Familienbeihilfe; Heimunterbringung; Kind bezieht Pflegegeld; überwiegende Kostentragung durch Mutter nicht nachgewiesen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., Adresse, vertreten durch Rechtsanwalt in Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung des Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe für S. F. ab Dezember 2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog für ihren Sohn F., geb. 2004, von Jänner 2005 bis November 2017 erhöhte Familienbeihilfe.
Die Bf stellte am einen Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe.
F. wurde mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom eine 100% Behinderung sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.
Er ist seit 2008 in einer vollbetreuten Einrichtung untergebracht und die Bf als gesetzliche Vertreterin bezog ab Mai 2017 für ihn Pflegegeld der Pflegestufe 5 iHv EUR 860,00, wobei ein Verpflegskostenanteil von EUR 688,00 einbehalten wurde.
Das Finanzamt (FA) forderte die Bf im Zuge des Antragsverfahrens mit Schreiben vom auf, eine detaillierte Aufstellung der Lebenshaltungskosten (Kosten für Medikamente, Heimunterbringung usw.) von F. vorzulegen und anzugeben, in welcher Höhe diese von ihr finanziert werden.
Da die Bf die abverlangten Unterlagen nicht vorlegte, wies das FA den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe mit Bescheid vom ab Dezember 2017 ab.
Der steuerliche Vertreter der Bf (RA) erhob gegen den Abweisungsbescheid mit Schriftsatz vom Beschwerde und macht als Beschwerdegründe Verfahrensmängel sowie materielle Rechtswidrigkeit des Bescheides geltend.
Unter Punkt 3 "Verfahrensmangel" wurde Folgendes ausgeführt:
"Der abweisende Bescheid wird damit begründet, dass die Antragstellerin die abverlangten Unterlagen über die zu leistenden Kosten bezüglich F.S. trotz Aufforderung nicht erbracht hatte, weshalb ihr Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Dezember 2017 abzuweisen sei.
Die Vorgehensweise der belangten Behörde stellt einen Verfahrensmangel dar, zumal die Antragstellerin mehrfach mitteilte, dass sie die von ihr abverlangten Urkunden nicht vorlegen könne, sie jedoch sehr wohl andere Urkunden vorgelegt hat, welche den Anspruch begründen. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ermöglicht es auch den Parteien, die anspruchsbegründenden Tatsachen durch sämtliche taugliche Mittel unter Beweis zu stellen, diese können von der Behörde nicht vorgegeben werden.
Insbesondere wurde einerseits von der Antragstellerin angegeben, dass sie Kosten in einem die beantragte Familienbeihilfe übersteigenden Ausmaß für den Unterhalt von F. aufwendet, zum anderen kann es auch als behördennotorisch angenommen werden, dass ein pflegebedürftiges Kind, welches jedes Wochenende bei seiner Mutter zu Hause verbringt, einen Kostenaufwand verursacht, welcher die beantragte Familienbeihilfe übersteigt. Zum Beweis dafür, dass F. die Wochenenden bei seiner Mutter verbringt, wurde eine entsprechende Bestätigung des Pflegeheimes, in welchem F. wohnt, vorgelegt. Ferner wurde eine entsprechende Bestätigung der für die Antragstellerin zuständigen Sozialarbeiterin vorgelegt.
Es kann daher nicht schlichtweg auf den behaupteten Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht verwiesen werden, um den Anspruch abzuweisen, sondern hätte die Behörde im Rahmen einer Beweiswürdigung ausführen müssen, weshalb sie die von ihr gezogenen Schlüsse zieht.
Des weiteren wurde seitens der Antragstellerin der nunmehr erneut vorgelegte Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt aus dem Vorjahr vorgelegt, welcher nunmehr in der aktuelleren Fassung vom nachgereicht wird. Auch diesem Bescheid über die Gewährung des Pflegegeldes ist zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der Familienbeihilfe jedenfalls gewährt sind. Dazu wird unten näher ausgeführt.
