Haftung für Gebrauchsabgaben
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG, Herrengasse 5, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, vom , N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 5 Gebrauchsabgabegesetz
I. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von € 15.023,90 eingeschränkt wird:
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Abgabe | Standort | Betrag |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-2 | 1.020,00 |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-3 | 1.632,00 |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-4 | 2.116,80 |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-5 | 5.390,00 |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-5 | 1.478,70 |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-6 | 3.386,40 |
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. beschlossen:
Der Antrag auf Ersatz der Verfahrenskosten wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom des Magistrates der Stadt Wien MA6 wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO und § 80 Abs. 1 BAO iVm § 9 Abs. 5 GAG (Gebrauchsabgabegesetz) als ehemaliger Geschäftsführer der "G-1" Bau GmbH für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 15.203,60 zur Haftung herangezogen:
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Abgabe | Standort | Betrag | Fälligkeit |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-2 | 1.020,00 | |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-3 | 1.632,00 | |
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-4 | 2.116,80 | |
Säumniszuschlag | 42,33 | ||
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-5 | 5.390,00 | |
Säumniszuschlag | 107,80 | ||
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-5 | 1.478,70 | |
Säumniszuschlag | 29,57 | ||
Gebrauchsabgabe 01/2019 | A-6 | 3.386,40 |
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.
Nach § 9 Abs. 5 GAG hafteten die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könnten, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.
Dass der Bf. bis zur Konkurseröffnung im Firmenbuch als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen eingetragen gewesen sei und somit zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre, stehe fest.
Ebenso stehe fest, dass über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft infolge dessen aufgelöst worden sei. Daraus folge, dass die verfahrensgegenständlichen Abgabenrückstände bei dieser Gesellschaft nicht oder zumindest erschwert einbringlich seien (; ).
Dem sinngemäßen Vorbringen vom , die Behörde solle bzw. müsse mit der Haftungsinanspruchnahme bis zum Abschluss des Konkursverfahrens abwarten, sei entgegenzuhalten, dass die entsprechenden Haftungsbestimmungen eine erweiterte Ausfallshaftung normierten: Die Einbringlichkeit bei der Abgabenschuldnerin müsse lediglich mit Schwierigkeiten verbunden, die Einbringung also im Vergleich zu einer durchschnittlichen Einbringung bloß erschwert sein, wobei die Einbringung nach Konkurseröffnung ausdrücklich als Beispielsfall erschwerter Einbringung angeführt sei. Das Ergebnis eines Konkursverfahrens müsse keineswegs abgewartet werden (vgl. , zur gleichlautenden Bestimmung des § 7 WAO).
Die nach Aufforderung mit Schreiben vom nachgereichten Unterlagen könnten jedenfalls keinen Beweis über eine Gleichbehandlung aller Gläubiger liefern und seien für eine Quotenberechnung nicht dienlich (vgl. , demnach der Vertreter den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen habe).
Nicht die Abgabenbehörde habe das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer hafte für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien. Widrigenfalls hafte der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ().
Der Abgabepflichtige schulde den im Spruch zitierten Betrag. Der gegenständliche Abgabenanspruch resultiere aus dem Gebrauch des öffentlichen Grundes vor den Liegenschaften an den genannten Standorten (die hierzu ergangenen Bescheide der MA 46 würden als Beilage zur Verfügung gestellt).
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass er als Geschäftsführer der GmbH die Steuerberatungskanzlei mit der Betreuung der finanziellen und abgabenrechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft beauftragt habe. Am habe er die Gebietskrankassenbeiträge nicht mehr bezahlen können, weshalb in weiterer Folge insolvenzrechtliche Schritte eingeleitet worden seien, die letztlich zum Konkursantrag vom D-2 und zur Eröffnung des Verfahrens am D-1 geführt hätten.
Die belangte Behörde habe ihn mit Schreiben vom aufgefordert, als verantwortlicher Vertreter zu einer Haftung nach § 9 Abs. 5 GAG Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom sei der Bf. aufgefordert worden, eine Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum bis D-1 vorzulegen.
