Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2020, RV/7105250/2019

Abgabennachsicht bei behaupteter persönlicher Unbilligkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden***1***, den Richter***2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***16*** und ***17*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Vertreter der Beschwerdeführerin ***18*** und ***19***, der Amtsbeauftragten ***20*** und der Schriftführerin ***21*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Gemäß § 236 BAO werden auf Antrag vom die Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 6.789,90 durch Abschreibung nachgesehen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Nachsichtsansuchen vom gemäß § 236 BAO brachte der Vertreter der Beschwerdeführerin (Bf) vor, dass Frau ***3*** am einen Schlaganfall mit Gehirnblutung erlitten habe. Sie sei seit damals ohne selbständiges Einkommen, da sie ihren Beruf nicht mehr ausüben könne und ein Pflegefall sei. Da sie auch über keine finanziellen Reserven verfüge und eine Wiederaufnahme der Tätigkeit medizinisch gesehen sehr unwahrscheinlich sei, werde ersucht, die Schuld beim Finanzamt nachzulassen.

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde den Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von € 6.789,90 ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet bzw. die Einhebung mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist. Unter außergewöhnlicher wirtschaftlicher Auswirkung wird verstanden, dass die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur unter Veräußerung von Vermögen möglich wäre und zusätzlich diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Aufgrund der festgestellten Vermögenswerte ist der Tatbestand der persönliche Unbilligkeit nicht erfüllt und das Ansuchen war abzuweisen."

Mit Eingabe vom erhob der Vertreter der Bf im Namen und Auftrag der Tochter von Frau ***4*** Beschwerde gegen den Bescheid vom und ersuchte neuerlich, die Schuld beim Finanzamt nachzulassen.

Zum Hauptwohnsitz der Bf teilte der Vertreter Folgendes mit:

"Bei der Adresse ***5*** in ***6*** handelt es sich um die Räumlichkeiten einer Gemeinschaftspraxis von Frau ***7***, Hr. ***8***, ***9*** und ***10***. Der Mietvertrag wurde von Frau ***3*** unterschrieben und läuft auch noch Frau ***3***. Warum Frau ***3*** an dieser Adresse seit 2004 hauptgemeldet ist, kann sich auch ihre Tochter nicht erklären.

Der tatsächliche Hauptwohnsitz von Frau ***3*** befindet sich in der ***11***, in ***12***."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab und führte zur Begründung Folgendes aus:

"Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde und mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme. Aufgrund der Tatsache, dass Frau ***3*** Eigentümerin eines Grundstückes in ***12***, ***11***, ist, kann keine persönliche Unbilligkeit festgestellt werden. Mangels Vorliegens einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Einhebung bleibt daher für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde vom durch das BFG, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und durch einen neu zu erlassenden Bescheid zu ersetzen, der den nachfolgenden Beschwerdegründen Rechnung trägt, die Entscheidung durch den gesamten Senat gem. § 272 Abs. 2 Z 1 BAO, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 272 Abs. 1 Z 1 BAO und die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO hinsichtlich des derzeitigen Rückstandes in Höhe von € 6.863,35.

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Frau ***3*** erlitt am einen schweren Schlaganfall verbunden mit einer Gehirnblutung. Sie war bis dahin als selbständige Psychotherapeutin tätig. Durch den Schlaganfall wurde Frau ***3*** vollkommen arbeitsunfähig. Sie bezieht Pflegegeld und benötigt für das tägliche Leben eine 24 Stunden Pflege. Eine Rückkehr in das Wirtschaftsleben ist aufgrund des Gesundheitszustandes ausgeschlossen (Befunde und Arztbrief liegen dem Finanzamt vor).

Im April/Mai 2018 wurden die Steuererklärungen 2015 und 2016 veranlagt. Es ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von € 6.789,90. Aufgrund von Säumniszuschlägen, Stundungszinsen und einem Guthaben aus der Veranlagung 2017 beträgt der derzeitige Rückstand € 6.863,35.

Zum Zeitpunkt des Schlaganfalles gab es keine Geldreserven.

Aufgrund der Tatsache, dass Frau ***3*** seit 2/2017 über kein selbständiges Einkommen mehr verfügt, sie seit 8/2017 nur eine Mindestpension erhält und als einziges Vermögen ein Kleingartenhaus, in dem sie lebt, vorhanden ist, habe ich beim Finanzamt um Nachsicht des Rückstandes gem § 236 BAO angesucht.

Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid vom abgewiesen, da persönliche Unbilligkeit laut Finanzamt nicht gegeben ist.

Gegen diesen Bescheid wurde am Beschwerde eingebracht, die aber mit Beschwerdevorentscheidung vom ebenfalls mit der Begründung der fehlenden sachlichen und persönlichen Unbilligkeit abgewiesen wurde.

