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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2020, RV/7101467/2020

Wo und ab wann veränderte sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Mag. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Peter Knöll, Jenullgasse 7 Tür 6, 1140 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

DerBeschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 machte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) Steuerberatungskosten als Sonderausgaben geltend.

Das Finanzamt erließ einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid.

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass der Bf. im Jahr 2018 seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Ungarn verlagert habe.

Er beziehe eine Beamtenpension von der Gemeinde Wien, verfüge über ein ungarisches Bankkonto und sei als ehemaliger Mitarbeiter der Abteilung für Lebensmitteluntersuchung (MA 38) in erster Linie für das Untersuchen und Begutachten von Lebensmittel zuständig gewesen. Der Bf. habe zu 80 % für private Auftraggeber Befunde erstellt, die nie in einen Bescheid eingeflossen seien.

Nach einer ausführlichen Darlegung der Literatur und Rechtsprechung zu den Artikel 17 und 18 DBA-Ungarn gelangte der Bf. zur Ansicht, dass die Ruhebezüge des Bf. nicht unter Artikel 18 Abs.1 DBA-Ungarn , sondern unter Artikel 17 DBA Ungarn fallen würden. Somit habe nicht der Kassenstaat (hier: Österreich) das Besteuerungsrecht an den Ruhebezügen, sondern der Ansässigkeitsstaat (hier: Ungarn). Während seiner Aktivzeit habe der Bf. keine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt bzw. sei seine Tätigkeit nicht in Ausübung öffentlicher Funktionen geschehen.

Nach einem Vorhalteverfahren legte der Bf. den Kaufvertrag eines Einfamilienhauses in Ungarn vom August 2016 vor und führte hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Beziehungen aus, dass sich diese in Ungarn befinden würden. Er vermiete seine Eigentumswohnung in S. und habe zu Ungarn die engeren persönlichen Beziehungen. Zur Bestätigung seiner zu Ungarn bestehenden engeren persönlichen Beziehungen führte der Bf. jene Personen mit Name und Adresse an, mit denen er in Ungarn freundschaftliche Kontakte pflege. Die ärztlichen Leistungen würden in Österreich in Anspruch genommen, da der Bf. in Österreich seit jeher seine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt habe. Auch nehme der Bf. in Ungarn am kulturellen Leben teil und verfüge über ein österreichisches Bankkonto.

In der abweislichen Beschwerdevorentscheidung stellte das Finanzamt fest, dass Umstände, die eine Wohnsitzaufgabe begründen würden, nicht dargelegt worden seien. Der Bf. sei weiterhin bei der KFA krankenversichert, was einen inländischen (österreichischen) Wohnsitz voraussetze.

Aus folgenden Gründen sei daher der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich anzusehen:

Die wesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen bestünden zu Österreich, da der Bf. in Österreich seine Pension beziehe und krankenversichert sei. Im strittigen Jahr bestünden zu Ungarn - außer dem für eigene Zwecke genutztem Liegenschaftsvermögen - noch keine entscheidungswesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen. Daher würden die wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich jedenfalls überwiegen.

Während familiäre Beziehungen zu den Kindern in Österreich bestünden, seien in Ungarn keine familiären Beziehungen ersichtlich. Ein Freundeskreis bestehe sowohl in Österreich, als auch in Ungarn.

Das als Ansässigkeitsbescheinigung aus Ungarn bezeichnete und vorgelegte Dokument sei nur ein "Adressprüfzertifikat" und stelle keine Bescheinigung der Ansässigkeit in Ungarn im Sinne des DBA-Ungarn dar.

Ein überwiegender physischer Aufenthalt in Ungarn vom September 2018 bis Dezember 2018 sei nicht dokumentiert worden, sodass der Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd Artikel 4 DBA Ungarn auch in diesem Zeitraum noch in Österreich gelegen sei. Die Ruhebezüge des Bf. seien daher in Österreich als Ansässigkeitsstaat der Einkommensbesteuerung zu unterziehen.

Mit dem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag übermittelte der Bf. eine Bestätigung seiner Tochter vom Jänner 2020, wonach er in den letzten zwei Jahren in der wiener Wohnung lediglich ein bis zwei Mal übernachtet habe. Außerdem sei der Bf. in dieser Wohnung kein Mitbewohner gewesen. Der Bf. ergänzte desweiteren, dass die Wohnung in 1140 Wien laut Melderecht seit Ende August 2018 nur noch sein Nebenwohnsitz sei. Damit seien aber der ungarische Hauptwohnsitz und der österreichische Nebenwohnsitz nicht gleichrangig.