Beweis: Pflegegeldbescheid (Neubemessung mit ) - Beilage ./A"
Die "Materielle Rechtswidrigkeit" wurde unter Punkt 4 wie folgt begründet:
"Die Begründung des angefochtenen Bescheides unter bloßem Verweis auf die Nichteinhaltung der Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO ist auch materiellrechtlich unrichtig. Die Antragstellerin machte schlüssige Angaben zu dem Umstand, dass ihr Sohn Pflegegeld bezieht. Dies hätte aufgrund der Bestimmung des § 115 Abs 3 BAO von der Behörde auch zugunsten der Antragstellerin geprüft und gewürdigt werden müssen. Stattdessen unterblieb eine solche, gesetzlich vorgegebene Prüfung seitens der Behörde und wurde in unrichtiger rechtlicher Beurteilung gefolgert, dass die Familienbeihilfe nicht zustehen würde.
Ferner enthielt der angefochtene Bescheid keinerlei Hinweis darauf, auf welche Bestimmung des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) Bezug genommen wird bzw. weshalb die Familienbeihilfe, welche von Februar 2004 bis einschließlich November 2017 anstandslos bezogen wurde, plötzlich eingestellt wurde. Die Antragstellerin erhielt keinerlei Information über den Grund der plötzlichen Einstellung. Weder die Rechtslage, noch der anspruchsbegründende Sachverhalt hat sich seit November 2017 in irgendeiner Weise geändert, weshalb die nunmehrige Einstellung der Familienbeihilfe willkürlich ist.
Schließlich ist auf die Bestimmung des § 2 Abs 5 lit c) FLAG hinzuweisen, wonach ein Kind im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen zum Haushalt einer Person gehört, wenn sich dieses wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet. Hier ist Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe, dass die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in der Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind.
Diesbezüglich wird auf oben dargelegten Verfahrensmangel hingewiesen, wonach seitens der belangten Behörde pflichtwidrig keinerlei Würdigung der Angaben der Antragstellerin erfolgte, wonach diese sehr wohl Unterhalt in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe für F. leistet.
Des weiteren ist mit Verweis auf § 2 Abs 5 lit c) FLAG auf den nunmehr beiliegenden Bescheid über den Bezug von Pflegegeld vom hinzuweisen. Das Pflegegeld beträgt sohin ab monatlich € 920,30 abzüglich Anrechnung in Höhe von € 60,00, somit € 860,30. Es wird darauf hingewiesen, dass für F. bereits vor Mai 2017, sohin auch für den hier gegenständlichen Zeitraum, Pflegegeld bezogen wurde und das Pflegegeld ab nun neu bemessen wurde.
Dieser Betrag ist gemäß § 13 BPGG an die Krankenanstalt auszuzahlen, in welcher sich das Kind in Pflege befindet. Gemäß § 13 BPGG geht für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80% des Pflegegeldes, auf den jeweiligen Kostenträger (Krankenanstalt, Pflegeheim etc) über. Das Pflegegeld steht der Antragstellerin als Mutter des Kindes F.S. zu. Aufgrund der oben genannten Bestimmung wird diese jedoch im Ausmaß von 90% direkt an die Pflegeanstalt ausgezahlt, sohin trägt die Antragstellerin monatlich Kosten in Höhe von € 774,27 (90% von 6 860,30), womit die Voraussetzung des § 2 Abs 5 lit c FLAG erfüllt ist. Aufgrund der Erfüllung dieser Voraussetzung steht der Antragstellerin für den genannten Zeitraum (Beschwerdezeitraum ab Dezember 2017) der Anspruch auf Bezug der Familienbeihilfe sowie der erhöhten Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (F.S.) zu.
Beweis: Pflegegeldbescheid (Neubemessung mit ) Beilage ./A"
Der RA stellte den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge
Den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Antragstellerin für ihren Sohn F. ab Dezember 2017 die Familienbeihilfe gewährt werde;
in eventu das Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung anberaumen und über die Sache entscheiden.
Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und dem Vorbringen der Bf mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 lit. c des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Im Falle einer vollen Heimerziehung liegt kein Fall des § 2 Abs. 5 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 vor, wonach ein nur vorübergehender Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung besteht.
Als "vorübergehend" wird ein Aufenthalt des Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung dann anzusehen sein, wenn aus den Umständen des Falles darauf geschlossen werden kann, dass das Kind nach absehbarer Zeit wieder in der gemeinsamen Wohnung leben wird.
