Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2020, RV/7400062/2020

Haftung Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***7***, ***10***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***MA*** vom betreffend Haftung gemäß § 224 BAO in Verbindung mit § 6a KommStG und § 80 BAO sowie § 224 BAO in Verbindung mit § 6a des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe und § 80 BAO (Primärschuldnerin: ***3***) zu Recht:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Abgabenerklärungen für das Jahr 2015 (Rumpfjahr Jänner bis Juni 2015), jeweils vom gab der Masseverwalter für die Primärschuldnerin einen Kommunalsteuerbetrag von 2.260,70 Euro (Akt Blatt 19) und eine Dienstgeberabgabe in Höhe von 330 Euro (Akt Blatt 21) bekannt.

In einem Schreiben vom (Akt Blatt 12) der ***8*** an die ***9*** wird angegeben, die Primärschuldnerin sei im Rahmen der "Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" durch das zuständige Finanzamt einer Kommunalsteuerprüfung unterzogen worden. Für den Zeitraum Jänner bis Juni 2015 ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von 143.210,89 Euro und eine Kommunalsteuer von 4.296,33 Euro. In einem weiteren solchen Schreiben vom gleichen Tag (Akt Blatt 17) wird die aufgrund der genannten Prüfung festgestellte Dienstgeberabgabe für Jänner bis Juni 2015 mit 572 Euro beziffert. Details zur Berechnung dieser Beträge oder eine monatliche Übersicht derselben sind im vorgelegten Akt nicht vorhanden.

Mit Schreiben vom (Akt Blatt 23 und 24) forderte die belangte Behörde den Bf. zu einer Stellungnahme auf. Er sei seit ***2*** als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen und daher deren verantwortlicher Vertreter.

Seitens der Primärschuldnerin sei für den Zeitraum 1-5/2015 Kommunalsteuer in Höhe von 2.624,27 Euro sowie ein Säumniszuschlag von 52,49 Euro und Dienstgeberabgabe in Höhe von 107,08 samt Säumniszuschlag von 2,14 Euro nicht entrichtet worden.

Es werde dem Bf. die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gegeben. Dieses Schreiben wurde dem Bf. laut Zustellnachweis am übergeben.

Die angeführten Steuerbeträge ermittelte die belangte Behörde durch aliquote Kürzung (5 von 6 Monaten) der in den Schreiben der ***8*** vom bekannt gegebenen Abgabenbeträge abzüglich einer Konkursquote von ***6***%. Gegenüber dem Bf. wurde diese Berechnung nicht offengelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom (Akt Blatt 26 und 27) zog die belangte Behörde den Bf. gemäß § 6a KommStG und § 80 BAO für einen Betrag von 2.676,76 Euro und gemäß § 6a des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe und § 80 BAO für einen Betrag von 109,22 Euro zur Haftung heran. Aus der Bescheidbegründung geht hervor, dass sich die Beträge aus Kommunalsteuer in Höhe von 2.624,27 Euro sowie einem Säumniszuschlag von 52,49 Euro sowie der Dienstgeberabgabe in Höhe von 107,08 und einem Säumniszuschlag von 2,14 Euro zusammensetzen.

Der Bf. sei Vertreter der Primärschuldnerin gewesen. Mit Beschluss des ***4*** vom ***5*** sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden. Damit sei die erschwerte Einbringlichkeit der offenen Abgabenforderungen erfüllt.

Der Bf. habe seine abgabenrechtliche Verpflichtung zur Abgabenentrichtung nicht erfüllt. Die Geltendmachung der Haftung entspreche der Zweckmäßigkeit und Billigkeit gemäß § 20 BAO.

Der angefochtene Bescheid wurde laut Zustellnachweis am durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Schriftsatz von (Akt Blatt 29 bis 32) erhob der Bf. Bescheidbeschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Ihn treffe keine schuldhafte Pflichtverletzung. Er habe den Abgabengläubiger gleichermaßen wie die Gebietskrankenkasse und die Finanzverwaltung bedient.

