Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.10.2020, RV/7106276/2019

Lehre nach der Unterbrechung wegen Geburt eines Kindes nicht wieder fortgesetzt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für T. für den Zeitraum von April 2016 bis Dezember 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für die volljährige Tochter der Beschwerdeführerin (Bf.) für die Zeit von April 2016 bis Dezember 2017 in Höhe von insgesamt 4.918,20 Euro zurückgefordert, weil die Tochter der Beschwerdeführerin die Lehre nach der Geburt ihres Kindes nicht fortgeführt habe.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde folgendermaßen begründet:

"Bei Kontrolle der Dokumente wurde festgestellt, dass Dokumente gefehlt haben und eine Bestätigung ein falsches Datum beinhalte. Als ich damals Angaben abgeben musste wegen Familienbeihilfe für 2016, war mir nicht so klar, wieso ich für Tochter T. Familienbeihilfe bekam, obwohl sie selber gerade Mutter geworden ist. Also rief ich beim Finanzamt an und es wurde mir gesagt, dass das alles so seine Richtigkeit hatte. Also dachte ich mir dann nix mehr."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit folgender Begründung ab:

"Gem. § 2 Abs. 1 lit. b Farnilienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie sich in Berufsausbildung beenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VWGH) liegt eine Berufsausbildung vor, wenn eine schulische oder kursmäßige Ausbildung erfolgt, in deren Rahmen an nicht oder in einem anderen Beruf tätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifische Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen bzw. entsprechende Kenntnisse vermittelt werden.

Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungseifolg bzw. auf ein, sich in der erkennbaren Absicht der Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen äußerndes Bemühen des Auszubildenden um einen entsprechenden Ausbildungsfortgang an (qualitatives Element), sondern muss eine derartige Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. auch Csazar/Lenneis/wanke, FLAG § 2 Rz 36).

Ihre Tochter T. stand von bis bei DIALOG Bildungs- und Beratungsinstitut GmbH in Neusiedl am See in einem überbetrieblichen Lehrausbildungsverhältnis (gefördert durch das AMS Burgenland). Am x.2016 hat Ihre Tochter ein Kind bekommen. Sie war von - in Mutterschutz und hat Wochengeld bezogen.

Von bezog Ihre Tochter Kinderbetreuungsgeld. Ein gesetzlicher Karenzurlaub kann bis zum 2. Geburtstag des Kindes in Anspruch genommen werden.

Ihre Tochter stand von - in geringfügiger Beschäftigung und bezog Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

Ihre Tochter hat die Lehrausbildung nach dem gesetzlichen Karenzurlaub nicht fortgesetzt.

Sie hat die Lehrausbildung am abgebrochen, sodass ab dem Folgemonat April 2016 kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht."

Der daraufhin eingebrachte Vorlageantrag wurde wie folgt begründet:

"Bin mir keiner Schuld bewusst, dass ich was falsches damals getan habe. Habe rechtzeitig gemeldet, dass ich keine Familienbeihilfe damals bekommen hätte dürfen. Ihre Kollegin hat damals gesagt, dass alles passt. Also habe ich keine Schuld, sondern der Fehler lag bei ihnen."

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Festzuhalten ist, dass dem vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Sachverhalt nichts entgegnet wurde. Daher wird dieser Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der anzuwendenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, u.a. Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, sind unter dem Begriff "Berufsausbildung" jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (). Auch die Absolvierung einer Lehre ist dabei zweifellos vom Begriff "Berufsausbildung" umfasst. Als weitere Voraussetzung für die Annahme einer Berufsausbildung muss zur laufenden Absolvierung der Bildungsmaßnahmen auch das nach außen erkennbare ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, welches sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen manifestiert ().

Weiters ergibt sich aus der Rechtsprechung eindeutig, dass Unterbrechungen der Berufsausbildung nicht gleichbedeutend mit einer Beendigung derselben sein müssen, wenn die Unterbrechung beispielsweise durch eine Krankheit verursacht wird (). Damit bewahren aber nur Unterbrechungen der begonnenen Berufsausbildung letztlich den Familienbeihilfenanspruch, nicht jedoch deren Abbruch. Im Erkenntnis vom , 97/15/0111, hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich ausgeführt, dass, wenn die Tätigkeit, durch die ein Kind "für einen Beruf ausgebildet" wird, abgebrochen wird, ab der Beendigung nicht mehr von einer Berufsausbildung des Kindes und einem danach fortbestehenden Anspruch auf Familienbeihilfe gesprochen werden kann.

So heisst es zu § 2 Abs. 1 lit. b FLAG etwa im Erkenntnis vom , Zl. 98/15/0001, zur Frage, inwiefern Unterbrechungen der Berufsausbildung dem Bemühen um den Ausbildungserfolg widerstreiten:

"Der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 90/14/0108 ausgesprochen hat, beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien.

Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Aus diesem Erkenntnis folgt für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes, dass auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt."

Im vorliegenden Fall hat die Tochter der Beschwerdeführerin die Lehre im März 2016 abgebrochen. Eine Fortsetzung der Lehre ist nicht mehr erfolgt. Somit ergibt sich aber, dass die Tochter der Beschwerdeführerin ab dem Abbruch der Lehre im März 2016 nicht mehr in einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 stand.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden, wenn Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen wurden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. (vgl. etwa ; ; ; ).

Aufgrund der objektiven Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge lagen daher im Beschwerdezeitraum nicht vor.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhing. Die Entscheidung stützt sich auf die darin angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

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