Daran vermögen auch die wiederholten Familienbesuche nichts zu ändern, weil sie von vornherein nur auf Zeit ausgelegt sind ("Ausgang"), sich jeweils bloß auf einige Tage erstrecken und auch insgesamt von ihrer Dauer her in keinem Verhältnis zur Heimunterbringung stehen.
Somit könnte (erhöhte ) Familienbeihilfe nur dann gewährt werden, wenn Sie nach § 2 Abs. 5 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz1967 Unterhaltskosten in Höhe der Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe für F. tragen würden.
Im vorliegenden Fall ist F. seit dem Kalenderjahr 2008 in einer vollbetreuten Behinderteneinrichtung auf Dauer untergebracht und bezieht monatliches Pflegegeld in Höhe von € 860,30. Davon wird ein Verpflegskostenanteil in Höhe von monatlich € 688,20 einbehalten.
Da sich F. seit dem Kalenderjahr 2008 auf Dauer in Heimerziehung befindet, nur 14-tägiges Besuchs- und Nächtigungsrecht besteht und Sie weiters keine ausreichenden Unterhaltsleistungen im Sinne des Gesetzes leisten, erfolgte die Abweisung der (erhöhten) Familienbeihilfen ab dem Monat Dezember 2017 zu Recht.
Sie werden darauf hingewiesen, dass unter den vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen Ihr Sohn F. einen Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 1. und 2. Satz Familienlastenausgleichsgesetz 1967 auf Grund seiner Eigenleistung begründet."
Der RA stellte am ohne weitere Begründung einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BFG am brachte der RA i.w. ergänzend vor, er lege dem Gericht eine Aufstellung der Gesamtkosten, welche die Bf für F. aufgewendet habe, vor. Demnach habe sie gesamt jährlich EUR 4.310 aufgewendet. Dies ergebe monatliche Ausgaben iHv ca EUR 360, sodass die Voraussetzungen des § 2 Abs 5 lit c FLAG jedenfalls gegeben seien. Es handle sich dabei um Durchschnittswerte und eher um die Untergrenze. Es sei keine präzise Darstellung, sondern ein reiner Durchschnittswert. Auf Grund der Erfahrungen der letzten 16 Jahre hätte sich dieser Wert etabliert und sei auch so beibehalten worden. Auch jetzt trage die Bf nach wie vor in etwa dieser Höhe zum Unterhalt F. bei.
Dazu würden noch 20 Taxifahrten à EUR 20 kommen, was eine Summe von EUR 400 pro Jahr ergebe. F. lehne es an manchen Tagen ab, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Anstalt zu fahren, sodass die Bf gezwungen sei, ihn mit dem Taxi in die Behinderteneinrichtung zu bringen.
RA verwies auch darauf, dass es ein wöchentliches Besuchsrecht von F. zu Hause gebe, und nicht ein 14-tägiges, wie in der BVE ausgeführt; und einmal pro Woche gebe es auch ein Besuchsrecht in der Anstalt, welches von der Bf wahrgenommen werde.
Für die Kosten laut Aufstellung gebe es zwar keine Belege, die Bf könne diese jedoch selbst glaubhaft machen, und die Höhe der Aufwendungen erscheine auch nicht ungewöhnlich hoch.
Die Bf führte über Befragen aus, sie wisse nichts von einem Eigenantrag von F..
Die Bf brachte zur vorgelegten Aufstellung vor, diese entspreche den Tatsachen. Sie gebe Geld aus für Lebensmittel und Getränke, ca. EUR 40 pro Wochenende. Manchmal gehe sie mit F. auch in ein Restaurant essen oder mache mit ihm Ausflüge, zB nach Schönbrunn oder in den Prater, und kaufe dort auch Imbisse oder Snacks. Diese Ausflüge kosteten etwa EUR 70 - 80 pro Woche.
