Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.05.2020, RV/7105267/2017

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG, Zieglergasse 12/9, 1070 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer (Bf) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für die aushaftende Umsatzsteuer 04-12/09 in Höhe von € 156.486,06 der Firma C-GmbH, Firmenbuchnummer Z1, Adr1, in Anspruch.

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, haftet für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können, und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Sie waren von bis Geschäftsführer der Fa. C-GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für Umsatzsteuer ist festzuhalten:

Die Umsatzsteuer wurde nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (, 0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

Mit Eingabe vom erhob der Bf gegen den Haftungsbescheid vom Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte diese wie folgt aus:

"Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfang sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angefochten.

1. Mit dem angefochtenen Haftungsbescheid wurde dem Einschreiter aufgetragen, als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 BAO einen Betrag von EUR 156.486,06 an Umsatzsteuer für den Zeitraum 04-12/2009 für Abgabenverbindlichkeiten der Fa. C-GmbH, FN Z1, zu entrichten.

3. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Eine schuldhafte Pflichtenverletzung des Einschreiters liegt nicht vor:

a. Der Einschreiter war lediglich vom bis Geschäftsführer der Fa. C-GmbH. Für den Zeitraum vor seiner Geschäftsführerbestellung ist der Einschreiter jedenfalls nicht verantwortlich zu machen. Der Rechtsvorgänger des Einschreiters hat betreffende Abgaben laufend bekannt gegeben und abgeführt. Die Prüfung sowie die Festsetzung der gegenständlichen Umsatzsteuer erfolgten erst nach dem Ausscheiden des Einschreiters aus der Gesellschaft. Der Einschreiter war daher bei Übernahme der Geschäftsführungsfunktion nicht aufgrund äußerer Umstände dazu veranlasst gewesen, Nachforschungen über diesbezügliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft anzustellen (vgl. ). Die Haftungsinanspruchnahme für die Abgabennachforderungen betreffend den Zeitraum vor seiner Geschäftsführerbestellung ist daher jedenfalls nicht rechtmäßig.

b. Der Einschreiter war de facto nur als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig. Alle wirtschaftlichen Belange einschließlich der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wurden ausschließlich vorn selbständig zeichnungsberechtigten Gesellschafter und Prokuristen Herrn VC, geb. Da1, mit Unterstützung des langjährigen Steuerberaters der Gesellschaft Hr. KR geführt. In dem kurzen Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Einschreiters bestand jedenfalls keine Veranlassung einer zusätzlichen Kontrolle des Prokuristen, zumal dieser stets mit dem Steuerberater des Unternehmens in Verbindung stand und während dessen gesamter jahrelanger Tätigkeit keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt werden konnten. Dem Einschreiter ist somit auch kein Überwachungsverschulden vorzuwerfen.

c. Während der gesamten Wirkungsperiode wurden die Selbstbemessungsabgaben (USt) stets ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften gemeldet sowie die Umsatzsteuer entrichtet. Aufgrund einer Außenprüfung am - daher nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit - wurde eine Umsatzsteuerpflicht für vier bis dato als umsatzsteuerfrei gemäß § 19 Abs 1 d UStG behandelte Schrottlieferungen (Bruchgold) überraschend als steuerpflichtig behandelt, was nach wie vor auch nach der Rechtsauffassung des steuerlichen Vertreters strittig ist. Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen in der Beschwerde gegen die mittels Bescheid vom vom Finanzamt 1/23 festgesetzte Umsatzsteuer für 04-09/2009 (StNr. Z2 - C-GmbH) in Höhe von EUR 236.782,86 verwiesen. In diesem Zusammenhang wird mitgeteilt, dass der Einschreiter gemäß § 248 BAO eine gesonderte Beschwerde gegen die im genannten Bescheid festgesetzte Umsatzsteuer eingebracht hat.

Der Abgabenrückstand beruht daher auf einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum und nicht (wie im Haftungsbescheid vorgeworfen) auf unzureichenden Meldungen und Entrichtungen der Umsatzsteuer durch den Einschreiter (vgl. ; ). Nach der Judikatur trifft einen Geschäftsführer zudem kein Verschulden, wenn dieser ausschließlich durch eine unrichtige Rechtsbelehrung, die ihm sein Steuerberater in voller Kenntnis des Sachverhaltes erteilte, zur unrichtigen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges veranlasst wurde (vgl. ). Der Einschreiter konnte daher auch im vorliegenden Fall auf die Auskunft des Steuerberaters, dass die Bruchgoldlieferung nicht zu versteuern wäre, vertrauen. Auch diesfalls ist kein sorgfaltswidriges Handeln des Einschreiters zu erkennen.

