Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2020, RV/5100741/2019

Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwalt ***RA***,[...], [...], vertreten durch Dr. Hermann Friedrich Aflenzer, Lessingstraße 40, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde ***FA*** vom zu StNr. ***1***, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2*** GmbH im Ausmaß von 10.423,59 € in Anspruch genommen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
07/14
2.309,15
Umsatzsteuer
08/14
1.140,91
Umsatzsteuer
03/15
1.995,34
Umsatzsteuer
04/15
898,80
Umsatzsteuer
2014
343,06
Summe
6.687,27

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Erklärung der Alleingesellschafterin ***3*** vom wurde die Firma ***4*** gegründet.

Die Alleingesellschafterin bestellte mit Gesellschafterbeschluss vom den Beschwerdeführer zum alleinigen Geschäftsführer.

In einem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag (Errichtungserklärung) vom wurden die Firma der Gesellschaft in "***5***" und der Punkt Zehntens (Übertragung von Geschäftsanteilen) geändert.

Die Gesellschaft war im Firmenbuch zu FN ***6*** protokolliert.

Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt ***7*** zum Insolvenzverwalter bestellt.

Im zweiten Bericht des Insolvenzverwalters vom führte dieser unter anderem aus, dass die Gesellschaft Großhändlerin für Kabel und Leitungen für diverse Bauunternehmen gewesen sei. Zu den Insolvenzursachen habe der Geschäftsführer angegeben, dass sämtliche Aufträge von der Gesellschaft vorfinanziert werden hätten müssen. Während die Gesellschaft die eigenen Lieferanten bei Lieferung zahlen habe müssen, wäre den Kunden ein Zahlungsziel von 30 Tagen zugestanden. Die Vorfinanzierung durch die Bank habe nicht ausgereicht. Aufgrund eines dem Geschäftsführer von der ***8*** GmbH eingeräumten Baurechtes an einer näher bezeichneten Liegenschaft wären auf dieser eine Lagerhalle und Büroräumlichkeiten errichtet worden, die an die Gesellschaft vermietet wurden. Die Gesellschaft hätte den Bauzins als Mietzins direkt an die ***9*** AG als Vertreterin der ***8*** GmbH abführen sollen, was aber nur teilweise erfolgt sei. Aufgrund rückständiger Bauzinszahlungen sei die Zwangsversteigerung eingeleitet worden. Die Gesellschaft verfüge über kein (eigenes) Liegenschaftsvermögen. Für das Inventar (Fahrzeuge, Betriebsausstattung, Umlaufvermögen) wurde ein Zerschlagungswert von 18.290,00 € angesetzt. Aus einer Anfechtung von Zahlungen an das Finanzamt sei ein Betrag von 9.900,00 € eingegangen. Das Verrechnungskonto des Geschäftsführers weise (nach Berichtigung von Fehlbuchungen) einen Saldo zu dessen Lasten in Höhe von 60.700,00 € aus. Die Insolvenzdauer und die Quotenerwartung hänge im Wesentlichen von der Zahlung des Geschäftsführers zur Abdeckung des Verrechnungskontos ab. Es sei (ohne Zufluss zur Abdeckung des Verrechnungskontos) mit einer Quote von rund 13 % zu rechnen. Eine Sanierung der Gesellschaft sei nicht geplant.

Im Schlussbericht vom führte der Masseverwalter aus, dass das Verwertungsverfahren abgeschlossen sei. Zu den Privatentnahmen des Geschäftsführers hielt der Insolvenzverwalter fest, dass außergerichtliche Sanierungsgespräche des Geschäftsführers gescheitert wären. Es sei nicht absehbar, ob und wann (bei diesem) eine Schuldenregulierung durchgeführt werde. Die Forderung gegenüber dem Geschäftsführer scheine nicht werthaltig. Sollte es dennoch zu einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Quotenzahlung durch den Geschäftsführer kommen, werde der Insolvenzverwalter eine Forderungsanmeldung und in weiterer Folge eine Nachtragsverteilung vornehmen.