Die Feststellung des Finanzamtes, der Bf. habe mit seiner Tochter die Wohnung in 1140 Wien bewohnt, sei vollkommen aus der Luft gegriffen, da der Bf. in den letzten zwei Jahren lediglich ein- bis zweimal in dieser Wohnung übernachtet habe. Die Tochter des Bf. sei volljährig und bewohne mit ihrem Lebensgefährten seit April 2019 die betreffende Wohnung. Es sei realitätsfern anzunehmen, dass der Bf. gleichzeitig mit dem jungen Paar in der Wohnung wohnen würde (siehe beiliegende Bestätigung der Tochter).

Für den Fall, dass eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfüge, gelte der Mittelpunkt der Lebensinteressen (). Die Aufgabe der ständigen Wohnstätte sei der Tie-Breaker-Regelung vorgelagert und habe für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen keine Relevanz. Trotzdem verwende das Finanzamt die fehlende Wohnsitzaufgabe als Argument gegen eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Ungarn. Diese Sichtweise widerspreche der Logik des Gesetzes.

Das Finanzamt habe die engere persönliche Beziehung des Bf. zu Österreich damit begründet, weil seine Kinder in Österreich leben würden. Diesem Argument sei entgegenzuhalten, dass alle Kinder des Bf. volljährig und unabhängig seien und ihre eigenen Familien hätten, sodass der Bf. in Wirklichkeit keinerlei Einfluss auf deren Aufenthalt habe. Die Frage der familiären Beziehungen bringe kein Ergebnis. Der Bf. nehme vielmehr am kulturellen Leben in Ungarn teil und habe in Ungarn einen größeren Freundes- und Bekanntenkreis als in Österreich.

Durch den Pensionsbezug und die österreichische Krankenversicherung würden die wirtschaftlichen Beziehungen nicht begründet, da es hierbei um die Frage gehe, inwieweit die Ausübung eines Berufes oder die Verwaltung eines Vermögens einen Aufenthalt in dem einen oder anderen Staat notwendig mache. Ein Pensionsbezieher könne sich den auszahlenden Staat nicht aussuchen, folglich zähle ein Pensionsbezug nicht als Argument für eine enge wirtschaftliche Beziehung zum auszahlenden Staat.

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sei auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen, der zwei Jahre übersteigen solle. Daher sei noch einmal betont, dass der Bf. im Juli 2019 eine Eigentumswohnung in S. gekauft habe, die er nunmehr vermiete. Daraus sei erkennbar, dass der Bf. sich laufend in Ungarn aufhalte und engere wirtschaftliche Beziehungen zu diesem Land pflege.

Seit August 2018 habe sich somit der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. nach Ungarn verlagert.

Im Vorlagebericht führte das Finanzamt aus, dass auch ein melderechtlicher Nebenwohnsitz ein Wohnsitz sei und für die DBA-rechtliche Ansässigkeitsbeurteilung eine melderechtliche Qualifizierung weder bindend noch allein entscheidend sei.

Das Vorbringen des Bf., er verfüge über keinen weiteren Wohnsitz, außer dem Hauptwohnsitz in Ungarn, sei widersprüchlich, da der Bf. nach wie vor eine Meldung in Wien aufrechterhalte.

Das Finanzamt halte daran fest, dass eine Wohnsitzaufgabe in Österreich nicht erfolgt sei.

Relevante persönliche Beziehungen zu seinen erwachsenen Kindern setze nicht voraus, dass auf deren Aufenthalt Einfluss genommen werde. Familiäre Beziehungen zu einem Land seien zumindest dann relevant, wenn es zum anderen Land gar keine familiären Beziehungen gebe. Bekannte des Bf. hätten weniger Bedeutung als die engsten Familienangehörigen.

Nach Ansicht des Finanzamtes lägen im strittigen Jahr überhaupt keine wirtschaftlichen Beziehungen zu Ungarn vor.

