Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2020, RV/7102455/2020

Scheinunternehmerschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Elisabeth Traxler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23, Marxergasse 4, 1030 Wien, vom betreffend Feststellung der Scheinunternehmerschaft (§ 8 SBBG) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob es sich bei der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) um ein Scheinunternehmen (§ 8 SBBG) handelt.

Dieser Frage liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

Am hat das Finanzamt der Bf. gemäß § 8 Abs. 4 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes - SBBG - mitgeteilt, dass der Verdacht bestehe, dass es sich bei der Bf. um ein Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG handle und diesen Verdacht auf folgende Feststellungen gestützt:
- Unmöglichkeit der Herstellung eines persönlichen Kontaktes zur Rechtsträgerin oder deren organschaftliche Vertretung an der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder an der der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung zuletzt bekannt gegebenen Adresse;
- Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen;
- Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbarer Instrumenten;
- Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung der Dienstnehmer zur Sozialversicherung.
Auf Grund dieser Feststellungen liege nach einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung, ihres Gewichtes und ihres wahren wirtschaftlichen Gehalts nach der Verdacht vor,
- dass Lohnabgaben, Sozialversicherungsbeiträge, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmern verkürzt worden seien und
- dass Personen zur Sozialversicherung angemeldet worden seien, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese Personen keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hätten.
In der Rechtsbelehrung wurde die Bf. darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 8 Abs. 7 SBBG das Recht habe, binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch durch persönliche Vorsprache bei der Abgabenhörde zu erheben.

Über die Zustellung dieser Mitteilung an der der Behörde zuletzt gemeldeten Adresse (***Bf1-Adr***) befindet sich in den vorgelegten Aktenteilen folgender Vermerk: Die Verdachtsmitteilung sei in die Hausbrieffachanlage des handelsrechtlichen Geschäftsführers (idente Adresse) Top 7 eingelegt worden, weil der Briefkasten der Bf. (hänge direkt unter Top 7 und sei mit Kugelschreiber schlecht leserlich mit "***Bf***" beschriftet) nicht entleert worden sei.

Am hat die Bf. unter Bezugnahme auf die Mitteilung gem. § 8 Abs. 4 SBBG beim Finanzamt folgenden Schriftsatz eingebracht: Herr ***2*** sei in Österreich in ***Bf1-Adr***/7, gemeldet und Geschäftsführer der Bf., welche ihren Hauptsitz in ***3*** (Slowenien) habe. Bezugnehmend auf die Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 SBBG werde mitgeteilt, dass sich der Geschäftsführer erst ab dem wiederum in Österreich befinde. Der Geschäftsführer werde im Sinne der Bestimmungen des § 8 SBBG persönlich vorsprechen, jedoch sei dies erst ab dem möglich. Es werde daher ersucht, die Frist im Sinne der Bestimmungen des § 8 Abs. 7 SBBG bis zum zu verlängern.
Vorweg werde jedoch Folgendes festgehalten:
1) Die Bf. sei eine Arbeitskräfteüberlassungsfirma, die ihren Hauptsitz in ***3*** habe.
2) Dienstnehmer: Im Jahre 2019 seien durchschnittlich 10-15 Dienstnehmer beschäftigt gewesen. Die Anmeldung der Dienstnehmer sei ordnungsgemäß bei der Österreichischen Gesundheitskasse erfolgt. Weder von der Finanzpolizei noch von der Österreichischen Gesundheitskasse lägen Verstöße gegen Meldepflichten vor.
3) Sitz der Gesellschaft: Die Gesellschaft habe ihren Sitz in ***3***. Bis September 2019 habe sie in ***4***, eine Niederlassung betrieben. Danach sei eine Anmietung der Liegenschaft in ***5***, durchgeführt worden. Hierbei sei eine Monatsmiete von € 3.600,00 bezahlt worden. Darin seien die Mitarbeiter der Bf. untergebracht worden. Es handle sich hierbei um ein Zinshaus.
4) Geschäftstätigkeit: Die Gesellschaft habe die Arbeitskräfteüberlassung betrieben, überwiegend Überlassungen im Baubereich. Bei den Auftraggebern habe jeweils Kontakt mit ausländischen Partnern bestanden, die sich sprachlich mit Herrn ***2*** verständigen hätten können. Diesen sei es wichtig gewesen, einen gleichsprachigen Ansprechpartner zu haben.
5) Betriebsmittel: Es gäbe keine gesonderten Betriebsmittel, da diese jeweils vom Überlasser zur Verfügung gestellt worden seien. Die Mitarbeiter seien hierbei jeweils mit der U-Bahn angereist.
6) Buchhaltungserstellung: Die Buchhaltung sei bis einschließlich 11/2019 bereits erstellt. Eine Einsichtnahme in die Buchhaltung sei möglich.
7) Winterarbeit: Leider sei es Herrn ***2*** nicht möglich gewesen, die Mitarbeiter über den Winter hindurch zu beschäftigen, deshalb seien diese nach Inanspruchnahme der Urlaubszeiten abgemeldet worden. Es wäre aber geplant, dass die Mitarbeiter im Februar 2020 wieder eingestellt würden, da bereits weitere Aufträge vorlägen. Ein entsprechender Auftrag werde gerne vorgelegt. Die Mitarbeiter würden auf die Rückkehr des Herrn ***2*** aus ***3*** warten und würden danach wiederum eingestellt werden.
8) Mitarbeiterforderungen: Hinsichtlich der Mitarbeiter bestünden laut Rücksprache mit der Arbeiterkammer offene Forderungen, wobei die Mitarbeiter entsprechende Leistungsnachweise vorgelegt hätten. Hinsichtlich der Leistungsnachweise werde übrigens bemerkt, dass es für jeden der Aufträge Stundenlisten gäbe, welche jeweils die Grundlage für die Abrechnung gebildet hätten.
9) Kunde ***6***: Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens beruhten darauf, dass der Kunde ***6*** Rechnungen bemängelt habe, da er falsche Verrechnungssätze und Qualitätsmängel geltend gemacht habe. Diesbezüglich werde derzeit ein Rechtsstreit überlegt, wobei die Bonitätsauskünfte betreffend der Firma ***6*** einen Rechtsstreit als nicht zielführend erscheinen lassen würden.