Im Verteilungsentwurf wurde die Verteilungsquote mit 15,56 % beziffert. Am Zahlungsbeleg zur Überweisung dieser Quote an das Finanzamt wurde dieselbe vom Insolvenzverwalter mit 15,757056 % angegeben.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom wurde das Insolvenzverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben und mit weiterem Beschluss vom die Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses bestätigt.

Am wurde die Firma der Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt den Beschwerdeführer auf das bereits beendete Insolvenzverfahren bei der Gesellschaft (Primärschuldnerin) hin. Die Verteilungsquote wurde mit 15,75 % beziffert. Er sei als deren Geschäftsführer für die Entrichtung der Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen. Folgende Abgabenschuldigkeiten, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig waren, seien bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in €
davon 84,25 %
Körperschaftsteuer
07-09/14
78,49
66,13
Umsatzsteuer
07/14
2.741,06
2.309,34
Umsatzsteuer
08/14
1.354,31
1.141,01
Umsatzsteuer
03/15
2.368,56
1.995,51
Einfuhrumsatzsteuer
04/15
1.252,68
1.055,38
Umsatzsteuer
04/15
4.169,88
3.513,12
Umsatzsteuer
2014
407,23
343,09
Summe
12.372,21
10.423,59

Der Beschwerdeführer werde ersucht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die angeführten Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis der Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Er werde ersucht, anhand des beiliegenden Fragebogens seine derzeitigen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen.

Der Beschwerdeführer gab zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme ab.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für die im Vorhalt angeführten Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 10.423,59 € in Anspruch. Die Umsatzsteuer 2014 wurde dabei mit einem *) besonders gekennzeichnet und in dem an die Bescheidbegründung anschließenden "Hinweis" ausgeführt:

"Zu den mit *) gekennzeichneten Abgabenschuldigkeiten werden in der Anlage die an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheide übermittelt. Damit wird dem Haftungspflichtigen Kenntnis über den Abgabenanspruch verschafft. Zu den übrigen Abgaben gibt es keine Bescheide. Diesen liegt eine von der Primärschuldnerin vorgenommene Selbstbemessung zugrunde."

