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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.10.2020, RV/6100466/2019

Wiederaufnahme - sind die neuen Tatsachen geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Quintax gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgmbh, Rainbergstraße 3A, 5020 Salzburg, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg - Stadt, Aigner Straße 10, 5020 Salzburg, vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 nach der am über Antrag der Partei (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Salzburg abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1. Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 wird aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang

A/1. Der Beschwerdeführer (Bf.) reichte am seine Einkommensteuererklärung für 2012 ein, in der er neben nichtselbständigen Einkünften solche aus Vermietung und Verpachtung erklärte und den Abzug von Sonderausgaben beantragte. Weitere Einkünfte erklärte der Bf. nicht.

Mit Einkommensteuerbescheid vom erfolgte die erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer.

Bereits am wurde dem für die Erhebung der Einkommensteuer zuständigen Finanzamt des Bf. (kurz: FA) eine Mitteilung darüber übermittelt, dass der Bf. mit Vertragsdatum eine Immobilie veräußerte und daraus Einkünfte in Höhe von EUR 110.462 erzielte. Aus einer an das FA gerichteten "Auskunft Geschäftsfall Grunderwerb" des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern gehen der Erwerber der Liegenschaft, der Titel des Rechtsgeschäfts (Übergabsvertrag) und die Bemessungsgrundlage hervor.

Eine freiwillige Selbstberechnung und Entrichtung von Einkommensteuer, die auf die Grundstücksveräußerung entfällt, erfolgte nicht.

A/2. Mit Vorhalt vom forderte das FA den Bf. auf, nähere Angaben zur Veräußerung des Grundstückes zu tätigen und ein Formular auszufüllen, welches eine Beilage zur Einkommensteuererklärung darstellt.

Der Bf. sendete das ausgefüllte Formular an das FA zurück und erklärte darin den Verkaufserlös mit "Übernahme Kredit EUR 110.461,17 minus EUR 25.555,59, daher mit EUR 84.905,58. Dies sei der zum Übergabezeitpunkt aushaftende Kreditbetrag. Davon zog er eine ursprüngliche Kreditsumme von EUR 95.000 ab ("Kredit vom ") und errechnete so einen Veräußerungsverlust von EUR 10.094,42.

Aus einer beigelegten Einzahlungsbestätigung der Bausparkasse ist ersichtlich, dass zu einer auf den Bf. lautenden Sparpolizze zwischen und Einzahlungen von EUR 25.555,59 geleistet wurden.

A/3. In der Folge führte das FA eine Nachschau durch, bei der zusammenfassend folgende Feststellungen getroffen wurden:

Der Sohn des Bf. habe im Jahr 2000 eine Eigentumswohnung um EUR 83.573,76 erworben. Über Antrag der Bausparkasse sei im Jahr 2005 die Zwangsversteigerung der Wohnung betrieben worden. Dabei sei der Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Stichtag gutachterlich mit EUR 85.000 festgestellt worden. Der Bf. habe die Wohnung um das Meistbot von EUR 75.000 erworben und sei damit zivilrechtlicher, wirtschaftlicher und grundbücherlicher Eigentümer geworden. Die Wohnung sei weiterhin vom Sohn als Hauptwohnsitz genutzt worden, dieser habe auch die laufenden Kosten getragen.

Mit Übergabevertrag vom habe der Bf. die Wohnung wiederum seinem Sohn zu einem Übergabepreis in Höhe der per offenen Kreditforderung der Bank AG mit einem offenen Saldo von EUR 110.461,17 übergeben. Dieser Übergabepreis betrage nach Ansicht des FA mindestens 50% des gemeinen Wertes der übertragenen Wohnung. Es liege kein Sachverhalt vor, der auf eine unentgeltliche Übertragung der Liegenschaft hinweise. Bei der Liegenschaft handle es sich um Neuvermögen, die Einkünfteermittlung sei gemäß § 30 Abs 3 EStG zu berechnen.

Während der laufenden Nachschau brachte der steuerliche Vertreter des Bf. eine schriftliche Stellungnahme vom ein, worin er darauf hinwies, dass der vorliegende Sachverhalt in wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein entgeltliches Rechtsgeschäft darstelle. Der Kredit bei der Bank sei zwar vom Bf. aufgenommen worden, es sei aber vereinbart und tatsächlich so gehandhabt worden, dass der Sohn des Bf. die Kreditraten als auch alle anfallenden Kosten selbst zu tragen hätte. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe daher der Sohn die Kreditverbindlichkeit zu erfüllen gehabt, der Bf. habe lediglich seine Bonität zur Verfügung gestellt. Die vermeintliche Schuldübernahme sei daher tatsächlich keine solche gewesen. Die Verbindlichkeit sei vielmehr von Anfang an dem Sohn zuzurechnen gewesen, ebenso das außerbücherliche Eigentum an der Liegenschaft.