Mit Feststellungsbescheid gemäß § 8 SBBG vom hat das Finanzamt die Scheinunternehmerschaft der Bf. festgestellt. Diesen Bescheid hat das Finanzamt wie folgt begründet:
Aufgrund einer am bei der Finanzpolizei eingelangten Verdachtsmitteilung (samt beigefügten Beweismitteln und Erhebungsergebnissen) der (vormaligen NÖGKK und nunmehrigen) Österreichischen Gesundheitskasse (in der Folge: ÖGK), dass es sich bei der Bf. um ein Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG handle, seien von der Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde Ermittlungen iSd § 8 SBBG aufgenommen und weitere Erhebungen durchgeführt worden. Vorweg sei festzuhalten, dass von der NÖGKK bereits am und am Massenanmeldungen an die Finanzpolizei übermittelt worden seien, worauf diese ordnungspolitische Ermittlungen durchgeführt habe.
Durch die Finanzpolizei eigeholte Datenbankabfragen hätten ergeben, dass die Bf. am in das Firmenbuch eingetragen worden sei (FN ***7***) und seit dem bestehe. Als Geschäftsanschrift sei im Firmenbuch die Adresse ***4***, eingetragen. Der Geschäftszweig bzw. die Tätigkeit der Bf. bestehe in der Arbeitskräfteüberlassung. Das Unternehmen habe seinen Sitz in ***3*** (Slowenien) und Herr ***2*** fungiere lt. Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Die Geschäftsanschrift sei nach ***Bf1-Adr***, verlegt worden; dabei handle es sich auch um die zuletzt - seit - der Abgabenbehörde bekannt gegebene Adresse.
Der aus dem Gewerbeinformationssystem Austria GISA eingeholten Abfrage zufolge verfüge die Bf. über zwei aufrechte Gewerbeberechtigungen. Und zwar seit dem am Gewerbestandort ***4***, über die Gewerbeberechtigung des freien Gewerbes "Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe" und über das reglementierte Gewerbe "Überlassung von Arbeitskräften", wobei hier im Zeitraum vom bis zum der gewerberechtliche Geschäftsführer ***8*** eingetragen gewesen sei.
Eine Abfrage im Zentralen Melderegister habe ergeben, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer (erstmalig) seit April 2019 über einen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet verfüge, und zwar an der Anschrift ***Bf1-Adr***/Top 7. Angemerkt werde, dass die Wohnadresse des handelsrechtlichen Geschäftsführers nunmehr ident sei mit der der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebenen Adresse der Bf., wobei sich der Gewerbestandort weiterhin an der Anschrift ***4***, befinde. Weitere Ermittlungen der Finanzpolizei hinsichtlich des handelsrechtlichen Geschäftsführers hätten ergeben, dass dieser über keine Sozialversicherungsnummer in Österreich verfüge und demnach in Österreich auch nicht versichert sei.
Anfängliche Ermittlungen der Finanzpolizei an der Anschrift ***4*** - sohin am Gewerbestandort und ehemaligen Betriebssitz - hätten ergeben, dass es sich hierbei augenscheinlich um einen Lagerplatz handle, wobei dieser verschlossen gewesen sei und die Finanzpolizei niemanden angetroffen habe. Am verschlossenen Eingang habe sich ein Briefkasten mit der Firmenaufschrift der Bf. sowie ein Hinweis auf den Vermieter befunden. Allerdings habe die Finanzpolizei keinerlei Hinweis auf eine unternehmerische Tätigkeit am ehemaligen Betriebssitz und aufrechten Gewerbestandort feststellen können.
Weiterführende Ermittlungen der Finanzpolizei beim Vermieter hätten ergeben, dass der Mietvertrag mit Ende September 2019 von der Bf. gekündigt worden sei. Einen persönlichen Kontakt zum handelsrechtlichen Geschäftsführer, Herrn ***2***, habe es nur im Rahmen der Vertragsunterfertigung gegeben. Als Kontaktperson sei im Vertrag jedoch ein ehemaliger Dienstnehmer der Bf., Herr ***9***, angegeben worden. Auch über diese Kontaktperson habe kein Kontakt zum handelsrechtlichen Geschäftsführer aufgenommen werden können. Seitens der Finanzpolizei sei am mit dem ehemaligen gewerberechtlichen Geschäftsführer der Bf., Herrn ***8***, fernmündlich Kontakt aufgenommen worden und habe dieser beauskunftet, dass er seine Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer zurückgelegt habe, da er seit September 2019 kein Gehalt mehr erhalten habe. Sein ausstehendes Gehalt habe er über die Arbeiterkammer bereits eingeklagt.
Von der ÖGK sei am beim Handelsgericht ein Insolvenzantrag eingebracht worden. Laut Exekutionsbericht des Bezirksgerichtes Meidling vom , 4 E 2889/19f, sei an der Anschrift ***Bf1-Adr***, weder eine unternehmerische Tätigkeit der Bf. festgestellt, noch der handelsrechtliche Geschäftsführer, Herr ***2***, angetroffen worden. Am sei der Insolvenzantrag vom Landesgericht Wr. Neustadt mit folgender Begründung zurückgewiesen worden: "Der Antrag konnte nicht ordnungsgemäß zugestellt werden. Die Antragstellerin teilte mit, dass die Antragsgegnerin unbekannten Aufenthaltes ist. Bei der Adresse ***15*** erhob der Gerichtsvollzieher, dass die Schuldnerin unbekannt verzogen ist. Auch auf der Adresse in Wien konnte kein Vollzugsort festgestellt werden. Auch auf der Adresse in Slowenien konnte keine persönliche Zustellung erreicht werden."