Der Bf. habe mit Schreiben vom und Stellung genommen und im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass es zu keiner Ungleichbehandlung von Gläubigerinteressen gekommen sei, weil aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ab Jänner 2019 keinerlei Zahlungen an Dritte vorgenommen worden seien. Ein schuldhaftes Verhalten liege daher nicht vor. Außerdem habe er darauf hingewiesen, dass ihm seit Insolvenzeröffnung keine Unterlagen zur Buchführung der Gesellschaft mehr vorlägen und daher eine Liquiditätsaufstellung nicht möglich wäre. Er verweise auf die zuständige Masseverwalterin.
3. Beschwerdegründe
3.1. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
3.1.1. Begründungsmangel
Die Ausführungen der belangten Behörde im Haftungsbescheid, wonach der Bf. als Geschäftsführer der Abgabenschuldnerin für die Einbringlichkeit der Gebrauchsabgabe hafte, weil er zum Zeitpunkt bis zur Konkurseröffnung im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen gewesen sei und die Abgabe wegen Konkurseröffnung der Primärschuldnerin nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, seien unvollständig und unrichtig.
Gemäß § 9 Abs. 5 GAG hafte ein in den §§ 80 ff BAO bezeichneter Vertreter, in diesem Fall der Geschäftsführer, wenn die Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.
Die belangte Behörde habe in ihrer Begründung jedoch lediglich festgestellt, dass der Bf. bis zur Konkurseröffnung der GmbH eingetragener Geschäftsführer gewesen sei und dass über die Gesellschaft mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 das Konkursverfahren eröffnet worden sei.
Die belangte Behörde habe daher weder im Spruch noch in seiner Begründung festgestellt, dass die Einbringlichkeit aufgrund einer Verletzung von dem Bf. auferlegten Pflichten verschuldet worden sei. Die Behörde habe dabei weder die Verletzung einer Pflicht noch ein Verschulden des Bf. festgestellt und dadurch ein wesentliches Tatbestandselement des § 9 Abs. 5 GAG außer Acht gelassen. Der Bescheid sei aus diesem Grund nicht ausreichend begründet und daher rechtswidrig. Der Begründungsmangel sei auch wesentlich, weil nicht auszuschließen sei, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Mangels zu einem anderen Bescheid kommen hätte können. Der Bescheid sei daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3.1.2. Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht
Die belangte Behörde gehe im Wesentlichen von einer Haftung des Bf. aus, weil dieser keine Liquiditätsaufstellung vorlegen habe können.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliege der verantwortliche Vertreter im Abgabenverfahren einer qualifizierten Mitwirkungspflicht, weshalb er grundsätzlich das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen habe.
Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht entbinde die Abgabenbehörde jedoch nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Die Behörde habe bei entsprechenden Behauptungen und diesbezüglichem Beweisanbot die zur Entlastung des Vertreters angebotenen Beweise aufzunehmen und erforderlichenfalls Präzisierungen abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (zB ; ; ).
Ergäben sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel, so sei die Abgabenbehörde nicht von ihrer Ermittlungspflicht entbunden (; ). Ergebnisse derartiger (zB im Rahmen einer Außenprüfung durchgeführter) Ermittlungen seien bei der Entscheidung über die Haftungsinanspruchnahme (auch) von Amts wegen zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde habe trotz deutlicher Hinweise des Bf., dass ihm keinerlei Unterlagen der Gesellschaft vorlägen, keine weiteren Ermittlungsschritte unternommen. Die belangte Behörde habe die Rechtsprechung zur qualifizierten Mitwirkungspflicht zudem in einer rechtswidrigen Weise interpretiert, indem sie dem im Abgabeverfahren innewohnenden Grundsatz der Amtswegigkeit missachtet habe. Selbst wenn man die Rechtsprechung des VwGH zur qualifizierten Mitwirkungspflicht als eine Art Beweislastumkehr betrachte, dürfe dies nicht soweit führen, dass dabei eine gesetzliche Vermutung hinsichtlich des Verschuldens des Bf. angenommen werde. Die belangte Behörde habe daher die in § 115 BAO gesetzlich festgelegte Offizialmaxime missachtet.
