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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2020, RV/7101295/2019

Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe wegen posttraumatischer Belastungsstörung einer 54-jährigen Person

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Abweisung eines Eigenantrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Jänner 2014 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die im Februar 1964 geborene Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am einen (Eigen)Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Am wurde zwecks Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen von einer Neurologin die Begutachtung der Bf. durchgeführt und am folgenden Tag, am , das Gutachten erstellt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab:
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Hinweis
Im Zuge dieser Erledigung erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes folgende Bescheinigung(en) über das Ausmaß der Behinderung, die Ihnen durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zugesendet wird/werden:
(Name der Bf.) Datum Geschäftszahl 480…028

Gegen diesen Abweisungsbescheid wurde Beschwerde erhoben wie folgt:
Soweit ich der Begründung und dem Sachverständigengutachten entnehmen konnte, ist der Grund für die Ablehnung, dass keine Befunde vorliegen, aus denen hervorgeht, dass mein Krankheitsbeginn vor dem 21. Lebensjahr liegt.
Dazu möchte ich festhalten, dass bei mir eine andauernde Persönlichkeitsveränderung durch Extrembelastung, eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit generalisierter Angststörung diagnostiziert wurden.
Aus fachlicher Sicht ist bestätigt, dass die Ursache für Persönlichkeitsstörungen in der Kindheit liegen, meist bei einem sehr frühen Zeitpunkt (meine Fachärztin vermutet bei mir als Zeitpunkt 2.-3. Lebensjahr).
Ich war bereits als Kleinkind psychischen sowie sexuellem Missbrauch ausgesetzt, u.a. wurde ich auch im Keller des Wohnhauses eingesperrt.
Selbstverständlich stehe ich für weitere Untersuchungen durch die Fachärztin für Psychiatrie zur Verfügung - ich möchte nur darum ersuchen, aufgrund meiner Vorgeschichte von weiblichen Personen untersucht zu werden.

Die Bf. wurde vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zur Untersuchung geladen und ist die Bf. nicht erschienen (und konnte ein weiteres Gutachten nicht erstellt werden) (Beschwerdevorlage).

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde ausgeführt, wann ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) als erheblich behindert gilt, dass der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen ist und nach § 10 FLAG 1967 eine rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich ist bzw. ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat.

Der Vorlageantrag wurde eingebracht wie folgt:
Ich habe die Beschwerdevorentscheidung erhalten, laut der meine Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird, weil ich zur Begutachtung nicht erschienen bin.
Am hätte eine Begutachtung stattfinden sollen, die ich nicht wahrnehmen konnte, da ich aufgrund meiner psychischen Erkrankungen Schwierigkeiten habe, das Haus zu verlassen. Meine Fachärztin hat dies in einem Attest festgehalten und auch rechtzeitig an die begutachtende Stelle übermittelt.
Meine Sozialarbeiterin beim Psychosozialen Dienst (Ort) hat beim ärztlichen Dienst des Bundessozialamtes nachgefragt, ob eine Begutachtung per Hausbesuch (wie z.B. bei der PVA üblich) möglich wäre. Dies wurde verneint, aber es wäre möglich, eine Begutachtung über die Aktenlage - d.h. die vorhandenen Befunde - zu machen.
Da es mir leider nicht möglich ist, zur Begutachtung nach Wien zu fahren, ersuche ich hiermit darum, aufgrund meiner bisher eingebrachten und der angefügten Befunde eine solche Begutachtung, basierend auf der Aktenlage, durchzuführen.
Meine Begründung für meinen Antrag ist nach wie vor aufrecht und der Beschwerde zu entnehmen.
Ich ersuche um Berücksichtigung aller eingebrachten Unterlagen.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin hat einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt.
Das Sozialministeriumservice hat im Gutachten vom einen Behinderungsgrad im Ausmaß von 50 % ab festgestellt. Der Antrag wurde vom Finanzamt bescheidmäßig abgewiesen, da die dauernde Erwerbsunfähigkeit verspätet eingetreten ist. Gegen diese Entscheidung wurde eine Beschwerde eingebracht. Da die Beschwerdeführerin im Sozialministerium nicht erschienen ist, konnte kein Gutachten erstellt werden. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen. Dagegen wurde ein Vorlageantrag eingebracht. Eine neuerliche Untersuchung des Sozialministeriumservice hat eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ab 12/2010 ergeben.
Stellungnahme:
Da die erhöhte Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 nur für Volljährige, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätesten vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorgesehen ist und im vorliegenden Fall die Diagnose der dauerndenen Erwerbunfähigkeit wegen der Behinderung erst später eingetreten ist, wird beantragt die Beschwerde abzuweisen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. d und Abs. 5 FLAG 1967 haben volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
- sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
- ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist
und
- für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist,
und sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres (ab : 25. Lebensjahres), eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

§ 8 Abs. 4 bis 6 FLAG 1967 gilt nach § 8 Abs. 7 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben, und somit zufolge § 6 Abs. 5 FLAG 1967 für Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden.

Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist der Bezug der Familienbeihilfe somit Grundvoraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 20). Steht die Familienbeihilfe mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen oder wegen eines Ausschlussgrundes nicht zu, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht gewährt werden.

Im gegenständlichen Fall ist entscheidungswesentlich, ob die im Jahr 1964 (!) geborene, im Zeitpunkt der Antragstellung somit 54-jährige Bf. wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dieser Umstand bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.

Der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen (vgl. zB ).

Das Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. RV/0309-I/11).

Das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. B. vom wurde erstellt wie folgt:

Zusammenfassung relevanter Befunde
, Schulpsychologe, Dr. N…: ängstliches, weinerliches Kind [9- jährig]
Verhaltensschwierigkeiten möglicherweise auf neurotischer Basis.
, Schulpsychologin, Dr. K…: intellektuell durchschnittliche Begabung, vermutlich psychisch irritiert. [9- jährig]
, REHA Klinik …: PTBS, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig
, , , Dr. M…, FÄ für Neurologie und Psychiatrie:
Trauma frühkindlich vermutlich in der präverbalen Phase 2.-3.Lj.
, , : andauernde Persönlichkeitsveränderung mit gen. Angststörung, somatoforme Bewegungsstörung (intermitt.), Adipositas, lat. NIDDM
Überflutung in der Traumatherapie 1/2019
, Psych./LKH (Ort): rezidivierende depressive Störung, PTSD
, Verein L…: seit psychotherapeutische Beratungen h.o.
Multikomplexe posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder
Persönlichkeitsstörung mit gen. Angststörung.
, PSD (Ort): regelmäßige Betreuung und Ergotherapie seit 3/2018
: Versicherungsdatenauszug: Anlehre 9/1979-9/1981 [von 9/1979-02/1980 bei Dr. O. und von 02/1980-09/1981 bei Dr. H.], zahlreiche nur kurze Beschäftigungen - jeweils nur wenige Monate - zuletzt 6/2009; ab 12/2010-5/2015 Pensionsbezug, ab 6/2015 Rehageld.
, Dr S…, Psychotherapeutin: seit 7/2018 h.o. in regelm. Psychotherapie. Sprechblockaden, Vollbild einer schweren komplexen Traumatisierung, massive Intrusionen, zahlreiche Ängste.
Eindeutiger Hinweis auf eine primäre, bereits in früher Kindheit entstandene langanhaltende Traumatisierung, die danach aufgrund neuerlicher multipler Traumata in eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder Persönlichkeitsveränderung übergegangen ist.
Behandlungen / Medikamente / Hilfsmittel:
Lt. VGA von 4/2018 50% GdB mit Diagnose komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit rückwirkender Anerkennung ab Befunddokumentation 1/2014. Beschwerdeantrag vorliegend bezüglich Anerkennung vor dem 21. Lj. Zn. sexuellem Missbrauch in der Kindheit. Seit ca. 2002 Angst- und Panikattacken. Ab 2009 ambulante psychiatrische Behandlung in (Ort). Ab 2010 mehrfach in Tagesklinik / (Ort). 2011-2014 Intervalltherapie Rehaklinik (Ort) sowie 5/2017 stationär Psych./KH (Ort) wegen rezidivierender depressiver Zustände. Zn Suicidgedanken und -versuchen. Kaum affizierbar, Ductus sprunghaft. Generalisierte Angststörung. Seit ca. 2015 nur mit Hund für kurze Strecken allein unterwegs. Einkäufe werden von der Tochter erledigt. Wegen posttraumatischer Belastungsstörung ab 3/2015 beim Verein … in Psychotherapie. Seit 3/2018 regelmäßige FÄ-Betreuung beim PSD (Ort). Medikation mit Fluctine und Trittico. Adipositas. SA: 3 Ehen, lebt gemeinsam mit Mann [verheiratet seit Mai 2004; Abgabeninformationssystemabfrage]. 3 Kinder - geb. 10/1985 [Schwangerschaftsbeginn im Monat, in dem die Bf. das 21. Lebensjahr vollendete], 8/1987, 9/1993; (ein Kind mit 18J. 2006 an Pneumonie verstorben). Nicht besachwaltet; PG-stufe 1; Ausbildung: HS-Abschluss, 2J. Anlehre bei Zahnarzt (1979-1981), nur kurze (meist nur einige Monate) Beschäftigungen [bspw. im Jahr 1995 bezog die Bf. Karenzurlaubsgeld iHv € 6.162,37 und Sondernotstandshilfe iHv € 1.703,60] - längste geringfügig für 13 Monate 2001-2002, zuletzt 6/2009 angestellt; ab 12/2010-5/2015 Pensionsbezug, ab 6/2015 Rehageld
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
1
Komplexe posttraumatische Belastungsstörung
Unterer Rahmensatz, da ambulantes Setting möglich
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Gegenüber dem VGA von 4/2018 ist eine rückwirkende Anerkennung ab 12/2010 möglich
(Behandlungen in Tageskliniken sowie Beginn der I-Pension).
Eine weitere Rückdatierung ist mangels relevanter Befunde nicht durchführbar.
Eine Traumatisierung in der frühen Kindheit ist nach Angabe der AW sowie der behandelnden Neurologin und Psychotherapeutin zu vermuten, jedoch sind keinerlei Behandlungen vor dem 21. Lj. Nachweisbar, welche einen GdB über 50% belegen können.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern
x ja
GdB liegt vor seit: 12/2010
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
(Die Bf.) ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist ab 12/2010 nicht gegeben da psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft nicht möglich machen.
x Dauerzustand

