Fehlende Nennung von Wiederaufnahmegründen in einem GrESt-Festsetzungsbescheid
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Grunderwerbsteuer 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ist eine nach § 98 Tiroler Raumordnungsgesetz (im folgenden: TROG) errichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Mit Kaufvertrag vom , dem auch die Gemeinde A beigetreten ist, erwarb der Beschwerdeführer von X das neu gebildete Grundstück Nr_1 mit einem Ausmaß von 8.720 m² gegen Zahlung eines Kaufpreises von EUR 650.000,-.
Im Kaufvertrag vom ist unter anderem Folgendes vereinbart:
"§ 2. X ist Eigentümer der Liegenschaft EZ_2, in welcher u.a., das Gst Nr_2 vorgetragen ist. ... Gemäß Vermessungsurkunde ... werden folgende Grundstücksänderungen vorgenommen: Die Teilung des Gst Nr_2 in dieses und in das Gst Nr_1. Das neu gebildete Gst Nr_1 hat ein Ausmaß von 8.720 m² und bildet den Kaufgegenstand.
§ 3. X verkauft und übergibt hiemit den Kaufgegenstand an den [Beschwerdeführer] und dieser kauft und übernimmt diese Fläche in sein Eigentum. Der Kaufpreis wird einvernehmlich festgelegt mit einem Betrag von EUR 650.000,-. ...
§ 10. Nach Vorliegen der im Rahmen eines Wettbewerbes erstellten Bebauungsstudie und des darauf aufbauenden Bebauungsplanes ist dem Verkäufer vom Käufer eine Fläche im Ausmaß von 1.800 m² zurückzuübereignen. Bei der Planung der genauen Lage und Ausgestaltung der Rückübereignungsfläche ist der Verkäufer von sämtlichen Wettbewerbsteilnehmern mit einzubeziehen und ist darauf Wert zu legen, dass die rück zu übereignende Fläche an das bestehende Grundeigentum des Verkäufers direkt, oder lediglich abgetrennt durch einen Zufahrtsweg angrenzt. ...
Für eine Fläche von 1.800 m² wird dieser Kaufvertrag aufgehoben und die Rückeintragung des Eigentumsrechtes für den Verkäufer auf Kosten des [Beschwerdeführers] vorgenommen werden. Dieser ist auch für die Erstellung der notwendigen Urkunden verantwortlich. Die Aufhebung des Kaufvertrages wird jedoch nur hinsichtlich des genannten Flächenausmaßes vorgenommen. Der in diesem Kaufvertrag festgesetzte Kaufpreis bleibt hiervon unberührt und bezieht sich dieser auf die beim Käufer verbleibende Grundstücksfläche. Die Fläche, welche rückübereignet wird hat im Flächenwidmungsplan eine Widmung als Bauland aufzuweisen, nämlich Wohngebiet gem. § 38 Abs 1 TROG 2011 oder gemischtes Wohngebiet gemäß § 38 Abs 2 TROG 2011. ..."
Am meldete der Beschwerdeführer die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 22.750,- im Wege von Finanz Online beim Finanzamt an und hinterlegte den Zugangscode zur elektronischen Abfrage der Kaufvertragsurkunde.
Im Rahmen einer Außenprüfung zu Auftragsbuch-Nummer Nr_3 traf das Finanzamt in Tz 29 betreffend den Kaufvertrag vom folgende Feststellung: "Die Rückübertragung von 1.800 m² Baufläche an den Veräußerer ist keine Vertragsaufhebung, sondern weitere Gegenleistung, da es sich bei den umgewidmeten Flächen nicht mehr um Landwirtschaft, sondern um Bauland handelt. Die Differenz zum Kaufpreis Landwirtschaft/Bauland ist weitere Gegenleistung..."
Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer betreffend den Kaufvertrag zwischen X und dem Beschwerdeführer gemäß § 201 BAO in Höhe von EUR 38.500,- fest. Die Begründung dieses Bescheides lautet auszugsweise: "Die Festsetzung erfolgt gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, da bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden. Die Feststellungen in der Außenprüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind … stellen für das Abgabenverfahren neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel dar, deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt bzw. zu einer anderen Abgabenerhebung als jener im Zuge der Selbstberechnung geführt hätte. Die Festsetzung gemäß § 201 BAO erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der Ermittlungen im Abgabenverfahren bzw der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. ... Die Rückübertragung von 1.800 m² Baufläche an den Veräußerer ist keine Vertragsaufhebung, sondern weitere Gegenleistung, da es sich bei den umgewidmeten Flächen nicht mehr um Landwirtschaft, sondern um Bauland handelt. Die Differenz zum Kaufpreis Landwirtschaft/Bauland ist weitere Gegenleistung. Preis pro m² geschätzt EUR 250,-; daher für 1.800 m² EUR 450.000,-."
In seiner gegen den Grunderwerbsteuerbescheid erhobenen Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass die Rückübertragung einer Grundfläche von 1.800 m² keine Gegenleistung darstelle. Der Erwerb der Grundfläche von X habe dazu gedient, gemeinsam mit der Gemeinde A ein Siedlungsgebiet im Sinn der Zielsetzungen der §§ 98 ff TROG 2016 zu realisieren. Es sei ein umfangreicher Planungsprozess unter anderem in Form eines geladenen Wettbewerbes durchgeführt worden. § 10 des Kaufvertrages vom sei dahin zu verstehen, dass von Anfang an festgelegt gewesen sei, dass ausschließlich eine Teilfläche von 6.920 m² (und nicht das gesamte Grundstück Nr_1 von 8.720 m²) an den Beschwerdeführer übertragen werden sollte. X habe nie die Absicht gehabt, eine um 1.800 m² größere Fläche an den Beschwerdeführer zu verkaufen. Aufgrund des Planungsprozesses habe die Flexibilität gewahrt werden müssen, die 1.800 m² erst nach Abschluss der Planung in ihrer Lage zu fixieren.
