Rückforderung der Familienbeihilfe mangels Haushaltszugehörigkeit im Fall des gleichzeitigen Familienbeihilfenbezuges für mehrere Kinder
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe in Höhe von 11.354,94 Euro und des Kinderabsetzbetrages in Höhe von 3.387,20 Euro, insgesamt 14.742,14 Euro, Kind NN VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, für den Zeitraum von Februar 2014 bis März 2016 und von Juni 2016 bis Jänner 2019 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der Rückforderungsbescheid wird aufgehoben, soweit er sich auf den Zeitraum von Februar 2014 bis März 2015 bezieht. Im übrigen bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.
Die Berechnungsgrundlagen und die festgesetzten Rückforderungsbeträge sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt Neunkirchen Wiener Neustadt von NN VN1-BF VN2-BF, in der Folge kurz Bf., die für NN VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, in der Folge oft auch kurz mit VN1-RF-Kd bezeichnet) für den Zeitraum Februar 2014 bis März 2016 und von Juni 2016 bis Jänner 2019 ausbezahlte Familienbeihilfe im Betrag von 11.354,94 Euro und den Kinderabsetzbetrag in Höhe von 3.387,20 Euro, insgesamt 14.742,14 Euro, zurück. Begründend führte das Finanzamt außer der Anführung des Gesetzestextes des § 2 Ab. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) aus, die Familienbeihilfe für VN1-RF-Kd stehe der Bf. nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr zu. Sie werde aber darauf aufmerksam gemacht, dass VN1-RF-Kd für diesen Zeitraum einen Eigenantrag stellen dürfe.
Gegen den Rückforderungsbescheid erhob die Bf. Beschwerde und führte begründend aus, in der Zeit, in der ihr Sohn VN1-RF-Kd in einer WG untergebracht gewesen sei, habe es regelmäßigen Kontakt gegeben. Er sei an den Wochenenden gekommen und habe sich Taschengeld geholt und die Bf. habe seine Wäsche gewaschen. Außerdem sei er auch immer an den Feiertagen zu ihr gekommen und auch regelmäßig von ihr verköstigt worden. 2014 sei VN1-RF-Kd bei ihr wohnhaft gewesen. Mitte 2016 sei er in eine WG übersiedelt. Es sei nicht in Ordnung, den drei kleinen Kindern, SCHWESTER3, BRUDER2 und SCHWESTER4 ihre Existenzgrundlage zu nehmen und keine Familienbeihilfe mehr auszubezahlen. Die Bf. wisse nicht, womit sie die Lebensmittel und die Miete bezahlen solle. Außerdem möchte sie festhalten, dass sie für ihren Sohn VN1-RF-Kd nie die erhöhte Familienbeihilfe bezogen habe.
Mit Vereinbarung gemäß § 32 Bgld. Kinder- und Jugendhilfsgesetz (Bgld. KJHG) vom übertrug die Bf. der Bezirkshauptmannschaft BH-ORT, Kinder- und Jugendhilfe, die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung betreffend VN1-RF-Kd VN2-RF-Kd (einschließlich der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich). Sie gab ihr Einverständnis, dass ihr Sohn NN VN1-RF-Kd VN2-RF-Kd im Rahmen der vollen Erziehung gemäß § 32 Bgld. KJHG im Betreuten Wohnen des BEWOXXX bis zur Volljährigkeit am untergebracht werde.
Am stellte NN VN1-RF-Kd einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für sich selbst. Er sei ab im betreuten Wohnen des XXX untergebracht. Er war seit an der Adresse HW-ADRESSE mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Mit Vorhaltsbeantwortung vom ersuchte das Finanzamt die Bf., bis zum Bestätigungen vorzulegen, aus denen ersichtlich werde, wo ihr Sohn VN1-RF-Kd im Zeitraum von 2/2014 bis 1/2019 genau gelebt habe. Es müsse ersichtlich werden, warum er dort untergebracht gewesen sei. Gemäß Daten des Zentralmelderegisters sei er im Zeitraum der Beschwerde nicht bei der Bf. wohnhaft gewesen.
Die Vorhaltsbeantwortung wurde am beim Finanzamt in den Einwurfkasten eingeworfen. Die Frist war händisch auf korrigiert. Beigelegt waren Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister betreffend die Bf. und VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd.