In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, dass im Hinblick auf das bereits abgeschlossene Insolvenzverfahren die im Spruch angeführten Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich wären. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen dürfe. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichten; es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Der Vorhalt des Finanzamtes vom sei unbeantwortet geblieben. Die Geltendmachung der Haftung sei eine zweckmäßige Sicherungsmaßnahme und stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Der Haftungspflichtige werde auf Grund seines Alters (Jahrgang [...]) voraussichtlich noch einige Jahre im Erwerbsleben stehen, sodass davon auszugehen sei, dass die Abgabenschuld bei ihm einbringlich ist. Aufgrund der sich im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin ergebenden Verteilungsquote sei die Haftung nur im Ausmaß der verbleibenden Abgabenschuldigkeiten (84,25% der ursprünglichen Beträge) geltend gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der eine Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt wurde. Im angefochtenen Bescheid werde zwar behauptet, dass die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich wären, dies sei aber nicht erwiesen. Eine Schlussverteilung betreffe das zur Quotenausschüttung bestimmte Gesellschaftsvermögen vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die behauptete Uneinbringlichkeit sei damit keinesfalls erwiesen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wären in einem Zeitraum von nahezu drei Jahren Einbringungsmaßnahmen nicht einmal versucht worden. Weitere Haftungsvoraussetzung sei die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen. Der Beschwerdeführer sei während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seiner Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen ordnungsgemäß nachgekommen und habe auch für die Abfuhr der Umsatzsteuerzahllast Sorge getragen. Die belangte Behörde erster Instanz verkenne hinsichtlich der Umsatzsteuer 2014, dass sich die Jahresveranlagung 2014 auf 407,23 € belaufen habe und damit die im Bescheid angeführten Monatszahllasten Juli 2014 (2.741,06 €) sowie August 2014 (1.354,31 €) "obsolet" geworden seien. Die als Selbstbemessungsabgaben gemeldeten Umsatzsteuern März 2015 sowie April 2015 wären am bzw. grundsätzlich fällig gewesen, hätten jedoch unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - selbst wenn hiezu die Möglichkeit bestanden hätte - bei sonstiger Strafbarkeit nicht an das Finanzamt abgeführt werden dürfen. Hätte der Beschwerdeführer das Finanzamt bevorzugt behandelt, hätte er sich des Straftatbestandes der betrügerischen Krida gemäß § 156 StGB schuldig gemacht. Die Nichtabfuhr sei daher - so sie überhaupt möglich gewesen wäre - in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht rechtmäßig gewesen. Dies ganz abgesehen davon, dass begünstigende Zahlungen an das Finanzamt innerhalb der 60-Tagesfrist vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit jedenfalls gemäß § 30 IO der Anfechtung unterlegen wären. Die Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärung 2015 sei dem Insolvenzverwalter oblegen. Die Jahresumsatzsteuer 2015 sei mit EUR 3.102,96 € festgesetzt worden (siehe Buchungsmitteilung Nr. 2/2017), womit auch die beschwerdegegenständlichen Monatserklärungen "hinfällig" geworden worden wären. Gänzlich "schleierhaft" sei überdies die Haftungsinanspruchnahme für KöSt "7-9/2014", zumal die KöSt 2014 im Rahmen der Jahresveranlagung festgesetzt worden sei. Der Umsatzsteuerbescheid 2014 sei dem gegenständlichen Haftungsbescheid nicht beigeschlossen gewesen. Es werde daher der Antrag auf Mitteilung des Abgabenanspruches gemäß § 248 BAO gestellt. Im Übrigen wäre für eine Haftungsinanspruchnahme ein Kausalzusammenhang zwischen einer (ohnehin nicht vorliegenden) schuldhaften Pflichtverletzung und einer hieraus resultierenden (bis dato nicht erwiesenen) Uneinbringlichkeit erforderlich, wovon keine Rede sein könne.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der eingehenden Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

1) Zur Frage der Abgabenforderung gegen die Gesellschaft sei vom Beschwerdeführer bemängelt worden, dass der Umsatzsteuerbescheid 2014 dem Haftungsbescheid nicht beigeschlossen gewesen wäre. Dies werde hiermit nachgeholt und der Umsatzsteuerbescheid 2014 der Beschwerdevorentscheidung angeschlossen. Diesem sei zu entnehmen, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 mit 30.477,70 € festgesetzt wurde. Nach Gegenüberstellung mit der bisher vorgeschriebenen Umsatzsteuer (dies entspreche den durch die Primärschuldnerin eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume Jänner bis Dezember 2014) in Höhe von 30.070,17 € habe sich eine Nachforderung in Höhe von 407,23 € ergeben. Aus welchem Umstand die "Monatszahllasten Juli und August 2014" durch die Veranlagung zu Umsatzsteuer 2014 "obsolet" geworden sein sollen, werde nicht vorgebracht. Ebensowenig habe die Umsatzsteuerveranlagung 2015 Auswirkungen auf die bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am fällig gewesenen Umsatzsteuervorauszahlungen März und April 2015 gehabt. Die Körperschaftsteuervorauszahlung für das dritte Quartal 2014 gründe sich auf den "ebenfalls beiliegenden" Vorauszahlungsbescheid 2014 vom . Nach diesem Bescheid sei jeweils ein Viertel der Vorauszahlung in Höhe von insgesamt 1.517,00 € am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig gewesen. Der geltend gemachte Vorauszahlungsanspruch für das dritte Quartal 2014 im Ausmaß von 66,13 € entspreche dem im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch offenen Betrag unter Anrechnung der Verteilungsquote.

