Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.10.2020, RV/7103090/2020

Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltshaltsführung bei einer der Selbstversorgung dienenden Landwirtschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johannes Böck in der Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, St.Nr.03-***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe sowie dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der in Polen in ***9*** ansässige Beschwerdeführer (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) ist verheiratet, seit an der Adresse in ***10***, ***11***, polizeilich gemeldet und erzielt seit mehreren Jahren als Facharbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Bei der Einreichung der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 beantragte der Bf. den Abzug von Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv EUR 3.672,00 sowie Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv EUR 6.400,00.

1. abweichende Veranlagung:

Im Zuge der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 2018 wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv EUR 3.672,00 sowie Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv EUR 6.400,00 nicht zum Abzug zugelassen wurden. Dies insbesondere, da es bei Verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen eine zeitliche Begrenzung von zwei Jahren für die Berücksichtigung von Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung gebe.

Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei beispielsweise in folgenden Fällen unzumutbar:

  • bei ständiger wechselnder Arbeitsstätte,

  • wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet sei,

  • bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedelung von pflegebedürftigen Angehörigen (die am Familienwohnsitz wohnen),

  • solange aufgrund familienrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich sei und

  • wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedelung der ganzen Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei.

Da der Bf. keine Gründe nachgewiesen habe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen, haben die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten nicht gewährt werden können.

2. Beschwerde vom :

Mit Eingabe vom erhob der Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 und beantragte eine Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv EUR 3.672,00 und doppelte Haushaltsführung nunmehr iHv EUR 6.111,00.

Begründend wurde ausgeführt, seine Ehegattin betreibe eine Landwirtschaft, deren Ertrag einen wesentlichen Anteil zum Familieneinkommen beitrage. Außerdem habe die Ehegattin für die drei gemeinsamen Kinder die Aufsichtspflicht. Daher sei eine Übersiedelung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar. Es werde daher beantragt, die beantragten Aufwendungen als Werbungskosten zur Erhaltung des Einkommens anzuerkennen.

3. Eingaben vom und :

Nach der Vorhaltsbeantwortung vom seien die Familienheimfahrten mit dem eigenen PKW erfolgt und dabei die nachstehend bezeichnete Distanzen zurückgelegt worden:


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Datum:
Strecke:
km-Stand Abfahrt:
km-Stand Ankunft:
gefahrene km:
Wien-***9***
187.750
188.188
438
***9***-Wien
188.188
188.634
446
Wien-***9***
188.634
189.072
438
***9***-Wien
189.072
189.518
446
Wien-***9***
189.518
189.956
438
***9***-Wien
189.956
190.394
438
Wien-***9***
190.394
190.832
438
***9***-Wien
190.832
191.270
438
Wien-***9***
191.270
191.708
438
***9***-Wien
191.708
192.146
438
Wien-***9***
192.146
192.584
438
***9***-Wien
192.584
193.022
438
Wien-***9***
193.022
193.460
438
***9***-Wien
193.460
193.898
438
Wien-***9***
193.898
194.336
438
***9***-Wien
194.336
194.774
438
Wien-***9***
194.774
195.212
438
***9***-Wien
195.212
195.650
438
Wien-***9***
195.650
196.088
438
SUMME gefahrene Kilometer:
8.342


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum:
Strecke:
km-Stand Abfahrt:
km-Stand Ankunft:
gefahrene km:
***9***-Wien
196.088
196.526
438
Wien-***9***
196.526
196.964
438
***9***-Wien
196.964
197.402
438
Wien-***9***
197.402
197.840
438
***9***-Wien
197.840
198.278
438
Wien-***9***
198.278
198.716
438
***9***-Wien
198.716
199.154
438
Wien-***9***
199.154
199.592
438
***9***-Wien
199.592
200.030
438
Wien-***9***
200.030
200.468
438
***9***-Wien
200.468
200.906
438
Wien-***9***
200.906
201.344
438
***9***-Wien
201.344
201.782
438
Wien-***9***
201.782
202.220
438
***9***-Wien
202.220
202.658
438
Wien-***9***
202.658
203.096
438
***9***-Wien
203.096
203.534
438
Wien-***9***
203.534
203.972
438
***9***-Wien
203.972
204.410
438
SUMME gefahrene Kilometer:
8.322

Mit weiterer Eingabe vom übermittelte der Bf. eine Bescheinigung vom , derzufolge die Einkünfte seiner Ehegattin im Ansässigkeitsstaat Polen keiner Besteuerung unterliegen.