Weiters sei auch deshalb nicht von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen, weil die Gegenleistung nicht 50% des gemeinen Wertes der Wohnung erreicht. Das gegenständliche Objekt sei in Ort gelegen, in gutem Zustand und habe eine Nutzfläche von 76 m2. Entsprechend ähnliche Objekte würden nicht unter EUR 300.000 gehandelt, wie eine kurze Internetrecherche ergeben habe.

A/4. Die Feststellungen des FA bei der Nachschau führten zu einem Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 vom , in dem auf die Begründung im neuen Sachbescheid sowie auf die Niederschrift über die Nachschau verwiesen wurde. In dieser Niederschrift ist unter TZ 3 angeführt, dass die Wiederaufnahme der Einkommensteuer 2012 erforderlich gewesen sei, weil für die steuerpflichtige Grundstücksveräußerung der Liegenschaft X-Str. in Ort bisher weder eine Immobilienertragsteuer abgeführt noch in der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt worden sei und somit im Verfahren erstmalig Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien.

Gleichzeitig wurde ein neuer Einkommensteuerbescheid für 2012 erlassen, in dem die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen mit EUR 7.928 festgesetzt wurde.

Gegen beide Bescheide erhob der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter Beschwerde. Die Wiederaufnahme wurde mit dem Argument bekämpft, dass bei richtiger Würdigung des Sachverhaltes gerade kein anders lautender Bescheid herbeigeführt worden wäre. Die angeblichen Besteuerungsgrundlagen seien der Behörde darüber hinaus aus der durchgeführten Grunderwerbsteuerberechnung bekannt gewesen, somit lägen keine neuen Tatsachen vor.

A/5. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab. Dagegen richtet sich der Antrag auf Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht und auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht forderte das Finanzamt mit Schreiben vom auf darzulegen, welche Tatsachen hinsichtlich der Grundstücksveräußerung dem Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 bekannt waren.

Das Finanzamt antwortete mit Schriftsatz vom , dass es mit Kontrollmitteilung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vom über die Tatsache der Grundstückveräußerung am zu einem Kaufpreis von EUR 110.461 informiert worden sei. Weitere Informationen zu diesem Veräußerungsvorgang habe das Finanzamt nicht erhalten. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am seien wesentliche Sachverhaltselemente nicht bekannt gewesen, nämlich der Anschaffungszeitpunkt, die Höhe der Anschaffungskosten sowie der gemeine Wert des veräußerten Grundstückes. Diese entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente seien erst im Zuge der im Jahr 2014 durchgeführten Nachschau bekanntgeworden.

Das Bundesfinanzgericht übermittelte dem Bf. diesen Schriftsatz des Finanzamtes zur Kenntnisnahme. Die vom Bundesfinanzgericht gesetzte Frist zur Stellungnahme ließ der Bf. ungenutzt verstreichen.

Weiters forderte das BFG den Bf. mit Schreiben vom zur Vorlage diverser Unterlagen wie Kreditvertrag, Zahlungsbelege über die Kreditrückzahlungen, Verfügungen über das Sparguthaben usw. auf. Dieser Aufforderung kam der Bf. vorerst nicht nach.

A/6. In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung wandte der steuerliche Vertreter des Bf. zur Wiederaufnahme des Verfahrens ein, dass neue Tatsachen nicht vorgelegen seien und die im Wiederaufnahmebescheid angeführte Begründung die Wiederaufnahme nicht tragen könne. Weiters zog er das Beschwerdevorbringen, dass der Wert der Wohnung deutlich über dem Doppelten der Schuldübernahme lag, zurück.