Am seien von der Finanzpolizei an der der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebenen Adresse (und zugleich auch: Hauptwohnsitz des gewerberechtlichen Geschäftsführers ***2***), ***Bf1-Adr***, weitere Ermittlungen durchgeführt worden. Augenscheinlich habe die Finanzpolizei nach dem Haupteingang einen Briefkasten wahrnehmen können, auf welchem mit einem Kugelschreiber schlecht leserlich "***Bf***" angeführt gewesen sei. Hinweise auf eine unternehmerische Tätigkeit hätten nicht festgestellt werden können und es sei auch nicht möglich gewesen, den handelsrechtlichen Geschäftsführer oder eine (andere) der Bf. zugehörige Person anzutreffen. An der privaten Meldeadresse habe die Finanzpolizei den handelsrechtlichen Geschäftsführer, Herrn ***2***, ebenfalls nicht antreffen oder einen Kontakt zu ihm herstellen können. Ein von der Finanzpolizei angetroffener direkter Nachbar des handelsrechtlichen Geschäftsführers habe glaubhaft beauskunftet, dass er weder die Bf., noch Herrn ***2*** kenne. Seitens der Finanzpolizei sei angemerkt worden, dass es sich bei der privaten Meldeadresse des handelsrechtlichen Geschäftsführers augenscheinlich um ein Arbeiterquartier handle, da durch die Fenster wahrgenommen worden sei, dass es in den Zimmern mehrere Stockbetten und dass es eine Gemeinschaftsküche gäbe.
Weiterführende Ermittlungen hinsichtlich der Meldeadresse des handelsrechtlichen Geschäftsführers hätten ergeben, dass lt. Grundbuch ***10*** und ***1*** Eigentümer der Liegenschaft seien. Darüber hinaus seien die zuvor genannten Personen auch Geschäftsführer der ***12*** in ***13***, die dieses Gebäude verwalte und sei insbesondere auch ***10*** Geschäftsführer und Inhaber der ***14***, die die Bf. vertrete. Die Finanzpolizei habe beim Vermieter erheben können, dass ein aufrechtes Mietverhältnis bestehe und gemäß dem Mietvertrag und Zahlungsbeleg die Bf. das gesamte Objekt ***Bf1-Adr***, angemietet habe. Auch sei der Finanzpolizei gegenüber beauskunftet worden, dass es nur ein bis zwei Mal einen persönlichen Kontakt zum handelsrechtlichen Geschäftsführer, wie insbesondere bei Vertragsunterfertigung, gegeben habe. Weiterführende Hinweise auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Bf. oder auf das Unternehmen selbst hätten nicht erhoben werden können.
Abschließenden Erhebungen der Finanzpolizei zufolge habe die Bf. bei der ÖGK (vormals NÖGKK) einen Beitragsrückstand in der Höhe von € 92.792,64 (Stand ). Der eingeholten Dienstnehmerauskunft zufolge seien mit Stichtag vom noch sechs Dienstnehmer der Bf. laufend bei der ÖGK angemeldet. Darüber hinaus habe die Bf. auch nicht bloß geringfügige vollstreckbare Abgabenrückstände.
Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass auf Grund der aufgezeigten Vorgangs- bzw. Verhaltensweise, wie kein erkennbares Tätigwerden der Bf. am Firmensitz, keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer ***2*** sowie dem Entstehen von nicht bloß geringen Beitragsrückständen bei der ÖGK in der Höhe von € 92.792,64, ein Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG vorliege und es aus der Sicht der zuständigen Abgabenbehörde evident sei, dass die gegenständliche Rechtsträgerin zu dem Zweck gegründet worden sei, illegalen Zwecken nachzugehen.
Gemäß § 8 Abs. 3 SBBG lägen sohin folgende Anhaltspunkte vor:
- Die Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entspräche, an der der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift.
- Die Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontaktes zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift oder die der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse.
- Das Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen.
- Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten.
- Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt der Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.
Diese Anhaltspunkte begründeten bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung, ihres Gewichtes und ihres wahren wirtschaftlichen Gehaltes nach den Verdacht, dass für die in der Beilage laut DN-Liste angeführten Personen Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche verkürzt werden sollen, und/oder diese Personen zur Sozialversicherung angemeldet worden seien, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese Personen keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hätten.
Die Bf. sei gemäß § 8 Abs. 4 SBBG am aufgefordert worden, unter Mitnahme dieser Mitteilung binnen einer Woche ab Zustellung persönlich Widerspruch bei der Abgabenbehörde zu erheben. Dieser Aufforderung sei bis dato nicht Folge geleistet worden. Es werde somit festgestellt, dass die Bf. ab dem (Eintragung in das Firmenbuch) als Scheinunternehmen gelte.