Die Bezahlung von Material, Löhnen etc. sei erforderlich gewesen, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und so eine Befriedigung aller Gläubiger in höchstmöglichen Ausmaß zu erreichen.

Eine Geschäftsführerhaftung liege daher nicht vor. Es wurde eine Stellungnahme eines beeideten Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters beigelegt (Akt Blatt 33).

Gleichzeitig mit einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung des strittigen Betrags brachte Bf. vor, dass ihm die Begleichung der Summe wirtschaftlich nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom (Akt Blatt 40 und 41) forderte die belangte Behörde den Bf. auf, eine nach Monaten gegliederte Aufschlüsselung der abgegebenen Jahreserklärungen für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgaben sowie eine monatliche Liquiditätsaufstellung der Primärschuldnerin für den Streitzeitraum vorzulegen.

Am (Akt Blatt 45 bis 88) legte der Bf. eine Liquiditätsplanung (Tabelle mit Einnahmen und Ausgaben, Kassastand und "Liquiditätssumme") und eine Einnahmen-Ausgaben-Tabelle mit Kassenstand (Diagramm) sowie Kontoauszügen der Primärschuldnerin für den Zeitraum Jänner bis Juni 2015 vor.

Eine Auflistung der Verbindlichkeiten sei nicht mehr möglich, da keine Informationen dazu vorlägen, wann Rechnungen eingegangen seien bzw. wann diese fällig gewesen seien. Im Übrigen wurde darauf verwiesen, dass der Magistrat der Stadt Wien gleich wie die Finanzverwaltung und die Gebietskrankenkasse behandelt worden sei.

Mit Schreiben vom (Akt Blatt 89) forderte die belangte Behörde den Bf. erneut auf, eine nach Monaten gegliederte Aufschlüsselung der abgegebenen Jahreserklärungen für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgaben sowie eine monatliche Liquiditätsaufstellung zum 15. des Monats vorzulegen.

Mit Schreiben vom (Akt Blatt 91) brachte der Steuerberater der Primärschuldnerin vor, dass eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Streitzeitraum aufgrund des bereits beendeten Konkursverfahrens der Primärschuldnerin nicht mehr möglich sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (Akt Blatt 94 bis 95) wies die belangte Behörde die Bescheidbeschwerde als unbegründet ab. Die vom Bf. beigebrachte Liquiditätsplanung gebe keinerlei Auskunft darüber, welche Verbindlichkeiten zu welchen Fälligkeitsterminen in welchem Ausmaß mangels ausreichender Geldmittel von der Primärschuldnerin nicht beglichen werden konnten. Durch die beigebrachten Tabellen werde vielmehr die Schlechterstellung des Abgabengläubigers offenbar, weil ersichtlich sei, dass die Primärschuldnerin andere Gläubigeransprüche befriedigt habe, während den Zahlungen von Löhnen und Gehältern keine vollständige Zahlung der Kommunalsteuer folgte und die Dienstgeberabgabe teilweise unbezahlt geblieben sei.

Mit Schreiben von (Akt Blatt 101 bis 102) begehrte der Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Inhaltlich wiederholte der Bf. im Wesentlichen das Vorbringen aus der Beschwerde vom .

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Bescheidbeschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. war vom ***2*** bis zu deren Auflösung infolge Konkurses am handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Mit Abgabenerklärungen für das Jahr 2015 (Rumpfjahr Jänner bis Juni 2015), jeweils vom gab der Masseverwalter für die Primärschuldnerin einen Kommunalsteuerbetrag von 2.260,70 Euro und eine Dienstgeberabgabe in Höhe von 330 Euro bekannt. Von diesen Beträgen ist die belangte Behörde abgewichen, ohne den Bf. diesen Umstand bzw. die Ermittlung der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Beträge zu offenbaren. Nach diesem Bescheid ist von der Primärschuldnerin für den Zeitraum 1-5/2015 Kommunalsteuer in Höhe von 2.624,27 Euro sowie ein Säumniszuschlag von 52,49 Euro und Dienstgeberabgabe in Höhe von 107,08 und ein Säumniszuschlag von 2,14 Euro nicht entrichtet worden.