Sodann legte der Bf. ein Konvolut Unterlagen vor, nämlich den Kreditvertrag des Bf. mit der Bank vom samt Zahlungsbelegen, Schreiben der Bank (Kontonachricht) vom Februar 2013 über den Saldo des Kredites per , den neuen Kreditvertrag des Sohnes des Bf. vom sowie Schreiben der Bank vom über die Rückzahlung des Kredites aus 2005.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten, dem Vorbringen des Bf. in der mündlichen Verhandlung und den von ihm dem Gericht vorgelegten Unterlagen hervorgeht:

B. Sachverhalt und Beweiswürdigung

B/1. Mit Kaufvertrag vom erwarb der Sohn des Bf. eine Eigentumswohnung in einem parifizierten Wohnhaus mit Garage in Ort nahe der Westbahnstrecke. Der Kaufpreis betrug ATS 1.150.000, also EUR 83.573. Das 1976 errichtete Wohnhaus hat das optische Erscheinungsbild eines Einfamilienhauses und umfasst zwei Wohneinheiten zu je rund 76 m2 Wohnfläche. Zur Wohnung des Sohnes des Bf. gehören der Balkon, zwei Kellerräume und eine Garage, die verbleibenden Grundflächen werden von den Eigentümern gemeinsam genutzt. Die Fläche des gesamten Grundstückes beträgt 333 m2, wobei der Garten und die Terrasse der anderen Wohneinheit zugeordnet sind. Die Wohnung dient dem Sohn des Bf. als Hauptwohnsitz.

Im Jahr 2005 betrieb die Bausparkasse Z*** AG die Zwangsversteigerung der Wohnung. Aus diesem Grund beauftragte das Bezirksgericht einen gerichtlich beeideten Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaft zum . Das Gutachten ermittelte den Verkehrswert des Miteigentumsanteiles mit EUR 85.000. Laut Befund war der optische Bau- und Ausstattungszustand der zu versteigernden Einheit durchschnittlich bis unterdurchschnittlich und eher einfach. Die Liegenschaft verfügte über eine Kanalanschlussmöglichkeit, ein Anschluss war jedoch nicht hergestellt.

Der Bf. erwarb den Liegenschaftsanteil um das Meistbot von EUR 75.000 (Beschluss des BG vom ). Das Eigentumsrecht des Bf. wurde im Grundbuch eingetragen. Die Anschaffungsnebenkosten wurden im Zuge der Nachschau mit EUR 3.500 ermittelt, weil der Bf. diesbezügliche Unterlagen nicht vorlegte.

B/2. Da der Bf. nach eigenen Angaben nicht über die nötigen Barmittel für die Ersteigerung der Wohnung verfügte, nahm er im Dezember 2005 einen Fremdwährungskredit bei der Bank über den Gegenwert von EUR 95.000 auf. Der Kreditvertrag (Kontonummer xxxxx) nennt als Tilgungsträger eine Er- und Ablebensversicherung bei der Z*** Versicherungs-AG. Zur Sicherstellung dieses Kredites wurde auf der ersteigerten Liegenschaft ein Pfandrecht bis zum Höchstbetrag von EUR 130.625 eingetragen. Der Kredit wurde im Jahr 2010 in Euro konvertiert und ab diesem Zeitpunkt unter der Kontonummer yyyyy weitergeführt.

Der Bf. vereinbarte mit seinem Sohn, dass dieser die Kreditrückzahlungen zu leisten hätte. Im Gegenzug verpflichtete sich der Bf., die Liegenschaft gegen Übernahme der zu dem jeweiligen Zeitpunkt aushaftenden Kreditverbindlichkeiten wieder an seinen Sohn zu übertragen. Über diese Vereinbarung gibt es keine schriftliche Dokumentation.

Der Sohn des Bf. nutzte die Wohnung weiterhin als seinen Hauptwohnsitz, laut Vorbringen des Bf. hatte der Sohn für sämtliche laufenden Kosten der Wohnung selbst aufzukommen, aber keine Miete zu bezahlen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ist ersichtlich, dass die Zinszahlungen sowie die Zahlungen für die Lebensversicherung vom Konto des Sohnes abgebucht wurden.

B/3. Mit Notariatsvertrag vom übergab der Bf. die Eigentumswohnung samt allem rechtlichen Zubehör an seinen Sohn, und dieser übernahm das Übergabsobjekt zu folgenden Bedingungen:
"Der Übernehmer übernimmt als Gegenleistung die …grundbücherlich sichergestellte Forderung der Bank zu Kontonummer…lautend auf ***Bf1*** in seine alleinige Rückzahlungs- und Verzinsungsverpflichtung und tritt in alle mit dieser Kreditgewährung zusammenhängenden Verpflichtungen ein, und verpflichtet sich, den Übergeber hinsichtlich dieser übernommenen Forderung vollkommen klag- und schadlos zu halten. Der Übernehmer erklärt ferner in Kenntnis des zwischen der Bank AG und dem Übergeber bestehenden Kreditvertrages zu sein und verpflichtet sich ausdrücklich, in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag einzutreten."