Diesen Ausführungen ist die Bf. in ihrer Beschwerde vom wie folgt entgegen getreten:
1) Rechtliche Verhältnisse: Die Bf. sei als Kapitalgesellschaft im Firmenbuch in Slowenien eingetragen. Am sei in ***15*** eine Zweigniederlassung errichtet worden, deren Geschäftsadresse ***4***, gewesen sei. Bereits anlässlich einer Vorsprache betreffend einer Ratenzahlung sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass der Sitz der Zweigniederlassung nach ***Bf1-Adr***, verlegt worden sei. Die diesbezügliche Eintragung im Firmenbuch sei noch offen.
Die Tätigkeit der Zweigniederlassung in Österreich umfasse die Arbeitskräfteüberlassung.
2) Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 SBBG über den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens: Nach der von der Bf. durchgeführten Recherche sei am eine Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 SBBG über den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens an die ***Bf1-Adr*** ergangen. Die Bf. halte fest, dass sie diese Mitteilung nicht erhalten habe und damit habe sie auch die in der Rechtsbelehrung enthaltene siebentägige Frist zur Durchführung eines Widerspruches nicht wahrnehmen können. Es werde hiermit ausdrücklich Widerspruch gegen diese Mitteilung über den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens erhoben und der Zustellmangel gerügt.
3) Wohnsitz des Geschäftsführers: Der Geschäftsführer sei seit dem in ***Bf1-Adr***/7, gemeldet. Es sei richtig, dass die Wohnadresse des handelsrechtlichen Geschäftsführers mit der nunmehrigen Betriebsstätte identisch sei. Die Verlegung des Gewerbestandortes von ***15*** nach Wien werde beantragt werden, sobald der neue gewerberechtliche Geschäftsführer seine Tätigkeit aufgenommen habe. Nur dieser könne die Verlegung der Gewerbeberechtigung veranlassen.
4) Sozialversicherung des Geschäftsführers: Herr ***2*** sei alleiniger Gesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer der mit einer Gewerbeberechtigung in Österreich ausgestatteten Gesellschaft (Bf.), sodass dieser nach den gesetzlichen Bestimmungen nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert sei. Er unterliege damit in Österreich der gesetzlichen Pensions-, Unfall- und Krankenversicherung. Die dazugehörige Meldung habe der handelsrechtliche Geschäftsführer der SVA übermittelt (Beilage: Meldebestätigung vom ).
5) Mietvertrag ab : Die Bf. habe seit dem einen Mietvertrag betreffend ihren Standort in Wien.
6) Beitragsrückstand bei der Österreichischen Gesundheitskasse: Aus dem Firmenbuch sei ersichtlich, dass die Österreichische Gesundheitskasse beim Landesgericht Wr. Neustadt einen Konkursantrag eingebracht habe, welcher zurückgewiesen worden sei, weil das Landesgericht Wr. Neustadt nicht zuständig sei. Ein weiterer Antrag der Österreichischen Gesundheitskasse an das zuständige Handelsgericht in Wien sei nicht eingebracht worden. Die Schuldnerin sei auch nicht unbekannt verzogen, da sowohl der Österreichischen Gesundheitskasse als auch dem Finanzamt die neue Betriebsstättenadresse bekannt gegeben worden sei.
7) Meldeadresse des Geschäftsführers ***2***: Wie bereits von der Finanzpolizei festgestellt worden sei, handle es sich bei der Meldeadresse um ein Arbeiterquartier. In diesem Arbeiterquartier seien neben dem Geschäftsführer auch die Mitarbeiter der Bf. untergebracht. Es sei anzunehmen, dass die Finanzpolizei ihre Erhebungen im Jänner 2020 durchgeführt habe, wo sich der Geschäftsführer - wie auch dem Finanzamt bekannt gegeben worden sei - nicht in Österreich aufgehalten habe. Eine Befragung der anwesenden Mitarbeiter hätte ergeben, dass es sich hierbei ausschließlich um Mitarbeiter der Bf. handle und dass das gesamte Haus von der Bf. angemietet worden sei. Hinsichtlich des aufrechten Mietverhältnisses werde auf die Feststellungen der Finanzpolizei verwiesen, wonach der Vermieter bekannt gegeben habe, dass das gesamte Objekt ***Bf1-Adr***, von der Bf. angemietet worden und dies eine Arbeitnehmerwohnstätte sei. Bezüglich der Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass dieser ab dem wiederum in Österreich sei. Bereits mit Mail vom habe der Geschäftsführer sowohl dem Finanzamt als auch der zuständigen Landespolizeidirektion mitgeteilt, welche offenen Forderungen gegenüber Kunden bestünden. Darüber hinausgehend sei mitgeteilt worden, dass die Zahlungen des Kunden an das DLZ nicht erfolgt seien, womit aber eine teilweise Abdeckung des Rückstandes bei der Gebietskrankenkasse und dem Finanzamt erfolgen werde können. Hierbei sei mitgeteilt worden, dass er am wieder nach Wien komme. Des weiteren habe der Geschäftsführer den Rechtsstreit seit dem mit der Firma ***6*** sowie den wechselseitigen Schriftverkehr samt der Abrechnung vom , und den Wochenberichten übermittelt.