4. Beschwerdevorentscheidung vom :

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesstellen ausgeführt, Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz seien im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen.

Unter "doppelter Haushaltsführung" seien folglich jene Aufwendungen zu verstehen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsortes erwachsen. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort sei beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen

  • von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne und entweder

  • die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst sei oder

  • die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden könne.

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt sei. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei zB unzumutbar:

  • Wenn der Ehegatte (im Falle der eheähnlichen Gemeinschaft der Partner) des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 € jährlich erzielt habe. Bei Einkünften unter 6.000 € liege dennoch Unzumutbarkeit der Verlegung vor, wenn diese Einkünfte mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachen.

Da die Gattin laut dem vorgelegten Formular E9 keine Einkünfte beziehe, bestehen keine ausreichenden Gründe für die weitere Gewährung der doppelten Haushaltsführung sowie Familienheimfahrten. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

5. Vorlageantrag vom :

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde ausgeführt, es seien bereits sämtliche Unterlagen vorgelegt worden. In diesem Zusammenhang werde auf die Berufungsentscheidung betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2015 vom verwiesen.

Ergänzend wurde eine beglaubigte Übersetzung der Bescheinigung der polnischen Sozialversicherungskasse der Landwirte, Außenstelle Limanowa, vom vorgelegt, aus der sich ergebe, dass die Ehegattin des Bf., ***1***, geb. ***2***, im Zeitraum bis auf Gesuch im Bereich der Pensions- und Rentenversicherung und auch Unfall-, Kranken- und Mutterschaftsversicherung als Landwirtin der Sozialversicherung der Landwirte unterliege, die das Kind betreue. Diese Bescheinigung sei zwecks der Steuerverrechnung des Ehemannes ausgestellt worden.

Mit dem vorgelegten Auszug aus dem Geburtenregister des Standesamts Wien werde das Kind ***3***, geb. ***4***, bescheinigt. Die weiteren Kinder des Bf. seien ***5***, geb. ***6***, und ***7***, geb. ***8***. Es werden daher die Kosten für Familienheimfahrten iHv EUR 3.672,00 sowie Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv EUR 6.400,00 geltend gemacht, da bereits sämtliche Unterlagen vorgelegt worden seien.

6. Vorlagebericht des Finanzamtes vom :

Nach den Ausführungen im Vorlagebericht vom werde zur steuerlichen Nichtberücksichtigung der Kosten für Familienheimfahrten und doppelter Haushaltsführung auf die Begründungen der Beschwerdevorentscheidung 2018 verwiesen.

Dass eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz unzumutbar sei, sei aufgrund der Wegstrecke von Wien nach ***9*** unbestritten.

So vorgebracht werde, dass die Ehegattin eine Landwirtschaft betreibe, die einen wesentlichen Teil zum Familieneinkommen beitrüge und dass andererseits eine Aufsichtspflicht über drei Kinder bestehe, sodass eine Übersiedelung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei, sei dem zu entgegnen:

Eine dauernde Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes sei zu billigen, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 Euro jährlich erziele (vgl. Zl. 96/15/0006; , Zl. 95/14/0059) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung seien (vgl. Zl. 2003/13/0154; s. Rz 344 LSt-Richtlinien 2002).

Mögliche Gründe für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes, die in einem Zusammenhang mit dem Vorbringen des Abgabepflichtigen stehen, seien iSd Rz 345 der LStR 2002 die folgenden:

Wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und zusätzlich eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Die wirtschaftlichen Gründe seien dabei immer in Verbindung mit dem Vorliegen unterhaltsberechtigter, minderjähriger Kinder zu sehen. Es sei daher davon auszugehen, dass bei volljährigen Kindern (ausgenommen zB bei Pflegebedürftigkeit des Kindes) grundsätzlich keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteils mehr bestehe (zur Volljährigkeit siehe Rz 1407).

Unzumutbarkeit der Übersiedelung sei gegeben, wenn am Familienwohnsitz eine eigene, wenn auch kleine und nur der eigenen Selbstversorgung dienende Landwirtschaft bewirtschaftet werde (vgl. GZ. RV/0440-G/04; , GZ. RV/0137-K/07).

