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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2020, RV/7101214/2019

erhöhte Familienbeihilfe; Hörschädigung, Änderung der Einstufung ab Vollendung des 14. Lebensjahres laut Einschätzungsverordnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Viktoria Blaser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf erhöhte Familienbeihilfe ab September 2018 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen den Bescheid, soweit dieser über den Zeitraum September 2018 abspricht, wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Insofern sich die Beschwerde gegen den Zeitraum ab Oktober 2018 richtet, wird sie gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihre Tochter S., geb. am xx2004, bis September 2018 erhöhte Familienbeihilfe. Der Gesamtgrad der Behinderung war mit 60% festgestellt worden.
Im Zuge der Anspruchsüberprüfung wurde vom Sozialministerium im Juli 2018 mittels Begutachtung bei S. der Gesamtgrad der Behinderung mit 30% ab festgestellt.

Die Bf. brachte am einen "Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe" ein, in dem sie ausführte, dass sie gegen die Ablehnung der erhöhten Familienbeihilfe Berufung erhebe. Neue Befunde würden direkt an das Bundessozialamt gesendet.

Das Finanzamt wies den Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe für das Kind S., geb. xx2004 ab September 2018 mit Bescheid vom ab und zitierte die Bestimmungen des § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), wonach "ein Kind als erheblich behindert gilt, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen."

Informativ teilte das Finanzamt weiters mit, dass eine Beschwerde nur gegen einen Bescheid möglich sei. Die oa. Beschwerde ("Berufung") vom werde als vorzeitige Beschwerde gegen diesen Abweisungsbescheid anerkannt.
Das Sozialministeriumservice werde nun nochmals mit der Beurteilung befasst. Die Bf. werde dann eine Entscheidung über ihre Beschwerde erhalten.

Der Bf. wurde vom Finanzamt im Zuge des Antrages auf Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung das folgende Sachverständigengutachten vom übermittelt.

Am wurde von Dr.in Ljiljana Kos, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde das Gutachten vom erstellt:

"Zusammenfassung der Sachverständigengutachten
Dr. Alexander Nahler vom und
Ljiljana Kos, Kinder- und Jugendheilkunde, vom
Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.

Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
1
Hörstörung beidseits, Cochleaimplantat links
nach Vollendung des 14.Lebensjahres Anwendung der Tabelle für Erwachsene Z2/K6 fixer Rahmensatz
30%
2
Kombinierte umschriebene Störung der motorischen Funktionen
Wahl der Position mit eine Stufe oberhalb unterem Rahmensatz da noch leichte Gleichgewicht und Koordinationsproblematik besteht
20%

Gesamtgrad der Behinderung: 30%

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht da keine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

GdB 30 % bleibt gleich wie lt. Gutachten 10/2018 da neue Diagnose bzw. Leiden 2 zu geringe klinische Relevanz hat um Leiden 1 erhöhen zu können.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja
GdB liegt vor seit: 10/2018
GdB 60 liegt vor seit: 08/2013
GdB 50 liegt vor seit: 07/2004
….
Dauerzustand liegt vor."

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom insofern teilweise statt als die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag für den Monat September 2018 gewährt wurden. Ab Oktober 2018 wurde der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe auf Grund der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen abgewiesen.

Zur Begründung wurden die Bestimmungen des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 zitiert, wonach bei einem Kind ein Anspruch auf einen Familienbeihilfen-Erhöhungsbetrag wegen Behinderung nur dann gegeben ist, wenn ein Behinderungsgrad von mindestens 50 % besteht. Der Grad der Behinderung sei durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens festzustellen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung seien § 14 Absatz 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom anzuwenden.

Das genannte Bundesamt habe in der im Beschwerdeverfahren erstellten Bescheinigung bei S. den erforderlichen Behinderungsgrad für den Bezug des Erhöhungsbetrages bis einschließlich September 2018 festgestellt. Ab Oktober 2018 sei erneut ein Behinderungsgrad von 30% festgestellt worden. Es bestehe daher bis September 2018 Anspruch auf den Erhöhungsbetrag.

Die Bf. stellte am einen Vorlageantrag und ersuchte um Information bzw. Unterlagen betreffend der Beschwerdevorentscheidung vom , da ihr diesbezüglich keinerlei Unterlagen vorliegen würden (auch keine vom Bundessozialministeriumservice).

Das Bundesfinanzgericht forderte das Finanzamt auf, die der Entscheidung zugrunde liegenden Unterlagen ho. vorzulegen.