Aus der Bescheidbegründung vom im Grundverfahren C-GmbH zu Steuer Nummer Z2 ergibt sich, dass der Berufung teilweise gefolgt wurde (hinsichtlich der Lieferungen P-GmbH iHv EUR 713.853,69), allerdings eine weitere Vorsteuerberichtigung vorgenommen wurde (Lieferungen der I-GmbH), welche allerdings zum einen unverständlich, zum anderen ebenfalls unrichtig sind. Daraus ergibt sich wiederum, dass offenbar auch dem Prüfer der Tatbestand I-GmbH nicht aufgefallen ist, woraus man schließen kann, dass es auch für den - firmenintern gar nicht für das Rechnungswesen zuständigen - Einschreiter gar nicht erkennbar sein konnte, dass hier aufgrund einer diffizilen und unklaren Rechtslage womöglich eine Vorsteuer zu Unrecht beansprucht wurde.

Weiters ergibt sich aus dem Bescheid vom , welcher Basis für die Erlassung des Haftungsbescheides war, dass trotz der vorgenommenen Korrekturen noch immer ein Guthaben für die Umsatzsteuer ausgewiesen war. Inwieweit es trotzdem zum Rückstand kam und in welchen Perioden dieser "erwirschaftet" wurde, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, welcher auch insoweit an einer Rechtswidrigkeit leidet.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Republik kein Schaden entstanden ist, da vom damaligen Lieferanten, welcher aufgrund der damals unsicheren Rechtslage eine Rechnung mit Umsatzsteuer ausgestellt hat, diese ja an das Finanzamt abgeführt wurde, sodass die nunmehrige Einforderung als Vorsteuerkorrektur ja zu einer doppelten Einhebung führen würde.

4. Zusammengefasst ergibt sich, dass keine schuldhafte Pflichtenverletzung des Einschreiters vorliegt, weshalb dieser nicht zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO herangezogen werden kann.

Beweis: Beischaffung des Steueraktes zur St.Nr. Z2 Einvernahme des Einschreiters

Einvernahme KR, p.A. Adr2

5 Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist zur Beweisergänzung, insbesondere zur Einvernahme der Zeugen PC und KR notwendig.

Der Einschreiter stellt daher den Antrag
1. auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung
2. auf ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom wurde PC gemäß §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma C-GmbH in der Höhe von € 156.486,06 an Umsatzsteuer 04-12/2009 in Anspruch genommen. Gegen diesen Bescheid erhob er mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass er nur vom bis Geschäftsführer der Firma C-GmbH gewesen sei und sämtliche Abgaben laufend bekanntgegeben und abgeführt habe. Erst im Zuge einer Betriebsprüfung seien nach seiner Tätigkeit als Geschäftsführer mit Bescheid vom überraschend vier als umsatzsteuerfrei behandelte Bruchgoldlieferungen als steuerpflichtig eingestuft worden. Der Abgabenrückstand beruhe daher auf einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer de facto nur als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig gewesen.

Dazu wird Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 Abs. 1 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Fest steht, dass der Beschwerdeführer laut Firmenbuch vom bis zum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma C-GmbH war. Über dieses Unternehmen wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Da2 der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Die Firma wurde am gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Daraus ist ersichtlich, dass die offenen Abgabenschuldigkeiten bei der Firma C-GmbH uneinbringlich sind.

Betreffend die Heranziehung zur Haftung für die Umsatzsteuer 04-12/2009 wurde in der Begründung des Haftungsbescheides auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. hingewiesen. Es ist demnach unter anderem Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zur erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde weiters davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

Dagegen wird vom Beschwerdeführer eingewendet, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer 04-12/2009 erst mit Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom und somit nach dem Ende der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers erfolgte. Ignoriert wird bei dieser Behauptung allerdings die Tatsache, dass im vorliegenden Fall Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, die in Zeiträume fallen, für welche der Beschwerdeführer verantwortlich war. Es handelt sich dabei also objektiv betrachtet um ein haftungsrelevantes Erklärungs und Entrichtungsverschulden des früheren Geschäftsführers, da Selbstbemessungsabgaben zu deren gesetzlichen Fälligkeitstagen, welche noch in die Funktionszeit des zur Haftung herangezogenen früheren Geschäftsführers fielen, nicht in der richtigen Höhe erklärt und entrichtet wurden.