Darüber hinaus kaufe sie manchmal Spielsachen für F. oder sie nehme ihm bei ihren Besuchen in der Anstalt Einkäufe von Mc Donalds mit, da er diese Produkte so gerne esse. Sie kaufe auch Geschenke für F. zum Geburtstag oder zu besonderen Anlässen wie Ostern, Weihnachten etc. Darüber hinaus kaufe sie auch monatlich Kleidung und Pflegeprodukte für ihren Sohn. Die Rechnungen werfe sie leider weg, aber sie habe gestern 2 Kleiderrechnungen vom Winterschlussverkauf gefunden, welche sie dem Gericht vorlege.
Sie verweise darauf, dass sie 14 Jahre lang die Familienbeihilfe anstandslos bekommen habe. Sie verstehe nicht, was sich jetzt auf einmal geändert haben soll. Sie brauche dieses Geld, weil sie auch die Aufwendungen für ihr Kind habe. Die Familienbeihilfe sei in ihrem Budget fix einkalkuliert.
Befragt über die Vereinbarung zwischen den Eltern und der MA 11 vom , dass die MA 11 mit der Pflege und Erziehung von F. zur Gänze betraut werde, führte die Bf anfangs aus, es gebe keine derartige Vereinbarung, korrigierte diese Aussage aber, als ihr die Vereinbarung vom Gericht präsentiert wurde und führte dann aus, es handle sich um die gleiche Vereinbarung, wie sie bereits im Jahr 2008 geschlossen worden wäre.
Die Bf brachte weiters vor, die MA 11 hätte ihr gesagt, dass das Geld für F. aus der Familienbeihilfe angespart werde; das nütze ihr aber überhaupt nichts, weil sie das Geld brauche.
RA brachte ergänzend vor, er verweise darauf, dass er die Kosten laut vorgelegter Aufstellung für eine Untergrenze halte. Er gehe von 24 Ausflügen im Jahr aus, was nicht sehr viel sei. Er verweise diesbezüglich darauf, dass ein Zoobesuch in Schönbrunn für die Bf und ihren Sohn allein EUR 33 koste. Nach der Lebenserfahrung seien die angesetzten Posten nicht gerade hoch.
Er verweise auch darauf, dass es nicht üblich sei, derartige Rechnungen für Lebensmitteleinkäufe etc. zu behalten. Noch dazu umfassten die Einkäufe auch die anderen Familienmitglieder und seien nicht gesondert für F.; der Betrag der Einkäufe erhöhe sich dann eben um die Einkäufe für F.. Derartige Einkaufsrechnungen für die ganze Familie hebe man üblicherweise nicht auf.
Der Zustand von F. werde sich auch nicht verändern und die Bf werde in Zukunft noch mehr auf das Geld aus der Familienbeihilfe angewiesen sein.
Die glaubhaft gemachten und in der vorgelegten Aufstellung dargelegten Kosten würden den nach § 2 Abs 5 FLAG erforderlichen Betrag klar übersteigen. Die Bf trage daher zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der erhöhten Familienbeihilfe bei, weshalb F. als haushaltszugehörig gelte und der Bf die erhöhte Familienbeihilfe zustehe. Die genannten Ausgaben würden der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen.
Die Vertreterin des FA verwies i.w. auf den Erstbescheid und die Ausführungen in der BVE und führte ergänzend aus, die Ausgaben seien nicht in Höhe der erhöhten Familienbeihilfe nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden. Ohne Belege könne das nicht als ausreichender Nachweis angesehen werden.
Eine Aufstellung könne nicht als Nachweis angesehen werden. Die Beträge seien auch nicht glaubhaft, weil sie zu hoch erschienen; das Problem seien eher die hohen Kosten für Ausflüge laut Aufstellung.
Die überwiegenden Unterhaltskosten würden nicht von der Mutter getragen, sondern würden vom Sohn durch das Pflegegeld selbst finanziert.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Folgender Sachverhalt steht fest:
Dem Sohn der Bf wurde mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom eine 100% Behinderung sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.
Laut Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, vom lebt [...], geboren 2004, seit 2008 in einer Behinderteneinrichtung, seit 2013 in der Caritas Wohngemeinschaft A-Gasse.