Auf Grund eines Ersuchens um Ergänzung des Finanzamtes brachte die Bf. eine Kopie der Gesamtbeurteilung nach der Einschätzungsverordnung vom mit der Zusammenfassung der Sachverständigengutachten Dr. Alexander Nahler vom und Ljiljana Kos vom , ein Audiogramm vom Dr. Schmid, die Neuropädiatrische Stellungnahme vom , Patientenbriefe der Klinik Favoriten von , und , deren jeweilige Diagnose "Hyperhidrosis palmaris et Plantaris bds" war und als frühere Krankheiten Innenschwerhörigkeiten li. anführten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Tochter der Bf., geboren im Juli 2004, leidet an einer Hörstörung beidseits und trägt ein Cochleaimplantat links. Es liegt eine kombinierte umschriebene Störung der motorischen Funktionen vor.

Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom Juli 2018 wurde bei S. der Gesamtgrad der Behinderung mit 30 % ab festgestellt.

Im Gutachten vom wurde der Gesamtgrad der Behinderung ebenfalls mit 30 % ab Oktober 2018 festgestellt.
Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht bescheinigt.

Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen werden vom Bundesfinanzgericht aus den nachstehend angeführten Gründen als schlüssig angesehen.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den zwei Gutachten des Sozialministeriumservice, aus dem Arztbrief vom , der Neuropädiatrischen Stellungnahme (erhöhte Familienbeihilfe) des Ambulatoriums Wr. Neustadt der VKKJ, und Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Mailverkehr mit der Schule BIG Maygasse 25 vom .

Für Hörstörungen sind in der Einschätzungsverordnung BGBl. II - ausgegeben am - Nr. 261, folgende Behinderungsgrade vorgesehen:

Die Hörstörung wurde von der Sachverständigen unter die Richtsatzposition . gereiht und angemerkt, dass nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Tabelle für Erwachsene Z2/K6 anzuwenden sei (siehe untenstehende Tabelle):

Für Entwicklungsstörungen leichten Grades sieht die Einschätzungsverordnung einen Grad der Behinderung zwischen 10 bis 40% vor (siehe Tabelle)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Entwicklungsstörung leichten Grades
10-40%
10-20%:
Ohne wesentliche Beeinträchtigung, (Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule) Kein zusätzlicher Unterstützungsbedarf beim Lernen
30-40%
Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten, in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen

Die bei S. noch bestehende kombinierte umschriebene Störung der motorischen Funktionen (leichte Gleichgewichts- und Koordinationsproblematik) wurde von der Sachverständigen unter die Richtsatzposition gereiht und der Grad der Behinderung in dem dafür vorgesehenen Rahmen (10 bis 40 %) mit 20 % festgesetzt. Unter Berücksichtigung beider Erkrankungen ergab sich dadurch ein Behinderungsgrad von insgesamt 30 %.

Der Sachverständigen standen folgende Unterlagen zur Verfügung:

Arztbrief von Univ.Prof. Dr. Sasan Hamzavi vom :

Dem Arztbrief ist Folgendes zu entnehmen:
"Nachfolgend berichte ich über Patienten S., der am bei mir in Behandlung war.
S.xx2004 wurde im Jänner 2012 im linken Ohr Cochlea implantiert. Die Diagnose und Grund der Ertaubung ist large vestibular aquaduct Syndrom. Es besteht deswegen rechtseitig auch eine mittelgradige sensonneurale Hörstörung. Die Hörschwelle liegt bei 35 dB. Links ist 100 % gehörlos.
Es wird somit erbeten, den Grad der Behinderung neu einzustufen, da
S. an einem Ohr 100% und am anderen minus 35 dB Hörleistung hat."

