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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2020, RV/7101538/2019

Zuordnung von Einkünften im Veranlagungsjahr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom Datum1 betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2017 gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2017 beträgt € 0,00.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Fr. ***Bf1*** (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin = Bf.) am vom A gemäß § 24 Abs. 8 Vertragsbedienstetengesetz (VBG) ausbezahlte (Wochengeld-) Ergänzungszahlung wurde vom Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2017 veranlagt und die Einkommensteuer mit € -290,-- (Guthaben) festgesetzt. Ein Lohnzettel wurde von der bezugsauszahlenden Stelle für 2017 übermittelt.

Mit Schreiben vom erhob die Bf. innerhalb offener Frist gegen den Einkommensteuerbescheid Beschwerde und führte dazu begründend und unter Bezugnahme auf aus, dass die Ergänzungszahlung, die am zugeflossen wäre, für das Jahr 2018 zu veranlagen sei, da es sich dabei um keine regelmäßig wiederkehrende Einnahme im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 EStG handle und es daher lediglich auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankomme. Zudem sei nach Ablauf der "Kurze-Zeit-Regel" des § 19 Abs. 1 Z 1 EStG die Zahlung außerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof definierten Zehntagefrist zugeflossen.

Die Bf. beantragte eine Gutschrift der im Einkommensteuerbescheid 2017 berücksichtigten Lohnsteuer in Höhe von € 1.835,65 und die Berücksichtigung der sich dadurch ergebenden steuerlichen Änderungen in Bezug auf ihr Gesamteinkommen. Auch stellte sie zeitgleich gesondert einen Antrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer in Höhe von € 1.835,65.

An Beilagen übermittelte die Bf. Bestätigungen betreffend Karenz und Mutterschutz, eine Geburtsurkunde der Tochter sowie einen Kontoauszug über den Zufluss der Ergänzungszahlung am .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde mit der Begründung teilweise statt, dass sich die Ergänzungszahlung nach § 24 Abs. 8 VBG aufgrund der Ergänzung auf die vollen Bezüge bemesse, der Anspruch sohin monatlich entstehe und eine regelmäßige Zuzahlung für den einzelnen Monat erfolge. Der vom Arbeitgeber monatlich ausbezahlte Arbeitslohn stelle eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme dar, daher sei auch die vom Arbeitgeber ausbezahlte Ergänzungszahlung als regelmäßig wiederkehrende Einnahme anzusehen. Die Auszahlung der gesamten Ergänzungszahlung am sei, soweit die Bezüge das Jahr 2017 betreffen, gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 EStG kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen und daher dem Kalenderjahr 2017 zuzuordnen. Die Ergänzungszahlung sei für die Bezüge bis erfolgt, weswegen der übermittelte Lohnzettel um die Ergänzungszahlung für die Bezüge betreffend das Veranlagungsjahr 2018 (€ 798,83) korrigiert worden sei und diese insoweit nun auch im Veranlagungsjahr 2018 Berücksichtigung finde. Der Einkommensteuerbescheid 2017 wurde sohin abgeändert und die Einkommensteuer für das Jahr 2017 mit einem Betrag von € -545,-- (Guthaben) festgesetzt.

Die Bf. stellte am fristgerecht beim Finanzamt den Antrag, ihre Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen, wobei sie zunächst ihr Vorbringen lt. Schreiben vom wiederholte, zusätzlich auf und verwies und ergänzte, dass sich infolge einer Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 die steuerpflichtigen Bezüge im Jahr 2017 um € 10.096,81 und die sonstigen Bezüge um € 1.796,30 (€ 2.118,59 abzgl. € 322,29 SV-Beiträge) verringern würden.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor, wiederholte die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom und verwies in seiner Stellungnahme im Vorlagebericht abermals darauf, dass die Ergänzungszahlung gemäß § 24 Abs. 8 VBG eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme darstelle, da sie auf Grundlage der vollen (wiederkehrenden) Bezüge bemessen werde und einen wochengeldähnlichen Charakter habe. Betreffend die wiederkehrenden Bezüge für das Veranlagungsjahr 2017 sei sie daher nach § 19 Abs. 1 Z 1 EStG auch dem Jahr 2017 zuzurechnen. Dementsprechend sei auch der Lohnzettel von der bezugsauszahlenden Stelle für das Veranlagungsjahr 2017 übermittelt worden. Ergänzend wurde angeführt, dass laufende oder sonstige Bezüge, die für das Vorjahr bis zum 15. Februar ausbezahlt werden, als im Vorjahr zugeflossen gelten würden. Zudem könne grundsätzlich für den Begriff "kurze Zeit" im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG im Hinblick auf die Bestimmung des § 79 Abs. 1 EStG von einem Zeitraum von bis zu 15 Tagen ausgegangen werden. Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Bf. bezog im Streitjahr neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und befand sich seit in Mutterschutz und daran anschließend in Karenz. Die Geburt des ersten Kindes erfolgte am tt.mm.2015. Da die Bf. aufgrund der durchgehenden Karenz vor der Geburt des zweiten Kindes am tt.mm.2017 keinen Anspruch auf Wochengeld hatte, stand ihr als Vertragsbedienstete eine Ergänzungszahlung gemäß § 24 Abs. 8 VBG zu.