Es werde diesbezüglich auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen, in der dieser die Offizialmaxime als verletzt erachtet habe, wenn die Behörde in Verkennung ihrer Ermittlungspflicht unzulässig eine Umkehr der formellen Beweislast angenommen habe (VfSlg. 18.929/2009) oder wenn in unzulässiger Weise aus dem Unterbleiben der Übermittlung von Belegen zum Beweis einer bestimmten Tatsache die Fiktion abgeleitet worden sei, dass diese Tatsache nicht gegeben sei (VfSlg. 19.546/2011).
Die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften sei auch wesentlich, weil nicht auszuschließen sei, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Mangels zu einem anderen Bescheid kommen hätte können. Der Bescheid sei daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3.2. Inhaltliche Rechtswidrigkeit / mangelhafte Beweiswürdigung
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ().
Die Gebrauchsabgabe sei am fällig gewesen. Im Zeitpunkt der Fälligkeit sei die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin bereits eingetreten gewesen und seien seit Mitte Dezember 2018 seitens der GmbH keine Zahlungen an Gläubiger der Gesellschaft mehr geleistet worden. Die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sei mit dem Insolvenzantrag vom D-3, sohin innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, bekanntgegeben und die Eröffnung des Konkurses beantragt worden.
Aufgrund der ständigen Judikatur des VwGH und der Literaturmeinungen dürfe diese Inanspruchnahme zu § 9 Abs. 5 GAG, gleichlautend § 9 BAO, iVm § 80 BAO, daher die Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung nur dann vorgenommen werden, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Vertreters vorliege. Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 9 BAO sei ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatz nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer nur dann und deshalb treffe, wenn und weil er seine gegenüber der Abgabenbehörde bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung der Abgaben aus dem von ihm verwalteten Gesellschaftsvermögen (aus Gesellschaftsmitteln) schuldhaft (zumindest mit leichter Fahrlässigkeit) verletzt habe (vgl. ; ; ).
Der Bf. habe sich rechtskonform und pflichtgemäß verhalten. Er habe nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit keinerlei Zahlungen an Dritte vorgenommen. Gerade die Zahlung einer Verbindlichkeit bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit würde den Bf. einer Haftung gegenüber sämtlichen Gläubigern des schuldnerischen Unternehmens wegen rechtswidriger Gläubigerbegünstigung aussetzen. Auf die Anfechtungstatbestände der §§ 27 ff IO sei an dieser Stelle ebenfalls verwiesen.
Eine Ungleichbehandlung der belangten Behörde habe nicht stattgefunden. Dem Bf. sei an der Nichtzahlung des mit dem bekämpften Bescheid geltend gemachten Differenzbetrages aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kein Verschulden anzulasten.
Die Haftung nach den §§ 9 und 80 BAO sei zudem eine Ausfallshaftung, weshalb die Abgabenbehörde zuerst versuchen müsse, die Rückstände direkt bei der Schuldnerin hereinzubringen. Komme es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, müsse mit der Geltendmachung der Haftung noch zugewartet werden, bis die Befriedigungsaussichten im Sinne einer etwaigen Insolvenzquote feststünden (VwGH 92/08/0173). Die gänzliche Uneinbringlichkeit sei lediglich mit einem Verweis auf die Aktenlage - und daher nicht ausreichend - begründet worden.
Die Behörde hätte im Sinne des § 7 BAO iVm § 20 BAO die Nachrangigkeit der Haftung des Bf. im Verhältnis zur Inanspruchnahme des schuldnerischen Unternehmens als Primärschuldnerin berücksichtigen müssen. Die pauschale Begründung der Behörde, dass nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin eingebracht werden könne, sei keinesfalls ausreichend. Vielmehr seien Ermessensentscheidungen mit den maßgebenden Umständen und Erwägungen insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich sei (vgl. ; ; ).
Der Bf. stelle somit die Anträge, das Bundesfinanzgericht möge
1. eine mündliche Verhandlung durchführen und
2. den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu
3. den angefochtenen Bescheid beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverweisen;
4. jedenfalls dem Bf. die Kosten des gegenständlichen Verfahrens zusprechen.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung des § 80 Abs. 1 BAO ausgeführt:
Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehörten auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hätten.
Wie bereits im Haftungsbescheid ausgeführt, seien aufgrund der bisherigen Aktenlage die Voraussetzungen für die Haftung, nämlich Abgabenforderungen gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung, erfüllt.