Laut Homepage https://www.caritas-wien.at/hilfe-angebote/menschen-mit-behinderung/kinder-jugendliche/wohnen/wohngemeinschaften-A-Gasse/ umfasst das Angebot volle Verpflegung, überwiegend Einzelzimmer, Nachtbereitschaft, umfassende medizinische Versorgung und Therapieangebote für Kinder und Jugendliche mit intellektueller oder mehrfacher Behinderung, vom 8. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Die Kostenübernahme erfolgt in Wien durch die Stadt Wien.
Es besteht keine Verpflichtung der Bf als Obsorgeberechtigte zur Leistung von Kostenersatz.
[...] übernachtet regelmäßig jedes Wochenende bei der Bf und besucht die Bf ihren Sohn jede Woche an einem Werktag in der Wohngemeinschaft (Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, vom ).
[...] bezog laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom ab Mai 2017 Pflegegeld der Pflegestufe 5 iHv EUR 920,30 abzüglich Anrechnung Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder von EUR 60,00, ergibt EUR 860,30.
Der Verpflegskostenanteil betrug EUR 688,00 (Anweisungsbetrag Taschengeld EUR 45,20).
Der Bescheid wurde an die Bf adressiert.
Auch im Streitzeitraum wurde Pflegegeld bezogen.
Am wurde zwischen den Eltern und der MA 11 vereinbart, dass die MA 11 mit der Pflege und Erziehung von [...] zur Gänze betraut wird, was auch die gesetzliche Vertretung in diesem Bereich beinhaltet (privatrechtliche Vereinbarung).
Die Bf trug nicht in Höhe der erhöhten Familienbeihilfe zum Unterhalt für [...] bei.
Beweiswürdigung:
Das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice ist aktenkundig.
Aktenkundig ist weiters, dass [...] ab Mai 2017 ein Pflegegeld iHv EUR 860,30 bezog und dass davon ein Verpflegskostenanteil von monatlich EUR 688,20 einbehalten wurde.
Der Pflegegeldbescheid der PVA wurde vorgelegt.
Die Vereinbarung zwischen der MA 11, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, und den Eltern ist akenkundig.
Die Bf wurde vom FA im Zuge des Antragsverfahrens mit Schreiben vom aufgefordert, eine detaillierte Aufstellung der Lebenshaltungskosten (Kosten für Medikamente, Heimunterbringung usw.) vorzulegen und anzugeben, in welcher Höhe diese von ihr finanziert werden.
Die Bf kam der Aufforderung jedoch (vorerst) nicht nach.
Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Nachweis der Kostentragung als nicht erbracht ansah und den Antrag der Bf vom mit Bescheid vom aus diesem Grund abwies.
RA brachte in der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des FA vom nur vor, dass die Bf Kosten in einem die beantragte Familienbeihilfe übersteigenden Ausmaß für den Unterhalt ihres Sohnes aufwende. Es könne als behördennotorisch angenommen werden, dass ein pflegebedürftiges Kind, welches jedes Wochenende bei seiner Mutter zu Hause verbringe, einen Kostenaufwand verursache, welcher die beantragte Familienbeihilfe übersteige.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BFG wurde vom RA eine Kostenaufstellung vorgelegt, wonach die Bf gesamt jährlich EUR 4.310 für [...] aufwende, wobei es sich um Durchschnittswerte und eher um die Untergrenze handle. Es sei keine präzise Darstellung, sondern ein reiner Durchschnittswert. Demnach würde von der Bf Geld für Lebensmittel und Getränke, iHv ca. EUR 40 pro Wochenende ausgegeben. Für Ausflüge würden etwa EUR 70 - 80 pro Woche verbraucht. Weiters tätige die Bf Aufwendungen für Geschenke, Snacks, Restaurantbesuche, Kleidung und Pflegeartikel sowie für Taxifahrten iHv von ca EUR 400 jährlich, welche in der Aufstellung nicht enthalten seien.
Die Bf bestätigte die geltend gemachten Kosten in der Aufstellung und legte 2 Rechnungen vom Dezember 2020 über Bekleidung iHv ca EUR 60 vor.
Es ist eine allgemeine Regel, wonach denjenigen, der in einem Antragsverfahren einen Anspruch auf Erlassung eines begünstigenden Aktes geltend macht, die Behauptungslast und Beweislast trifft ().
Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs 2 BAO zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (siehe , ).