Das Finanzamt wies die Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend wie folgt aus:
"Gemäß § 2 Abs. 2 FamiIienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat eine Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im obengenannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.
Gemäß § 25 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, innerhalb eines Monats ab dem Bekannt werden, beim zuständigen Finanzamt zu melden.
Ihr Sohn VN1-RF-Kd war im Beschwerdezeitraum nicht bei Ihnen wohnhaft. Gemäß Daten des Zentralmelderegisters dürfte er aufgrund einer Kinderschutzmaßnahme fremduntergebracht gewesen sein. Trotz Aufforderung haben Sie keine Angaben darübergemacht, um welche Art der Unterbringung es sich dabei gehandelt hat.
Sie werden außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass Sie alle Änderungen binnen 4 Wochen dem Finanzamt melden hätten müssen."
Die Bf. erhob "Einspruch Beschwerde" und brachte vor, sie sei mit der Entscheidung darüber, ihren Einspruch als unbegründet einzustufen, nicht einverstanden. Der geforderte Betrag sei falsch berechnet worden. Sie habe zu keiner Zeit für ihren Sohn VN1-RF-Kd VN2-RF-Kd die doppelte Kinderbeihilfe bezogen und empfinde die offene Forderung als zu hoch berechnet. Außerdem habe es auch während seiner Unterbringung in einer WG regelmäßigen Besuch von ihm bei ihr zu Hause gegeben, wodurch auch Kosten entstanden seien. Er habe bei ihr gegessen und sie habe ihm die Wäsche gewaschen. Zusätzlich habe sie ihm auch regelmäßig Taschengeld gegeben. Sie lebe derzeit als alleinerziehende Mutter von drei kleinen Kindern und es sei für sie existenzbedrohend, wenn sie überhaupt keine Familienbeihilfe ausbezahlt bekomme. Sie ersuche daher, ihr eine Ratenvereinbarung zu gewähren, damit wenigstens ein Teil weiterhin ausbezahlt werde. Sie sei bereit, monatlich 50,00 Euro zu bezahlen.
Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht begründend aus, ein durchgeführtes Vorhalteverfahren sei nicht vollständig beantwortet worden. Es sei nur die Vorlage von ZMR Ausdrucken erfolgt, keine Bestätigung wo der Sohn im Zeitraum 02/14 bis 01/19 gelebt hat und ob er aus sozialpädagogischen Gründen fremduntergebracht gewesen sei. Der Sohn dürfte aufgrund einer Kinderschutzmaßnahme fremduntergebracht worden sein. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Familienbeihilfe für Kinder, die aus sozialpädagogischen Gründen fremduntergebracht sind, nach aktueller Rechtslage nicht zusteht. Nach freier Beweiswürdigung sei eine solche vorgelegen. Eine genaue Klärung sei aufgrund der mangelnden Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte das Amt der Burgenländischen Landesregierung, Referat Gesundheit, Kinder und Jugendhilfe, um Beantwortung der folgenden Fragen:
Ist aus dem Akt ersichtlich, in welchen Zeiträumen das Kind fremd untergebracht war? Wenn ja, wann war dies der Fall?
Welche Vereinbarungen oder gerichtlichen Anordnungen lagen den Fremdunterbringungen zugrunde?
Welche Kosten hat die Mutter pro Monat für das Kind getragen?
Welche Kosten sind pro Monat für die öffentliche Hand entstanden?
Sollte es nicht möglich sein, anhand der im Akt vorhandenen Unterlagen diese Auskünfte zu erteilen, so wurde ersucht um Bekanntgabe, wer allenfalls die erforderlichen Auskünfte erteilen kann.
Die Bezirkshauptmannschaft ORT erteilte folgende Auskunft:
"1.) VN1-RF-Kd-VN2-RF-KdNN ist gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern am von Wien nach ADRESSE1 übersiedelt. Am übersiedelte die Familie dann nach ADRESSE2.