Neuropädiatrische Stellungnahme (erhöhte Familienbeihilfe) des Ambulatoriums Wr. Neustadt der VKKJ, Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, vom :
"S. wird seit November 2004 in unserem Ambulatorium betreut. Bei ihr besteht eine psychomotorische Beeinträchtigung aufgrund einer minimalen Cerebralparese (MCP) und einer schweren Hörstörung. Die frühkindliche Entwicklung bei S. verlief etwas verzögert. Das betraf vor allem die Motorik und die Sprache. Die Ursache für die motorischen Schwierigkeiten ist in einer minimalen Cerebralparese (MCP) zu sehen. Der Muskeltonus und die feinabgestimmte Koordination der Bewegungen ist nicht so rund und flott möglich wie bei Gleichaltrigen. Außerdem besteht durch die MCP auch eine Störung des vegetativen Nervensystems, weswegen es zu einer exzessiven Schweißproduktion an Händen und Füßen kommt. Weiters besteht eine geringgradige Skoliose. Die Sprachentwicklung verlief ebenfalls verzögert, eine logopädische Diagnostik wurde eingeleitet. Im September 2009 bestätigte ein Hörtest eine leichte Innenohrschwerhörigkeit bds., das Tragen von Hörgeräten wurde empfohlen. Im April 2011 musste eine Verschlechterung der Hörfähigkeit links festgestellt werden. Es wurde ein "large vestibular aqueduct Syndrom" diagnostiziert, und im Jänner 2012 wurde ein Cochlea-Implantat (CI) implantiert. Aufgrund des Cochlea-Implantates ist es für S. sehr viel anstrengender aus dem Hintergrundlärm der Klasse die wichtigen Informationen der Lehrkraft heraus zu filtern. Das bedeutet, dass S. sich sehr schwer tut im Unterricht ausreichend mitzulernen. Deswegen besucht sie auch die Wiener Mittelschule in der X-Gasse in Wien, weil das eine Expositur des Bundesgehörloseninstitutes ist. S. bekommt in der Schule durch Mitarbeiter des Bundesgehörloseninstitutes spezielle therapeutische Angebote. Aus der Zusammenschau der Probleme (minimale Cerebralparese, exzessives Schwitzen, Skoliose und hochgradige Hörstörung) halte ich die Kriterien zum Erhalt der erhöhten Familienbeihilfe auch weiterhin für erfüllt."

Aus dem Mailverkehr mit der Schule BIG Maygasse 25 vom ergibt sich, dass S. nach dem WMS-Lehrplan unterrichtet wird. Sie erhält zusätzlich eine halbe CI Therapieeinheit (einzel) und zusätzlich mit den anderen BiG Schülerinnen zwei Therapieeinheiten pro Woche (Verbindliche Übungen). Es wird in allen Stunden im Teamteaching unterrichtet (eine AHS -Lehrerin und eine Hörgeschädigtenlehrerln).

Das Bundesfinanzgericht unterzog im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung die Gutachten einer kritischen Würdigung und kommt zu dem Schluss, dass der Tochter der Bf. die erhöhte Familienbeihilfe ab Oktober 2018 nicht mehr zusteht.

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und werden als schlüssig angesehen.

Die durch die relevanten Befunde attestierten Hörschwierigkeiten, die zu einer Sprachentwicklungsstörung geführt haben, wurden in den Sachverständigengutachten berücksichtigt.

Laut der Anlage zur Einschätzungsverordnung ist bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr (Abschluss der Sprachentwicklung) die Einschätzungstabelle für Kinder heranzuziehen. Damit werden die Sprachentwicklungsstörungen und Beeinträchtigungen der geistigen und sozialen Entwicklung miterfasst. Kriterium ist das besser hörende Ohr.

Die Feststellung betreffend die Hörschädigung bewegt sich in dem in der Einschätzungsverordnung dafür vorgesehenen Rahmen.

Die Sachverständige hatte daher - da S. das 14. Lebensjahr am xx2018 vollendete - zu berücksichtigen, dass die Tabelle für Erwachsene Z2/K6 anzuwenden ist.

Die Bf. hat kein Vorbringen erstattet, wonach sie die Schlüssigkeit der Gutachten in Frage stellte.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilw. Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, vgl. auch die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).

Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer begründeter Weise zu enthalten. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , ).

Das Gutachten bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen und das/die Gutachten nicht unschlüssig sind (vgl. , , , ).

Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. etwa ; ; ; ; ):

Festgehalten wird noch, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen, im Erkenntnis vom , B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (vgl. ) und weiters erkannt hat, dass von Gutachten NUR nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden kann, wenn diese nicht schlüssig sind (vgl. ; , ).

Der Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. ).

Es liegt am Antragsteller, das Vorliegen dieses Umstandes klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (vgl. , vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 32).

Ein derartiger Nachweis ist der Bf. im vorliegenden Fall nicht gelungen.

Zusammenfassend wird noch einmal festgestellt, dass das Bundesfinanzgericht an die Feststellungen von Sachverständigengutachten gebunden ist, wenn diese schlüssig sind.

Da keine Unschlüssigkeit desselben zu erkennen war, konnte dem Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag nur insofern stattgegeben werden als der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Monat September 2018 noch gewährt wird und ab Oktober 2018 auf Grund der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen ab Oktober 2018 nur mehr der Grundbetrag zusteht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die de facto Bindung des Bundesfinanzgerichtes an ärztliche Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice ist in § 8 Abs. 6 FLAG ausdrücklich gesetzlich geregelt.

Wien, am

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