
1/2014
29.699,78
890,97
890,99
2/2014
29.999,78
899,97
899,99
3/2014
29.999,78
899,97
899,99
4/2014
31.363,64
940,89
940,91
5/2014
35.363,64
1.060,91
1.060,91
6/2014
35.363,64
1.060,91
1.060,91
7/2014
33.096,64
992,88
1.165,85
8/2014
33.446,64
1.003,40
0,00
9/2014
19.596,64
587,90
0,00
10/2014
101,49
3,04
0,00
SUMME
278.031,67
8.340,84
6.919,55

Haftungsbetrag daher:

Summe der zu entrichtenden Kommunalsteuer: € 8.340,84

abzüglich tatsächlich entrichteter Kommunalsteuer: € 6.919,55

ergibt Rückstand an Kommunalsteuer: € 1.421,29

abzüglich Quotenzahlungen nach Schlussverteilung: € 37,99

ergibt Haftungsbetrag Kommunalsteuer: € 1.383,30

Säumniszuschlag: 2 % von 1.421,29: € 28,42

b) Dienstgeberabgabe:

Dienstgeberabgabe für 1-12/2014 laut Kontoauszug: € 1.210,00

aliquoter Anteil pro Monat: € 100,83

Rückstand Dienstgeberabgabe 1-12/2014 laut Kontoauszug: € 532,00

abzüglich aliquoter Anteil für 12/2014: € 100,83

ergibt Rückstand Dienstgeberabgabe: € 431,13

abzüglich Quotenzahlungen nach Schlussverteilung: € 9,41

ergibt Haftungsbetrag Dienstgeberabgabe: € 421,72

Säumniszuschlag 2 % von 431,13: € 8,62

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400166.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at