VN1-RF-KdVN2-RF-KdNN wurde am im Rahmen einer Gefahr in Verzug Maßnahme durch die KJH ORT zuerst in einer Krisenpflegefamilie ( - ) und dann auf einem Krisenplatz im EINRICHTUNG-ORT ( - ) untergebracht. Am erfolgte dann die Überstellung in die WG-BEZEICHNUNG nach WG-ORT, wo er mit Zustimmung der Mutter vom bis im Rahmen der vollen Erziehung untergebracht war (Vereinbarung mit der Mutter liegt bei). Mit übersiedelte VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd zur endgültigen Verselbstständigung ins betreute Wohnen des BETREUUNGSEINRICHTUNG nach ORT-BETREUUNGSEINRICHTUNG.
Die Krisenunterbringung am erfolgte im Rahmen der Gefahr in Verzug Maßnahme nach § 211 ABGB. Seitens des Kinder- und Jugendhilfeträger wurde fristgerecht beim zuständigen Pflegschaftsgericht die Obsorge beantragt. Eine Entscheidung des Gerichtes war nicht notwendig, weil die Mutter am die Zustimmung zur Maßnahme der vollen Erziehung erteilte und den Kinder- und Jugendhilfeträger der Bezirkshauptmannschaft ORT mit der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung beauftragte.
2.) Die Mutter ist weder zu den halbjährlichen Fallverlaufsgesprächen gekommen, noch hat sie für VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd irgendwelche Kosten übernommen.
3.) Die Kosten der vollen Erziehung beliefen sich durchschnittlich auf monatlich ca.
€ 6.565,50."
Das Ergebnis der Ermittlungen wurde dem Finanzamt und der Bf. mit Beschluss mitgeteilt und den Parteien darüber hinaus die Sicht des Bundesfinanzgerichtes wie folgt dargelegt:
"Laut Zentralem Melderegister wohnte VN1-RF-Kd vom bis nicht mit der Mutter in einem gemeinsamen Haushalt. Er war 2019 von Jahresanfang bis 11.12 durchgehend beschäftigt. Eine Tragung der überwiegenden Kosten des Unterhalts durch die Bf. ist daher nicht wahrscheinlich." ...
"Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens wird davon ausgegangen, dass VN1-RF-Kd, welchem seitens des Sozialministeriumservice das Vorliegen einer erheblichen Behinderung vom September 2015 bis April 2022 bescheinigt wurde, ab März 2015 nicht mehr überwiegend und ab April 2015 nicht mehr dem Haushalt der Bf. angehört hat.
VN1-RF-Kd wurde in jenem Zeitraum, für welchen der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages strittig ist, ab bzw. außerhalb des Haushaltes der Bf. betreut. Dass die Bf. für VN1-RF-Kd in diesem Zeitraum maßgebliche Beiträge für seinen Unterhalt bezahlt hat, ist aufgrund der Angaben der BH ORT auszuschließen.
Die Bf. hat überdies in diesem Zeitraum auch noch andere Kinder in ihrem Haushalt versorgt und sind Zuwendungen an VN1-RF-Kd daher auch unwahrscheinlich, soweit es sich nicht um kleinere Geschenke handelt. Die Bf. wohnte in einem anderen Bundesland und sind häufige oder längere Besuche daher ebenfalls unwahrscheinlich.
Inwieweit tatsächlich Kontakte stattgefunden haben oder die Bf. Kosten des Unterhalts für VN1-RF-Kd bezahlt hat, müsste daher von ihr nachgewiesen werden.
Für den Zeitraum von Februar 2014 bis Februar 2015 wäre der Beschwerde aus derzeitiger Sicht des Bundesfinanzgerichtes stattzugeben, für den restlichen Zeitraum wäre sie abzuweisen."
Den Parteien wurde eine zweimonatige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Das Schreiben wurde der Bf. am zugestellt.
Das Finanzamt hat aufgrund dieses Beschlusses eine Stellungnahme wie folgt abgegeben:
"Auch nach Ansicht des Finanzamtes steht aufgrund des Schreibens der Bezirkshauptmannschaft ORT für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 zu.
Da für den weiteren Zeitraum aufgrund des bisherigen Beweisverfahrens davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin keine maßgeblichen Beträge für den Unterhalt bezahlt hat (diese Meinung wird auch vom BFG vertreten), beantragt das Finanzamt die Beschwerde für den restlichen Zeitraum abzuweisen."
Die Stellungnahme des Finanzamtes wurde der Bf. übermittelt und ihr mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes aufgetragen, binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zutellung dieses Beschlusses dazu Stellung zu nehmen.