2) Die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Primärschuldnerin und sohin als Vertreter iSd §§ 80 ff BAO ergäbe sich aus dem Firmenbuch und sei unstrittig.

3) Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft wies das Finanzamt neuerlich auf das nach Verteilung der Insolvenzquote bereits beendete Insolvenzverfahren. Die Primärschuldnerin habe ab diesem Zeitpunkt den Berichten des Insolvenzverwalters zufolge über keinerlei verwertbares Vermögen mehr verfügt. Dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters sei zu entnehmen, dass die Forderung der Primärschuldnerin gegenüber ihrem Geschäftsführer (Beschwerdeführer) aus damaliger Sicht nicht werthaltig gewesen sei; sollte es dennoch zu Zahlungen durch den Geschäftsführer (Beschwerdeführer) kommen, würde der Insolvenzverwalter in weiterer Folge eine Nachtragsverteilung vornehmen. Der Insolvenzverwalter sei von einer Forderung der Primärschuldnerin gegenüber dem Beschwerdeführer in Höhe von 60.700,00 € ausgegangen. Die Primärschuldnerin sei gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Dies erkläre den Umstand, dass keine weiteren Einbringungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin gesetzt wurden. Die Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben bei der Gesellschaft stehe daher fest.

4) Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 BAO annehmen dürfe. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Der Nachweis obliege dem Vertreter. Auf das Ergänzungsersuchen vom sei keine Reaktion des Beschwerdeführers erfolgt. In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid werde weder vorgebracht, dass die Mittel anteilig verwendet wurden noch werde konkretisiert, aus welchem Grund die haftungsgegenständlichen Abgaben nicht entrichtet wurden. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe die gemeldeten und fälligen Zahllasten der Umsatzsteuervoranmeldung März und April 2015 unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an das Finanzamt bei sonstiger Strafbarkeit nicht abführen dürfen, könne nicht nachvollzogen werden. Mit Entrichtungstag vom habe die Primärschuldnerin, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer gewesen sei, einen Betrag in Höhe von 7.900,00 € an das Finanzamt überwiesen. Es sei somit offenkundig, dass auf die mögliche Anfechtbarkeit dieser Zahlung keine Rücksicht genommen wurde.

5) Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spreche nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 9 Tz 24 mwN). Es lägen sohin alle Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme vor.

Wenige Tage nach Erstellung dieser Beschwerdevorentscheidung teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom mit, dass die in der Beschwerdevorentscheidung als Beilagen erwähnten Bescheide (Umsatzsteuerbescheid 2014 vom und Vorauszahlungsbescheid 2014 vom ) der Ausfertigung irrtümlich nicht angeschlossen worden seien. Dies werde hiermit nachgeholt.

Mit Eingabe vom beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Weiteres Vorbringen wurde darin nicht erstattet.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.

In einem Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, zu folgenden Punkten binnen einer Frist von drei Wochen Stellung zu nehmen. Zunächst wurde unpräjudiziell darauf hingewiesen, dass nach damaligem Stand des Verfahrens die Haftung auf folgende Abgabenschuldigkeiten einzuschränken wäre:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
07/14
2.309,15
Umsatzsteuer
08/14
1.140,91
Umsatzsteuer
03/15
1.995,34
Umsatzsteuer
04/15
898,80
Umsatzsteuer
2014
343,06
Summe
6.687,27

Aus dem durch § 248 BAO dem Haftungspflichtigen eingeräumten Beschwerderecht ergibt sich, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist ( 92/17/0003), und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches (vgl. z.B. 88/17/0235; 2000/16/0227; 2011/16/0188). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes zu erfolgen (z.B. Ellinger/Wetzel, BAO, 194). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig ( 93/17/0049). Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, so liegt infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (z.B. 2011/16/0053; 2013/16/0165). Ist die Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid mit der Einbringung der Beschwerde konsumiert und werden die zugrundeliegenden Abgabenbescheide erst danach übermittelt, liegt keine rechtzeitige Sanierung vor, da die Frist gemäß § 248 BAO bereits abgelaufen ist ( RV/0838-L/10).