Bestritten werde abermals - wie in der Stellungnahme vom - die schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters.
Für den Haftungszeitraum bis ergebe sich die Pflichtverletzung aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der angeführten Abgaben, wonach die Abgabenbeträge bis zu den jeweiligen im Spruch des Haftungsbescheides angeführten Fälligkeitszeitpunkten zu entrichten gewesen wären. Dieser Verpflichtung sei der Bf. als Vertreter der abgabepflichtigen Gesellschaft unbestritten nicht nachgekommen.
Im Zuge des Haftungsverfahrens sei der Haftungspflichtige mit Schreiben vom aufgefordert worden, eine monatlich per Fälligkeitstag der Abgaben gegliederte Liquiditätsaufstellung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorzulegen. Dem Ersuchen der Behörde sei jedoch nur unzureichend nachgekommen worden. Es sei in diesem Zusammenhang lediglich vorgebracht worden, dass aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft keinerlei Zahlungen mehr getätigt worden wären und die Insolvenzunterlagen bei der Masseverwalterin auflägen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. NF 1003/F, ausgesprochen habe, sei es Aufgabe des Geschäftsführers nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.
Aus dem Vorbringen, dass dem Bf. keine Unterlagen zur Verfügung stünden, lasse sich nichts gewinnen, weil einen Geschäftsführer die Verpflichtung treffe, zwecks Beweisführung seiner ordnungsgemäßen Buchführung für die Verfügbarkeit der Buchhaltungsunterlagen Sorge zu tragen. Wer weiß, dass Unterlagen zu Beweiszwecken bedeutsam seien, riskiere bei ihrer Weitergabe ohne Anfertigung von Duplikaten, dass diese Vorgangsweise, vor allem soweit ihn eine erhöhte Mitwirkungspflicht wie bei der vorhersehbaren Haftungsinanspruchnahme treffe, in freier Beweiswürdigung entsprechend berücksichtigt werde ().
Nachdem ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung mangels aussagekräftiger Unterlagen nicht habe erbracht werden können, sei über die Beschwerde spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, verwies auf das bisherige Beschwerdevorbringen, beantragte erneut die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte ergänzend vor:
Die belangte Behörde rechtfertige in der Beschwerdevorentscheidung die offensichtliche Missachtung des Grundsatzes der Amtswegigkeit mit der von ihr zitierten Judikatur des . Dabei sei die angegebene Entscheidung von der Behörde unrichtig wiedergegeben bzw. unrichtig zitiert worden. In dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt habe ein Steuerpflichtiger Unterlagen während eines laufenden Verfahrens vernichtet. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu ausgesprochen, dass sich der Steuerpflichtige nicht auf den Ablauf der Aufbewahrungspflicht berufen dürfe. Dieser Sachverhalt sei mit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Bf. sei nicht Steuersubjekt der Gebrauchsabgabe und somit nicht Steuerpflichtiger. Er habe auch keine Unterlagen vernichtet, sondern könne die von der Behörde geforderten Nachweise nicht erbringen, weil er wegen des laufenden Insolvenzverfahrens keinen Zugriff auf die erforderlichen Unterlagen habe. Er habe zudem die mit der Erstellung der Buchführungsunterlagen beauftragte Steuerberatungskanzlei zur Vorlage der geforderten Unterlagen aufgefordert, jedoch von dieser bis dato keine der geforderten Unterlagen erhalten.
Selbst wenn man der Ansicht der Behörde folgen würde, dass durch die Nichtvorlage der Unterlagen der Sachverhalt der freien Beweiswürdigung unterliege, bedeute dies nicht, dass die Behörde vom Grundsatz der Amtswegigkeit befreit sei. Wenn sich die Behörde zudem auf die freie Beweiswürdigung berufe, hätte sie überhaupt eine Beweiswürdigung vornehmen müssen. Dies sei im gegenständlichen Fall jedoch nicht erfolgt, weshalb - wie in der Beschwerde ausgeführt sei - ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.
