Haftung bei Behinderung des Geschäftsführers
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, des Amtsvertreters ***24*** in Beisein der Schriftführerin FOIin ***25*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 3.834,29 statt € 19.445,23 eingeschränkt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer (Bf) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für nachstehende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2*** i.L., Firmenbuchnummer ***3***, ***4***, im Ausmaß von 19.445,23 Euro in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Umsatzsteuer | 3/2007 | 1.401,78 |
Umsatzsteuer | 4/2007 | 3.890,34 |
Umsatzsteuer | 6/2007 | 450,48 |
Umsatzsteuer | 7/2007 | 999,33 |
Umsatzsteuer | 8/2007 | 106,66 |
Umsatzsteuer | 5-7/2007 | 820,00 |
Körperschaftsteuer | 2006 | 876,63 |
Umsatzsteuer | 2005 | 900,00 |
Umsatzsteuer | 2006 | 4.400,01 |
Kapitalertragsteuer (KA) | 2005 | 800,00 |
Kapitalertragsteuer (KA) | 2006 | 4.800,00 |
Summe: 19.445,23
Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis. Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
Lt. Firmenbuch waren sie ab Gründung bis zum unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. ***5***. (FN ***3***), also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten: Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die Jahre 2005 bis 2007 wurde die Umsatzsteuer festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des Zl. 84/13/0198; , Zl. 85/17/0035 und , Zl. 87/14/0148).
Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden. Die Uneinbringlichkeit begründet sich darauf, dass die Gesellschaft nach Abweisung des Insolvenzverfahrens gem. § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit am im Firmenbuch gelöscht wurde. Letztlich wird auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken. Ebenso sind Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen."
Mit dagegen erhobener Beschwerde vom führte der Bf durch seinen Vertreter wie folgt aus:
"Die Haftung des Rechtsmittelwerbers besteht aus folgenden Gründen nicht:
Ich lebe seit 2005 in Österreich. Im Jahr 2005 brauchte ich unbedingt eine Arbeit in Österreich. Da eine unselbständige Beschäftigung seinerzeit für rumänische Staatsangehörige nur mit einer Beschäftigungsbewilligung möglich war und diese nicht bzw. nur sehr schwer zu bekommen war, konnte eine Beschäftigung nur im Wege einer Beteiligung an einem inländischen Unternehmen erfolgen.
Ich war aber zu keiner Zeit operativ für das Unternehmen tätig. In den Jahren 2005 - 2007 hatte ich noch keine ausreichenden Deutschkenntnisse, um überhaupt ein Unternehmen leiten zu können. Der eigentliche Alleininhaber der Gesellschaft und Geschäftsführer ***6***, geb ***7***, führte operativ das Geschäft. Sämtliche geschäftliche Kontakte stellte er her. Er war der Profi im Unternehmen. Er war es, der nach innen und außen praktisch alles organisierte. Mein Aufgabenbereich war lediglich die Durchführung von manuellen Arbeiten im Unternehmen und die Überwachung diverser Arbeiten. Ich hatte nie einen Zugang zu den Geschäftskonten.
Ich war auch niemals zeichnungsberechtigt bei der Hausbank des Unternehmens. Alle diese Finanzangelegenheiten erledigte Herr ***8*** ausschließlich alleine, als wahrer Prinzipal der Gesellschaft. Auch alle Bargeldgeschäfte wurden ausschließlich von ***8*** durchgeführt und überwacht. ***8*** hat sämtliche Rechnungen unterschrieben. In der gesamten Buchhaltung ist keine Unterschrift von mir unter einer Rechnung zu finden.
Im Wissen, dass ich als Teilhaber einer im Firmenbuch eingetragenen Person auch Verantwortungen habe, ermahnte ich Herrn ***8*** immer wieder, dass er offene Verbindlichkeiten auch vor der Finanzverwaltung zu begleichen hat.
Ich war als Ausländer zur damaligen Zeit nicht in der Lage, mich gegenüber ***8*** derart behaupten zu können, dass ich auch die Finanzgebarung zumindest teilweise übernehmen konnte. ***8*** war der eigentliche und einzige Chef im Unternehmen.
Ich bekam nie Zutritt zu den Büroräumlichkeiten des Unternehmens, das sich im eigenen Haus des Herrn ***8*** befand. Er schloss mich von der Buchführung aus und gewahrte mir auch kein Bucheinsichtsrecht.
Ferner wird ausgeführt, dass ***8*** Inhaber vieler Firmen war, die auch im Firmenbuch eingetragen waren.