Der Beschluss wurde der Bf. am zugestellt.
Die Bf. hat innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben.
Das Finanzamt wurde ersucht, die jeweils für VN1-RF-Kd und die übrigen Kinder im Rückforderungszeitraum bezogenen Beträge bekannt zu geben.
Aufgrund der vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit der Einsichtnahme in das Abgabeninformationssystem ist ersichtlich, dass die Bf. jeweils für mehrere Kinder die Familienbeihilfe bezogen hat.
Bezüge sind im Rückforderungszeitraum ausgewiesen für NN ersteSCHWESTER, geboren am GebDat-erste-SCHWESTER, NN erster-BRUDER, geboren am GebDat-ersterBRUDER, NN VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, geboren am GebDat-RF-Kd, NN SCHWESTER2, geboren am GebDat-SCHWESTER2, NN SCHWESTER3, geboren am GebDat-SCHWESTER3, NN BRUDER2, geb. am GebDat-BRUDER2 und NN SCHWESTER4, geboren am GebDat-SCHWESTER4.
Für diese Kinder wurde in folgenden Zeiträumen Familienbeihilfe bezogen:
Im Jahr 2014:
Von Februar bis Juni 2014 für ersteSCHWESTER, erster-BRUDER, VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd und SCHWESTER2.
Für Juli und August für dieselben Kinder und für SCHWESTER3.
Von September bis Dezember für erster-BRUDER, VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, SCHWESTER2 und SCHWESTER3.
Im Jahr 2015:
Von Jänner bis April für erster-BRUDER, VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, SCHWESTER2 und SCHWESTER3.
Ab Mai wurde die Familienbeihilfe für erster-BRUDER nicht ausbezahlt, ab Juni wurde die Familienbeihilfe für SCHWESTER2 nicht ausbezahlt. Für VN1-RF-Kd und SCHWESTER3 erfolgte eine durchgehende Auszahlung. Im Dezember wurde die Familienbeihilfe für erster-BRUDER und SCHWESTER2 nachgezahlt, sodass ein durchgehender Bezug für alle vier Kinder in diesem Zeitraum vorliegt.
Im Jahr 2016:
Von Jänner bis Dezember für erster-BRUDER, VN1-RF-Kd, SCHWESTER2 und SCHWESTER3, ab Juli auch für BRUDER2. Teilweise erfolgten die Auszahlungen als Nachzahlungen für BRUDER2 (im Juli) und für erster-BRUDER (für September und Oktober).
Im Jahr 2017:
Für erster-BRUDER-, VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3 und BRUDER2 von Jänner bis Juni sowie für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3 und BRUDER2 für Juli bis Dezember.
Im Jahr 2018:
Für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3 und BRUDER2, sowie zusätzlich für SCHWESTER4 ab August.
Im Jänner 2019:
Für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3, BRUDER2 und SCHWESTER4.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt und Beweiswürdigung
Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen wird folgender Sachverhalt festgestellt:
VN1-RF-Kd lebte bis Februar 2015 mit mehreren Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt mit der Bf.. Er wurde am im Rahmen einer Gefahr in Verzug Maßnahme durch die KJH ORT zuerst in einer Krisenpflegefamilie ( - ) und dann auf einem Krisenplatz im EINRICHTUNG-ORT ( - ) untergebracht. Am erfolgte dann die Überstellung in die WG-BEZEICHNUNG nach WG-ORT, wo er mit Zustimmung der Mutter vom bis im Rahmen der vollen Erziehung untergebracht war (Vereinbarung mit der Mutter liegt bei). Mit übersiedelte er zur endgültigen Verselbstständigung ins betreute Wohnen des BETREUUNGSEINRICHTUNG nach ORT-BETREUUNGSEINRICHTUNG. Spätestens ab war VN1-RF-Kd daher fremduntergebracht.
Ab diesem Zeitpunkt hat die Bf. im Rückforderungszeitraum keine Unterhaltskosten mehr für VN1-RF-Kd getragen, auch wenn es möglich ist, dass sie von VN1-RF-Kd fallweise besucht wurde, ihr in diesem Zusammenhang geringe Kosten entstanden sind und sie ihm allenfalls hin und wieder Geschenke gemacht hat. Nachweise dafür, dass sie wesentlich zu den Kosten des Unterhalts beigetragen hätte, hat die Bf. nicht erbracht. Laut Bezirkshauptmannschaft ORT hat die Bf. für VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd keine Kosten übernommen.