8) Antrag auf Akteneinsicht: Dem Feststellungsbescheid gemäß § 8 SBBG sei ein Auszug in Form einer Dienstnehmerauskunft vom als Beilage angeschlossen, welche unleserlich sei. Es werde daher der Antrag gestellt, eine Akteneinsicht in den gesamten Finanzamtsakt durchzuführen, damit die Bf. ihre Rechte vollständig wahrnehmen könne. Bezüglich des zu vereinbarenden Termins werde um Kontaktaufnahme gebeten.
9) Abrechnungsgrundlagen - Wochenberichte: Beiliegend übersende die Bf. die Wochenberichte als Grundlage für die Abrechnungen, welche bereits am dem Kunden übermittelt worden seien. Zum Nachweis werde auch die Mail an den Kunden übermittelt, woraus die Wochenberichte bezüglich der tatsächlich durchgeführten geschäftlichen Unternehmenstätigkeit ersichtlich seien.
10) Auftrag - Werkvertrag mit ***6***: Mit Mail vom habe die Bf. das bereits am persönlich übermittelte Angebot schriftlich wiederholt und dies als Grundlage der Vereinbarungen festgelegt.
11) Betriebsstätte: Das Finanzamt gehe selbst davon aus, dass eine Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 vorliege, was wiederum den Feststellungen des Bescheides inhaltlich widerspräche, zumal nach § 8 Abs. 3 SBBG einer der Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheinunternehmens in der Unauffindbarkeit an der zuletzt bekannt gegebenen Adresse gesehen werde. Somit widerspräche sich der Bescheid hierbei selbst. Ein Ermittlungsverfahren habe deshalb nicht begonnen werden können, da die Zustellung, dass es sich beim Rechtsträger um ein Scheinunternehmen handle, nicht erfolgt sei. Somit sei das Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt worden. Ein weiterer Begründungsmangel liege dahingehend vor, dass das Finanzamt den Feststellungsbescheid nur auf § 8 SBBG beziehe, ohne dabei zu definieren, ob es sich um ein Scheinunternehmen im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 SBBG oder um ein Scheinunternehmen im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 SBBG handle.
12) Beurteilung des Sachverhaltes nach ASVG: Nach § 539a Abs. 1 ASVG sei für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt maßgebend. Die Grundsätze der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sowie der §§ 21-24 BAO würden auch dann gelten, wenn eine Pflichtversicherung und sich daraus ergebende Rechte und Pflichten zu beurteilen seien. Nach § 35a Abs. 3 ASVG habe der Krankenversicherungsträger für Personen die Glaubhaftmachung, tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet zu haben, dem Dienstgeber dieser Personen zu übermitteln. Hiermit würden sämtliche Dienstnehmer als Zeugen zum Beweis beantragt, wobei auf die Dienstnehmerliste laut Beilage zum Feststellungsbescheid verwiesen werde. Dies zum Beweis dafür, dass diese Personen jeweils ordnungsgemäß im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes tätig geworden seien und diesbezüglich Leistungen für die Bf. erbracht hätten.
13) Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes: Unternehmer sei, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübe. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setze voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ausgeführt würden. Für die Bestimmung der Unternehmerschaft nach § 2 UStG sei auf die erbrachten Tätigkeiten abzustellen (Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, § 2 Tz 26). Seien von einem Unternehmen Rechnungen ausgestellt und seien hierfür entsprechende Leistungen von Mitarbeitern erbracht worden, so seien die gegenständlichen Rechnungen nicht als Scheinrechnungen anzusehen ( Zl. 2010/13/0143).
14) Zusammenfassung: Zusammenfassend sei festzuhalten, dass keinerlei Voraussetzungen für das Vorliegen eines Scheinunternehmens gegeben seien.