Meiner Ansicht nach entbehrt diese Entscheidung aber der Rechtsgrundlage. § 236 enthält keine genaue Definition der Unbilligkeit einer Steuernachforderung. Aus Lehre und Judikatur wurde entwickelt, dass es sich um eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit nach Lage des Falles handeln kann. Frau ***3*** hat völlig unerwartet und unverschuldet einen Schicksalsschlag erlitten, der sie aus dem normalen Leben gerissen hat, was für sich alleine schon mit unglaublichen Beschwerden, Nachteilen und finanziellen Einbußen verbunden war und ist.

In ihrem Fall handelt es sich meines Erachtens um eine persönliche Unbilligkeit, die - laut mehreren VwGH-Entscheiden - dann vorliegt, wenn ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen besteht (siehe BAO Kommentar Ritz). Es muss eine außergewöhnliche wirtschaftliche Maßnahme zur Begleichung des Rückstandes notwendig sein. Die vom Finanzamt als Argument genutzte notwendige Verschleuderung des Gartenhauses ist ein Beispiel für die persönliche Unbilligkeit und keine notwendige Bedingung.

Bei Frau ***3*** wäre der Verkauf ihres einzigen Vermögens und die Aufgabe ihres langjährigen Wohnsitzes die einzige Möglichkeit, um eine Schuld von € 6.863 zu tilgen.

D.h. das Missverhältnis zwischen der Einhebung einer Abgabe und den damit verbundenen Nachteilen für die Steuerpflichtige ist eklatant.

Gerade für Personen mit Schlaganfällen, der damit verbundenen Vergesslichkeit und zeitweisen Desorientierung ist der Verbleib in einer gewohnten Umgebung ein maßgeblicher Überlebensfaktor.

Ein erzwungener Umzug in eine neue Umgebung wäre daher nicht nur eine wirtschaftlich vollkommen unangemessene Maßnahme, sondern würde massive persönliche und gesundheitliche Nachteile mit sich bringen. Abgesehen davon ist Frau ***3*** geistig gar nicht in der Lage, einen Hausverkauf bzw. eine Wohnungssuche zu organisieren. Ich beantrage daher die Nachsicht zu gewähren."

In der mündlichen Verhandlung brachte der Vertreter der Bf ergänzend Folgendes vor:

"Die Rückstände aufgrund der Veranlagung 2015 und 2016 sind nach dem Schlaganfall der Bf. entstanden. Ihr durchschnittliches jährliches Einkommen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Psychotherapeutin betrug in den Jahren zuvor zwischen € 15.000,00 und € 30.000 vor Steuern.

Zur Argumentation des Finanzamtes, der Abgabenrückstand könnte durch die Veräußerung des Kleingartenhauses (65 Quadratmeter) abgedeckt werden, ist auszuführen, dass die Bf pflegebedürftig ist und unter massiver Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses leidet und jede Ortsveränderung für sie katastrophale Folgen hätte.

An den Einkommens- und Vermögenswerten hat sich seit der Antragstellung nichts geändert. Mit der Pension, dem Pflegezuschuss und dem Pflegegeld der Stufe 3 könne nicht einmal die Kosten der 24-Stunden-Betreuung abgedeckt werden.

Die Liegenschaft hat einen Garten von 300 Quadratmeter. Der Wert der Liegenschaft kann nicht beziffert werden.

Das Wertpapierdepot bei***22***-wurde ca. im Herbst/Winter 2018 aufgelöst. Zum Vermögensstand kann keine Auskunft gegeben werden.
Die Leistung der ***23*** aus der aus dem vorgelegten Kontoauszug ersichtlichen ***24*** war ca. 3.000 bis 4.000,00 €. Es handelt sich um eine Betriebsausfallversicherung. Seitens der ***23*** wurde der Versicherungsfall bestritten, weil nach deren Meinung eine Betriebsbeendigung ein Betriebsausfall vorlag. Es wurde ca. 1 Jahr gestritten und in dieser Zeit wurden die vollen Prämien einbezahlt. Letztendlich wurden von der Versicherung 4.000,00 € bezahlt. Die Prämienzahlung wurde aus der Auflösung des Wertdepots bezahlt. Die Bf hatte eine PKW, der von der Tochter ca. 1 Jahr weiterverwendet wurde und letztendlich verschrottet wurde. Der Erlös daraus war € 50,00.

Sparbücher bzw. Sparkonten gab es keine. Die Bf hat ihr Einkommen zur Deckung der Lebenserhaltungskosten verwendet.

Die Miete i.H.v. 200,00 € für die Ordination wurde solange weiterbezahlt, als noch Hoffnung bestand, die Tätigkeit noch aufnehmen zu können. Die Bf war die Hauptmieterin und hat sich die Kosten mit drei Untermietern (ebenfalls Psychotherapeuten) geteilt."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach der Judikatur setzt eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenem Nachteil stünde, der sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergibt, dass also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind - etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren würden, stellen hingegen keine Unbilligkeit dar. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. zB ; , 98/13/0073; , 2003/13/0156).

