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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.05.2020, RV/7105673/2018

Wirtschaftlicher Arbeitgeber, DBA Kroatien, Inbound Entsendung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer LL.M. in der Beschwerdesache Bf., Adr._Bf., vertreten durch Ernst & Young StB GmbH, Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 zu Recht:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin Bf. (in der Folge "Bf.") wurde im Streitzeitraum 2012 und 2013 von der Bank_Kroatien zur öBank nach Österreich entsandt.

Die Bf. hat im Streitzeitraum sowohl in Österreich (Wohnsitz_Ö), als auch in Kroatien (Wohnsitz_Kroatien) einen Wohnsitz.

Die Bf. hält sich im Jahr 2012 und 2013 jeweils weniger als 183 Tage in Österreich auf.

Der kroatische Arbeitgeber der Bf. bezahlt den Netto-Arbeitslohn an die Bf. aus, verrechnet die Kosten jedoch an die öBank weiter.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und der folgenden Beweiswürdigung:

Dass die Bf. im Streitzeitraum von Kroatien nach Österreich entsendet wurde, ergibt sich aus der Beschwerde der Bf. vom und vom sowie aus den Vorlageanträgen vom .

Dass die Bf. im Streitzeitraum ihren kroatischen Wohnsitz aufrechterhalten hat, ergibt sich aus der aktenkundigen Vorhaltsbeantwortung im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vom .

Der inländische Wohnsitz ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.

Dass sich die Bf. im Streitjahr 2012 weniger als 183 Tage in Österreich aufhielt, ergibt sich aus der aktenkundigen Beschwerde der Bf. betreffend Einkommensteuer 2012 vom . Dass sich die Bf. im Streitjahr 2013 weniger als 183 in Österreich aufhielt, ergibt sich aus der aktenkundigen Beschwerde der Bf. betreffend Einkommensteuer 2013 vom . Dies ist zwischen den Parteien unstrittig.

Dass die Kosten mit Entsendungsbeginn nach Österreich der öBank weiterverrechnet wurden, ergibt sich aus der aktenkundigen Vorhaltsbeantwortung im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vom .

3. Erwägungen

3.1. Zu Spruchpunkt I: Abweisung

In den Jahren 2012 und 2013 hat die Bf. sowohl in Österreich als auch in Kroatien einen Wohnsitz. Die Bf. ist damit in Österreich grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 2 EStG 1988 iVm § 26 Abs. 1 BAO). Zu untersuchen ist, ob das Besteuerungsrecht Österreichs durch das abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Kroatien, BGBl. III Nr. 119/2001 (in der Folge DBA Kroatien) eingeschränkt wird.

Abkommensrechtlich ist Kroatien als Ansässigkeitsstaat zu qualifizieren (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Kroatien). Dies ist zwischen den Parteien unstrittig.

Die einschlägige Verteilungsnorm ist Art. 15 DBA Kroatien (unselbständige Arbeit). Demnach dürfen unselbständige Einkünfte grundsätzlich nur vom Ansässigkeitsstaat, somit Kroatien, besteuert werden, außer die Tätigkeit wird im anderen Staat, somit Österreich, ausgeübt (vgl. Art. 15 Abs. 1 DBA Kroatien). Art. 15 Abs. 1 DBA Kroatien gewährt somit für die Streitjahre grundsätzlich Österreich das Besteuerungsrecht. Denn die unselbständige Tätigkeit wird unstrittig in Österreich ausgeübt.