Die von der belangten Behörde angesetzten Beträge ergeben sich aus einer aliquoten Kürzung (5 von 6 Monaten) der in den Schreiben der ***8*** vom genannten Abgabenbeträge. Dem Bf. wurde weder dieses Schreiben noch die Berechnung vorgehalten.

Gegenüber der Primärschuldnerin erließ die belangte Behörde keine Kommunalsteuer- oder Säumniszuschlagsbescheide.

Dem Bf. wurde im gesamten Verfahrensgang nicht offengelegt, welche der haftungsgegenständlichen Abgaben zu welchem Zeitpunkt entstanden bzw. fällig gewesen sind.

Im Übrigen ist auf die Ausführungen im Verfahrensgang zu verweisen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensgang genannten Dokumenten.

Die Stellung des Bf. als Vertreter der Primärschuldnerin sowie die Angaben iZm deren Konkurs können dem Firmenbuchauszug vom (Akt Blatt 3 bis 5) entnommen werden.

Dass keine Säunmiszuschlagsbescheide erstellt worden sind, ergibt sich aus dem Umstand, dass solche weder vorgelegt noch deren Existenz seitens der Verfahrensparteien vorgebracht worden ist. Das gleiche gilt für die nicht vorhandenen Kommunalsteuerbescheide.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung der verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge (Aliquotierung) ist den Aktenblättern 8 und 9 zu entnehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtslage

§ 6a KommStG 1993 lautet:

§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

§ 11 KommStG 1993 lautet:

Entstehung der Steuerschuld, Selbstberechnung, Fälligkeit und Steuererklärung

(1) Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind. Lohnzahlungen, die regelmäßig wiederkehrend bis zum 15. Tag eines Kalendermonats für den vorangegangenen Kalendermonat gewahrt werden, sind dem vorangegangenen Kalendermonat zuzurechnen.

(2) Die Kommunalsteuer ist vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werden laufende Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen.

(3) Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt.

(4) Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Steuererklärung abzugeben. Die Steuererklärung hat die gesamte auf das Unternehmen entfallende Bemessungsgrundlage aufgeteilt auf die beteiligten Gemeinden zu enthalten. Im Falle der Schließung der einzigen Betriebsstätte in der Gemeinde ist zusätzlich binnen einem Monat ab Schließung an diese Gemeinde eine Steuererklärung mit der Bemessungsgrundlage dieser Gemeinde abzugeben. Die Übermittlung der Steuererklärung hat elektronisch im Wege von FinanzOnline zu erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt und das Verfahren der elektronischen Übermittlung mit Verordnung festzulegen. Ist dem Unternehmer die elektronische Übermittlung mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar, ist der Gemeinde die Steuerklärung unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes zu übermitteln. Die Gemeinden haben die Daten der Steuererklärung hinsichtlich der jeweils auf sie entfallenden Bemessungsgrundlagen der Finanzverwaltung des Bundes im Wege des FinanzOnline zu übermitteln.

Die Abgabenbehörden des Bundes sind berechtigt, die Daten der Steuererklärung nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 zu verwenden.

(5) Der Unternehmer hat jene Aufzeichnungen zu führen, die zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände dienen.

§ 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe lautet:

§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 224 BAO lautet:

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Erwägungen

Gemäß § 1 KommStG unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Die Steuerschuld entsteht gemäß § 11 Abs. 1 KommStG mit Ablauf des Kalendermonats, in dem u.a. Lohnzahlungen gewährt worden sind.

Gemäß § 6a KommStG haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DGAG).

Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens ().

Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Beschwerdeverfahren dem Verwaltungsgericht; es hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Beschwerdeentscheidung, dass das Verwaltungsgericht die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat. Es hat daher auch im Falle einer Haftungsinanspruchnahme die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses gegeben sind (idS. zur Berufungsbehörde). Das Verwaltungsgericht hat daher den gesamten verwirklichten Sacherhalt einschließlich des bisherigen Verfahrensganges bei seiner Ermessensübung zur berücksichtigen.