Der Bf. wurde die Auskunft der Bezirkshauptmannschaft ORT zur Kenntnis gebracht. Sie hat dazu jedoch keine Stellungnahme abgegeben und keine Beweismittel vorgelegt, die eine andere Beurteilung erfordern würden.
Ab April 2015 hat die Bf. die Familienbeihilfe in folgenden Zeiträumen für folgende Kinder bezogen:
2015:
Für erster-BRUDER, VN1-RF-Kd-VN2-RF-Kd, SCHWESTER2 und SCHWESTER3, somit für vier Kinder für 9 Monate.
2016:
Für erster-BRUDER, VN1-RF-Kd, SCHWESTER2 und SCHWESTER3, ab Juli außerdem für BRUDER2, das sind 6 Monate für vier Kinder und 6 Monate für fünf Kinder.
2017:
Für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3 und BRUDER2 das ganze Jahr, für erster-BRUDER bis Juni, das sind 6 Monate für fünf Kinder und 6 Monate für vier Kinder.
2018:
Für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3 und BRUDER2, sowie zusätzlich für SCHWESTER4 ab August, das sind 7 Monate für vier Kinder und 5 Monate für fünf Kinder.
2019:
Für VN1-RF-Kd, SCHWESTER2, SCHWESTER3, BRUDER2 und SCHWESTER4, das ist ein Monat für fünf Kinder.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0329 mit der dort angeführten Judikatur).
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich
58,40 Euro für jedes Kind zu. .... Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Zu prüfen ist daher, ob die Bf. im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für VN1-RF-Kd hatte.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
VN1-RF-Kd hat ab 8. bzw. nicht mehr dem Haushalt der Bf. angehört. Er war ab diesem Zeitpunkt fremduntergebracht. Dass die Bf. im Rückforderungszeitraum nennenswerte Kosten des Unterhalts von VN1-RF-Kd getragen hat, wird aufgrund der Auskunft der Bezirkshauptmannschaft ORT ausgeschlossen. Im Übrigen hat die Bf. selbst weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht, welche Kosten sie für VN1-RF-Kd allenfalls getragen hätte.
Die Bf. hat die Familienbeihilfe daher gemäß § 10 Abs. 2 FLAG ab April 2015 zu Unrecht bezogen.
Der Beschwerde konnte aufgrund der unbestrittenen Haushaltszugehörigkeit für den Zeitraum von Februar 2014 bis März 2015 teilweise Folge gegeben werden. Der Bescheid war insoweit aufzuheben.
Die Bf. hat weiters eingewendet, der Rückforderungsbetrag sei zu hoch gewesen und sie habe nie erhöhte Familienbeihilfe für VN1-RF-Kd bezogen.
Beim Kinderabsetzbetrag handelt es sich um einen Fixbetrag, der an den Bezug der Familienbeihilfe gekoppelt ist. Der Rückforderungsbetrag errechnet sich im aus der Zahl der Monate, für welche die Familienbeihilfe zu Unrecht ausbezahlt wurde, durch Multiplikation mit diesem Betrag.
Gemäß § 8 Abs. 1 FLAG bestimmt sich der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
Wird die Familienbeihilfe für ein Kind rückgefordert, während im selben Zeitraum auch für andere Kinder die Familienbeihilfe bezogen wurde, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 FLAG auch für diese Kinder.
Der ursprünglich vom Finanzamt zurückgeforderte Betrag entspricht den für VN1-RF-Kd ausbezahlten Beträgen und der Differenz zwischen den zu Unrecht bezogenen Erhöhungsbeträgen und den tatsächlich gebührenden Erhöhungsbeträgen, die für die übrigen Kinder aufgrund der Auszahlung der Familienbeihilfe für VN1-RF-Kd ebenfalls ausbezahlt wurden.
In der Folge wird daher der Rückforderungsbetrag für den Zeitraum der Abweisung der Beschwerde unter Anführung der jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen aufgegliedert:
2015:
Gemäß § 8 Abs. 2 FLAG beträgt die Familienbeihilfe monatlich
1. ab ...
c) 136,2 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet, ...