Die aushaftende Kreditforderung der Bank betrug im Übergabezeitpunkt EUR 110.461.

B/4. Dieser Sachverhalt wurde im Zuge der im September 2014 begonnenen Nachschau durch das Finanzamt festgestellt. Erst hier wurden die entsprechenden Verträge und Unterlagen vorgelegt, die das dargestellte Sachverhaltsbild schildern. Im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 verfügte das Finanzamt lediglich über die Information, dass der Bf. mit Übergabsvertrag vom an Sohn als Erwerber eine Liegenschaft um EUR 110.461 veräußerte.

Der Bf. behauptete in seiner Beschwerde zwar, dem Finanzamt wäre der Sachverhalt aus der durchgeführten Grunderwerbsteuerberechnung bekannt gewesen, weshalb nicht von neuen Tatsachen oder Beweisen gesprochen werden könne. Die entsprechende Stellungnahme des Finanzamtes betreffend dessen Kenntnisstand im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ließ der Bf. unbeantwortet.

B/5. Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung trat der Bf. dieser Stellungnahme nicht entgegen. Er legte jedoch Unterlagen vor, die dem Finanzamt im Zuge der Nachschau nicht zur Kenntnis gelangten, nämlich zwei Schreiben der Bank vom Februar 2013. Im ersten Schreiben (Kontonachricht) wird der zum Kredit des Bf. aushaftende Saldo zum mit EUR 89.865,36 angeführt. Mit dem zweiten Schreiben an den Bf. vom teilte die Bank diesem mit, dass der Kredit zur Kontonummer yyyyy nunmehr zur Gänze zurückbezahlt wurde und dass die Haftung des Bf. bzw. die Haftung allfällig bestellter Sicherheiten, sofern diese nicht anderen Kreditkonten gewidmet sind, hiermit beendet sei. Aus dem Kreditvertrag des Sohnes des Bf. vom ist ableitbar, dass mittels dieses Kredites der zum aushaftende Saldo zum Kredit des Bf. abgedeckt wurde, sodass die Bank in der Folge den Bf. mit Schreiben vom aus seiner Schuld entließ.

C. Rechtliche Würdigung des Sachverhalts

C/1. Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (etwa ; , 95/14/0094); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (Ritz, BAO6, § 303 RZ 21 und die dort angeführte Judikatur).

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (; , 2006/15/0006; , 2009/15/0135; , 2011/15/0157).

Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmegründe (zB ; , 96/15/0221).

Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach herrschender Ansicht aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (; , 2006/13/0019; , 2007/15/0045; , 2007/13/0157; , 2009/15/0016; , 2011/15/0106).

Allfälliges Verschulden der Behörde an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen schließt die amtswegige Wiederaufnahme nicht aus (; , 2001/14/0007; , 2002/13/0029; , 2006/13/0114; , 2008/13/0090). Ein solches behördliches Verschulden ist aber unter Umständen bei der Ermessensübung zu berücksichtigen (zB ).

Wiederaufnahmegründe sind nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente (vgl ; , 96/14/0176). Dies sind solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen, somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind (Ritz, aaO, RZ 43; vgl Stoll, BAO, 2917). Die Wiederaufnahme setzt dabei voraus, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

C/2. Im gegenständlichen Fall wurde das für die Abgabenerhebung zuständige Finanzamt durch eine Mitteilung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern über die Veräußerung in Kenntnis gesetzt. Der Kenntnisstand des Finanzamtes im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides war jedoch so rudimentär, dass alleine aufgrund der vorliegenden Informationen die im wiederaufgenommenen Verfahren getroffene Entscheidung nicht möglich gewesen wäre.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Veräußerung ein entgeltliches Rechtsgeschäft war, ist die Ermittlung des gemeinen Wertes der Liegenschaft erforderlich. Weiters sind der Anschaffungszeitpunkt und die Anschaffungskosten der Liegenschaft zu ermitteln, um die Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung in der richtigen Höhe festzustellen. Es steht außer Streit, dass das Finanzamt über diese Informationen nicht verfügte, sondern erst im Zuge der Nachschau vom entsprechenden Sachverhalt samt Verträgen und sonstigen Unterlagen Kenntnis erlangte.

Das Bundesfinanzgericht ist daher zur Überzeugung gelangt, dass im Verfahren vor der Abgabenbehörde jedenfalls neue Tatsachen hervorgekommen sind. Zu prüfen ist nunmehr, ob diese Tatsachen geeignet sind, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen.