Auch aus diesen Gründen, weil ***8*** seinen Verpflichtungen der Zahlung der FA-Schulden nicht nachkam und weil er mich meiner Verpflichtung zur Kontrolle und Nachschau der Finanzgebarung regelrecht ausschloss, habe ich die GF-Tätigkeit zurückgelegt und auch die Geschäftsanteile verkauft.
Erst nach dem Austritt, also im Jahr 2008 war ich ein paarmal im Büro.
Ferner kann vom Unternehmenssteuerberater ***9*** bestätigt werden, dass die operative Führung ausschließlich von ***8*** erfolgte.
***8*** hat mich als Arbeiter und Arbeitsorganisator benutzt. Mein Aufgabenbereich unter Ausschluss sämtlicher operativer Agenden war von ***8*** schon im Zeitpunkt der Errichtung, also schon im Zeitpunkt meiner Gesellschaftsbeteiligung so vereinbart und ganz offensichtlich, sodass dieser Umstand auch von den Vertragserrichtern bestätigt werden kann.
Zum gesamten Vorbringen wird die Ausforschung und Ladung nachstehender Zeugen beantragt:
***10***, ***11***, ***12***, geb ***13***, ***14***, geb ***15***, ***16*** geb ***17***, ***18***, Steuerberater, ***19***, ***20***.
Ferner möge die Rechtsmittelbehörde ausforschen, wer bei der Hausbank ***21*** zum Firmenkonto zeichnungsberechtigt war und wer die Bankgeschäfte getätigt hat. Ebenso wird die Ausforschung beantragt, bei welchen Unternehmen ***22*** als Gesellschafter und Geschäftsführer tätig war.
Es wird vor der mündlichen Verhandlung ein größeres Konvolut von Bankunterlagen vorgelegt werden und zwar zum Beweis dafür, dass ***8*** alle Bankgeschäfte alleine abwickelte und jeden anderen davon ausschloss. Diese Unterlagen werden augenblicklich vom Steuerberater beigeschafft und zur mündlichen Verbandlung aufbereitet.
Es wird gestellt der Antrag,
1. die Rechtsmittelbehörde möge unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und aussprechen, dass die Haftung des Rechtsmittelwerbers für die Abgabenschuldigkeiten der Firma ***8***, FN ***3***, ***4***, nicht besteht;
2. hilfsweise aber unter Aufhebung des Bescheides die Verwaltungssache an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab.
Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:
"Am wurden Sie für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Fa. ***23***. als Geschäftsführer dieser Firma für den abgabenrelevanten Zeitraum zur Haftung herangezogen. Sie waren aktenkundig ab der Gründung dieser Unternehmung bis handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Firma.
In Ihrer Beschwerde führen Sie nun aus, dass der "eigentliche Alleineigentümer der Gesellschaft und Geschäftsführer ***6*** die operativen Geschäfte führte", ihr Aufgabenbereich wäre lediglich die Durchführung von manuellen Arbeiten im Unternehmen sowie die Überwachung diverser Arbeiten gewesen. Sie hätten nie Zugang zu den Geschäftskonten gehabt und Sie wären niemals für die Konten der Hausbank zeichnungsberechtigt gewesen. Alle finanziellen Angelegenheiten hätte Herr ***8*** alleine erledigt.
Sie führen darin weiters aus, dass Sie als Ausländer von Beginn Ihrer Tätigkeit gegenüber ***8*** nicht in der Lage gewesen wären, sich derart zu behaupten, dass Sie auch die Finanzgebarung hätten übernehmen können. Sie wären von der Buchführung ausgeschlossen gewesen und hätten auch kein Bucheinsichtsrecht gehabt.
Sie führen weiters aus, dass aufgrund der Nichterfüllung der Verpflichtungen des ***8*** gegenüber der Abgabenbehörde und da Sie von ihm von der Kontrolle und Nachschau ausgeschlossen worden wären, Sie im Jahr 2008 die Geschäftsführung von sich aus zurückgelegt hätten.
Über die Beschwerde wird wie folgt erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzung nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sie sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben aber insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, ordnungsgemäß entrichtet werden.
Abgaben sind i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO uneinbringlich, wenn Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Primärschuldners erfolglos waren oder voraussichtlich sein werden (). Die Uneinbringlichkeit bei der Fa. ***23***. steht objektiv fest und wird von Ihnen auch nicht bestritten.