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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die Masseverwalterin der Gesellschaft um Bekanntgabe, ob und in welcher Höhe diese im Zeitpunkt der Konkurseröffnung - ohne Abzug von eventuell an das Insolvenzgericht geleisteten Kostenvorschüssen - über Kassa- und Bankguthaben verfügt habe.
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In Beantwortung dieses Ersuchens gab die Masseverwalterin mit Schreiben vom bekannt, dass die Schuldnerin bei Insolvenzeröffnung über ein Bankguthaben von € 5.165,69 bei der Volksbank Wien AG verfügt habe.
Das Konto der Schuldnerin bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien AG habe zwar mit minus € 350.664,56 ausgehaftet, jedoch sei ein nach Insolvenzeröffnung dort eingegangener Zahlungseingang von € 5.000,00 auf das Insolvenzanderkonto weitergeleitet worden.
Kassaguthaben habe bei Insolvenzeröffnung keines bestanden. Ob der schuldnerseitig vor Insolvenzeröffnung beim Schuldnervertreter erlegte Betrag von € 4.000,00 zur Abdeckung der Kosten des Insolvenzverfahrens, der jedenfalls aus Gesellschaftsvermögen gestammt habe, überwiesen oder einem allfälligen vor Insolvenzeröffnung bestehenden Kassaguthaben entnommen worden sei, sei ihr als Insolvenzverwalterin nicht bekannt.
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In der mündlichen Verhandlung vom wurde vorgebracht:
"Bf.: Es wurde mit der nachfolgenden Baufirma, die die Baustelle in A-5, fertiggemacht hatte, vereinbart, dass die offenen Gebrauchsabgaben für die Benützung der öffentlichen Verkehrsflächen vor dieser Baustelle von dieser Nachfolgefirma entrichtet würden.
AB: Dazu werden die Kontoauszüge vorgelegt, aus denen die rückständigen Gebrauchsabgaben mit den im Haftungsbescheid enthaltenen Beträgen hervorgehen.
Bf.: Die nachfolgende Baufirma hat vom Magistrat den Auftrag bekommen, vor Bewilligung der Verlängerung der Benützung der Verkehrsflächen die aushaftenden Gebrauchsabgaben zu entrichten.
AB: Das kann so nicht sein, da es ausgesprochen unüblich wäre, wenn für eine in Insolvenz befindliche Gesellschaft eine Verlängerung der Benützungsbewilligung ausgesprochen werden würde. In diesem Fall ist es sicher so gewesen, dass die neue Gesellschaft um eine eigene Benützungsbewilligung ansuchen hätte müssen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Die in den § 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 9 Abs. 5 Gebrauchsabgabegesetz 1966 (GAG) neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Gebrauchsabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 224 Abs. 3 BAO ist die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Haftungsvoraussetzungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben
Vertreterstellung
Unbestritten ist, dass der Bf. im Zeitraum vom D-4 bis D-1 (Konkurseröffnung) Geschäftsführer der "G-1" Bau GmbH war.
Abgabenforderungen
Die haftungsgegenständlichen Gebrauchsabgaben 01/2019 wurden nach Tarif B Post 8 und Tarif D Post 1 des GAG sowie die davon abgeleiteten Säumniszuschläge gemäß §§ 217 und 217a BAO bescheidmäßig festgesetzt und befinden sich mit den haftungsgegenständlichen Beträgen im Rückstand.
Dem Vorbringen des Bf., dass sich die nachfolgende Baufirma gegenüber dem Magistrat der Stadt Wien verpflichtet hätte, die aushaftenden Gebrauchsabgaben der "G-1" Bau GmbH zu entrichten, kann nicht gefolgt werden, weil diese Vorgangsweise den gesetzlichen Vorgaben widersprochen hätte. Insofern war der Stellungnahme der Abgabenbehörde zu folgen, wonach eine Firma keine Verlängerung einer mit einem anderen Unternehmen abgeschlossenen Benützungsbewilligung von Gemeindegrund erwirken kann, sondern eine eigene Vereinbarung abschließen muss, die aber mit den aushaftenden Abgaben der anderen Gesellschaft nichts zu tun hat.