C/3. Die Frage, ob eine neu hervorgekommene Tatsache zu einem anderen Bescheid hätte führen können, ist nach jener Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die bei der Erlassung des Bescheides bestand, mit dem das Verfahren, dessen Wiederaufnahme angestrebt wird, abgeschlossen wurde. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 303 Abs. 1 letzter Satz BAO, der davon spricht, dass die Kenntnis der neuen Tatsachen oder Beweismittel einen im Spruch anders lautenden Bescheid "herbeigeführt hätten" und nicht "herbeiführen würden", sowie der Überlegung, dass es bei der Wiederaufnahme um eine Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft geht ( zum AVG).

Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich von der Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 31 unter Hinweis auf ; , 2003/17/0134; , 2006/13/0149). Daher sind Veränderungen des Sachverhaltes regelmäßig zu berücksichtigen (). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu Grunde zu legen ist (vgl mit weiteren Nachweisen). Dies wäre etwa bei Sicherstellungsaufträgen (§ 232 BAO) und bei der Festsetzung von Zwangsstrafen (§ 111 BAO) der Fall ( mwN).

C/4. Gemäß § 30 Abs 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte).
Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen (§ 30 Abs 3 EStG 1988).

Voraussetzung für die Anwendung des § 30 ist die Übertragung eines Grundstückes im Rahmen eines Veräußerungsgeschäftes. Eine Veräußerung ist jedes entgeltliche Rechtsgeschäft, im Regelfall der Kauf bzw. Verkauf eines Grundstückes (Bodis/Hammerl in Doralt et al, EStG17, § 30 Tz 58, 66).

Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstückes ist keine Veräußerung, darunter fallen etwa Schenkungen. Eine gemischte Schenkung stellt ein einheitliches Rechtsgeschäft dar und ist keine Veräußerung, solange der Schenkungscharakter des Geschäfts überwiegt. Ein unentgeltlicher Erwerb ist zur Gänze dann anzunehmen, wenn der Kaufpreis weniger als die Hälfte des gemeinen Wertes beträgt.

Werden bei einer Grundstücksschenkung auch Verbindlichkeiten durch den Geschenknehmer übernommen, stellt die Schuldübernahme eine Gegenleistung dar. Eine entgeltliche Grundstücksübertragung liegt dann vor, wenn die übernommenen Verbindlichkeiten mehr als die Hälfte des gemeinen Wertes des Grundstückes betragen (siehe Bodis/Hammerl, aaO, § 30 Tz 75).

Bei der Schuldübernahme liegt der Zufluss des vom Erwerber durch Schuldübernahme entrichteten Veräußerungspreises mit Wirksamkeit der Schuldübernahme vor.

Im Falle einer befreienden Schuldübernahme ist der Zeitpunkt der Zustimmung zur Schuldübernahme durch den Gläubiger maßgebend (siehe Jakom, EStG 2013, § 30 RZ 49).

C/5. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde das Schreiben der Bank an den Bf. vorgelegt, mit dem die Bank dem Bf. mitteilte, dass sein Kredit nunmehr zurückbezahlt und somit seine Haftung beendet ist. Dieses Schreiben datiert vom .

Im Übergabevertrag zwischen dem Bf. und seinem Sohn vom wurde die Übergabe der Wohnung an den Sohn und als Gegenleistung dessen Schuldübernahme des Kredites zu Kontonummer yyyyy vereinbart. Dieser Vertrag bewirkt jedoch noch nicht den Zufluss des durch Schuldübernahme entrichteten Veräußerungspreises. Dieser Zufluss liegt erst in dem Zeitpunkt vor, in dem der Gläubiger (hier: Bank) der Schuldübernahme zustimmt (vgl. dazu ).

Aus der Kontonachricht der Bank an den Bf. vom Februar 2013 ist ersichtlich, dass zum die Schuld des Bf. noch mit EUR 89.865,36 aushaftete. Die Zustimmung der Bank zur Schuldübernahme durch den Sohn des Bf. ist somit erst im Jahr 2013 erfolgt und wurde durch das Schreiben der Bank vom dokumentiert. Damit kam es aber erst im Jahr 2013 zum Zufluss des Veräußerungspreises an den Bf.

Somit können die neu hervorgekommenen Tatsachen, die vom Finanzamt als Wiederaufnahmsgründe herangezogen wurden, nicht zu einem geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012 führen.

Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2012 wurde damit rückwirkend unzulässig, und der Wiederaufnahmsbescheid war ersatzlos aufzuheben.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

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