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweislastregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen (Ritz, BAO6, § 167 Tz 6).
Zur freien Beweiswürdigung gehört insbesondere auch, ob die im Laufe eines Verfahrens gemachten Angaben mit den Erfahrungen des täglichen Lebens übereinstimmen oder nicht.
Es ist keinesfalls notorisch, dass bei voller Verpflegung und umfassender medizinischer Betreuung durch die Behinderteneinrichtung die Bf in geforderter Höhe Unterhaltsleistungen erbracht hat, sodass ein Nachweis oder zumindest die Glaubhaftmachung erforderlich ist.
Das BFG geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die vorgelegte Aufstellung und die Ausführungen der Bf in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet sind, Unterhaltsleistungen mindestens in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
Die Bf hat selbst wiederholt vorgebracht, keine Nachweise erbringen zu können. So wurde in der Beschwerde vorgebracht, die Antragstellerin habe mehrfach mitgeteilt, dass sie die von ihr abverlangten Urkunden nicht vorlegen könne. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG brachte der RA vor, für die Kosten laut Aufstellung gebe es keine Belege. Die beiden von der Bf vorgelegten Rechnungen betreffen offenbar (auch) andere Personen (Kleidungsstücke für Damen); sie sind betraglich, soweit sie den Sohn der Bf betreffen könnten, niedrig; sie sind keiner Person zuordenbar und können daher keinen Nachweis für eine Unterhaltsleistung an [...] darstellen.
Die Beträge laut vorgelegter Aufstellung wurden auch nicht glaubhaft gemacht und verblieben auf der Behauptungsebene, wobei hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Ausführungen der Bf, welche die Beträge laut Aufstellung bestätigte, auf ihre teilweise widersprüchlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen wird.
So behauptete sie zuerst, von einer Vereinbarung zwischen den Eltern [...] und der MA 11 über die Betrauung mit der Pflege und Erziehung [...] nichts zu wissen; erst als ihr die Vereinbarung präsentiert wurde, konnte sie sich daran erinnern.
Auch brachte sie anfangs vor, von einem Eigenantrag von [...] nichts zu wissen und führte später aus, die MA 11 habe ihr gesagt, dass die Familienbeihilfe für [...] auf einem Konto angespart werde und das nütze ihr nichts.
Diese Aussagen betreffen zwar nicht die laut Aufstellung geltend gemachten Kosten, sind jedoch für die Beurteilung der allgemeinen Glaubwürdigkeit der Bf von Bedeutung, sodass die Ausführungen der Bf insgesamt und somit auch in Bezug auf die behaupteten Kosten wenig glaubhaft erscheinen.
Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Bf vom FA bereits am aufgefordert wurde, Unterlagen über die zu leistenden Kosten betreffend [...] vorzulegen und die Nichtvorlage dieser Unterlagen zentrales Begründungselement des Erstbescheides vom war. Daher wußte die Bf spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Vorlage von entsprechenden Unterlagen unerlässlich für eine positive Erledigung ihres Antrags durch das FA ist. Sie hat es jedoch nach wie vor unterlassen, Unterlagen (Rechnungen) wenigstens ab diesem Zeitpunkt vollständig und geordnet aufzubewahren, zu dokumentieren und vorzulegen, was Kosten in der beantragten Höhe wenig glaubhaft erscheinen lässt und zum Schluss führt, dass Kosten in der beantragten Höhe nicht angefallen sind.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einkäufe für Mahlzeiten tatsächlich die gesamte Familie betreffen und derartige Rechnungen kaum zuordenbar sind, sodass diese Ausgaben als glaubhaft gemacht angesehen werden können und dies auch für die Positionen Pflegeprodukte und Mitbringsel/Kleine Geschenke gilt, kann dies der Beschwerde nicht zum Durchbruch verhelfen, da diese Positionen betragsmäßig pro Monat weniger als EUR 200 betragen und somit weit unter der monatlichen Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag bleiben.