Art. 15 Abs. 2 DBA Kroatien führt jedoch zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat, wenn folgende drei Kriterien kumulativ erfüllt sind (vgl. auch Lang/Simader, Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Kroatien (2012) Allgemeines zu Art. 15 Abs. 2 MA Rz 2):

a) ein Aufenthalt von insgesamt nicht mehr als 183 Tagen im anderen Vertragsstaat (hier: Österreich);

b) Zahlung der Vergütung durch einen Arbeitgeber, der nicht im anderen Vertragsstaat ansässig ist (hier: Kroatien);

c) kein Tragen der Vergütung durch eine Betriebstätte des Arbeitgebers im anderen Vertragsstaat (hier: Österreich)

Die Bf. führt aus, dass Art. 15 Abs. 2 lit. a und lit. c DBA Kroatien erfüllt seien, weil die Bf. weniger als 183 Tage in Österreich aufhältig war und die Vergütung der Bf. nicht durch eine österreichische Betriebstätte des Arbeitgebers in Österreich getragen wurde. Die Bf. führt weiters aus, dass der wirtschaftliche Arbeitgeber im Sinne der VwGH-Rechtsprechung (vgl. ) nicht anzuwenden und der Arbeitgeberbegriff unter Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 DBA Kroatien unter Rückgriff auf nationales Recht auszulegen sei. Ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates, somit Österreich, läge daher nicht vor.

Grundsätzlich erkennt der VwGH im Zusammenhang mit Art. 15 DBA CSSR, der für den vorliegenden Fall mit dem DBA Kroatien vergleichbar ist, dass Art. 15 Abs. 2 lit. b DBA CSSR und somit auch Art. 15 Abs. 2 lit. bDBA Kroatien abkommensautonom auszulegen ist. Der VwGH erkennt weiters: "Art. 15 Abs. 2 lit. b DBA-CSSR [macht] für einen in Österreich ansässigen Arbeitnehmer mit Einkünften aus einer in der Slowakei ausgeübten Tätigkeit das ausschließliche österreichische Besteuerungsrecht davon abhängig […], dass "die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden", der nicht in der Slowakei ansässig ist. Durch diese Einschränkung soll nach hM sichergestellt werden, dass der Tätigkeitsstaat sein Recht zur Besteuerung auch bei einer unter 183 Tage dauernden Tätigkeit behält, wenn die gezahlte Vergütung den Gewinn eines seiner Steuerhoheit unterliegenden Unternehmens geschmälert hat. Entscheidend ist demnach, dass die Vergütung vom nicht im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber getragen und nicht bloß an den Arbeitnehmer ausbezahlt wird" (vgl. ). Dieses VwGH-Erkenntnis betraf einen sog. Outbound-Fall, also die Entsendung aus Österreich in die Slowakei. Diesem Erkenntnis ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die dort getroffenen Aussagen lediglich auf Outbound-Fälle anzuwenden sind. Das Erkenntnis ist daher auch auf Inbound-Fälle anwendbar (vgl. ; Hummer, BFG zu Inbound-Arbeitskräfteüberlassung, SWK 31/2017, 1305 ff). Denn der VwGH erkennt ganz im Allgemeinen, dass der Tätigkeitsstaat sein Recht zur Besteuerung auch bei einer unter 183 Tage dauernden Tätigkeit behält, wenn die gezahlte Vergütung den Gewinn eines seiner Steuerhoheit unterliegenden Unternehmens geschmälert hat.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass durch die Weiterverrechnung der Kosten des kroatischen Arbeitgebers an den inländischen Beschäftiger der Gewinn eines österreichischen Unternehmens geschmälert wurde. In diesem Fall behält der Tätigkeitsstaat - also Österreich - das Besteuerungsrecht auch bei einer unter 183 Tage dauernden Tätigkeit. Die Vergütungen sind daher im Tätigkeitsstaat und somit in Österreich zu besteuern.