Das Finanzamt hat die Beschwerde im Juni 2020 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

In weiterer Folge hat das Bundesfinanzgericht sowohl die Österreichische Gesundheitskasse als auch das Finanzamt ersucht, den jeweiligen Beitrags- bzw. Abgabenrückstand bekannt zu geben.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass derzeit (Stand ) ein Beitragsrückstand in Höhe von € 81.996,37 und € 242,17 besteht. Das Finanzamt hat dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass derzeit ein Abgabenrückstand (LSt, DB, DZ) in Höhe von € 62.404,80 besteht. Sowohl die Österreichische Gesundheitskasse als auch das Finanzamt haben dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass die Bf. bis dato (noch) keine Beiträge/Lohnabgaben entrichtet hat und dass Zahlungen (an die Österreichische Gesundheitskasse bzw. an das Finanzamt) bisher lediglich im Rahmen der Auftraggeberhaftung bzw. von der BUAK erfolgt sind.

Am hat die ***16*** SteuerberatungsgmbH, die sowohl die Stellungnahme vom als auch die gegenständliche Beschwerde eingebracht hat, dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass sie die Bf. nicht mehr vertritt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der Einwand der Bf., dass sie die (an die Adresse ***Bf1-Adr*** zugestellte) Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 SBBG vom Jänner 2020 nicht erhalten habe und dadurch auch die (siebentägige) Frist zur Erhebung eines Widerspruches nicht wahrnehmen habe können, ist angesichts des (unstrittigen) Umstandes, dass die Bf. - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Mitteilung - am dazu Stellung genommen hat, weder nachvollziehbar, noch berechtigt.