Aus der Vermietung einer erst im Jahr 2019 erworbenen Eigentumswohnung in S. sei für die Beurteilung des strittigen Jahres nichts zu gewinnen, da in diesem Zusammenhang kein "Betreuungsbedarf" vor Ort gegeben sei. Daraus sei nicht erkennbar, dass engere wirtschaftliche Beziehungen zu Ungarn bestünden.

Zur Frage der ehemaligen Tätigkeit des Bf. beim Magistrat der Stadt Wien gelangte das Finanzamt zur Ansicht, dass diese im Zusammenhang mit amtlichen Proben als hoheitliche Tätigkeit zu betrachten sei. Der entsprechende Pensionsanteil unterliege daher in Anwendung der Art. 17 und 18 DBA Ungarn jedenfalls der Besteuerung in Österreich.

Zum Vorlagebericht brachte der Bf. eine Stellungnahme ein und stellte nochmals klar, die Meldung in Wien sei eine Nebenwohnsitzmeldung und keine Hauptwohnsitzmeldung.

Auch wenn der Lebensgefährte mit der Tochter des Bf. erst seit 2019 gemeinsam die Wohnung in 1140 Wien bewohne und der Bf. erst 2019 eine Eigentumswohnung in S. gekauft habe, so ist für den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. auf einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum abzustellen. Für das Jahr 2018 seien somit auch die künftigen Entwicklungen miteinzubeziehen. Die ungarische Hausverwaltung habe nur bestimmte Sachen über und müsse sich der Bf. für fast alle Belange betreffend die Wohnung selbst kümmern. Zudem sei die ungarische Einkommensteuervorauszahlung vor Ort in Ungarn einzubezahlen. Relevante wirtschaftliche Beziehungen zu Ungarn lägen somit vor.

Zur Frage der persönlichen Beziehungen zu einem Land sei der Aufenthaltsort der erwachsenen Kinder des Bf. nicht von so großer Bedeutung, wie die zahlreichen Freunde und Bekannten des Bf., die in H. und Umgebung leben würden, die er regelmäßig treffe und mit denen er gesellschaftlich verkehre. Der Aufenthaltsort von Familienmitgliedern, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben würden, sei irrelevant. Die Teilnahme am kulturellen Leben in Ungarn und die persönlichen Kontakte zu zahlreichen Freunden und Bekannten in Ungarn seien von ausschlaggebender Bedeutung.

Klarstellend brachte der Bf. noch vor, dass er bis im Magistrat der Stadt Wien gearbeitet und in der Wohnung in 1140 Wien gelebt habe. Von April 2018 bis August 2018 habe sich sein Mittelpunkt der Lebensinteressen zusehends nach Ungarn verlagert. Die Aussage seiner Tochter vom sei daher in zeitlicher Hinsicht nicht ganz präzise; gemeint seien "in den letzten eineinhalb Jahren".

Aus der Gesamtschau der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. ergebe sich somit klar, dass er spätestens seit August 2018 seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Ungarn verlagert habe.

Nach Vorlage der Beschwerde an das BFG stellte dieses eine Anfrage an den ehemaligen Dienstgeber des Bf. Dieser teilte mit, dass der Bf. vom bis als Beamter in der MA 38 beschäftigt und als Leiter des Referates Bakteriologie tätig gewesen sei. Während dieses Zeitraums habe er keine öffentlich-rechtliche Funktion innegehabt.

In der Folge reichte das Finanzamt noch eine Antwort betreffend ein Amtshilfeersuchen an die ungarische Behörde nach, wonach die ungarische Behörde zum Ergebnis gelangt sei, dass der Bf. laut Einwohnermelderegister seit seinen ständigen Wohnsitz in Ungarn habe.

Schließlich übermittelte der Bf. mit Mail eine Ansässigkeitsbescheinigung der ungarischen Steuerverwaltung.

Im weiteren Ermittlungsverfahren hat das BFG letztlich die Tochter des Bf. und Mag. E. telefonisch einvernommen, die Aussagen in Aktenvermerken festgehalten und dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht.

Mit Mail vom wurden dem Bf. die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer 2018 zur Kenntnis gebracht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer erzielte im streitgegenständlichen Jahr bis März 2018 aktive Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, danach Pensionsbezüge. Er ist seit vielen Jahren geschieden; eine Tochter und ein Sohn lebten mit ihm in der Wohnung in 1140 Wien.

