Zulässigkeit einer Wurzelberichtigung gem. § 28 Abs. 7 EStG 1988 im Jahr 2010
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BOD Steuerberatungs-GmbH, Europastraße 5, 6322 Kirchbichl,, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffendBerichtigung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom gem. § 293b BAO erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Der Beschwerdeführer erzielt u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Zuge einer die Jahre 2011-2014 umfassenden, im Jahr 2016 durchgeführten Außenprüfung wurde ua festgestellt, dass in Bezug auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Einrichtungsgegenstände seit dem Jahr 2007 über eine zu kurze Nutzungsdauer abgeschrieben wurden (Tz 2 des Bp-Berichtes).
Diese Feststellung nahm das Finanzamt zum Anlass, eine sogenannte Wurzelberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 durchzuführen und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom mit Bescheid vom gem. § 293b BAO entsprechend zu ändern.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe der steuerlichen Vertretung vom Beschwerde erhoben, mit der Begründung, dass nach dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2100388/2013, die Neuregelung der Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erst mit in Kraft gesetzt worden sei und die Anwendung dieser Regelung für Sachverhalte vor dem Jahr 2013 zu einem unzulässigen Eingriff in die materielle Einkommensbesteuerung der Vorjahre führen würde.
Das Beschwerdeverfahren wurde zunächst gem. § 271 Abs. 1 BAO ausgesetzt und erließ die Abgabenbehörde in weiterer Folge am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorliegen würden und gem. § 28 Abs. 7 EStG 1988 i.d.F. BGBI. I Nr. 112/2012 der § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sinngemäß auch auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzuwenden sei.
Gemäß § 124b Z 225 EStG 1988 i.d.F. BGBI I Nr. 112/2012 sei § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 mit in Kraft getreten und erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeitraume ab 2003 betreffen würden.
Mit dem AbgÄG 2015 BGBI I Nr. 163/2015 sei § 124b Z 225 EStG 1988 dahingehend abgeändert worden, dass § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 bzw. § 28 Abs. 7 EStG 1988 mit in Kraft treten und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden sind, die Veranlagungszeitraume ab 2003 betreffen.
Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage handle es sich hierbei um eine Klarstellung. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , Ra 2016/15/0026, ausgesprochen, dass im Falle der Anwendbarkeit des § 124b Z 225 EStG 1988 die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 auch für vor dem Jahr 2013 liegende Jahre anzuwenden sei. Auf Grund der Änderung des § 124b Z 225 EStG 1988 durch BGBl I Nr. 163/2015 und der hierzu ins Treffen geführten VwGH-Rechtsprechung sei die Berichtigung gem. § 28 Abs. 7 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 daher rechtlich gedeckt.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung ergänzend vorgebracht, dass nicht bestritten werde, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Wurzelberichtigungen auch für vor dem Jahr 2013 liegende Jahre vorzunehmen seien. Bestritten werde jedoch der Zeitpunkt, in dem die Berichtigung erstmals vorgenommen werden dürfe. Nach dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2100388/2013, könne eine Wurzelberichtigung erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2013 vorgenommen werden, da die diesbezügliche Rechtsvorschrift erst mit in Kraft getreten sei, weshalb die Vornahme einer Wurzelberichtigung im Jahr 2010 unzulässig sei, da andernfalls eine Rechtsvorschrift rückwirkend angewandt würde, was wiederum verfassungsrechtlich unzulässig sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren ausschließlich, ob unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundsätze die Abgabenbehörde berechtigt war, die Wurzelberichtigung im Jahr 2010 vorzunehmen. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass diese Bestimmung erst am in Kraft getreten und daher für das Veranlagungsjahr 2010 keine Wurzelberichtigung vorgenommen werden dürfe.
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 lautet wie folgt:
"Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:
- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.
- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung."
Gemäß § 28 Abs. 7 EStG 1988 gilt § 4 Abs. 2 Z 2 in Bezug auf die Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- und Abschlägen sinngemäß.
Mit dem AbgÄG 2015 (BGBl. I Nr. 163/2015 ) wurde der § 124b Z 225 EStG 1988 dahingehend geändert, dass § 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012 (AbgÄG 2012), mit in Kraft treten und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 mit Beschluss vom , E 2108/2019-15, ausgesprochen, dass selbst wenn der Bestimmung der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG materiell-rechtlicher Charakter zuzumessen wäre, der Gleichheitssatz deren Anwendung auf die ab Inkrafttreten durchgeführten Veranlagungen der Zeiträume ab 2003 nicht entgegen stehe, da die Vorschrift in den Fällen der Bilanzberichtigung doch - je nach Sachlage zugunsten wie auch zulasten des Steuerpflichtigen - der Erzielung einer richtigen Totalgewinnbesteuerung diene, die jener entsprechen solle, wenn die Bilanz von vornherein richtig erstellt worden wäre. Vor diesem Hintergrund begegne auch die mit dem AbgÄG 2015 (BGBl. I 163/2015 ) erfolgte Neufassung des § 124 b Z 225 EStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Damit ist die Streitfrage aber entschieden, weshalb der in der Beschwerde geäußerten Rechtsauffassung nicht gefolgt werden kann.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die Streitfrage durch die zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes geklärt ist, ist eine Revision nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 271 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 28 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 124b Z 225 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100407.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at