Im gegenständlichen Fall wurde im Haftungsbescheid darauf hingewiesen, dass der Umsatzsteuer 2014 ein an die Primärschuldnerin ergangener Bescheid zugrunde liege. Dieser Bescheid wurde dem Haftungsbescheid allerdings (versehentlich) nicht angeschlossen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Mitteilung des Abgabenanspruches erfolgte innerhalb der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid und führte daher zu einer Hemmung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Umsatzsteuerbescheid 2014 bis zur Mitteilung des Abgabenanspruches, welche durch Übermittlung des Umsatzsteuerbescheides 2014 mit Schreiben vom erfolgte. Es liegt damit eine rechtzeitige Sanierung dieses Verfahrensmangels vor, da dem Beschwerdeführer damit noch eine fristgerechte Beschwerde gegen diesen Abgabenanspruch möglich gewesen wäre.

Dies gilt allerdings nicht für den Bescheid betreffend Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2014 und Folgejahre vom , der Grundlage für die haftungsgegenständliche KÖSt-Vorauszahlung 07-09/2014 war. Im Haftungsbescheid vom fehlt ein Hinweis, dass auch dieser Haftungsschuld ein Abgabenbescheid (eben der Bescheid vom ) zugrunde liege. Aus diesem Grund konnte sich auch der in der Beschwerde gestellte Antrag gemäß § 248 BAO nicht auf diesen Abgabenanspruch beziehen. Insofern liegt daher nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein nicht sanierbarer Verfahrensmangel vor, der dazu führt, dass die KÖSt-Vorauszahlung für das dritte Quartal 2014 aus der Haftung auszuscheiden wäre.

Die Umsatzsteuer 04/2015 wurde im Haftungsbescheid ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4.169,88 € mit einem um die Insolvenzquote verminderten Betrag von 3.513,12 € geltend gemacht. Dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin ist zu entnehmen, dass mit der am verbuchten Umsatzsteuervoranmeldung dem Finanzamt für den Voranmeldungszeitraum April 2015 aber nur eine Zahllast in Höhe von 3.467,64 € bekannt gegeben worden war. Hinsichtlich dieser Umsatzsteuervorauszahlung erfolgte allerdings mit Bescheid vom eine Festsetzung, die aus der anlässlich der Insolvenzeröffnung durchgeführten Außenprüfung resultiert. Der Prüfer stellte in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom fest, dass die aufgrund der Insolvenzeröffnung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 UStG zu berichtigende Vorsteuer 3.102,96 € betrage. Diese Vorsteuerrückrechnung wurde im Festsetzungsbescheid vom berücksichtigt, aus dem sich eine Nachforderung in Höhe eben dieser rückverrechneten Vorsteuer von 3.102,96 € ergab.

Am (für diesen Tag ist noch eine detaillierte Rückstandsaufgliederung im Abgabeninformationssystem möglich) betrug der Rückstand am Abgabenkonto 25.614,45 €. Darin wird die aus der Voranmeldung resultierende Umsatzsteuer 04/2015 mit einem noch offenen Betrag von 2.743,78 € ausgewiesen und die Nachforderung aus dem Festsetzungsbescheid vom mit dem genannten Betrag von 3.102,96 €.

Am wurde am Abgabenkonto aus verrechnungstechnischen Gründen aufgrund der Insolvenzeröffnung eine Aussetzung der Einbringung des gesamten Rückstandes gemäß § 231 BAO verfügt. Dadurch wurden die offenen Teilforderungen an Umsatzsteuer 04/2015 in Höhe von 2.743,78 € und 3.102,96 € aufsummiert und nur mehr in einem Gesamtbetrag von 5.846,74 € ausgewiesen.