Die Bf. vermeint jedoch, dass die Anwendung der Rechtsprechung des VwGH (vgl. ) auf das Streitjahr 2012 in Hinblick auf den Vertrauensschutz bedenklich sei. Dazu ergibt sich: Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. VfSlg 16.687/2002 mwN). Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg 18.010/2006 mwN). Nur unter besonderen Umständen setzt der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber verfassungsrechtliche Grenzen, so insbesondere, wenn dem Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden muss, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. VfSlg 13.657/1993, 15.373/1998, 16.754/2002 mwN). Vertrauensschutz begründende Umstände können nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Normunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl. VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass der Gesetzgeber in Rechtsansprüche, auf die sich die Normunterworfenen nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe), plötzlich und intensiv nachteilig eingreift (vgl. VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004) oder dass der Gesetzgeber, der Normunterworfene zu Dispositionen veranlasst hat, durch eine spätere Maßnahme diese im Vertrauen auf die Rechtslage vorgenommenen Dispositionen frustriert bzw. ihrer Wirkung beraubt (vgl. VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002).

Im vorliegenden Fall fand für die Streitjahre keine gesetzliche Änderung des DBA Kroatien statt. Ein den Vertrauensschutz begründender Umstand liegt daher nicht vor.

Die Bf. vermeint zudem unter Rückgriff auf Kofler, Rückwirkung und Vertrauensschutz im Abgabenrecht, GES 2014, 182 (185), dass auch die Verwaltungspraxis durchaus geeignet sein könne, einen Vertrauensschutz zu rechtfertigen. Kofler bezieht sich bei den Ausführungen zu Verwaltungspraxis und Vertrauensschutz auf die Frage, ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend wirkt. Der VfGH judiziert hierzu: "Ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend wirkt, hängt also von einer Mehrzahl von Umständen ab, insbesondere von der Klarheit der gesetzlichen Regelung, die durch die rückwirkende Bestimmung geändert wird; weiters davon, welche Verwaltungspraxis - einheitlich - von den Behörden vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde und ob diese im Gesetz Deckung fand. In diesem Zusammenhang kommt der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes maßgebliche Bedeutung zu (vgl. B1560, 1561/88)". Da im vorliegenden Fall keine rückwirkende Änderung des DBA Kroatien stattfand, ist das bloße Abweichen von der Verwaltungspraxis kein Umstand, der den Vertrauensschutz begründet.

Sofern die Bf. auf den Erlass des Bundesministeriums für Finanzen , BMF-010221/0362-VI/8/2014 verweist, so stellt die Bf. selbst klar, dass dieser mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung entfaltet. Nichts anderes ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des VwGH: Allgemeinen Verwaltungsanweisungen, wie z.B. Richtlinien oder Erlässen, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden, wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Finanzamt voraussetzt, bei dem sich allein eine Vertrauenssituation bilden kann (vgl. ). Ausführungen in einem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen können kein schützenswertes Vertrauen der Abgabepflichtigen begründen (vgl. ). Weicht die Behörde von Richtlinien oder Erlässen ab, so kann alleine darin kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erblickt werden, weil die dem BMF nachgeordneten Abgabenbehörden nicht an die Richtlinien gebunden sind. Denn die Richtlinien des BMF sind weder Rechtsquellen, Rechtsverordnungen noch generelle Weisungen (vgl. Tanzer/Unger, BAO6 (2018) 6 mwN).

Zusammenfassend ergibt sich daher im Lichte der Rechtsprechung des VwGH, dass der Tätigkeitsstaat, also Österreich, das Recht zur Besteuerung auch bei einer unter 183 Tage dauernden Tätigkeit behält, wenn die gezahlte Vergütung den Gewinn eines seiner Steuerhoheit unterliegenden Unternehmens geschmälert hat. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Eine allenfalls auftretende Doppelbesteuerung ist vom Ansässigkeitsstaat und damit von Kroatien zu beseitigen (vgl. Art. 23 Abs. 2 DBA Kroatien).

Die Beschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH zum wirtschaftlichen Arbeitgeber (vgl. ) sowie zu Treu und Glauben von allgemeinen Verwaltungsanweisungen (vgl. ). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 15 Abs. 2 lit. b DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 23 Abs. 2 DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 15 DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 15 Abs. 1 DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 15 Abs. 2 DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
Art. 15 Abs. 2 lit. a DBA HR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Kroatien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 119/2001
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105673.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at