Gemäß § 8 Abs. 1 SBBG ist ein Scheinunternehmen ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,
1. Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/innen/n zu verkürzen, oder
2. Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

In Anbetracht eines Beitragsrückstandes von (in Summe) € 82.238,54 bei der Österreichischen Gesundheitskasse und eines Abgabenrückstandes in Höhe von € 62.404,80 beim Finanzamt und unter Berücksichtigung des (unstrittigen) Umstandes, dass die Bf. (selbst) bis dato überhaupt keine Beiträge und Abgaben entrichtet hat, bestehen nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes keine Zweifel daran, dass es sich bei der Bf. um ein Scheinunternehmen iSd § 8 Abs. 1 Z 1 SBBG handelt. Da der (entscheidungsrelevante) Sachverhalt somit eindeutig feststeht, hat das Bundesfinanzgericht nicht - wie von der Bf. beantragt - sämtliche Dienstnehmer lt. Dienstnehmerliste (= Beilage zum angefochtenen Bescheid) zum Nachweis dafür, dass diese auch tatsächlich tätig geworden sind, einvernommen. Im Übrigen steht der Beurteilung, dass ein Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG vorliegt, nicht entgegen, dass (tatsächlich) Arbeitnehmer beschäftigt worden sind (so auch: ), sodass sich auch aus diesem Grund die von der Bf. beantragte Einvernahme erübrigt.