Es sei grundsätzlich falsch, Änderungen des Flächenwidmungsplanes der Steuerbemessung zu Grunde zu legen. Die Bestimmung hinsichtlich der Umwidmung in Bauland sei so zu verstehen, dass die Richtigstellung im Grundbuch erst dann vollzogen werden dürfe, sobald eine Umwidmung erfolgt sei.
Es seien keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen, weshalb die Erlassung des bekämpften Bescheides gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO unzulässig sei. Die Tatsache der Vereinbarung der Rückübertragung sei keine neue Tatsache, da diese Vereinbarung schon im ursprünglichen Kaufvertrag vom enthalten gewesen sei.
Mit Nachtrag vom zum Kaufvertrag vom vereinbarten der Beschwerdeführer und X Folgendes:
"Ausschließlich zur Klarstellung wird seitens der Vertragsparteien festgehalten, dass ...
- in § 2 letzter Absatz, wonach Kaufgegenstand das "GSt Nr_1" bildet
- in § 10, wonach der Vertrag hinsichtlich einer Fläche von 1.800 m² "aufgehoben" wird,
nach dem tatsächlichen Erklärungsinhalt § 10 des Vertrages vielmehr eine Konkretisierung des Kaufgegenstandes darstellt und somit tatsächlicher Kaufgegenstand nur eine Teilfläche von 6.920 m² (= 8.720 m² - 1.800 m²) des GSt Nr_1 darstellt.
Die Vertragsparteien halten weiters fest, dass diese Art der Vorgangsweise ausschließlich deshalb gewählt wurde, weil die genaue Lage der dem Verkäufer X verbliebenen Grundfläche im Ausmaß von 1.800 m² vom Ausgang des durchgeführten Wettbewerbes abhängig war und dieser zum Zeitpunkt der Unterfertigung noch nicht feststand. Zwischenzeitlich liegt seit Jänner 2016 das Ergebnis des Wettbewerbes vor und steht somit die genaue Lage des Kaufgegenstandes von 6.920 m² und die beim Verkäufer verbliebene Teilfläche von 1.800 m² fest...
Weiters wird zur Klarstellung seitens der Vertragsparteien festgehalten, dass die in § 10 enthaltene Bestimmung der "Umwidmung in Bauland" so auszulegen ist, dass die Richtigstellung im Grundbuch erst dann vollzogen werden darf, sobald eine Umwidmung erfolgt ist."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und verwies darauf, dass die rückübertragenen Teilflächen nicht mehr dem ursprünglich als Landwirtschaft gewidmeten Vermögen entsprächen, vielmehr hätten diese einen höheren Wert. Die Tatsache der unrichtigen Beurteilung des Sachverhaltes sei erst bei der vom Finanzamt durchgeführten Betriebsprüfung bekannt geworden.
Der Beschwerdeführer beantragte am die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Diese fand am statt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann die Abgabenbehörde eine Abgabe, hinsichtlich der die Selbstberechnung durch den Abgabepflichtigen angeordnet oder gestattet ist, unter anderem dann von Amts wegen erstmalig mit Abgabenbescheid festsetzen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist und wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.
Im Fall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO ist entscheidend, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts in seinem Bescheid dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (vgl. ).
Die Zuleitung von Beweismitteln an die Abgabenbehörde im Wege von Finanz Online ist zulässig (vgl Ritz, BAO, 6.A., Rz 1 zu § 86a). Gemäß § 13 Abs. 1 GrEStG haben Selbstberechnung und Anmeldung der Grunderwerbsteuer elektronisch zu erfolgen. Ist über einen in der elektronischen Anmeldung enthaltenen Erwerbsvorgang eine Urkunde errichtet worden, welche in einem Urkundenarchiv aufgenommen wurde, so ist der Abgabenbehörde der Zugriffscode zu dieser Urkunde bekannt zu geben. Die Abgabenbehörden sind berechtigt, auf diese Urkunde lesend zuzugreifen.
Die Anmeldung der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom erfolgte am . Ein Zugriffscode auf den Kaufvertrag ist in der Anmeldung enthalten. Das Finanzamt konnte sich daher Kenntnis vom Inhalt des Kaufvertrages verschaffen.
Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0108). Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können ( mwN).
Der Festsetzungsbescheid vom enthält ebenso wenig eine Nennung von Tatsachen oder Beweismitteln, welche nach Ansicht des Finanzamtes neu hervorgekommen wären, wie der Prüfungsbericht zu Auftragsbuch Nr Nr_3. Die in beiden Dokumenten gewählte Formulierung "Die Rückübertragung von 1.800 m² Baufläche an den Veräußerer ist keine Vertragsaufhebung , sondern weitere Gegenleistung, da es sich bei den umgewidmeten Flächen nicht mehr um Landwirtschaft, sondern um Bauland handelt. Die Differenz zum Kaufpreis Landwirtschaft/Bauland ist weitere Gegenleistung. Preis pro m² geschätzt 250,-, daher für 1.800 m² EUR 450.000,-." stellt eine rechtliche Würdigung des Vertragsinhaltes dar, die kein tauglicher Wiederaufnahmegrund ist.
Daher war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben. Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte erübrigt sich.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war nicht zu lösen, zumal die Frage, welche Umstände als neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismitteln in Betracht kommen, durch die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärt ist.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100395.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at