Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 30.09.2020, RV/1100476/2018

Prüfung der Steuerpflicht einer von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogenen Invalidenrente

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri*** sowie die weiteren Senatsmitglieder Mag. Peter Bilger, Bernd Feldkircher und Mag. Wolfgang Bahl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Dr. Bertram Schneider, Nibelungenstraße 19, 6845 Hohenems, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 in der Sitzung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der im Streitjahr nichtselbständig tätige Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) bezog neben einer inländischen Pension auch eine Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA-Rente).

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom behandelte das Finanzamt die Schweizer Invalidenrente als steuerpflichtigen Bezug. Begründend wurde auf das Erkenntnis des , verwiesen, wonach eine solche Rente deshalb in Österreich voll steuerpflichtig sei, weil sie sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht mit einer Versehrtenrente gemäß § 203 ASVG vergleichbar sei.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt erhaltene Invalidenrente als steuerfrei zu behandeln. Begründend verwies der steuerliche Vertreter des Bf. auf den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, wonach "…Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, oder aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen" von der Einkommensteuer befreit sind.

Das BFG verneine im Erkenntnis vom , RV/1100448/2012, im Hinblick auf Grund und Höhe nach gleichartige Beträge schweizerischer Unfallleistungen. Unbestritten sei, dass derartige Leistungen nur dann vorliegen würden, wenn der Anspruch daraus durch Pflichtbeiträge (siehe Rz 243ff und EStR 2000 Rz 1234ff) begründet werde. Bei der schweizerischen Unfallversicherung leiste der Dienstgeber obligatorische Unfallversicherungsbeiträge für den Dienstnehmer. Daher erfülle in dieser Hinsicht die Invalidenrente eine Voraussetzung.

Zu klären sei jedoch die Frage der Vergleichbarkeit. Hier sei Folgendes festzuhalten: Dem Grunde nach handle es sich bei der österreichischen Versehrtenrente und der schweizerischen Invalidenrente um gleichartige Beträge, wenn als Maßstab für die Bewertung der "Gleichartigkeit" die Verkehrsanschauung herangezogen werde. In Österreich habe der Versicherte Anspruch auf Versehrtenrente, solange die Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit gemindert sei. Diese Versehrtenrente werde von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) administriert. In der Schweiz habe der Versicherte Anspruch auf eine Leistung aus der Unfallversicherung, wenn er infolge unter anderem eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit voraussichtlich dauernd oder während längerer Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit messbar beeinträchtigt sei. Bei der Schweizerischen Unfallversicherung müsse gemäß Art 7 und Art 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) die Gesundheitsschädigung für den Leistungsanfall Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit haben. Wie in Österreich werde die Leistungspflicht aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht an die Folgen der Arbeitsunfähigkeit oder der Invalidität geknüpft - hierfür seien in beiden Ländern die Pensionsversicherungen zuständig - sondern an deren Ursache. Die versicherten Folgen müssten also zu den nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) versicherten Risiken in einem ursächlichen (kausalen) Zusammenhang stehen. In beiden Ländern sei daher die Wirkung auf die Erwerbstätigkeit maßgeblich.