Die im Zuge der Beschwerde vorgebrachte Begründung, gemäß welcher die Ehegattin des Bf. eine eigene Land- und Forstwirtschaft betreibe, gehe über die Behauptungsebene nicht hinaus. Diese Behauptung sei angesichts der vom Finanzamt angefertigten nachstehenden Satellitenaufnahme des Wohnsitzes unglaubwürdig:

7. Vorhaltsbeantwortung vom und :

Mit Vorhaltsbeantwortung vom verweist der Bf. darauf, dass die von seiner Ehegattin bewirtschaftete Landwirtschaft 5,16 ha betrage und dabei auch 40 Schafe und 50 Hühner gehalten werden.

Nach der weiters vorgelegten beglaubigten Übersetzung aus dem Polnischen seien in Polen eine Grundsteuer, Agrarsteuer und eine Waldsteuer im Gesamtbetrag von Zl. 166,00 für den landwirtschaftlichen Betrieb in Polen festgesetzt worden. Der festgesetzten Agrarsteuer liege eine bewirtschaftete Fläche von 5,16 ha zugrunde. Die weiters festgesetzte Waldsteuer sei für eine bewirtschaftete Waldfläche iHv 1,58 ha festgesetzt worden.

Mit weiterer Eingabe vom übermittelte der Bf. diverse Zahlungsbestätigungen sowie Kopien des Mietvertrages, um die Entrichtung der Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung zu belegen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der in ***9***/Polen ansässige Bf. ist verheiratet, seit an der Adresse in ***10***, ***11***, polizeilich gemeldet und erzielt seit fast 5 Jahren Jahren als Facharbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Seine Ehegattin, ***1***, bewirtschaftet in Polen eine kleine Landwirtschaft im Ausmaß von 5,16 ha, an der auch 40 Schafe und 50 Hühner gehalten werden. Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes von Polen nach Wien an den Ort der Beschäftigung zumutbar war, wenn die Ehegattin eine kleine der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft betreibt. Darüber hinaus sind drei unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder aktenkundig.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den eigenen Wahrnehmungen und den Anzeigedaten des Kontrollorgans, den zur Beanstandungszeit aufgenommenen Fotos sowie dem Parteienvorbringen aufgrund der Eingaben und Vorhaltsbeantwortungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 sind Werbungskosten Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c bei mehr als 60 km EUR 3.672,00 jährlich.

Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch Aufwendungen oder Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten einkünftemindernd berücksichtigt werden.

3.1 Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung:

Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen gilt jedenfalls jener Ort, an dem er mit seiner Ehegattin einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet, als sein Familienwohnsitz (vgl. Zl. 96/15/0006).

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seiner Ehegattin (auch ohne Kind iSd § 106 EStG 1988) einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. , Zl. 96/15/0006 mwN).

Unterschieden wird dabei zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung. Der wesentliche Unterschied zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung zur steuerlichen Berücksichtigung erfordert, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes hin zum Arbeitsort unzumutbar ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung von Familienheimfahrten wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. Zl. 2006/14/0038; , Zl. 2001/14/0178; , Zl. 2005/15/0079). Diese Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. Zl. 2006/15/0047).

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. VwGH 26.7.20007, Zl. 2006/15/0047), wobei die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ihre Ursache auch in der privaten Lebensführung haben kann (vgl. Zl. Ra 2016/13/0016).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist eine Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (vgl. Zl. 2009/13/0132).

Nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich der Arbeitsstätte zu verlegen (vgl. Zl. 84/14/0198). Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen nimmt die Verwaltungspraxis einen Zeitraum von zwei Jahren an. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird. Bei Arbeitnehmern, die in Berufszweigen mit typischerweise hoher Fluktuation (zB im Baugewerbe) tätig sind, kann auch ein längerer Zeitraum gerechtfertigt sein.

Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes ist keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 Euro (ab Veranlagungsjahr 2013) jährlich erzielt (vgl. Zl. 96/15/0006; , Zl. 95/14/0059) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dies Einkünfte mehr als ein Zehntel der Einkünfte des anderen Ehepartners bzw. des Bf. betragen (vgl. Zl. 2003/13/0154).