Sie waren ab der Gründung bis als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Wahrnehmung aller abgabenrechtlichen Verpflichtungen dieser Unternehmung verantwortlich. In diesen Zeitraum fallen auch die im gegenständlichen Haftungsbescheid ausgewiesenen Fälligkeiten dieser Abgaben. Maßgebend für die Haftungsinanspruchnahme ist stets, bis zu welchem Zeitpunkt die Abgaben fällig gewesen sind, auch wenn sie erst später festgesetzt werden.
Einem handelsrechtlichen Geschäftsführer obliegt die Wahrnehmung sämtlicher Interessen, Aufgaben und Verpflichtungen einer Gesellschaft, schon allein aufgrund der gesetzlichen Grundlage. Wird aber ein Geschäftsführer in der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert, muss er sofort bei Verwirklichung und Andauern der Behinderungen seine Geschäfte zurücklegen, um nicht weiterhin haftungspflichtig aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zu werden.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben umfassen die Jahre 2005 - 2007. Sie erklären, dass Sie von Beginn Ihrer Tätigkeit an der Ausübung der Geschäfte behindert worden wären, somit hätten Sie spätestens vor der Fälligkeit der Umsatzsteuer 2005 am die Geschäftsführung zurücklegen müssen, um nicht abgabenrechtlich haften zu müssen. Da Sie aber die Geschäftsführertätigkeit erst am , also nach Fälligkeit der haftungsrelevanten Abgaben, zurückgelegt haben, haften Sie für die Abgaben dieser Gesellschaft allein aufgrund der gesetzlichen Stellung als Vertreter. Durch diese Nichtzurücklegung der Geschäftsführung liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung begründet, die die Voraussetzung für die Haftung gem. § 9 BAO darstellt und die ursächlich für den Abgabenausfall war.
Die im Rahmen der Beschwerde beantragten Zeugeneinvernahmen erachtet die Abgabenbehörde im Rahmen des Gebots der freien Beweiswürdigung als zur Klärung der Sachlage nicht mehr als erforderlich, da der maßgebliche Sachverhalt eindeutig bestimmt ist und die rechtliche Würdigung sich diesfalls ebenfalls eindeutig ableiten lässt.
Es bestünde auch die Möglichkeit, dass ***8*** bei Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen ebenfalls zur Haftung herangezogen werden könnte. Diesfalls haften aber Sie weiterhin, und zwar als Gesamtschuldner.
Die Geltendmachung der Haftung liegt auch im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt, sah sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall auf das Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen. Die Haftung besteht daher zu Recht."
Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf durch seinen Vertreter die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Die Rechtsauffassung des Finanzamtes sei völlig verfehlt. Aus dem gesetzlich geforderten Verschulden mache die belangte Finanzbehörde eine Erfolgshaftung.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.
Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der***2***stand spätestens mit der amtswegigen Löschung der Gesellschaft am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit fest ().
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.
Bestritten wurde die Rechtmäßigkeit der Haftung aus dem Grunde, dass der eigentliche Alleininhaber der Gesellschaft und Geschäftsführer ***22***, operativ das Geschäft geführt habe.
Dem ist entgegen zu halten, dass der Bf laut Eintragung im Firmenbuch im genannten Zeitraum einziger Geschäftsführer der Gesellschaft war und seine Stammeinlage € 31.500,00 (***22***€ 3.500,00) betrug.
Nach der ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Fall der Behinderung des bestellten Geschäftsführers durch Dritte treffen den Geschäftsführer, der sich eine solche Behinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten gefallen lässt, die Folgen seiner Willfährigkeit (; , 2001/13/0168; , 99/14/0278; , 2003/14/0097; , 96/14/0076; , 2001/14/0205).
Aus welchen Gründen der Bf den nötigen Widerstand nicht entgegen setzte, ist ohne rechtliche Bedeutung. Dass er ohne seine Zustimmung zum Geschäftsführer bestellt worden oder zurechnungsunfähig gewesen wäre, hat der Bf nie behauptet. Als bestellter Geschäftsführer hatte er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen, wobei ein Zuwarten durch 6 Monate jedenfalls als zu lang anzusehen ist (). Hat er das nicht getan, dann muss er die Konsequenzen tragen.
Das Einverständnis eines handelsrechtlichen Geschäftsführers, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren und somit keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der Gesellschaft auszuüben, befreit nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten. Die Untätigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers führt zu einem Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der handelsrechtliche Geschäftsführer Grund hatte zu zweifeln, ob der faktische Geschäftsführer ordnungsgemäß vorgeht (; , 2003/14/0097).