Aus der Beschreibung dieser Grundvoraussetzungen für den Leistungsabruf aus der Schweiz und Österreich werde ersichtlich, dass eine Vergleichbarkeit gegeben sei. Als weitere Vergleichsmaßstab sei die Absicht der Gesetzgeber beider Staaten zu werten, mit der Institution der Unfallversicherung den Ausgleich von Erschwernissen und künftigen Berufsunsicherheiten (teilweise) zu beseitigen. Auch weise die Pfändungsbeschränkung beider Länder bei den oben erwähnten Renten auf die Gleichartigkeit hin. Alleine aus dieser klaren Darlegung sei ersichtlich, dass die SUVA-Rente des Bf. mit einer AUVA-Rente vergleichbar sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 seien Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspreche, steuerfrei. Laut dem Erkenntnis des , seien jedoch die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ausgerichteten Unfallrenten nicht dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entsprechen würden. Allein aus dem Grund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der einzelnen Geldleistungen seien die Leistungen der AUVA und der SUVA nicht vergleichbar. Die österreichische Versehrtenrente knüpfe nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an die Ermittlung der Minderung der Erwerbsunfähigkeit an, während in der Schweiz eine Invalidität erst dann anerkannt werde, wenn sich die gesundheitlichen Probleme auf die Erwerbsmöglichkeiten oder die Arbeitsfähigkeit im angestammten Aufgabenbereich auswirken würden. Während es sich bei der österreichischen Versehrtenrente um eine Ausgleichszahlung (Schadenersatzleistung) für die Kosten handle, die versehrte Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall erleiden würden, wolle die schweizerische Unfallversorgung den Erwerbsausfall von verunfallten Arbeitnehmern abdecken. Durch die schweizerische Invalidenrente werde nicht primär ein individueller Schaden ersetzt, sondern der ausgefallene Verdienst. Solche Renten würden Ersatzeinkommen darstellen. Damit seien aber Invalidenrenten seitens der SUVA mit einer inländischen Versehrtenrente nicht vergleichbar und somit in Österreich als steuerpflichtiger Bezug zu behandeln. Abgesehen von obigen Unterschieden sei auch die Höhe einer SUVA-Rente dem Grunde nach mit der österreichischen AUVA Rente nicht vergleichbar.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde kein ergänzendes Vorbringen erstattet, allerdings wurde nunmehr beantragt, dass über die Beschwerde von einem Senat entschieden werden solle.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Bf. bezog im streitgegenständlichen Jahr neben Einkünften aus einer nichtselbständigen Tätigkeit und einer geringfügigen inländischen Pension eine Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (in der Folge kurz: SUVA; Hauptträger der Schweizer obligatorischen Unfallversicherung; öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit) in Höhe von 19.616,40 CHF.

Der Bf. war obligatorisch in der Schweizer Unfallversicherung versichert. Im Jahr 1985 erlitt der Bf. einen Berufsunfall, aufgrund dessen ihm von der SUVA eine Invalidenrente zugesprochen wurde.

Für das Jahr 2017 wurde dem Bf. vom Bundessozialamt eine 50%ige Behinderung bescheinigt.

Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die seitens des Finanzamtes übermittelten Aktenteile.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Strittig ist, ob die vom Bf. bezogene Invalidenrente der SUVA gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit ist. Zusammengefasst vertritt der Bf. die Auffassung, dass die Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt mit der Versehrtenrente aus der österreichischen Unfallversicherung vergleichbar und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 als steuerfrei zu behandeln sei.

  • Innerstaatliches Recht

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. d EStG 1988 stellen Bezüge aus einer ausländischen gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung, die einer inländischen Kranken- oder Unfallversorgung entspricht, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dar.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 sind von der Einkommensteuer unter anderem Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, befreit.

  • Schweizer Recht

Gemäß Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (im Folgenden abgekürzt: ATSG) ist Erwerbsunfähigkeit der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit ausschließlich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 ATSG ist Invalidität die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Gemäß Abs. 2 leg. cit. gelten nicht erwerbstätige Minderjährige als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird. Gemäß Abs. 3 leg. cit. gelten Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäß anwendbar.

Das BFG hat im Erkenntnis vom , RV/1100448/2012, zur gegenständlichen Streitfrage Folgendes ausgeführt:

"§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 stellt darauf ab, dass die Geldleistungen aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung dem Grunde und der Höhe nach den Geldleistungen aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung gleichartig sind. Zur Prüfung der Gleichartigkeit ist die aus dem Ausland bezogene Geldleistung jener gegenüber zu stellen, die beim konkret gegebenen Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre (vgl. ).