Wird am Familienwohnsitz eine eigene - wenn auch kleine der Selbst- bzw. Eigenversorgung dienende Landwirtschaft bewirtschaftet, sind auch die wirtschaftlichen Umstände in dem betreffenden Land zu berücksichtigen. So wurde beispielsweise der Bewirtschaftung einer bloß 2 ha kleinen Landwirtschaft dann wirtschaftliche Bedeutung zugemessen, wenn ein derart kleiner Betrieb bereits geeignet ist, die Familie mit sonst kaum leistbaren Lebensmitteln zu versorgen, wenn ein Viertel bis ein Fünftel der Bevölkerung unter der Armutsschwelle lebt (vgl. GZ. RV/0440-G/04).

Bei einem ausländischen Familienwohnsitz gelten für die Frage der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung wie von Familienheimfahrten als Werbungskosten grundsätzlich dieselben Kriterien wie bei einem inländischen Familienwohnsitz (vgl. Lenneis in Jakom, EStG, § 16, Rz. 56, S. 881).

Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes liegt ebenso vor, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten vierköpfigen Familie beispielsweise aus der Slowakei aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist, da die Bezüge des Bf. rund EUR 14.000,00 betragen. Hier wurde aufgrund der Einkommenshöhe des Steuerpflichtigen aus wirtschaftlichen Gründen die Übersiedlung der ganzen vierköpfigen Familie unzumutbar angesehen (vgl. GZ. RV/7100302/2016, zitiert in Jakom, EStG, § 16 , Rz. 56, S. 878).

Im vorliegenden Fall bewirtschaftet die Ehegattin des Bf. in Polen eine Landwirtschaft im Ausmaß von 5,16 ha mitsamt einer Tierhaltung von 40 Schafen und 50 Hühnern, der wirtschaftliche Bedeutung zukommt, als diese Landwirtschaft der eigenen Grundversorgung dient und einen wesentlichen Beitrag zum Familieneinkommen der vierköpfigen Familie liefert.

Darüber hinaus leben am Familienwohnsitz in Polen neben seiner Ehegattin die drei unterhaltsberechtigten und betreuungsbedürftigen Kinder, ***5***, geb. ***6***, ***12***, geb. ***4***, und ***7***, geb. ***8***.

Die Verlegung des Familienwohnsitzes von Polen nach Wien wird bereits aufgrund der der Selbstversorgung dienenden Landwirtschaft in Polen im Ausmaß von 5,16 ha und einer Tierhaltung von 40 Schafen und 50 Hühnern als unzumutbar erachtet. Somit ist das Begehren auf Berücksichtigung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach berechtigt.

Die beantragten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung iHv EUR 6.400,00 werden daher für das Jahr 2018 zum Abzug zugelassen.

3.2 Aufwendungen für Familienheimfahrten:

Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre.

Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (vgl. Doralt, EStG, § 16 Rz 220 Familienheimfahrten sowie Rz 200/14).

Steuerlich absetzbar werden die Kosten für Familienheimfahrten nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann (vgl. Lenneis in Jakom, EStG, § 16, Rz. 56, S. 876).

Steuerlich absetzbar werden diese Kosten daher nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen, und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird.

Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen abzusetzen, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen (Bahnkarte, Kfz-Kosten, Flugkosten). Die Kosten sind vom Steuerpflichtigen nachzuweisen; aus der Tatsache, dass tatsächlich Familienheimfahrten stattgefunden haben, kann noch kein konkreter Werbungskostenabzug abgeleitet werden (vgl. Zl. 2006/15/0111).

Über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen keine gesetzlichen Regelungen (vgl. Zl. 2004/15/0102). Bei einem verheirateten und in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen mit einem minderjährigen Kind wird von Kosten wöchentlicher Familienheimfahrten auszugehen sein (vgl. Zl. 81/13/0171). Sind wöchentliche Familienheimfahrten mit Rücksicht auf die Entfernung (zB Ausland) völlig unüblich, so ist nur eine geringere Zahl von Familienheimfahrten steuerlich absetzbar (vgl. Zlen. 81/13/0171, 81/13/0185).

So im vorliegenden Fall Familienheimfahrten zwischen Berufswohnsitz in Wien und dem Familienwohnsitz in Polen wöchentlich mit dem eigenen PKW getätigt und diese je nach gewählter Route eine Entfernung mehr als 425 km in einfacher Fahrtrichtung betragen, werden die beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv EUR 3.672,00 für das Jahr 2018 zum Abzug zugelassen.

4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, als dieses Erkenntnis in der Frage der Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten der in dieser Entscheidung dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. ; , Zl. 2005/14/0046).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103090.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at