Ca. im Jahr 2015 lernte der Bf. eine Ungarin kennen, die in Wien arbeitet und wohnt. Zu Beginn dieser Beziehung hat der Bf. laut Auskunft seiner Tochter in der Wohnung der Ungarin (Mag. E.) gelebt und gewohnt.

Im Jahr 2016 erwarb der Bf. ein Haus in H., wobei Mag. E. ihn damals sprachlich unterstützte, da der Bf. kein ungarisch spricht. Seit Mai 2018 ist der Bf. laut ungarischem Einwohnermeldeamt in Ungarn gemeldet.

Der Sachverhalt ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen, insbesonders durch die Einvernahme der Tochter des Bf. und Mag. E..

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

In Artikel 4 DBA-Ungarn wurde zum steuerlichen Wohnsitz Folgendes vereinbart:

(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) die Person gilt als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren familiären und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragsstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem der Vertragsstaaten, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines Vertragsstaates, so werden die Vertragsstaaten gemäß Artikel 24 vorgehen.

(3) Ist nach Absatz 1 eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig,

so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie auf Grund ihres Sitzes steuerpflichtig ist.

Artikel 17 DBA-Ungarn bestimmt zu Ruhegehälter:

Vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1 dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Artikel 18 DBA-Ungarn, öffentliche Funktionen, lautet:

(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen in diesem Staat besteuert werden.

(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragsstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 17 Anwendung.

Beweiswürdigung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Unbestritten ist, dass der Bf. bis Ende März 2018 Aktivbezüge aus seiner ehemaligen Tätigkeit bei der Gemeinde Wien erzielte, in seiner Wohnung in 1140 Wien gemeldet ist (Nebenwohnsitz) und bereits im Jahr 2016 ein Haus in Ungarn erwarb.

Seit Mai 2018 ist der Bf. auch in Ungarn melderechtlich erfasst.

Sowohl die österreichische als auch die ungarische Behörde vertritt die Ansicht, dass der Bf. im jeweiligen Land ansässig ist und damit der nationalen Besteuerung unterliegt.

Es ist somit zu beurteilen, an welchem Ort (in welchem Staat) der Bf. die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt.

Wenn das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ausführt, Umstände seien nicht dargelegt worden, die eine Wohnsitzaufgabe begründen würden, ist darauf hinzuweisen, dass gerade die Regelung des Art. 4 Abs. 2 DBA-Ungarn bestimmt, was gilt, wenn eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Im vorliegenden Fall verfügt der Bf. im streitgegenständlichen Jahr über einen Wohnsitz in Ungarn und einen in Österreich. Liegt nun dieser Sachverhalt vor, dann bestimmt das DBA-Ungarn , dass die Person als in dem Vertragsstaat als ansässig gilt, zu dem die Person die engeren familiären und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Bedeutend für die persönlichen Beziehungen sind familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Durch die Angaben der Zeugin Mag. E. und deren Hinweis, dass beide, der Bf. und sie, zu Beginn ihrer Beziehung sehr eng befreundet waren, gelangt das Gericht zur Ansicht, dass der Bf. seit dem Hauskauf im Jahr 2016 zu Ungarn eine nähere Beziehung entwickelte als zu Österreich. Auch die Aussage der Tochter des Bf., gäbe es nicht die Zeugin Mag. E., hätte ihr Vater in einem anderen Land ein Haus gekauft, hinterlässt bei Gericht die Überzeugung, dass sich der Bf. während seiner Pension in einem anderen Land als Österreich niederlassen wollte.

Soweit das Finanzamt zur Ansicht gelangt, dass familiäre Beziehungen zu einem Land dann relevant seien, wenn es zum anderen Land gar keine familiären Beziehungen gebe, übersieht es, dass für persönliche Beziehungen nicht nur familiäre Bindungen wesentlich sind. Der Bf. ist nämlich seit längerem geschieden und mit Ende März 2018 in Pension gegangen. Es ist demnach durchaus nachvollziehbar, dass sich der Bf. nach seiner aktiven Berufslaufbahn neu orientieren wollte. Außer seinen volljährigen und selbsterhaltungsfähigen Kindern ist nichts hervorgekommen, das ihn in Österreich halten würde. Sein Freundeskreis setzt sich aus Personen zusammen, die in der gleichen Wohnanlage in Ungarn wohnen. In Wien hatte der Bf. eine sehr enge Beziehung mit einer Ungarin, Mag. E., die ihm beim Hauskauf behilflich war und die auch der Grund für die Wahl des Landes gewesen war. All diese Umstände lassen den Schluss zu, dass sich im Verlauf des Jahres 2018 der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. immer mehr nach Ungarn verlagerte.