Inländische Versehrtenrente:

Die österreichische Unfallversicherung sorgt bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen neben der Unfallversorgung und Heilbehandlung auch für die Gewährung finanzieller Leistungen, wie die vom Bf. angesprochene Versehrtenrente. Gemäß § 203 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

Gemäß § 205 Abs. 1 ASVG wird die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen (die Höhe des Prozentsatzes wird in einem ärztlichen Gutachten festgestellt; die Unfallbegutachtung ist eine Funktionsbegutachtung, somit eine Begutachtung des Ausfalles von Körper- und Gliedmaßenfunktionen; die Aufgabe des Gutachters ist es, Funktionsstörungen und Funktionsausfälle in MdE-Grade umzusetzen; vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?contentid=10007.671771&action=2; abgefragt am ).

Gemäß § 205 Abs. 2 Z 1 ASVG beträgt die Versehrtenrente, solange der Versehrte infolge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, 66 2/3 % der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Als Bemessungsgrundlage gilt in der Regel die Summe der Arbeitsverdienste im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalles bis zur Höchstbeitragsgrundlage (vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?&contentid=10008.544710&action=b&cacheability=PAGE; abgefragt am ).

Beispiel Rentenberechnung:

Minderung der Erwerbsfähigkeit: 25 %

Bemessungsgrundlage: 21.000,00 €; Vollrente: 2/3 der Bemessungsgrundlage: 14.000,00 € Teilrente: 25 % der Vollrente: 3.500,00 €: 14 = 250,00 € (vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?contentid=10007.671206&action=2; abgefragt am ).

Gemäß § 209 Abs. 1 ASVG hat der Träger der Unfallversicherung die Versehrtenrente als vorläufige Rente zu gewähren, wenn die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf des zweijährigen Zeitraumes ist die Versehrtenrente als Dauerrente festzustellen.

Die Versehrtenrente nach dem ASVG soll dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Vor allem in der Bildung der Bemessungsgrundlage kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz den eintretenden Verdienstentfall zwar anvisiert; die hier vorgenommene abstrakte Schadensberechnung bedeutet in Fällen leichterer Körperschäden allerdings meist nur den Ausgleich von Erschwernissen, künftigen Berufsunsicherheiten und des Verschleißes an körperlicher Substanz, weil Leichtversehrte in aller Regel voll weiterarbeiten und keinen Vermögensschaden erleiden (bei leichteren Körperschäden hat die Versehrtenrente auf Grund der abstrakten Schadensberechnung nicht selten den Charakter eines Zusatzeinkommens neben dem vollen Entgelt). Schwerversehrte erhalten demgegenüber wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal immer den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt (, m.w.N.). Die Versehrtenrente gebührt - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - somit auch dann, wenn ein Arbeitsunfall zu keinem konkreten Einkommensausfall führt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen gebührt die Rente sohin auch neben einem ungeschmälerten Erwerbseinkommen oder dem Bezug einer Pension (vgl. Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 2.3.3.2.3.1., Müller, ASoK 2001, 382). Die gesetzliche Unfallversicherung behandelt die durch den Unfall hervorgerufene Erwerbsminderung sohin rein abstrakt. Sie wird daher nicht an Stelle einer durch den Arbeitsunfall konkret eingetretenen Schmälerung oder eines konkreten Ausfalles des Entgeltes gewährt. Auch im Extremfall, also wenn durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit die Erwerbsminderung 100 % beträgt, wird die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung neben einer Pension wegen Berufs(Erwerbs-)unfähigkeit gewährt (vgl. ).

Invalidenrente aus der Schweizer Unfallversorgung:

Nach Art. 1a des (Schweizer) Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom (UVG) sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Schweiz beschäftigt sind, obligatorisch in der Schweizer Unfallversicherung versichert. Die obligatorische Unfallversicherung ist eine Personenversicherung, welche sich mit den wirtschaftlichen Folgen von Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten befasst (Art. 6 UVG). Der Arbeitgeber schließt für seine Arbeitnehmer die Versicherung je nach Tätigkeitsbereich entweder bei der SUVA oder einer anderen Unfallversicherungsgesellschaft ab (vgl. http://www.bag.admin.ch/themen/versicherung/00321/00335/index.html?lang=de#sprungmarke0_3).