Erschwerte Einbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 Abs. 5 GAG ist entgegen der Rechtsansicht des Bf. im Unterschied zur Haftung nach § 9 BAO zwar ebenfalls eine Ausfallshaftung, es ist jedoch nicht die Uneinbringlichkeit der Abgaben vorausgesetzt, sondern lediglich die erschwerte Einbringlichkeit. Dies gilt nach der genannten Haftungsbestimmung insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Beschwerdefall steht die erschwerte Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 über das Vermögen der "G-1" Bau GmbH das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom D-5 sogar die Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde, wonach die Insolvenzmasse nicht einmal zur Erfüllung der Masseforderungen ausreicht und Konkursgläubiger somit voraussichtlich leer ausgehen werden.
Da die Gebrauchsabgaben durch die Eröffnung des Konkurses somit nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, war auch die Beendigung des Insolvenzverfahrens und etwaige Schlussverteilung nicht abzuwarten. Das vom Bf. angeführte Erkenntnis des , betrifft einerseits nicht die Haftung nach § 9 Abs. 5 GAG, sondern die im Hinblick auf die Nachrangigkeit der Geschäftsführerhaftung mit der Haftung nach § 9 BAO übereinstimmende Haftung für Sozialversicherungsbeiträge nach § 67 Abs. 10 ASVG und trifft andererseits auch keinerlei Aussagen für das Zuwarten auf eine etwaige Ausschüttung einer Konkursquote.
Sollte es dennoch zur Ausschüttung einer Konkursquote kommen, würde dadurch die Haftungsschuld insoweit verringert, ohne dass es einer Berücksichtigung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren bedarf.
Schuldhafte Pflichtverletzung
Dem Bf. oblag daher die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Die Jahresabgabe ist gemäß § 11 Abs. 3 GAG für jedes begonnene Abgabenjahr zu entrichten; Abgabenjahr ist das Kalenderjahr. Für das begonnene Abgabenjahr, für das die Gebrauchserlaubnis erteilt wurde, wird die Abgabe mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheides bzw. des gesonderten Abgabenbescheides fällig; für jedes spätere Abgabenjahr ist die Abgabe jeweils bis 31. Jänner im Vorhinein zu entrichten.
Festzustellen war, dass die haftungsgegenständlichen Gebrauchsabgaben gemäß § 11 Abs. 3 GAG am , und fällig waren, weshalb der Bf. für deren Entrichtung Sorge zu tragen hatte, da deren Fälligkeiten in den Zeitraum seiner Geschäftsführungstätigkeit fielen.
Gemäß § 217a Z 2 BAO werden Säumniszuschläge für Landes- und Gemeindeabgaben im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Säumniszuschläge, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen (Z 3).
Hingegen war bei den Säumniszuschlägen festzustellen, dass diese gemäß § 217a Z 2 BAO im Zeitpunkt der Wirksamkeit der sie festsetzenden Bescheide vom gemäß § 210 Abs. 1 BAO iVm § 26 Abs. 2 ZustG am fällig waren, daher erst nach Konkurseröffnung und damit Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit, weshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. nicht vorliegen kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Dem Vorbringen, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeiten der Gebrauchsabgaben 01/2019 bereits eingetreten gewesen sei, weshalb seit Mitte Dezember 2018 keine Zahlungen an Gläubiger der Gesellschaft mehr geleistet worden seien, um sich keiner nach den §§ 27 ff IO anfechtbaren Gläubigerbegünstigung auszusetzen, ist entgegenzuhalten, dass für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, nicht bedeutsam ist, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () verletzt der Geschäftsführer die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen auch, wenn er das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet, als er keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung leistet. Da in einer Gleichbehandlung der Abgabenschulden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keine im "status kridae" unzulässige Gläubigerbevorzugung gesehen werden kann, erweist sich auch der Hinweis auf eine allfällige Anfechtung als nicht zielführend ().
Ob bzw. inwieweit von den Vertretern geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung wegen Begünstigung von Gläubigern rechtsunwirksam bzw. anfechtbar gewesen wären, ist - wie dies auch schon die bisherige Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat - im Haftungsverfahren nicht zu prüfen. Die im Haftungsverfahren zu beantwortende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt wurde, bleibt davon unberührt ().