Für die anderen geltend gemachten Positionen wie Restaurantbesuche, Besuche in Schönbrunn etc., Schwimmbadbesuche, Geschenke, Kleidung/Schuhe und Taxifahrten gelten diese Ausführungen jedenfalls nicht und können diese nicht als glaubhaft gemacht erachtet werden, da derartige Ausgaben nach der allgemeinen Lebenserfahrung stark variieren und daher auf die Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen ist, zumal in diesen Fällen im Regelfall Rechnungen ausgestellt werden und die Vorlage von (nachvollziehbar dargestellten und dokumentierten) Belegen möglich und zumutbar ist.
Dass derartige Rechnungen üblicherweise nicht aufbewahrt werden, wenn antragsgebundene Begünstigungen in Anspruch genommen werden sollen und die Vorlage dieser Rechnungen vom FA ausdrücklich bereits vor mehr als 2 Jahren gefordert wurde, entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung.
Wenn nur einzelne Kleinbetragsrechnungen fehlten und die übrigen Rechnungen vorgelegt worden wären, gelänge die Glaubhaftmachung des Restbetrages (in Höhe der fehlenden Kleinbetragsrechnungen) naturgemäß wesentlich leichter als im voliegenden Fall, in dem (abgesehen von den beiden bei der Verhandlung vorgelegten, nicht exakt zuordenbaren Rechnungen) überhaupt keine Nachweise erfolgten, sodass es sich bei den gesamten Beträgen gemäß Aufstellung um bloße Behauptungen handelt, die durch die wenig glaubhaften Ausführungen der Bf nicht erhärtet werden konnten.
Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Bf für ihren Sohn nicht den monatlichen Unterhalt in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages geleistet hat.
Zum weiteren Vorbringen in der Beschwerde bezüglich geleisteter Verpflegskostenanteile ist festzuhalten, dass Pflegegeldbezieher der Sohn der Bf ist und dieser selbst einen Verpflegskostenanteil geleistet hat, welcher EUR 688,20 beträgt (siehe dazu unten rechtliche Beurteilung).
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs 5 lit c FLAG 1967 gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4).
Nach § 6 Abs 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
§ 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 normiert, dass volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. (bzw ab des 25.) Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt.
§ 6 Abs 5 FLAG 1967 lautet:
"Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs 1 lit c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 und 3)."
Haushaltszugehörigkeit:
Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs 2 FLAG 1967 wird der Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nach der Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind bestimmt und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf abgestellt, dass die Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl. ).
Voraussetzung für das Vorliegen einer Haushaltszugehörigkeit eines Kindes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Der Sohn der Bf wohnt in einer vollbetreuten Einrichtung und übernachtet laut Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom regelmäßig jedes Wochenende bei der Bf.
Mehr oder weniger regelmäßige Aufenthalte an den Wochenenden bei den Eltern vermögen an der dauernden nicht nur vorübergehenden Heimunterbringung jedoch nichts zu ändern (vgl. ).
Bei diesem Sachverhalt kann daher nicht von einer Haushaltszugehörigkeit zur Mutter iSd § 2 Abs 5 lit a FLAG gesprochen werden.
Die Fiktion der Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs 5 lit c FLAG 1967 bei Tragung der Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages, greift im ggstdl. Fall nicht, da nach den Feststellungen im Sachverhalt die Bf für ihren Sohn nicht den monatlichen Unterhalt in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages geleistet hat.
Der Sohn der Bf gilt daher bei dieser auch nicht als haushaltszugehörig.
Da eine Haushaltszugehörigkeit unstrittig nicht vorliegt und eine Tragung der Unterhaltskosten in Höhe von mindestens der erhöhten Familienbeihilfe nicht nachgewiesen wurde, besteht nach § 2 Abs 5 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Überwiegende Unterhaltsleistung:
Als Alternative zur Haushaltszugehörigkeit sieht das Gesetz einen Familienbeihilfenanspruch auch dann vor, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt und das Kind bei niemandem sonst haushaltszugehörig ist.
Zu den Kosten des Unterhaltes gehören nicht nur die Kosten für die Unterbringung, sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie zB Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur dann anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen werden (vgl Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, Rz 148; vgl auch -I/08).
Das Gesetz verlangt die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten, nicht die überwiegende Leistung des - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen und dessen weiteren Sorgepflichten - abhängigen (vgl. Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm. 100) Unterhaltes.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, hängt die Beurteilung, ob jemand die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab ().