Auch der Einwand, der Beschwerdeführer sei de facto nur als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig geworden, während der selbstständig zeichnungsberechtigte Alleingesellschafter und Prokurist VC mit Unterstützung des langjährigen Steuerberaters der Gesellschaft, KR, alle wirtschaftlichen Belange einschließlich der abgabenrechtlichen Verpflichtungen wahrgenommen habe, wäre selbst dann nicht berechtigt, wenn er den Tatsachen entspräche. Laut Gesellschafterbeschluss vom wurde der damalige Geschäftsführer VC von seiner Funktion abberufen und der Beschwerdeführer zum neuen selbstständig vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Damit war er gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen und hatte gemäß § 80 Abs. 1 BAO in seiner Stellung als Organwalter alle Pflichten zu erfüllen, die der von ihm vertretenen Gesellschaft oblagen, insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet werden. Sollte sich der Beschwerdeführer tatsächlich von Anfang an mit einer Beschränkung auf eine Rolle als .ausschließlich gewerberechtlicher Geschäftsführer abgefunden haben, hätte·er trotzdem das Risiko für alle ihm zuzurechnenden aber von VC gesetzten Handlungen und Unterlassungen zu tragen. Erklärt sich ein Vertreter nämlich schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden, so dass er gleichsam als Vertreter ohne Vollmacht dasteht, oder nimmt er eine solche Beschränkung in Kauf, die ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen unmöglich macht, so ist dies eine Pflichtverletzung und liegt hierin ein haftungsrelevantes Verschulden.

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Höhe der Nachforderung sind durch den zur Haftung Herangezogenen nur im Verfahren gemäß § 248 BAO gegen die später erlassenen Abgaben- bzw. Nachforderungsbescheide zu erheben und nicht im Haftungsverfahren selbst zu prüfen, in dem eine Bindung an die Abgabenbescheide besteht. Dazu wird bemerkt, dass die gegenständliche Nachforderung nicht die Folge eines Rechtsirrtums über die steuerliche Behandlung von Bruchgoldlieferungen an die Firma P-GmbH ist, sondern aus der Verschiebung der Rechnungen Nummer 11 und 12 der Firma D-GmbH vom in den Zeitraum der Lieferung im Oktober 2009 sowie einer Vorsteuerberichtigung betreffend Lieferungen der Firma I-GmbH resultiert. Der Einwand, der Republik sei kein Schaden entstanden, weil vom damaligen Lieferanten, der eine Rechnung mit Umsatzsteuer ausgestellt hat, diese Abgabe ja an das Finanzamt abgeführt worden sei und es durch die nunmehrige·Einforderung als Vorsteuerkorrektur zu einer doppelten Einhebung käme, geht ins Leere, da der Vorsteuerkorrektur beim Empfänger der Lieferung selbstverständlich eine dementsprechende Korrektur auf Seiten des Ausstellers der Rechnungen gegenübersteht.

Der Umstand, dass gegenständlich Selbstbemessungsabgaben mit gesetzlichen Fälligkeiten noch in der Funktionsperiode des Haftungspflichtigen zugrunde liegen, belegt dessen Verschulden im Hinblick auf die spätere Uneinbringlichkeit von Nachforderungen in ausreichendem Maße. Dass damals keine ausreichenden Mittel zur fälligkeitsgerechten vollständigen Entrichtung zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch aus dem Akt nicht erkennbar.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Im vorliegenden Fall·wird von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme unter anderem nicht gesprochen werden können, da die Abgabenschuld vom Hauptschuldner nicht eingebracht werden kann und dem Beschwerdeführer die Nichtentrichtung der aushaftenden Umsatzsteuerzahllast der Primärschuldnerin anzulasten ist.

Eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers liegt nicht vor, da feststeht, dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten nicht vollständig erfüllt hat. Es sind sonst keine Billigkeitsgründe vorgebracht worden, welche die Gründe für eine Heranziehung zur Haftung überwiegen würden. Insgesamt gesehen ist daher die Geltendmachung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Einbringung der Abgaben geboten.

Sonstige Einwendungen gegen die Ermessensübung wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Wenn das öffentliche Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen nur durch Geltendmachung der Haftung gewahrt werden kann, kann in der Heranziehung des Beschwerdeführers eine Überschreitung des vom Gesetz vorgegebenen Ermessensrahmens nicht erkannt und nicht gesagt werden, die Abgabenbehörde hätte von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht.

Auf Grund des bereits im Haftungsbescheid dokumentierten Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 9 und 80 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der Firma C-GmbH hinsichtlich eines Betrages in der Höhe von € 156.486,06 somit zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der C-GmbH stand spätestens mit der amtswegigen Löschung der Gesellschaft am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit fest ().

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bestritten wurde die Haftungsinanspruchnahme im Wesentlichen aus dem Grunde, dass der Abgabenrückstand auf einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum beruhe und nicht wie im Haftungsbescheid vorgeworfen auf unzureichenden Meldungen und Entrichtungen der Umsatzsteuer durch den Bf. Aufgrund einer Außenprüfung am - daher nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit - sei eine Umsatzsteuerpflicht für vier bis dato als umsatzsteuerfrei gemäß § 19 Abs. 1 d UStG behandelte Schrottlieferungen (Bruchgold) überraschend als steuerpflichtig behandelt worden, was nach wie vor auch nach der Rechtsauffassung des steuerlichen Vertreters strittig sei.