Angesichts der Tatsache, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten (soweit sie tatsächlich bestehen) nur im Haftungswege einbringlich gemacht werden können, wäre dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) grundsätzlich gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung) der Vorzug zu geben, da eine andere Möglichkeit der Einbringlichkeit nicht besteht.

Demgegenüber stehen jedoch im konkreten Streitfall Verfahrensmängel seitens der belangten Behörde, die sowohl die Primärschuldnerin als auch das Haftungsverfahren belasten und die bei der Ermessensübung im Rahmen der Billigkeit nicht unbeachtet belassen werden können.

Erweist sich die Selbstberechnung der Kommunalsteuer des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993 einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt.

Da die belangte Behörde von der vom Masseverwalter abgegebenen Abgabenerklärung vom abgewichen ist, wäre ein solcher Bescheid zu erlassen gewesen. Hinweise, dass die Primärschuldnerin nachträglich die Selbstberechnung berichtigt habe, liegen im Akt nicht vor. Schon in diesem Umstand ist ein allenfalls den Bf. belastender Verfahrensfehler zu erblicken.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) muss der Bf., wenn ein solcher Abgabenbescheid nicht erlassen wurde, den er später nach § 248 BAO hätte bekämpfen können, die Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren anfechten können. Dem Bf. ist darzulegen, auf Grund welchen Sachverhaltes die Kommunalsteuerschuld in der von der Selbstberechnung abweichenden Höhe entstanden ist. Das gleiche gilt für die jeweils monatlich entstehende Dienstgeberabgabe.

Auch der dem Verwaltungsgericht vorgelegte Akt enthält keine nachvollziehbaren Angaben zur Feststellung des Abgabenanspruches.

Der bloße interne (nicht gegenüber dem Bf. ausgesprochene) Hinweis, die Primärschuldnerin sei im Rahmen der "Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" durch das zuständige Finanzamt einer Kommunalsteuerprüfung unterzogen worden samt damit einhergehender Angabe nicht näher erläuterter Beträge, kann hiefür nicht ausreichen. Die Aussage in der Beschwerdevorentscheidung, dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen nach der Aktenlage tatsächlich bestünden, ist nicht ausreichend, um den Bf. in die Lage zu versetzen, substantiierte Einwendungen gegen den Bestand der Abgabenforderungen vorzubringen. Zudem ist diese Aussage nach der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage auch nicht verifizierbar.

Im gesamten Verfahrensgang wurden dem Bf. seitens der belangten Behörde weder die Abgabenerklärungen des Masseverwalters noch die Schreiben der ***8*** oder die Ergebnisse der Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben vorgehalten. Vielmehr hat die belangte Behörde mit Schreiben vom und vom den Bf. aufgefordert, eine nach Monaten aufgegliederte Aufschlüsselung der (vom Masseverwalter) eingebrachten Jahreserklärungen vorzulegen, obwohl es der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, an der belangten Behörde gelegen wäre, ihre ermittelten Bemessungsgrundlagen gegliedert nach Monaten darzulegen.

Details zur Berechnung dieser Beträge oder eine monatliche Übersicht derselben sind nicht ersichtlich und wurden dem Bf. nicht zur Kenntnis gebracht. Tatsächlich hat die belangte Behörde die von ihr selbst angenommen und dem Bf. nie erläuterten Beträge, rechnerisch von sechs auf fünf Monate aliquotiert. Dass diese Art der Berechnung zu einem materiell (monatsweise) richtigen Ergebnis führt, ist faktisch nahezu ausgeschlossen.

Die fehlende Aufgliederung der von der Behörde angenommenen Beträge verhindert zudem schon dem Grunde nach den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung durch den Bf.

Hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid angesprochenen Säumniszuschläge ist anzumerken, dass gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 bzw. Z 5 F-VG ausschließliche Landesabgaben solche sind, deren Ertrag ganz den Ländern zufließt und ausschließliche Gemeindeabgaben solche, deren Ertrag ganz den Gemeinden zufließt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 FinanzausgleichsG 2017 ist die Kommunalsteuer eine ausschließliche Landes(Gemeinde)abgabe. Gemäß § 217a Z 2 BAO, eine Sondervorschrift für Landes- und Gemeindeabgeben, werden Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Im beschwerdegegenständlichen Sachverhalt sind entgegen der gesetzlichen Vorgaben auch keine Säumniszuschlagsbescheid(e) erlassen worden. Gründe für dieses Vorgehen sind dem vorgelegten Akt nicht zu entnehmen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass im gegenständlichen Haftungsverfahren, von Beginn bis zur Vorlage der Beschwerde am der Bf. weder über die Ermittlung, Berechnung und Fälligkeit der Abgaben, für welche er zur Haftung herangezogen werden soll informiert worden ist noch die gesetzlich vorgesehenen Abgabenbescheide gegenüber der Primärschuldnerin, die im gewöhnlichen Verfahrensgang die Grundlage der Haftung darstellen sollten, erlassen worden sind.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den das Verwaltungsgericht bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (vgl. ).

Liegen keine besonderen Umstände vor, die eine späte Inanspruchnahme des ehemaligen Geschäftsführers zur Haftung rechtfertigen könnten, ist die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit gegenüber der vom Zweckmäßigkeitserwägung zumindest teilweise zu berücksichtigen (vgl. ). Dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100321/2014 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem eine Prüfung der Haftungsmöglichkeiten bereits im November 2011 durchgeführt wurde, die Erlassung eines Haftungsbescheides jedoch erst mit (also knapp 2,5 Jahre später) erfolgt ist. Das Bundesfinanzgericht hielt in diesem Fall die Reduzierung der Haftungsbeträge im Rahmen des Ermessens um 40% für angemessen.

Im konkreten Fall lag zwischen der Insolvenz der Primärschuldnerin und dem angefochtenen Bescheid ein Zeitraum von ca. einem Jahr. Das Verwaltungsgericht hat aber im Rahmen des Ermessens auch die Dauer des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens zu berücksichtigen, welches sich bis zur Vorlage am erstreckt.

Außerdem ist festzustellen, dass es im bisherigen Verfahren unterlassen worden ist, dem Bf. die zum jeweiligen Fälligkeitstermin offenen Abgabenverbindlichkeiten vorzuhalten. Um dies bewerkstelligen zu können wären diese Beträge, da bislang nur in Form einer Schätzung vorliegend, in einem weiteren Verfahrensgang zu ermitteln. Sollten diese Ermittlungen erfolgreich sein, würden diese und das anschließende Vorhalteverfahren zu einer weiteren, nicht vom Bf. zu vertretenden Verfahrensverlängerung, führen.

Unter Einbeziehung der noch offenen Ermittlungsschritte, deren Ausgang zudem nicht abgeschätzt werden kann, ist eine Verfahrensdauer von mehr als fünf Jahren absehbar, sodass schon aus diesem Grunde eine Minderung der Haftungssumme in einem Ausmaß von deutlich mehr als 40% anzusetzen wäre. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei Zugrundelegung der in den Abgabenerklärungen angegebenen Beträge, deren Unrichtigkeit seitens des belangte Behörde bislang nicht belegt wurde, diese durch die Konkursquotenzahlung bereits weitgehend entrichtet sind.

Unter diesen, von der belangten Behörde zu vertretenden Umständen (lange Verfahrensdauer, fehlende Bescheidausstellung im Zusammenhang mit den haftungsgegenständlichen Abgaben, fehlende monatsweise Offenlegung der haftungsgegenständlichen Abgaben, schätzungsweise Berechnung der haftungsgegenständlichen Abgaben ohne Ermittlung der tatsächlichen Beträge) erachtet es das Verwaltungsgericht insgesamt als nicht billig im Sinne des § 20 BAO, den Bf. zur Haftung für die verfahrensgegenständlichen Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin heranzuziehen.

Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher ausgeschlossen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a Wiener Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 217a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400062.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at