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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.10.2020, RV/7100462/2020

Familienheimfahrt/doppelte Haushaltsführung - Zumutbare Verlegung des Familienwohnsitzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) macht in seiner Arbeitnehmerveranlagung 3.456 Euro an Kosten für Familienheimfahrten (24x jährlich 1.200 km zu 0,12 Euro mit Pkw) und 2.386,59 Euro an Kosten für doppelte Haushaltsführung geltend.

Mit Vorhalt vom erklärt die belangte Behörde dem Bf die Voraussetzungen für die begehrten Kosten, fragt, weshalb die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort nicht möglich ist und wie groß die Wohnung ist und ersucht, die Meldebestätigungen der Familienmitglieder, den Nachweis des Hausstandes des Bf am Familienwohnsitz, einen Einkommensnachweis der Ehegattin, eine Aufstellung über die Ermittlung der doppelten Haushaltsführung, einen Kontoauszug mit den abgebuchten Mietzahlungen, den Mietvertrag, die genauen Reisetage, ein Fahrtenbuch, den Kfz-Zulassungsschein und Tankbelege vorzulegen.

In der Vorhaltsbeantwortung vom gibt der Bf an: Die Verlegung des Familienwohnsitzes sei aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich, weil die Gattin die gemeinsame kleine Landwirtschaft sowie den Haushalt mit einem Kind in Schulausbildung führe. Die Wohnung in Wien habe 45 m² und werde zu zweit bewohnt, ein Mietvertrag bestehe nicht. Ein Fahrtenbuch existiere nicht. Vorgelegt werden eine Bescheinigung, dass die Gattin des Bf der Sozialversicherung als Landwirtin unterliegt, eine Meldebescheinigung, das Formular E9 für die Gattin mit Einkünften von 0 PLN, monatliche Überweisungsbelege vom Konto des Bf an die Hausverwaltung über je 402,18 Euro mit der Unterschrift des Bf, eine Wohnbestätigung der Hausverwaltung aus dem Oktober 2001, ein Kalender, in dem Tage mit "O" für Heimreise und "X" für Rückreise markiert sind, der Typenschein eines auf den Bf zugelassenen Skoda Octavia (Erstzulassung ) sowie zwei Tankrechnungen über 30,83 bzw 23,64 Liter Diesel aus dem Juni 2019.

Im Einkommensteuerbescheid vom werden die Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht berücksichtigt, weil die benötigten Unterlagen zum Teil nicht beigebracht worden seien.

In der Beschwerde vom , eingelangt am , führt der Bf aus wie bisher und ergänzt, die Landwirtschaft habe eine Gesamtfläche von 0,95 ha und diene der Selbstversorgung. Am Familienwohnsitz bestehe ein Eigenheim und ein kleines Grundstück. Im Haushalt lebe ein unterhaltsberechtigtes betreuungsbedürftiges Kind. Die Tätigkeit als Hausfrau sei eine zusätzliche Beschäftigung mit mehr als 20 Wochenstunden, wie könne sie da ihr ganzes Hab und Gut jetzt nach Österreich mitnehmen?

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wird die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

Im Vorlageantrag macht der Bf geltend, er habe den angefochtenen Bescheid erst am seinem Briefkasten entnommen. Davor sei er auf Urlaub gewesen. Die Beschwerde sei mit Poststempel aufgegeben worden.

Im Vorlagebericht räumt die belangte Behörde ein, dass die Beschwerde rechtzeitig erfolgt sei, denn der angefochtene Bescheid sei am dem Zustellorgan übergeben worden, gelte somit am als zugestellt (§ 26 Abs 2 ZustG), und die Beschwerdefrist ende demnach am Montag den . Die Beschwerde sei jedoch abzuweisen, weil eine der Eigenversorgung dienende Landwirtschaft nur dann zur Unzumutbarkeit führe, wenn zusätzlich unterhaltsberechtigte betreuungspflichtige Kinder am Familienwohnsitz lebten (LStR 2002 Rz 345; Jakom/Lenneis, EStG12 2019, § 16 Rz 56). Die Söhne des Bf seien jedoch im Jahr 2018 bereits volljährig gewesen.