Wird der Versicherte infolge eines Unfalls zu mindestens 10% invalid, hat er Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG). Eine Invalidität unter zehn Prozent führt zu keinem Rentenanspruch. Der Versicherte hat somit im Invaliditätsfall nicht Anspruch auf eine Rente, die dem vollen Lohnausfall entspricht; er muss einen Teil der Einbuße selber tragen (vgl. http://www.batisec.ch/images/pdf/De/StoppGefahr/Hochbau/Wegleitung_der_Suva_durch_die_Unfallversicherung_D.pdf.; abgefragt am ).

Der Rentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmaßnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind. Der Anspruch erlischt mit der gänzlichen Abfindung, mit dem Auskauf der Rente oder dem Tod des Versicherten (Art. 19 Abs. 1 und 2 UVG).

Die Invalidenrente beträgt bei Vollinvalidität 80% des versicherten Verdienstes; bei Teilinvalidität wird sie entsprechend gekürzt (Art. 20 Abs. 1 UVG).

Renten werden nach dem versicherten Verdienst bemessen. Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Art. 15 UVG).

Beispiel Rentenberechnung:

Jahresverdienst 54.000,00 CHF davon 80% = 43.200,00 CHF

Monatsrente bei einer Invalidität von 50 %: 50 % von 43.200,00 CHF = 21.600,00 CHF : 12 = 1.800,00 CHF

(vgl. https://extra.suva.ch/webshop/50/5032BBD74DA837E0E10080000A630358.pdf; abgefragt am ).

Hat der Verunfallte zusätzlich zur Invalidenrente der Unfallversicherung Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (IV) oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), so hat der Versicherte gegenüber dem UVG-Versicherer nur Anspruch auf eine sogenannte Komplementärrente. Diese entspricht der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und der Rente der IV oder AHV, höchstens aber dem für die Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag (Art. 20 Abs. 2 UVG).

Gemäß Art. 16 des (Schweizer) Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom (ATSG) ist der Invaliditätsgrad aufgrund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen. Dazu wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmaßnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen) in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmäßig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Aus der Einkommensdifferenz lässt sich dann der Invaliditätsgrad bestimmen. Berechnet wird das Valideneinkommen grundsätzlich anhand desjenigen Erwerbseinkommens, welches vor Eintritt der zur Invalidität führenden Gesundheitsschädigung erzielt wurde.

Beispiel:

Validen-Einkommen = erzielbarer Lohn ohne Einschränkungen

Invaliden-Einkommen = erzielbarer Lohn mit Einschränkungen

Herr A könnte ohne Einschränkungen verdienen: 80.000,00 CHF = 100,00%

Herr A könnte mit Einschränkungen verdienen: 50.000,00 CHF = 62,50%

Erwerbseinbuße: 30.000,00 CHF = 37.50% = Invaliditätsgrad

(vgl. http://www.coc-uvg.ch/userportal/KMU/uvg.html#UVG-Invalidenrente; abgefragt am ).

Maßgebend ist, wie stark als Folge der gesundheitlichen Beeinträchtigung die Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Die Gesundheitsschädigung an sich ist nicht maßgebend. Entscheidend sind allein deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten (Art. 7 und 8 ATSG). Nicht der eigentliche Gesundheitsschaden bestimmt den Invaliditätsgrad, sondern die dadurch entstandene finanzielle Einbuße durch Erwerbsunfähigkeit. Oder mit anderen Worten: Invalidität ist wirtschaftlich zu verstehen und nicht medizinisch (vgl. http://www.batisec.ch/images/pdf/De/StoppGefahr/Hochbau/Wegleitung_der_Suva_durch_die_Unfallversicherung_D.pdf; abgefragt am ).