Die Bf. hat auch Akteneinsicht beantragt und dies damit begründet, dass die dem angefochtenen Bescheid angeschlossene Dienstnehmerliste unleserlich sei. Bei dieser Dienstnehmerliste handelt es sich um eine vom Finanzamt bei der Österreichischen Gesundheitskasse eingeholte (und als "Dienstnehmerauskunft" bezeichnete) Abfrage, welche Dienstnehmer bei der Bf. beschäftigt waren bzw. sind. In dieser Liste sind die Namen, die Sozialversicherungsnummern und das Geburtsdatum der Dienstnehmer (leserlich) angeführt. Lediglich beim den Beschäftigungszeitraum betreffenden Datum sind nur der Tag und der Monat lesbar. Dazu ist vorweg auszuführen, dass der Bf. bekannt sein muss, von wann bis wann sie welche Dienstnehmer beschäftigt hat. Davon abgesehen ist die Befragung der Dienstnehmer - wie bereits ausgeführt wurde - im gegenständlichen Fall nicht erforderlich.
Zur Begründung ihres Antrages auf Einsichtnahme in den gesamten Finanzamtsakt hat die Bf. auch ausgeführt, dass dies erforderlich sei, damit sie ihre Rechte vollständig wahrnehmen könne. Dazu ist Folgendes auszuführen: Das Recht auf Akteneinsicht stellt keinen Selbstzweck dar, sondern gibt dem Abgabepflichtigen ein Hilfsmittel zur Hand, seine abgabenrechtlichen Interessen zu verfolgen. Während eines laufenden Verfahrens wird es dem Abgabepflichtigen durch Akteneinsicht ermöglicht, kontrollierend und vorbeugend Fehlannahmen und unzutreffenden Vermutungen der Behörde entgegenzutreten ( Zl. 2012/15/0166; vom , Zl. 2000/13/0037). Die Feststellung der Scheinunternehmerschaft gründet sich - wie dargestellt - im gegenständlichen Fall ausschließlich auf § 8 Abs. 1 Z 1 SBBG. Dabei, dass bzw. in welcher Höhe bei der Österreichischen Gesundheitskasse bzw. beim Finanzamt Beitrags- bzw. Abgabenrückstände bestehen und dass die Bf. selbst bis dato keine Beiträge/Abgaben entrichtet hat, handelt es sich nicht um "(Fehl)Annahmen" oder um "(unzutreffende) Vermutungen", sondern um unstrittige und der Bf. bekannte Tatsachen, sodass der Umstand, dass die Bf. in die vom Bundesfinanzgericht eingeholten Rückstandsmeldungen nicht Einsicht genommen hat, der vollständigen Wahrnehmung ihrer abgabenrechtlichen Interessen nicht entgegensteht.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Akteneinsicht regelmäßig die körperliche Anwesenheit der Partei oder ihres Vertreters notwendig erscheinen lässt (so auch: Zl. 91/15/0005). Wie aus der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens (eindeutig) hervorgeht, sind mehrmalige Versuche des Finanzamtes bzw. der Finanzpolizei, zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Bf., Herrn ***2***, einen persönlichen Kontakt herzustellen, gescheitert. Hinzu kommt, dass die Bf. auch steuerlich nicht mehr vertreten ist. Das SBBG enthält eine Reihe von vom ZustellG bzw. der BAO abweichende Sonderbestimmungen, wie beispielsweise für den Widerspruch eine Frist von (nur) einer Woche (§ 8 Abs. 7 leg. cit.), die eine zügige Durchführung des Verfahrens gewährleisten sollen, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt dem Antrag auf Einsichtnahme in die Akten, deren entscheidungsrelevanter Inhalt der Bf. ohnehin bekannt ist, nicht entsprochen wurde.

In ihrer Beschwerde hat die Bf. (nur) den Antrag gestellt, die Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen. Die Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit stellt sich nur im Zusammenhang mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 275 Abs. 3 BAO). Nach § 274 Abs. 1 Z. lit. a BAO wäre eine mündliche Verhandlung jedoch ua. nur dann durchzuführen, wenn dies in der Beschwerde beantragt wird. Das ist hier nicht der Fall. Aber selbst wenn der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit als Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verstehen wäre, so wäre diesem im gegenständlichen Fall aus folgenden Gründen nicht entsprochen worden:
Mit dem am kundgemachten 2. COVID-19-Gesetz, BGBl. I 16/2020, wurde in der BAO ua. § 323c Abs. 4 - der gemäß § 2a BAO auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht Anwendung findet - eingefügt. Nach dieser Bestimmung sind nunmehr (und bis auf weiteres) ua. mündliche Verhandlungen nur dann durchzuführen, wenn dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Die Durchführung mündlicher Verhandlungen dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Wahrung der Parteienrechte, insbesondere dazu, bei der Aufklärung des (entscheidungsrelevanten) Sachverhaltes mitzuwirken und zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen ( Zl. 2013/15/0245). Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes bedarf der Sachverhalt im ggstdl. Fall keiner (weiteren) Aufklärung mehr. Wie hoch die Beitrags- und Abgabenrückstände sind, ist der Bf. wohl bekannt, sodass eine Stellungnahme der Bf. dazu nicht erforderlich ist. Dass die Bf. selbst (bis dato) keine Beiträge und Abgaben entrichtet hat, muss ihr ebenfalls bekannt sein, sodass sich auch hierzu eine Stellungnahme erübrigt. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes wäre die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Fall daher nicht erforderlich gewesen.

Zur Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage, was unter einem Scheinunternehmen iSd § 8 Abs. 1 SBBG zu verstehen ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, der nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes grundsätzliche Bedeutung zukommt und zu der - soweit erkennbar - eine Rechtsprechung fehlt.
Die Revision ist daher zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 90 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 Z 1 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
§ 275 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102455.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at