Gemäß § 66 IO setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist (Abs. 1). Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt (Abs. 2). Zahlungsunfähigkeit setzt nicht voraus, dass Gläubiger andrängen. Der Umstand, dass der Schuldner Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat oder noch befriedigen kann, begründet für sich allein nicht die Annahme, dass er zahlungsfähig ist (Abs. 3).
Da Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO bereits vorliegt, wenn der Schuldner lediglich mehr als 5% aller fälligen Schulden nicht begleichen kann (vgl. , 2 Ob 117/12p), lässt sich daraus nicht ableiten, dass bei Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit keine Mittel mehr vorhanden wären.
Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Masseforderungen zu erfüllen, so hat dies der Insolvenzverwalter gemäß § 124a Abs. 1 IO unverzüglich dem Insolvenzgericht anzuzeigen und mit der Befriedigung der Massegläubiger innezuhalten. Er darf jedoch solche Rechtshandlungen vornehmen, die zur Verwaltung und zur Verwertung geboten sind. Daraus herrührende Masseforderungen sind unverzüglich zu befriedigen.
Auch aus dem Umstand der vom Masseverwalter angezeigten Masseunzulänglichkeit (Beschluss vom D-5) lässt sich für den Bf. nichts gewinnen, weil dadurch lediglich unzureichende, somit in gewissem Umfang vorhandene Mittel festgestellt wurden.
Darüber hinaus waren zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (D-1), daher in einem zeitlichen Naheverhältnis zu den Fälligkeitstagen , und der haftungsgegenständlichen Gebrauchsabgaben, laut Aussage der Masseverwalterin liquide Mittel von € 9.165,69 vorhanden.
Da außerdem vom Bf. einbekannt wurde, dass noch Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgt sind, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine völlige Vermögenslosigkeit der GmbH zu den Fälligkeitszeitpunkten.
Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. jedoch trotz Aufforderung der Abgabenbehörde vom nicht aufgestellt.
Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (; ).
Dem Vorbringen des Bf., dass die Behörde trotz deutlicher Hinweise auf das Fehlen von Unterlagen keine weiteren Ermittlungsschritte unternommen habe, ist entgegenzuhalten, dass es einem Vertreter auch obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen ().
Dies gilt nicht nur im Falle der Vernichtung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist, sondern auch im Falle der Weitergabe an den Masseverwalter im Zuge der Konkurseröffnung (vgl. ; ; ).
Im gegenständlichen Fall wurden die Bescheide über die Festsetzung von Gebrauchsabgabe vom , , , und am , , sowie der Gesellschaft zugestellt und die Abgaben am , und fällig, daher noch vor der Konkurseröffnung vom D-1, weshalb dem Bf. die aushaftenden Beträge bekannt waren und er mit einer Haftungsinanspruchnahme rechnen musste.
Eine Ermittlungspflicht der Behörde bestand entgegen der Rechtsansicht des Bf. nicht, da mangels Erfüllung seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, da nicht einmal versucht wurde, einen Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen, keine Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern waren.
Der Hinweis auf die Vornahme von Außenprüfungen erweist sich ebenfalls nicht als zielführend, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) die Behörde nicht zur Aufnahme von bloßen Erkundungsbeweisen, wonach ein Beweismittel nicht den Nachweis der Wahrheit von konkreten Tatsachenbehauptungen erbringt, sondern der beweisführenden Partei überhaupt erst die Möglichkeit bieten soll, die Tatsache kennenzulernen und bestimmte Tatsachenbehauptungen aufzustellen (Fasching, Lehrbuch2, Tz 898), verpflichtet. Ein allgemeines Vorbringen, das aus Mutmaßungen besteht, läuft auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet ist ().
Kausalität
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.
Conclusio
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 GAG erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die im Spruch genannten Abgabenschuldigkeiten der "G-1" Bau GmbH im Ausmaß von nunmehr € 15.023,90 zu Recht.
Zu Spruchpunkt II. (Verfahrenskosten)
Die Parteien haben die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenden Kosten gemäß § 313 BAO selbst zu bestreiten.
Da in Abgabenangelegenheiten die Parteien gemäß § 313 BAO ihre Kosten selbst zu bestreiten haben, war der Antrag auf Ersatz der Verfahrenskosten als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 313 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400034.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at