Zum Antrag auf Ausforschung von Zeugen, Zeichnungsberechtigung und Abwicklung der Bankgeschäfte ist zu bemerken, dass die Behörde nicht verpflichtet war, Erkundungsbeweise aufzunehmen (; , 2009/13/0078) und somit durch die Aufnahme von Beweisen den Sachverhalt erst zu erforschen.
Dem Haftungsbescheid sind Abgabenbescheide vorangegangen, daher ist es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () im Verfahren über die Heranziehung des Bf zur Haftung verwehrt, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen.
Allerdings wurden die haftungsgegenständliche Körperschaftsteuer 2006 in Höhe von € 876,63, Umsatzsteuer 2005 in Höhe von € 900,00, Umsatzsteuer 2006 in Höhe von € 4.400,01, Kapitalertragsteuer 2005 in Höhe von € 800,00 und Kapitalertragsteuer 2006 in Höhe von € 4.800,00 aufgrund einer Betriebsprüfung mit Bescheiden vom und somit nach dem Ausscheiden des Bf als Geschäftsführer vorgeschrieben.
Aus dem dem Haftungspflichtigen eingeräumten Beschwerderecht ergibt sich allerdings, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist (), und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches (vgl. ; , 2000/16/0227; , 2011/16/0188). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes zu erfolgen (vgl zB Ellinger/ Wetzel, BAO, 194). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (Ritz, BAO6, § 248 Tz 8; ; Stoll, JBl 1982, 9).
Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, so liegt infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (zB ; , 2013/16/0165).
Nach der Aktenlage erfolgte eine solche Bekanntmachung weder durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch noch durch Mitteilung des Bescheidinhaltes, sodass der Beschwerde hinsichtlich dieser Abgaben stattzugeben war.
Hinsichtlich der verbleibenden Abgaben ist darauf hinzuweisen, dass nach Lehre und Rechtsprechung die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt ist, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben wurden spätesten am fällig, sodass bei personenbezogener Wirkung von Unterbrechungshandlungen mit Ablauf des Jahres 2012 die Einhebungsverjährungsfrist nach § 238 BAO abgelaufen wäre. Bereits am erging der Beschluss des Handelsgerichtes Wien auf Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens.
Die Erlassung eines Haftungsbescheides ist eine Einhebungsmaßnahme; sie ist daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist nach § 238 BAO zulässig ().
Anlässlich der Abkehr vom Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung und Bekenntnis zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 91/13/0037, 0038, auch ausgesprochen, dass es umso wichtigere Obliegenheit der behördlichen Ermessensübung bleibe, den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen und aus dieser Beurteilung der Rechtslage, zumal auch hinsichtlich des Elementes der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit, resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten.
Auch mit Erkenntnis vom , 2006/13/0159, führt der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zuvor zitierte Erkenntnis aus, dass die Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit zur Hintanhaltung von Unbilligkeiten bei der Ermessensübung nicht ohne weiteres außer Betracht gelassen werden darf.
Daher wurde der Obliegenheit, angesichts lange verstrichener Zeit resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten, in der Folge auch in zahlreichen Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates (; ; ; ; ) insofern Rechnung getragen, als die Haftung im Rahmen der Ermessensentscheidung aufgehoben wurde.
Nach der Entscheidung des , etwa erschien in Abwägung der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe bei einem Zuwarten zwischen Feststehen der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und Ergehen des Haftungsbescheides von etwa 5 Jahren und dem gegenüber stehenden festgestellten Verschulden des Bf als alleiniger Geschäftsführer an der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben eine Einschränkung des Haftungsbetrages auf 50% gerechtfertigt.
Dieser Ermessensübung folgend erscheint eine Berücksichtigung der angesichts lange verstrichener Zeit (nunmehr beinahe 13 Jahre ab Fälligkeit bzw. 10 Jahre ab Uneinbringlichkeit) resultierenden Unbilligkeit im Ausmaß von 50% als geboten, sodass die Haftung auf folgende Beträge eingeschränkt wird:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Umsatzsteuer | 3/2007 | 700,89 |
Umsatzsteuer | 4/2007 | 1.945,17 |
Umsatzsteuer | 6/2007 | 225,24 |
Umsatzsteuer | 7/2007 | 499,66 |
Umsatzsteuer | 8/2007 | 53,33 |
Umsatzsteuer | 5-7/2007 | 410,00 |
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***2*** im Ausmaß von € 3.834,29 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102982.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at