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
1. ab , wenn sie ...
b) für drei Kinder gewährt wird, um 16,6 €,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 25,5 €, ...
Gemäß § 8 Abs. 8 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
Die Bf. hat von April bis Dezember 2015, für 9 Monate, für vier Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte. Der gesamte für VN1-RF-Kd ausbezahlte Betrag an Familienbeihilfe war rückzufordern. Da die Bf. nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte, reduziert sich auch der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 von 25,50 Euro auf 16,60 Euro für die übrigen Kinder.
Der Rückforderungsbetrag für 2015 setzt sich daher wie folgt zusammen:
[...]
2016 und 2017:
Gemäß § 8 Abs. 2 FLAG beträgt die Familienbeihilfe monatlich
1. (Anm.: tritt mit außer Kraft)
2. ab ..
c) 138,8 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet, ...
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
1. (Anm.: tritt mit außer Kraft)
2. ab , wenn sie
b) für drei Kinder gewährt wird, um 17 €,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 26 €,
d) für fünf Kinder gewährt wird, um 31,4 €, ...
Gemäß § 8 Abs. 8 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
2016:
Es war der gesamte für VN1-RF-Kd ausbezahlte Betrag an Familienbeihilfe rückzufordern.
Die Bf. hat von Jänner bis Juni 2016, für 6 Monate, für vier Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie für Jänner, Februar, März und Juni nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte. Da die Bf. für diese Monate nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von 26,00 Euro auf 17,00 Euro. Sie hat weiters von Juli bis Dezember 2016 für fünf Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte. Da die Bf. nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von Juli bis Dezember von 31,40 Euro auf 26,00 Euro..
Der Rückforderungsbetrag für 2016 setzt sich daher wie folgt zusammen:
[...]
2017:
Es war der gesamte für VN1-RF-Kd ausbezahlte Betrag an Familienbeihilfe rückzufordern.
Die Bf. hat von Jänner bis Juni 2017, für 6 Monate, für fünf Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte. Da die Bf. für diese Monate nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von 31,40 Euro auf 26,00 Euro. Sie hat weiters von Juli bis Dezember 2017 für vier Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte. Da die Bf. nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von Juli bis Dezember von 26,00 Euro auf 17,00 Euro.
Der Rückforderungsbetrag für 2017 setzt sich daher wie folgt zusammen:
[...]
2018 und 2019:
Gemäß § 8 Abs. 2 FLAG beträgt die Familienbeihilfe monatlich
(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
3. ab ...
c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet, ...
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
3. ab , wenn sie
b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,
d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €, ...
2018:
Es war der gesamte für VN1-RF-Kd ausbezahlte Betrag an Familienbeihilfe rückzufordern.
Die Bf. hat von Jänner bis Juli 2018, für 7 Monate, für vier Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte. Da die Bf. für diese Monate nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von 26,50 Euro auf 17,40 Euro. Sie hat weiters von August bis Dezember 2018 für fünf Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl sie nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte. Da die Bf. nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von Juli bis Dezember von 32,00 Euro auf 26,50 Euro.
Der Rückforderungsbetrag für 2018 setzt sich daher wie folgt zusammen:
[...]
2019:
Es war der gesamte für VN1-RF-Kd ausbezahlte Betrag an Familienbeihilfe rückzufordern.
Die Bf. hat im Jänner 2019 für fünf Kinder Familienbeihilfe bezogen, obwohl ihr nur für vier Kinder die Familienbeihilfe zustand.
Da die Bf. für diesen Monat nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für vier Kinder hatte, reduziert sich der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 für die übrigen Kinder von 32,00 Euro auf 26,50 Euro.
Der Rückforderungsbetrag für 2019 setzt sich daher wie folgt zusammen:
[...]
Insgesamt ergibt sich daher folgender Rückforderungsbetrag für folgende Jahre:
Der gesamte Rückforderungsbetrag reduziert sich auf den angeführten Betrag.
Die Beschwerde war für den Zeitraum ab April 2015 abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war im gegenständlichen Fall nicht zu klären. Die Lösung der betroffenen Rechtsfragen ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Gesetzestext und der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102268.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at