Mit Beschluss vom wird dem Bf vorgehalten, es erscheine unglaubwürdig, dass die volljährigen Kinder noch betreut werden müssten, denn das jüngere dürfte nach Berufsschulabschluss selbsterhaltungsfähig sein und das ältere aufgrund der Entfernung eher in Universitätsnähe als daheim wohnen. Daher beträfe die Verlegung des Familienwohnsitzes nur die Ehefrau. Der Bf hat daher näher darzulegen, weshalb es wirtschaftlich und sozial unzumutbar sein soll, den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen.

Mit Antwortschreiben vom legt der Bf nochmals eine Meldeauskunft sowie eine Studienbestätigung vor und führt aus, der studierende Sohn sei finanziell von den Eltern abhängig, eine am Studienort gemietete Wohnung werde von ihnen bezahlt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf arbeitet seit vielen Jahren als Schlosser in Wien und wohnt schon lange an seiner Wiener Adresse. Am Familienwohnsitz in Polen wohnt seine Frau, die dort eine der Eigenversorgung dienende Landwirtschaft von knapp einem Hektar bewirtschaftet und einkommenslos ist. Weitere Betreuungspflichten bestehen nicht.

Die Söhne des Bf sind im Jahr 2018 22 und 23 Jahre alt und am Familienwohnsitz gemeldet, wobei der ältere im Jahr 2013 eine Berufsschule abgeschlossen hat und der jüngere an der Technischen Universität Krakau studiert (knapp 100 km bzw gut 2,5 Zugstunden vom Familienwohnsitz entfernt). Während der jüngere Sohn bereits selbsterhaltungsfähig ist, wird der ältere Sohn, der zu Studienzwecken auch in Krakau wohnt, von den Eltern noch finanziell unterstützt.

Der Bf hat einen Monatslohn von rund 4.000 Euro brutto, das monatlich verfügbare Nettoeinkommen beträgt ohne sonstige Bezüge gut 2.100 Euro.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich grundsätzlich aus dem Verwaltungsakt. Die Selbsterhaltungsfähigkeit des jüngeren Sohnes ergibt sich aus den Ausführungen im Beschluss vom , denen vom Bf nicht widersprochen wurde. Dass der ältere Sohn nicht mehr am Familienwohnsitz wohnt, ergibt sich aus den Ausführungen des Bf.

Dass am Familienwohnsitz keine Betreuungspflichten bestehen, ergibt sich daraus, dass die Kinder des Bf volljährig sind und sich selbst erhalten bzw auswärts studieren.

Die finanziellen Verhältnisse des Bf ergeben sich aus seinem Einkommensteuerbescheid.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Werbungskosten sind nach § 16 Abs 1 Satz 1 EStG Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs 1 Z 1 EStG dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG angeführten Betrag übersteigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl etwa ). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen
(vgl Tz 17).

Steuerlich anerkannt hat der VwGH die Kosten einer doppelten Haushaltsführung etwa dann, wenn am Familienwohnsitz eine der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft besteht, betreuungspflichtige Kinder dort wohnen und mit dem Familieneinkommen die im Vergleich zum Familienwohnsitz deutlich erhöhten Lebenshaltungskosten in Österreich nicht bestritten werden könnten (; , 2013/15/0146). Die Wohnsitzverlegung kann auch dann unzumutbar sein, wenn der Ehegatte dort erwerbstätig ist ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache desjenigen Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ().

Die vom Bf angeführte Kinderbetreuung am Familienwohnsitz trifft nach den Sachverhaltsfeststellungen nicht zu. Damit bleibt als einziger Grund die von der einkommenlosen Frau betriebene Eigenbedarfs-Landwirtschaft. Nähere Ausführungen zur sozialen und wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, den Wohnsitz zu verlegen, hat der Bf nicht gemacht.

Es bestehen keine Betreuungspflichten am Familienwohnsitz und damit keine sozialen Gründe. Es besteht keine eigene Berufstätigkeit der Ehefrau. Es gibt auch keine wirtschaftlichen Gründe, auf die eigene Landwirtschaft angewiesen zu sein. Es wurde weder vorgebracht noch wäre es für das Verwaltungsgericht nachvollziehbar, dass mit 4.000 Euro Bruttolohn bzw. über 2.100 Euro netto monatlich der Lebensunterhalt eines Paares in Österreich und die Unterstützung eines in Polen studierenden Kindes nicht möglich wäre.

Für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes sprechen daher nur Momente bloß persönlicher Vorliebe. Daher war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100462.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at