Da die Bf den Unterhalt für ihren Sohn nicht in Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages geleistet hat, ist im Hinblick auf die Kosten der Heimunterbringung in Vollbetreuung, welche durch die öffentliche Hand und das Pflegegeld des Sohnes der Bf finanziert werden, auszuschließen, dass die Bf den überwiegenden Unterhalt für den Sohn geleistet hat.
Es besteht daher auch nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Pflegegeld:
RA vertrat in der Beschwerde die Ansicht, dass das Pflegegeld der Antragstellerin als Mutter des Kindes [...] S. zusteht. Aufgrund der Bestimmung des § 13 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) werde dieses jedoch im Ausmaß von 90% direkt an die Pflegeanstalt ausgezahlt, sohin trage die Antragstellerin monatlich Kosten in Höhe von EUR 774,27 (90% von EUR 860,30), womit die Voraussetzung des § 2 Abs 5 lit c FLAG 1967 erfüllt sei.
Diese Argumentation unterliegt einem Rechtsirrtum. Auf das Pflegegeld hat ausschließlich der Pflegebedürftige, also der Versicherte, einen Anspruch. Die Pflegeperson, die die ehrenamtliche oder auch erwerbsmäßige Pflege erbringt, hat auf das Pflegegeld keinen (rechtlichen) Anspruch (vgl. § 1 ff BPGG ). Dass der Pflegegeldbescheid an die Bf als gesetzliche Vertreterin des mj. [...] adressiert wird, kann nichts daran ändern, dass [...] der Anspruchsberechtigte ist.
Für den ggstdl Fall der stationären Pflege normiert § 13 BPGG, dass für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80%, auf den jeweiligen Kostenträger übergeht. Für die Dauer des Anspruchsüberganges gebührt der pflegebedürftigen Person ein Taschengeld iHv 10% des Pflegegeldes der Stufe 3; im Übrigen ruht der Anspruch auf Pflegegeld.
Aus dieser Bestimmung wird abgeleitet, dass das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches wie Pflegegeld zum Unterhalt beiträgt (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG-Kommentar, 2. Aufl. 2020 § 6, Tz 20).
Im ggstdl Fall beträgt das Pflegegeld EUR 920,30 - EUR 60 = EUR 860,30. Das Taschengeld (10% der Pflegestufe 3) beträgt EUR 45,20. Gemäß § 13 BPGG hat für die weitere Dauer des Aufenthaltes in einem Pflegeheim das Pflegegeld in der Differenz zwischen 20% des gebührenden Pflegegeldes und dem Taschengeld zu ruhen. Es ruht daher iHv EUR 126,90. (860,30 : 5 = 172,10 - 45,20). Der Verpflegskostenanteil beträgt daher EUR 688,20 (860,30 - 126,90 - 45,20). In dieser Höhe trägt [...] zum Unterhalt bei.
Eigenanspruch des Sohnes:
Im vorliegenden Fall ist der Sohn der Bf der Pflegegeldbezieher und leistet mit dem Verpflegskostenanteil (EUR 688,20) einen Beitrag zu den Unterhaltskosten (, ).
Mit den ab rückwirkend in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen des § 6 Abs 2 lit d und § 6 Abs 5 FLAG 1967 (BGBL 77/2018, ausgegeben am ) ist die neuere Judikatur des VwGH zu § 6 Abs 5 FLAG 1967 (alt), wonach kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt einer Person sorgt (vgl , ), nach dem Gesetzeswortlaut und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers überholt.
Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs 5 FLAG 1967 (v.a. wenn das Pflegegeld für die Kosten der Heimunterbringung herangezogen wird), kann dem Sohn der Bf ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe zumindest ab zustehen, worüber im vorliegenden Verfahren jedoch nicht abzusprechen ist, da vom BFG ausschließlich die anhängige Beschwerde der Bf (Mutter) zu beurteilen ist.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung ggstdl Rechtsfrage entspricht der Judikatur des VwGH bzw handelt es sich um Fragen der Beweiswürdigung, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 ff BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993 § 13 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993 |
Verweise | -I/08 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103868.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at