Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.06.2020, RV/7100813/2016

Kein Familienbeihilfenanspruch bei einmonatiger Rechtshörerschaft nach Abschluss eines Studiums und vor Beginn eines weiteren Studiums.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für August 2015 zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer (Bf) für seinen näher bezeichneten Sohn geb. ***1*** für den im Spruch bezeichneten Monat während dessen Rechtshörerschaft (einmonatiges Praktikum) bei einer näher bezeichneten Staatsanwaltschaft Anspruch auf Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) hat.

Der gegenständlich angefochtene Bescheid (im Spruch näher bezeichnet) wurde begründet wie folgt:

"Sie sind verpflichtet, diesen Betrag gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 zurückzuzahlen. Zwischen Abschluss eines Studiums und Beginn einer weiteren Berufsausbildung besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe."

In der im Spruch angeführten gegenständlichen Beschwerde wandte der Bf ein, dass das Rechtspraktikum bei der näher bezeichneten Staatsanwaltschaft im oben im Spruch angeführten beschwerdegegenständlichen Bescheid nicht berücksichtigt worden sei.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom führte das Finanzamt (FA) folgendermaßen aus:

"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Absatz 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) genannten Voraussetzungen zu.

Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt.

- Zeiten der Berufsausbildung bzw. -fortbildung

- Zeiten zwischen den Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung

- Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung.

Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht zwischen der Beendigung der Schulbildung (Gymnasium, HAK, HLW, HTL usw.) und einer Berufsausbildung (Lehre, Studium, etc.). Nicht jedoch zwischen der Beendigung einer Berufsausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung.

Das Rechtspraktikantengesetz spricht von einer Fortsetzung der Berufsausbildung während der Gerichtspraxis. Die Gerichtspraxis beginnt mit dem im Zulassungsbescheid festgesetzten Monatsersten. Die Ausbildung dauert 5 Monate. Ihr Sohn hat das Masterstudium Wirtschaftsrecht an der näher bezeichneten Universität am abgeschlossen. Mit der Gerichtspraxis hat er am begonnen. Für August 2015 besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe. Aus oben angeführten Gründen war Ihrer Beschwerde der Erfolg zu versagen."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vom führte der Bf aus wie folgt:
"Gemäß § 2 Absatz 1 lit. b FLAG 1967 steht die Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden zu, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Da der Sohn die Ausbildung zum Staatsanwalt anstrebt, stellt die Tätigkeit als Rechtshörer bei der näher bezeichneten Staatsanwaltschaft einen Teil der Ausbildung dar, schließlich ist im Zuge der Ausbildung zum Richteramtsanwärter eine Zuteilung bei der Staatsanwaltschaft nicht vorgesehen, sodass die notwendigen Erfahrungen dafür durch die Möglichkeit einer Rechtshörerschaft gesammelt werden können. Die Berufsausbildung war demnach im Monat August nicht beendet. Jenes einmonatige Praktikum ist zudem unentgeltlich, sodass der Sohn nicht selbsterhaltungsfähig gewesen ist.
Darüber hinaus betreibt der Sohn weiterhin an der näher bezeichneten Universität das Bachelorstudium der Betriebswirtschaft. Eine Versagung der Familienbeihilfe ist in der Folge nicht nachvollziehbar, wird sie doch in den Monaten Juli bis September auch während des Studiums gewährt. Eine Differenzierung zwischen Erst- und Zweitstudium sieht das Gesetz allerdings nicht vor, sodass vor Vollendung des 25. Lebensjahres jedenfalls Familienbeihilfe zusteht, wenn sich der Studierende weiterhin in einer für die Berufsausbildung essentiellen Ausbildung befindet.
Sinn und Zweck der Familienbeihilfe ist die Entlastung der Familie insofern, als ein Kind im Zuge der Ausbildung nicht fähig ist, sich selbst zu erhalten. Sofern die Ausbildung nicht unverhältnismäßig hinausgezögert wird (durch beispielsweise unverhältnismäßig lange Studiendauer), ist für die Entlastung der Familie zu sorgen.
Zusammenfassend wurde die Berufsausbildung mit Ende Juli nur zum Teil beendet, sodass der Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des FLAG 1967 weiterhin besteht. Ebenfalls wurde eine weitere Berufsausbildung bereits Anfang August aufgenommen, womit eine Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, dass zwischen der Beendigung einer Berufsausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung kein Anspruch auf FB besteht, nicht gerechtfertigt werden kann.
Ich wende mich daher mit der Bitte um Anerkennung der Familienbeihilfe für den Monat August an Sie."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt aus wie folgt:

"§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 (Rückforderung) § 2 Abs. 1 FLAG 1967 (Berufsausbildung). Zwischen Ende Studium (Wirtschaftsrecht) am und Beginn Gerichtspraxis am war das "Kind" Rechtshörer.
Der Antragsteller begehrt die Familienbeihilfe auch für den Zwischenzeitraum 08/2015, in dem das "Kind" Rechtshörer war. Dies gelte lt. Bf als Weiterführung der Ausbildung. Dieses Praktikum sei unentgeltlich, weswegen keine Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sei. Zudem studiere das Kind Betriebswirtschaft weiter.
Stellungnahme: Die Rechtshörerschaft ist freiwillig und stellt keine Berufsausbildung dar, sie ist auch kein Erfordernis für ein Gerichtspraktikum. Auch das Weiterstudieren des Zweitstudiums ändert daran nichts, handelt es sich hierbei wohl um einen schädlichen Studienwechsel (bisheriges Zweitstudium wird zum Hauptstudium)."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht geht vom grundsätzlich unstrittigen oben angeführten Sachverhalt laut Aktenlage aus.

Rechtsgrundlagen

§ 2. Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idgF:

1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,


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a)
für minderjährige Kinder,
b)
für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

Erwägungen

Zu Spruchpunkt I.

Die ausführlichen o.a. Begründungen des Finanzamtes in der BVE und im Vorlagebericht des Finanzamtes an das Bundesfinanzgericht, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen hier verwiesen wird, sind ausdrücklich auch Begründungsteile des gegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.

Ad den Beschwerdevorbringen des Bf. wird weiters entgegnet:
Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. In aller Regel wird eine Begleitung bzw ein Abschluss in Form von Prüfungen erfolgen. ( Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs 1 lit b-l) [Rz 35, 37].) Da beispielsweise (selbst) diese angeführten Mindestvoraussetzungen für Berufsausbildung im gegenständlichen Monat bei der Rechtshörerschaft nicht erfüllt sind, ist die gegenständliche Beschwerde mangels Erfüllens des Tatbestandes einer Berufsausbildung bereits aus diesem Grund abzuweisen.


Dieses Praktikum ist keine berufsspezifische Ausbildung, deren Absolvierung zur Ausübung eines bestimmten Berufes befähigt. Das Sammeln von Erfahrungen, Aneignen von Fertigkeiten oder eines bestimmten Wissensstandes kann für sich allein nicht als Berufsausbildung gewertet werden. Grundlegende Kriterien einer Berufsausbildung, wie ein genau umrissenes Berufsbild, ein zur Praxis begleitender Unterricht, eine festgelegte Ausbildungsdauer bzw das Ablegen von Prüfungen, müssen erfüllt werden. Im Falle des vom Sohn des Bf absolvierten einmonatigen Praktikums zwischen einem abgeschlossenen Studium im Juli des gegenstdl. Jahres und dem Beginn eines weiteren näher bezeichneten Studiums im darauffolgenden Herbst sind diese Voraussetzungen iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 idgF für Berufsausbildung und den allenfalls daraus resultierenden Anspruch auf Familienbeihilfenbezug für diesen Monat nicht erfüllt. In diesem Monat wurde der Sohn des Bf nicht für einen speziellen Beruf ausgebildet. Nicht entscheidungsrelevant ist die Tatsache, dass die in diesem Praktikum vom Sohn des Bf sicherlich gesammelten Erfahrungen für ein weiteres Studium bzw für seine künftige Berufslaufbahn von Nutzen sein könnten. (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs 1 lit b-l) [Rz 45 zu bspw Berufsorientierungsseminar].

Insgesamt handelt es sich beim gegenständlichen Praktikum bei der näher bezeichneten Staatsanwaltschaft im Monat August des gegenständl. Jahres nicht um eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 idgF. Darüber hinaus besteht zwischen Abschluss eines Studiums und Beginn eines weiteren Studiums kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Weiters liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts wie auch des Finanzamtes bei Beginn des neuen Studiums im Herbst des gegenständlichen Jahres ein für den Anspruch auf Familienbeihilfenbezug schädlicher Studienwechsel vor. In diesem Zusammenhang wird überdies auf die strikten zeitliche Reglementierung der Studienzeiten im Sinne des § 2 Abs 1 lit b hingewiesen, die für die Berufsausbildung durch ein (zu absolvierendes) Studium zwecks Anspruchsberechtigung auf Familienbeihilfe und Kindergeld eindeutige Zeitbegrenzungen vorsieht.

Aus genannten Gründen liegt im Beschwerdemonat August 2015 keine Berufsausbildung des Sohnes des Bf iSd § 2 FLAG 1967 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung vor. Die gesetzlich determinierten Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind im Beschwerdezeitraum nicht erfüllt.

Zu Spruchpunkt II.
Nichtzulassen der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis der hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100813.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at