Ergebnis des Vergleiches:

Ungeachtet dessen, ob der im Jahre 1990 im Rahmen seiner Tätigkeit als Betriebsführer im (inländischen) landwirtschaftlichen Betrieb seiner Ehegattin erlittene Unfall in Österreich tatsächlich zu einer Leistung aus der gesetzlichen Unfallversorgung geführt hätte, gelangte das Bundesfinanzgericht zur Ansicht, dass die strittige Invalidenrente von der SUVA nicht mit der inländischen Versehrtenrente vergleichbar ist und deshalb nicht gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 steuerfrei belassen werden kann. Der vom Beschwerdeführer geforderte abstrakte Vergleich zwischen der Invalidenrente aus der Schweizer Unfallversicherung und der österreichischen Versehrtenrente erweist sich schon allein auf Grund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der einzelnen Geldleistungen als nicht zielführend.

Die Versehrtenrente nach dem österreichischen Sozialversicherungsrecht knüpft nicht an einen konkret entstandenen Verdienstentgang an, sondern nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an der Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit; es ist dort bedeutungslos, ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensverlust geführt hat; die Versehrtenrente ist auch dann zu gewähren, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird.

Wer in der Schweiz in erheblichem Maß gesundheitlich beeinträchtig ist, erfüllt die Voraussetzungen für eine Rente nicht immer, denn eine Invalidität wird erst anerkannt, wenn sich die gesundheitlichen Probleme auf die Erwerbsmöglichkeiten oder die Arbeitsfähigkeit im angestammten Aufgabenbereich auswirken (vgl. http://www.proinfirmis.ch/de/subseiten/behindert-was-tun/inhaltsverzeichnis/renten-und-ergaenzungsleistungen/invaliditaetsbegriff-und-invaliditaetsbemessung.html; abgefragt am ). Die SUVA gewährt eine Invalidenrente nur bei bleibenden wirtschaftlichen Unfallfolgen.

Während es sich bei der österreichischen Versehrtenrente um eine Ausgleichszahlung (Schadensersatzleistung) für die Kosten handelt, die versehrte Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall haben, will die Schweizer Unfallversorgung den Erwerbsausfall von verunfallten Arbeitnehmenden abdecken [vgl. http://www.weka.ch/themen/personal/sozialversicherungen/krankheit-unfall/article/obligatorische-unfallversicherung-vorsicht-vor-luecken-und-tuecken/; abgefragt am ). Schweizer Invalidenrenten aus der obligatorischen Unfallversorgung stellen ein Ersatzeinkommen dar. Durch die Invalidenrente wird nicht (primär) ein individueller Schaden ersetzt, sondern der ausgefallene Verdienst (vgl. https://www.ktipp.ch/artikel/d/das-aus-im-beruf/; abgefragt am 8.2.2106). Wie sich aus Art. 19 f UVG ergibt, stellen solche Renten Ersatzeinkommen dar (vgl. http://www.swissblawg.ch/2008/03/5a6312007-iv-renten-der-uv-beschrnkt.html; abgefragt am ). Die obligatorische Unfallversicherung erbringt Invalidenrenten als Ersatz für den ausfallenden Verdienst (vgl. Wegleitung zur obligatorischen Unfallversicherung UVG)].

Damit ist die strittige Invalidenrente mit der inländischen Versehrtenrente aber nicht vergleichbar und war daher der Vorgehensweise des Finanzamtes, die strittige Schweizer Invalidenrente als steuerpflichtigen Bezug zu behandeln, zuzustimmen."

Der im zu beurteilenden Beschwerdefall zuständige Senat des BFG teilt die zur gegenständlichen Streitfrage im obig wiedergegebenen Erkenntnis vom , RV/1100448/2012, vertretene Rechtsmeinung, wonach mangels Vergleichbarkeit einer von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogenen Invalidenrente mit einer aus der österreichischen Unfallversicherung bezogenen Versehrtenrente die Schweizer Invalidenrente gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 nicht als steuerfrei zu behandeln ist. Die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogene Invalidenrente war somit zur Gänze als steuerpflichtig zu werten.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob eine Invalidenrente von der Schweizer Unfallversicherung dem Grunde nach mit der inländischen Versehrtenrente vergleichbar ist, ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärt. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100476.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at