Nach der Judikatur treffe einen Geschäftsführer zudem kein Verschulden, wenn dieser ausschließlich durch eine unrichtige Rechtsbelehrung, die ihm sein Steuerberater in voller Kenntnis des Sachverhaltes erteilt habe, zur unrichtigen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges veranlasst worden sei (vgl. ). Der Bf habe daher auch im vorliegenden Fall auf die Auskunft des Steuerberaters, dass die Bruchgoldlieferung nicht zu versteuern wäre, vertrauen können.

Der Begründung der Beschwerdevorentscheidung, dass die Nachforderung nicht die Folge eines Rechtsirrtums über die steuerliche Behandlung von Bruchgoldlieferungen an die Firma P-GmbH sei, sondern aus der Verschiebung der Rechnungen Nummer 11 und 12 der Firma D-GmbH vom in den Zeitraum der Lieferung im Oktober 2009 sowie einer Vorsteuerberichtigung betreffend Lieferungen der Firma I-GmbH resultiere, ist entgegen zu halten, dass nach der von der Abgabenbehörde vorgelegten Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung am , Tz. 2, 4 Ausgangsrechnungen der C-GmbH an die P-GmbH im Gesamtbetrag von € 713.853,64, welche mit dem Hinweis auf § 19 Abs. 1 d UStG ohne Umsatzsteuer ausgestellt wurden, mit dem Betrag von € 142.770,73 nachversteuert wurden.

Zu der in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Verschiebung der Rechnungen Nummer 11 und 12 der Firma D-GmbH vom betreffend einen Betrag von € 87.384,37 an Umsatzsteuer in den Zeitraum der Lieferung im Oktober 2009 ist zu bemerken, dass die mit Umsatzsteuervoranmeldung für 2/2010 gemeldete Umsatzsteuer in Höhe von € 87.210,52 durch die Verrechnung mit der Umsatzsteuergutschrift für 3/2010 in Höhe von € 54.774,47 und eine Überrechnung vom in Höhe von € 87.384,38 zur Gänze entrichtet wurde, sodass dem Bf eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich dieses Betrages wohl nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.

Eine Vorsteuerberichtigung betreffend Lieferungen der Firma I-GmbH ist der Niederschrift nicht zu entnehmen. Vielmehr resultiert der zur Festsetzung des Betrages von € 236.782,86 führende Differenzbetrag an Umsatzsteuer in Höhe von € 6.627,75 laut Tz 1 aus einer Nachforderung aufgrund einer festgestellten Umgehung eines PKW-Leasingvertrages.

Das Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums hinsichtlich der Lieferungen P-GmbH iHv EUR 713.853,69 ergibt sich nach dem Vorbringen des Bf schon aus der Bescheidbegründung vom im Grundverfahren C-GmbH zu Steuer Nummer Z2, wonach der Berufung hinsichtlich der Lieferungen P-GmbH iHv EUR 713.853,69 gefolgt wurde.

Sofern entsprechend dem Vorbringen des Bf mit Bescheid vom eine weitere Vorsteuerberichtigung betreffend Lieferungen der I-GmbH vorgenommen worden sein sollte, ist diese nicht Gegenstand des vorliegenden Haftungsbescheides, welchem die in der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung am angeführten Sachverhalte zugrunde gelegt wurden.

Die Vorsteuerberichtigung betreffend die I-GmbH laut Beschwerdevorentscheidung bzw. Bescheid vom ist somit nicht Gegenstand dieses Haftungsverfahrens.

Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer in Höhe von € 6.627,75 laut Tz 1 aus einer Nachforderung aufgrund einer festgestellten Umgehung eines PKW-Leasingvertrages kann dem Bf wohl schon deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil er von der Nichtanerkennung des Dauermietvertrages durch die Betriebsprüfung keine Kenntnis haben konnte.

Entsprechend dem Vorbringen des Bf in der Beschwerde kann die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten den Vertreter einer juristischen Person entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die (vermeintliche) Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise hat informieren lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären (vgl. ; , 2007/13/0047; , Ra 2019/13/0009).

Schon das Vertrauen und Befolgen des Rates des Steuerberaters, dass die Bruchgoldlieferung nicht zu versteuern wäre, kann das Verhalten des Bf daher entschuldigen, zumal Feststellungen der Abgabenbehörde, dass der Bf aus einem konkreten Anlass der Auskunft des Steuerberaters hätte misstrauen müssen oder aus eigenem Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft gehabt hätte (vgl. ), nicht vorliegen.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die vom Bf zur Beweisergänzung beantragte Anberaumung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für die Umsatzsteuer 04-12/09 in Höhe von € 156.486,06 der C-GmbHzu Unrecht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105267.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at