Die Auszahlung der Ergänzungszahlung erfolgte durch die bezugsauszahlende Stelle am in der Höhe von € 11.287,55, wobei es sich um eine Einmalzahlung handelte, die vom zuständigen Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 veranlagt wurde. Der von der bezugsauszahlenden Stelle übermittelte Lohnzettel für das Jahr 2017 weist steuerpflichtige Bezüge (KZ 245) in der Höhe von € 10.096,81 auf.

Dieser Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage, insbesondere aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen (Geburtsurkunde des zweiten Kindes, Kontoauszüge betreffend das Bankkonto der Bf., Arbeits- und Entgeltbestätigung für Wochengeld der Österreichischen Sozialversicherung, Bestätigungen des Dienstgebers über Dienstfreistellung aus Anlass der Mutterschaft für beide Kinder und Vereinbarung sowie Verlängerung des Karenzurlaubes, Lohnzettel für das Jahr 2017).

Gemäß § 24 Abs.8 VBG idgF gebühren weiblichen Vertragsbediensteten für die Zeit, während der sie nach § 3 Abs. 1 bis 3 und § 5 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, nicht beschäftigt werden dürfen, keine Bezüge, wenn die laufenden Barleistungen des Sozialversicherungsträgers für diese Zeit die Höhe der vollen Bezüge erreichen; ist dies nicht der Fall, so gebührt ihnen eine Ergänzung auf die vollen Bezüge. Die Zeit, für die nach den angeführten Bestimmungen ein Beschäftigungsverbot besteht, gilt nicht als Dienstverhinderung im Sinne des Abs. 1.

Da die Bf. Vertragsbedienstete B ist, gebührte ihr unstrittig der im § 24 Abs. 8 VBG geregelte (Wochengeld-) Ergänzungsbetrag. Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Ergänzungszahlung noch dem Jahr 2017 oder dem Zuflussjahr 2018 zuzurechnen ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 EStG sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.

Hierzu führen Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG, Tz 52 zu § 19, aus, dass "wiederkehrende" Einnahmen solche sind, die nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander (nach EStR 2000 Rz 4630 mindestens dreimal) anfallen. Regelmäßig wiederkehrend sind Zahlungen, die periodisch in bestimmten Zeiträumen zufließen (jährlich, halb-, vierteljährlich, im Quartal oder Monat). Die Regelmäßigkeit bezieht sich nur auf die Wiederkehr (gleichartiger Einnahmen), sodass eine gleichbleibende Höhe der Einnahmen nicht erforderlich ist (BFH , XI R 48/05, BStBl II 2008, 282).

Während das Wochengeld (z.B. im Sinne des § 162 ASVG) nach LStR 631 eine wiederkehrende Einnahme darstellt, ist die Ergänzung zum Wochengeld (z.B. nach § 24 Abs. 8 VBG) nicht wiederkehrend (Jakom/Peyerl, EStG, 2020, § 19, 1050). Sohin handelt es sich bei der Ergänzung auf die vollen Bezüge um eine am erfolgte Einmalzahlung und nicht um eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 EStG (vgl. auch ; ).

Darüber hinaus versteht die Rechtsprechung unter dem Begriff "kurze Zeit" einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen (Jakom/Peyerl, EStG, 2020, § 19 Rz. 17, 1033; vgl. auch ; ; Doralt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Tz 46). Dieser Zeitraum von zehn Tagen würde auch vom Bundesfinanzgericht für den Begriff "kurze Zeit" zur Anwendung kommen, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz EStG zuträfen. Die im gegenständlichen Fall erfolgte Auszahlung am überschreitet die Zehntagefrist.

Nach dem oben Gesagten ist der Zufluss gemäß § 19 EStG erst im Jahr 2018 erfolgt und damit die Ergänzungszahlung im Jahr 2018 steuerlich zu berücksichtigen.

In dem Beschwerdejahr 2017 wurde fälschlicherweise der Zufluss der Ergänzungszahlung angenommen, sodass die Neuberechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2017 eine solche von € 0,00 ergibt.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde die zu lösende Rechtsfrage im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ; ) zur zeitlichen Zuordnung von Einnahmen im Sinne des § 19 EStG 1988 entschieden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101538.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at