In der Beschwerdevorentscheidung bringt das Finanzamt auch vor, dass die wesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich bestünden. Es trifft zwar zu, dass der Bf. seine Pension von Österreich beziehe und dort auch krankenversichert ist, hat er doch während seiner aktiven Berufslaufbahn auch in Österreich Pensions- und Sozialversicherungsbeiträge einbezahlt. Laut ständiger Rechtsprechung kommt jedoch den wirtschaftlichen Beziehungen eine geringere Bedeutung zu als den persönlichen Beziehungen. Bereits im Jahr 2016, also noch während seiner aktiven Berufstätigkeit, hat der Bf. ein Haus in Ungarn erworben, welches er jederzeit bewohnen hätte können, wenn es nicht so weit von seinem Arbeitsort entfernt gewesen wäre. Die Wohnung in 1140 Wien hat er gemeinsam mit seinem Sohn und seiner Tochter bewohnt; es ist somit nachvollziehbar, wenn der Bf. mit Eintritt in den Ruhestand die Entscheidung trifft, ihm Jahr 2018 schrittweise seinen Lebensmittelpunkt nach Ungarn zu verlegen. Erhärtet wird diese Feststellung durch das Ergebnis des Amtshilfeersuchens, wonach der Bf. laut ungarischem Einwohnermelderegister bereits seit Mai 2018 seinen ständigen Wohnsitz in Ungarn hat, seine Freundin, Mag. E., an der Adresse des Hauses in Ungarn gemeldet und die Hausversicherung an dem ungarischen Grundstück auf ihren Namen registriert ist. Bei Abwägung der Gesamtheit der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. zu Österreich und Ungarn ergibt sich, dass ab August 2018 die Beziehung des Bf. zu Ungarn die bedeutungsvollere ist. Damit gilt er im Streitzeitraum bis Juli 2018 als in Österreich ansässig und hat bis Juli 2018 Österreich das Besteuerungsrecht.

Das Finanzamt hat auf Ersuchen des Gerichts die Bemessungsgrundlagen für den Zeitraum Jänner 2018 bis Juli 2018 berechnet und übermittelte das Gericht diese dem Bf. zur allfälligen Stellungnahme. Der Bf. erhob gegen die Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte für Jänner 2018 bis Juli 2018 keinen Einwand.

Abschließend ist noch auf das Vorbringen des Finanzamtes, die Tätigkeit des Bf. sei im Zusammenhang mit amtlichen Proben als hoheitliche Tätigkeit zu betrachten, einzugehen. Hierzu ist auf die Auskunft des ehemaligen Dienstgebers hinzuweisen, wonach der Bf. keine öffentliche Funktion als Leiter des Referates Bakteriologie innehatte. Aus diesem Grund wird auch kein entsprechender Anteil der Pensionsbezüge des Bf. in Anwendung des Art. 18 Abs. 1 DBA-Ungarn der Besteuerung in Österreich unterworfen.

Zusammenfassend geht das Gericht nun davon aus, dass der Bf. bis Juli 2018 in Österreich und ab August 2018 in Ungarn steuerpflichtig ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Gericht hat im Rahmen der freien Beweiswürdigung festgestellt, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. bis Juli 2018 in Österreich und ab August 2018 in Ungarn befand. Hierzu hat es bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres Bedacht genommen. Es hat seine Feststellungen auf einen längeren Beobachtungszeitraum gestützt (). Insoweit ist es nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abgewichen, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 17 DBA H (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Ungarn (Einkommen, Ertrag, Vermögen), BGBl. Nr. 52/1976
Art. 18 DBA H (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Ungarn (Einkommen, Ertrag, Vermögen), BGBl. Nr. 52/1976
Art. 18 Abs. 1 DBA H (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Ungarn (Einkommen, Ertrag, Vermögen), BGBl. Nr. 52/1976
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101467.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at