Eine Haftungsinanspruchnahme für jene Umsatzsteuer 04/2015, die aus dem Festsetzungsbescheid vom resultiert, kommt aus mehreren Gründen nicht in Betracht: zum einen wurde dem Beschwerdeführer keine Kenntnis über diesen Abgabenanspruch verschafft; der Festsetzungsbescheid vom wurde dem Beschwerdeführer nie übermittelt. Zum anderen kommt eine Haftung für anlässlich der Insolvenzeröffnung rückverrechnete Vorsteuer schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht (vgl. z.B. RV/0138-W/06: da eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 3 UStG die Uneinbringlichkeit beim Leistungsempfänger voraussetzt, kann die Nichtentrichtung der daraus resultierenden Abgabenschuld dem Vertreter mangels liquider Mittel des Vertretenen nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter keine abgabenrechtliche Pflicht verletzt, wenn eine Abgabe nicht entrichtet wird, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat).

Für eine Haftung kommt daher nur die vorangemeldete Umsatzsteuer 04/2015 in Höhe von ursprünglich 3.467,64 € in Betracht. Als offener Restbetrag an Umsatzsteuer 04/2015 wird im Haftungsbescheid ein Betrag von 4.169,88 € ausgewiesen, der allerdings auch die rückverrechnete Vorsteuer aus dem Festsetzungsbescheid vom in Höhe von 3.102,96 € enthält. Wird diese rückverrechnete Vorsteuer vom Haftungsbetrag abgezogen, verbleibt ein Restbetrag von 1.066,92 €, der anteilig um die Insolvenzquote zu vermindern ist, woraus sich ein verbleibender Haftungsbetrag von nur mehr 898,80 € ergibt.

Haftungsgegenständlich ist ferner die Einfuhrumsatzsteuer 04/2015, die am Abgabenkonto am als Geschäftsfall 41 (Buchung einer Festsetzung) mit einem Betrag von 1.252,68 € verbucht wurde. Hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer besteht für den Abgabenschuldner die Möglichkeit, diese nicht an das zuständige Zollamt zu bezahlen, sondern diese in einer im Zuge einer Zollmitteilung festgelegten Höhe monatlich an das beim Finanzamt geführte Abgabenkonto zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Höhe der Einfuhrumsatzsteuer vom Zollamt festgelegt, der Betrag jedoch direkt auf das Steuerkonto des Anmelders gebucht wird. Die Überwachung der Zahlung geht sodann von der Zollbehörde auf das zuständige Finanzamt über. Der Schuldner kann die Einfuhrumsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer geltend machen.

Entscheidend für das gegenständliche Haftungsverfahren ist der Umstand, dass die Mitteilung des Abgabenbetrages nach Artikel 102 Zollkodex (Zollmitteilung) gemäß § 59 Zollrechts-Durchführungsgesetz als Abgabenbescheid gilt. Aus diesem Grund wäre daher auch diese als Bescheid geltende Zollmitteilung dem Beschwerdeführer im Zuge der Erlassung des Haftungsbescheides zur Kenntnis zu bringen gewesen. Da dies nicht der Fall war, ist auch die Einfuhrumsatzsteuer 04/2015 aus der Haftung auszuscheiden. Angemerkt sei noch, dass diese Einfuhrumsatzsteuer anlässlich der bereits erwähnten Umsatzsteuerprüfung als abziehbare Vorsteuer für Mai 2015 berücksichtigt wurde (Pkt. 2 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ).

Die restlichen haftungsgegenständlichen Abgaben (Umsatzsteuer 7/2014, 8/2014, 3/2015) resultieren aus Voranmeldungen der Primärschuldnerin. Die Richtigkeit dieser Abgaben wurde in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Eine minimale Korrektur der Abgaben ergibt sich noch durch eine Berücksichtigung der exakten Insolvenzquote, die der Insolvenzverwalter am Zahlungsbeleg mit 15,757056 % angegeben hat (das Finanzamt hat dagegen nur eine Quote von 17,75 % berücksichtigt).