Alter und Gesundheitszustand des Abgabepflichtigen können nur insoweit mit der Einbringung von Abgaben in Zusammenhang gebracht werden, als ihm durch diese Umstände die Entrichtung von Steuerschulden erschwert wird (; , 88/14/0245).

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Mit Email vom sandte die Tochter der Bf folgende Informationen bezüglich der derzeitigen finanziellen Situation ihrer Mutter ***4***:

"Frau ***3*** wohnt in einem Eigentumshaus. Leider übersteigen die monatlichen Ausgaben weit die Einkünfte. Meine Mutter bezieht weniger als Mindestpension. Das Pflegegeld wurde kürzlich von Stufe 4 auf Stufe 3 herabgesetzt, obwohl sie nach wie vor auf 24 Stunden Pflege angewiesen ist. Seit Februar 2017 ist sie wegen der Gehirnblutung arbeitsunfähig. Sie hat eine schwere Gedächtnisstörung, sie erinnert sich nicht, was sie vor 5 Minuten gemacht hat, ob sie schon geduscht hat, etc. Man kann sie nicht eine Minute ohne Aufsicht lassen. Wir haben bei der SVA Klage eingebracht, das Verfahren ist im Gange. Selbst wenn die Pflegestufe wieder auf 4 gesetzt wird, reichen die monatlichen Mittel leider nicht aus. Sie macht wöchentlich Physiotherapie und neuropsychologische Sitzungen, welche von der SVA nur zu einem geringen Teil übernommen werden. Die Ergotherapie übernehmen seit kurzem die Pflegerinnen selbst. Bei ihrem Konto achte ich darauf, dass sie nicht ins Minus rutscht, damit nicht auch noch Verzugszinsen anfallen. Ich überweise dann von meinem Konto etwas.

Hier eine grobe Einnahmen/Ausgabenrechnung:
Einkommen:
Pension und Pflegegeld Stufe 3: 1.190,35,-
Förderung Stadt Wien 24 Stunden Pflege: 550 gesamt: 1.740,35,-
Ausgaben:
Agentur 24 Stunden Pflege: 1.950,-
Erhaltungskosten Haus (Strom, Wasser, Haushaltsversicherung, Telefon...) ca.: 950 gesamt: 2.900
Andere Lebenskosten wie Essen, Kleidung, Hygiene, etc (für sie selbst und die Pflegerin) sind hier noch nicht eingerechnet.

Anbei der Kontoauszug (April 2018 bis August 2018). Die Bankbetreuerin meiner Mutter hat mich im Juli informiert, dass ein Bausparvertrag im August ausläuft. Sie hatte das Geld für ihre Enkelin ansparen wollen, nun haben wir es aber zur Deckung ihres Kontos verwendet (siehe Kontoauszug). Es wäre wirklich eine große Hilfe, wenn ihr die Steuerschuld erlassen wird."

Sofern die Bf zur Begründung des Vorliegens einer Unbilligkeit nicht ausreichende monatlichen Mittel vorbringt, ist darauf hinzuweisen, dass die Abgabenbehörde diesem Umstand ohnehin Rechnung getragen hat und laut Aktenvermerk vom eine Abgabenentrichtung aus dem Einkommen als nicht möglich erachtet hat. Vielmehr hat die Abgabenbehörde die Unbilligkeit aufgrund des vorhandenen Grundvermögens verneint.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () lässt auch die Notwendigkeit, Vermögenswerte - und sei es auch Grundvermögen - zur Steuerzahlung heranzuziehen, die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen. Wenn die Abstattung einer Abgabe nur durch eine Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkommen würde, könnte die Einziehung der Abgabe als unbillig angesehen werden. Das mag vor allem dann der Fall sein, wenn die Finanzverwaltung selbst die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft durchführen lassen würde.

Auch wenn im vorliegenden Fall die Steuerpflichtige die Möglichkeit hätte, einen Freihandkäufer zu suchen, erscheint in Hinblick auf die geringe Höhe des einzuhebenden Betrages, welche den Verkauf einer Liegenschaft als eine wirtschaftlich unangemessene Maßnahme erscheinen lässt, und des aus dem Verkauf resultierenden Verlustes des langjährigen Wohnsitzes, zumal dessen Verbleib in einer gewohnten Umgebung laut Vorbringen für Personen mit Schlaganfällen, der damit verbundenen Vergesslichkeit und zeitweisen Desorientierung ein maßgeblicher Überlebensfaktor sei und ein erzwungener Umzug in eine neue Umgebung massive persönliche und gesundheitliche Nachteile mit sich bringen würde, die Heranziehung der Liegenschaft zur Steuerzahlung als unbillig.

Die Einbringung stünde in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenem Nachteil, der sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen ergibt, sodass also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO war somit in Ausübung des Ermessens im Sinne des Gesetzes gemäß § 20 BAO die beantragte Nachsicht in Höhe von € 6.789,90 zu gewähren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105250.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at