Im zuvor auf Grund der am durchgeführten Begutachtung erstellten Sachverständigengutachten war die Neurologin Dr. H. zu folgender Beurteilung gekommen:
X Nachuntersuchung 12/2019 Leiden 1 kann sich unter Therapie weiter verbessern.
(Die Bf.) kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:
x JA

Unstrittig ist, dass, wie von der Bf. vorgebracht, "der Krankheitsbeginn vor dem 21. Lebensjahr liegt". Damit ist das Schicksal der Beschwerde gemäß den obigen Rechtsausführungen aber noch nicht entschieden: Wie oben bereits ausgeführt, kommt es darauf an, ob die Bf. wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dieser Umstand bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.

Im Sachverständigengutachten wurde die Undurchführbarkeit einer weiteren Rückdatierung über Dezember 2010 hinaus - für den Zeitraum vor Dezember 2010 - mit dem Mangel relevanter Befunde begründet.
Den im Jahr 1973 vom Schulpsychologen betreffend die damals 9-jährige Volksschülerin beschriebenen Auffälligkeiten folgte erst im Jahr 2014 - also 40 Jahre (!) danach - betreffend die Bf., Mutter von drei in den Jahren 1985, 1987 bzw. 1993 geborenen Kindern, in dritter, derzeit aufrechter, Ehe lebend, ein Befund: REHA Klinik (PTBS, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig) und kam es in weiterer Folge zu mehreren Befunden ab dem Jahr 2017. Auf Grund dieser Chronologie bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass die Gutachterin zutreffend zur Beurteilung "mangels relevanter Befunde" gelangte.
Wenn es im Sachverständigengutachten heißt: "Eine Traumatisierung in der frühen Kindheit ist nach Angabe der AW sowie der behandelnden Neurologin und Psychotherapeutin zu vermuten, jedoch sind keinerlei Behandlungen vor dem 21. Lj. nachweisbar, welche einen GdB über 50% belegen können.", ist auf folgende Passage des Gutachtens zu verweisen: "Eindeutiger Hinweis auf eine primäre, bereits in früher Kindheit entstandene, langanhaltende Traumatisierung, die danach aufgrund neuerlicher multipler Traumata in eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder Persönlichkeitsveränderung übergegangen ist." Nachgewiesenermaßen mündeten die Traumata erstmalig im Jahr 2014, auf Grund eines Aufenthaltes in einer REHA Klinik, in eine relevante Befundung (vgl. oben). Im Hinblick auf Behandlungen der Bf. in Tageskliniken (vgl. oben: ab 2010 mehrfach in Tagesklinik / (Ort). 2011-2014 Intervalltherapie Rehaklinik) sowie dem Beginn der Pensionszahlungen der Pensionsversicherungsanstalt wurde eine rückwirkende Anerkennung ab Dezember 2010 vorgenommen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101295.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at