Zur Frage der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin wird auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung und die bei Ritz, BAO, § 9 Tz 4 und 5 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Konkret verwertbares Gesellschaftsvermögen wurde in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Es wurde auch nicht dargelegt, dass die offene Forderung der Gesellschaft gegen den Beschwerdeführer in Höhe von 60.700,00 € aus seinem Verrechnungskonto bei ihm nunmehr einbringlich wäre (vgl. dazu den zweiten Bericht des Insolvenzverwalters vom sowie seinen Schlussbericht vom ).

Das Vorbringen, dass die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen durch die nachfolgend ergangenen Jahresbescheide "obsolet" geworden wären, ist verfehlt; auf die insofern zutreffende Begründung der Beschwerdevorentscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Zum Einwand in der Beschwerde, dass eine bevorzugte Behandlung des Finanzamtes den Straftatbestand der betrügerischen Krida gemäß § 156 StGB verwirklicht hätte, ist zunächst auf den Wortlaut dieser Bestimmung zu verweisen. Gemäß § 156 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert.

Eine solche bevorzugte Behandlung des Abgabengläubigers wird von keinem Vertreter im Sinne des § 80 BAO verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Geschäftsführer vielmehr zu einer Gleichbehandlung aller Gläubiger (auch des Abgabengläubigers) verpflichtet. Eine solche Gleichbehandlung verwirklicht den Tatbestand der betrügerischen Krida selbstverständlich nicht, wurde vom Beschwerdeführer aber weder dezidiert behauptet, geschweige denn trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Finanzamt im Vorhalt vom nachvollziehbar dargetan (hinsichtlich der unterschiedlichen Nachweismöglichkeiten für die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes wird auf die eingehenden Ausführungen bei Ritz, BAO, § 9 Tz 27 hingewiesen; insbesondere für den Fälligkeitstermin erscheint im Hinblick auf die zu diesem Termin geleistete, wenngleich auch vom Masseverwalter angefochtene Zahlung an das Finanzamt der Nachweis einer Gleichbehandlung des Abgabengläubigers nicht von vornherein ausgeschlossen). Im Übrigen bildet es keine Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme, ob in einem förmlichen Strafverfahren wegen fahrlässiger oder betrügerischer Krida ein Schuldspruch erfolgt oder nicht ( 89/13/0212).

Abschließend wird noch um Mitteilung ersucht, ob angesichts der im Rahmen des gegenständlichen Vorhalteverfahrens erfolgenden eingehenden Erörterung der Sach- und Rechtslage die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrechterhalten werden.

Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter gaben zu diesem Vorhalt trotz mehrfach gewährter Fristverlängerung keine Stellungnahme ab. Zuletzt ersuchte der Rechtsvertreter am um Ausschreibung eines Senatstermines.

Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung vor dem Senat für den um 10:30 Uhr anberaumt und erfolgte eine Ladung der Parteien sowie der fachkundigen Laienrichter.

Am wurde vom Rechtsvertreter der "Antrag auf Senatsbesetzung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung" zurückgezogen; weiteres Sachvorbringen wurde nicht erstattet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Entscheidung in der Sache)

Rechtslage

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten (§ 224 Abs. 1 BAO).

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

§ 245 Abs. 2 bis 5 BAO bestimmen:

(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

(5) Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß für Anträge auf Verlängerung der Frist des § 85 Abs. 2 bei Mängeln von Beschwerden.

Erwägungen

Voraussetzung für die im Ermessen liegenden Geltendmachung der Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1) Haftungsrelevante Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin

Hinsichtlich der für eine Haftungsinanspruchnahme in Betracht kommenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 6.687,27 € wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehenden Ausführungen im unbeantwortet gebliebenen Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom verwiesen.

2) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter

Die Stellung des Beschwerdeführers als alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und damit haftungsrechtlicher Verantwortlicher steht aufgrund des eingangs zitierten Bestellungsbeschlusses der Alleingesellschafterin der Primärschuldnerin fest und wurde auch nicht bestritten.

3) Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Frage der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft wurde bereits vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung eingehend erörtert; auf die dortigen zutreffenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Die Haftung nach § 9 ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (Ritz, BAO, § 9 Tz 4 und 5 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Davon ist gegenständlich im Hinblick auf das bereits beendete Insolvenzverfahren betreffend die Beschwerdeführerin und die erfolgte Löschung der Firma im Firmenbuch auszugehen. Dass ungeachtet dessen noch konkret verwertbares Gesellschaftsvermögen vorhanden wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Er hat auch nicht behauptet, dass die offene Forderung der Gesellschaft gegen ihn in Höhe von 60.700,00 € bei ihm nunmehr einbringlich wäre.

4) Schuldhafte Pflichtverletzung

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (z.B. mwN).

Ein solcher Nachweis wurde vom Beschwerdeführer nicht erbracht, sondern in der Beschwerde zu den Umsatzsteuerzahllasten für Juli und August 2014 bemerkt, dass diese durch die nachfolgende Jahresveranlagung 2014 "obsolet" geworden wären. Dass diese Ansicht grundlegend verfehlt ist, hat bereits das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend aufgezeigt. Gleiches gilt für die Umsatzsteuerzahllasten März und April 2015, die entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durch die Erlassung des Jahresbescheides 2015 nicht "hinfällig" geworden sind. Zum Einwand des Beschwerdeführers, dass eine bevorzugte Behandlung des Finanzamtes den Straftatbestand der betrügerischen Krida gemäß § 156 StGB verwirklicht hätte, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes im Vorhalt vom verwiesen.

Aus dem Hinweis, dass Zahlungen an das Finanzamt zu einer Gläubigerbegünstigung im Sinne des § 30 IO geführt hätten, ist für das Haftungsverfahren nichts zu gewinnen, da die Frage, ob bzw. inwieweit Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung unwirksam oder anfechtbar gewesen wären oder nicht, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen ist. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt wurde, bleibt davon unberührt (, ).

5) Kausalzusammenhang

Die Haftungsinanspruchnahme setzt auch eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so besteht keine Haftung ().

Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht allerdings die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ( mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (Fälligkeitstermin der Abgaben). Die später eingetretene Insolvenz der Gesellschaft erweist sich daher insofern lediglich als eine weitere Ursache für den eingetretenen Abgabenausfall. An der Kausalität der dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Pflichtverletzungen, die sich bei den Selbstbemessungsabgaben immer auf deren Fälligkeitstermin beziehen, ändert dies nichts ().

Weiters kommt es bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges nur auf den Vergleich mit einer Kausalkette im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens, also der Leistung der Zahlung an. Die Annahme, dass der Ausfall für den Abgabengläubiger im Falle der pflichtgemäßen Leistung der Zahlungen nicht eingetreten wäre (die Pflichtverletzung für diesen Ausfall daher kausal war), wird durch den Einwand einer möglichen Anfechtbarkeit der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter nicht widerlegt. Ob bzw. inwieweit von den Vertretern geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung wegen Begünstigung von Gläubigern rechtsunwirksam bzw. anfechtbar gewesen wären, ist ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob andere andrängenden Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, bleibt davon unberührt ( mwN).

6) Ermessen

Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung gemäß § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt regelmäßig die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Derartige Gründe wurden nicht vorgebracht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers wurden trotz Aufforderung durch das Finanzamt nicht dargelegt. Abgesehen davon darf die Haftung keineswegs etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (; ). Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Im Hinblick auf sein Alter wird der Beschwerdeführer noch geraume Zeit erwerbsfähig sein. Der Umstand, dass eine Haftungsschuld allenfalls nur zum Teil eingebracht werden kann, steht aber deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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